Heute in den Feuilletons

Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
26.06.2004. In der Welt stellt Martin Walser einige Fragen an die Medien. Im Tagesspiegel kritisiert Rafael Seligman das gestrige J'accuse von Michael Wolffsohn. Die NZZ hat einen wunderbaren Reporter ausgegraben: Albert Londres. Die taz meldet einen Aufschwung der russischen Filmproduktion. Die FR stellt schmutzige Bücher aus Frankreich vor. Die Berliner Zeitung vergleicht Nationbuilding im Irak und in Deutschland. In der SZ rühmt Ingo Schulze die subversive Kraft von Lexika. Die FAZ grübelt über die Fortpflanzungsfähigkeit eines Druckers

Welt, 26.06.2004

Von der Welt zur gegenwärtigen Krise befragt, stellt Martin Walser den Medien mal einige Gegenfragen:
"Könnte es sein, dass die in den Medien nachgemachte Wirklichkeit zur Überflüssigkeit der wirklichen Vorgänge beiträgt? Wen würden Sie am nächsten Sonntag wählen? Könnte es sein, dass diese Wahlsimulationen mehr manipulieren als informieren? Könnte es sein, dass die von lauter fleißigen Gutwilligen betriebene Informationsmaschine uns eher mundtot als mündig macht?... Fällt es den Damen und Herren des Nachrichten- und Urteilsgewerbes nicht auf, dass sie dabei sind, die Schröder-Passion zum Dauerbrenner zu machen? Und Müntefering und Eichel zu stets herbei zu zoomenden Begleitschächern? Könnte es sein, dass die fortgesetzte Trübsinnsorgie zu einer Art medialer Selbstbefriedigung geraten ist?"

Der britische Publizist John Laughland wettert gegen die postnationale EU, in der "eine explizit anti-demokratische Ideologie weiterhin den Prozess der Europäischen Integration vorantreibt. Jeder Politiker, der auch nur wagt, die unaufhaltsame Machtübernahme einer europäischen Elite in heimlichtuerischen und undemokratischen Institutionen in Frage zu stellen, wird als 'Populist' gebrandmarkt."

Tagesspiegel, 26.06.2004

Im Tagesspiegel nimmt der Autor Rafael Seligman Bezug auf Michael Wolffsohn, der sich gestern unter dem pathetischen Titel "J'accuse" in der FAZ zum Opfer einer gezielten Hatz erklärte, weil er als Jude die Folter nicht rundweg abgelehnt habe. Seligman mag darüber noch darüber streiten, "ob Wolffsohn hier klug gehandelt hat". Kritik verdient Wolffsohn jedoch für seinen Anklage-Artikel in der FAZ. "Gegen Michael Wolffsohn wurde auf Grund seiner Folter-Stellungnahme keine Klage erhoben. Er wurde nicht verurteilt. Weder der Mob noch die Presse oder sonst wer forderte, dass ihm Schaden aufgrund seines Judentums entstünde. Die Meinung, Wolffsohn sei für sein Lehramt ungeeignet, hat mit Antisemitismus nichts zu tun."

NZZ, 26.06.2004

Die Beilage Literatur und Kunst ist dem Krieg gewidmet. Hendrik Feindt porträtiert den französischen Reportageautor Albert Londres, der 1914 den Beschuss der Kathedrale von Reims beschrieb: "Sie bombardierten Reims, und wir haben es gesehen! . . . Es zieht uns zur Kathedrale. Wir gehen wieder und wieder um sie herum. Wir spüren, dