Heute in den Feuilletons

Mit Freunden zu einem Hunde-Essen

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
30.12.2013. Tobias Schwarz erinnert in den Netzpiloten an eine Niederlage der Öffentlichkeit im Jahr 2013 - die Verabschiedung des Leistungsschutzrechts. Für die taz porträtiert Gabriele Goettle Berlins berühmte Obdachlosenärztin Jenny De la Torre. Die Welt empfiehlt dringend einen Besuch bei Eva Hesse und Gertrud Goldschmidt in der Hamburger Kunsthalle. Die SZ ist empört über Europas schmutzige Flüchtlingspolitik. Und eine Insiderin wirft Martin Scorsese vor, dass er den Wolf der Wall Street glorifiziert.

TAZ, 30.12.2013

An diesem letzten Montag im Monat besucht Gabriele Goettle Berlins berühmte Obdachlosenärztin Jenny De la Torre: "Jenny De la Torre ist keine reiche Erbin und sie ist auch keine besoldete Armenärztin. Sie hat sich in das unwägbare Abenteuer gestürzt, ihr Projekt mit Hilfe von Spenden und engagierten Helferinnen und Helfern eigenständig zu realisieren. Seit 7 Jahren mit Erfolg. Inzwischen verfügt sie über eine mehr als 20 Jahre umfassende Erfahrung als Armenärztin, ihre Obdachlosenarbeit hat in Deutschland Maßstäbe gesetzt."

Weiteres: Rudolf Balmer berichtet, dass Frankreich eine zweite Frau für das Pantheon sucht, in das bisher nur Marie Curie Eingang gefunden hat. Anja Meier bespricht Nadine Ahrs Demenz-Buch "Das Versprechen".

Auf den Tagesthemenseite beschreibt Jürgen Gottschlich das politische Drama in der Türkei als Machtkampf zwischen den zwei islamischen Lagern von Tayyip Erdogan und Fetullah Gülen.

Und Tom.

Weitere Medien, 30.12.2013

Cristina McDowell, Tochter des Wall-Street-Betrügers Tom Prousalis, hat in der LA Weekly einen Offenen Brief an Martin Scorsese, Leonardo di Caprio und die "Könige von Hollywood" veröffentlicht, in dem sie Scorsese vorwirft, in seinem neuen Film "Wolf of Wallstreet" Anlagebetrüger wie ihren Vater zu glorifizieren: "So here's the deal. You people are dangerous. Your film is a reckless attempt at continuing to pretend that these sorts of schemes are entertaining, even as the country is reeling from yet another round of Wall Street scandals. We want to get lost in what? These phony financiers' fun sexcapades and coke binges? Come on, we know the truth. This kind of behavior brought America to its knees. And yet you're glorifying it -- you who call yourselves liberals. You were honored for career excellence and for your cultural influence by The Kennedy Center, Marty. You drive a Honda hybrid, Leo. Did you think about the cultural message you'd be sending when you decided to make this film?"

NZZ, 30.12.2013

Als wohltuende Abwechslung vom globalisierten Kuratorencocktail empfiehlt Samuel Herzog die Singapore Biennale "If the world changed": "Viele Arbeiten dieser Biennale sind sehr persönlich und erzählerisch. Jainal Amambing erinnert sich in berührenden Bildern, die wie Illustrationen aus einem Kinderbuch wirken, an seine frühesten Jahre in einem malaysischen Langhaus - und wie er dort alles lernte, was es für das Überleben in dieser ländlichen Umgebung braucht: wie man ein Huhn einfängt, Körbe flicht oder für Gäste tanzt. Einen anderen Alltag hat Carlo Villafuerte zu einem leuchtenden Teppich vernäht: Wir sehen den Vater, wie er mit seinen Kindern spielt, zur Arbeit fährt oder sich mit Freunden zu einem Hunde-Essen trifft." (Foto: "The Magic Buffalo" von Jainal Amambing)

Weiteres: Urs Schoettli umreißt die glopalpolitischen Folgen von Chinas Aufstieg zur Hegemonialmacht. Besprochen werden Hirokazu Kore-edas Film "Like Father, Like Son" und die neue Dauerausstellung im Wiener Arnold-Schönberg-Center.

Aus den Blogs, 30.12.2013

Tobias Schwarz erinnert in den Netzpiloten an eine Niederlage der Öffentlichkeit im Jahr 2013 - das Jahr, in dem das Leistungsschutzrecht für Presseverlage erlassen wurde: "Schon in den Ausschüssen zeigte sich, dass die Regierungsparteien CDU/CSU und FDP sich nicht gegen die Wünsche der Presseverlage wehren werden - besonders nicht in einem Wahljahr. Da störte es auch nicht, dass der Gesetzesentwurf sogar noch drei Tage vor der entscheidenden Plenumsitzung im Bundestag nahezu komplett verändert wurde. Der finale Entwurf sprach dann eine deutliche Sprache: nicht der Journalismus, sondern die Geschäftsmodelle sollten geschützt werden, so wie es Experten seit Jahren befürchteten."

Welt, 30.12.2013

Hans-Joachim Müller bewundert bei Eva Hesse und Gertrud Goldschmidt, die in der Hamburger Kunsthalle ausgestellt werden, den "skizzenhaft handschriftliche Umgang mit Modulen und Progressionen" und erläutert dies am an einem Werk der früh verstorbenen Hesse: "Wenn Hesse 50 Röhren, die aus Glasfaser und Polyesterharz gegossen sind, an die Wand lehnt, dann hat jede ihre eigene Neigung. Es sieht aus, als sei der Wind durch welkes Gras gefahren und Halm um Halm unter der Erschütterung erstarrt."


Weitere Artikel: Dankwart Guratzsch zieht eine recht positive Bilanz der IBA 2013 in Hamburg-Wilhelmsburg. Matthias Heine berichtet, dass immer mehr chinesische Wörter Aufnahme ins Oxford English Dictionary finden. Andreas Rosenfelder lästert über die von Cicero (leider nicht online) publizierte Liste der 500 angeblich wichtigsten Intellektuellen Deutschlands.

FAZ, 30.12.2013

Eleonore Büning porträtiert Klaus Wemhoff, der als Chefmoderator von Klassikradio Millionen von Taxifahrern für den Verkehr beschwichtigt. Überhaupt war das Schlimmste an dem 1990 gegründeten Sender die Reaktion der Öffentlich-Rechtlichen, meint sie: "Man sah darin Pest und Cholera der klassischen Musikkultur, verspottete Wemhoff und Kollegen als korrupte Contentweichspülmaschinen und empörte sich darüber, wie sie großartige Kunstschöpfungen in Appetithappen zerlegten. Dann, ab Ende der Neunziger, wurde Klassik Radio zum geheimen Vorbild."

Weitere Artikel: Von den Überwachungsprogrammen der NSA ist Andrea Diener nicht ganz so überrascht wie von denen Indiens und Chinas, die ihr beim Hamburger Chaos Communication Congress beschrieben wurden. Wiebke Hüster diagnostiziert eine internationale Krise des Tanztheaters.

Besprochen werden die große Malewitsch-Schau im Amsterdamer Stedelijk Museum ("eine Sensation und ein Ärgernis zugleich", findet Noemi Smolik), die Ausstellung "Nanna. Anselm Feuerbachs Elixier einer Leidenschaft" im Museum Wiesbaden, ein Jubiläumskonzert für den aserbeidschanischen Komponisten Faradsch Karajew im Moskauer "Studio für neue Musik" und Bücher, darunter Klaus Theweleits "Pocahontas II" (mehr in unserer Bücherschau heute ab 14 Uhr).

SZ, 30.12.2013

Alex Rühle erkundigt sich, wie weit die nach dem Flüchtlingsunglück vor Lampedusa angekündigten Maßnahmen gediehen sind. Über das Ergebnis - im wesentlichen verbesserte Grenzpatrouillen und politische Abkommen mit Nicht-EU-Staaten - ist er sehr empört: "Der richtig schmutzige Teil der Flüchtlingspolitik wird dabei jeweils aus Europa ausgelagert, die Außengrenzen und Transitwege werden dichtgemacht, im Gegenzug wird Entwicklungshilfe versprochen."

Weitere Artikel: Ziemlich widersprüchlich findet Andreas Zielcke französische und deutsche Versuche, Prostitution zu verbieten. Außerdem stellt Michael Stallknecht betrübt fest, dass mit dem Ende von Pleyel und damit der französischen Klavierproduktion Deutschland als einziges Land in Europa Klaviere in nennenswerter Anzahl herstellt.

Besprochen werden eine Ausstellung über Auguste Perret in Paris, Richard Ayres' Oper "Peter Pan" in Stuttgart, eine Ausstellung von Marcel Odenbachs Papierarbeiten in Bonn und Bücher, darunter eine von Adam Zagajewski besorgte Auswahl aus Czeslaw Miloszs Gedichten (mehr in unserer Bücherschau um 14 Uhr).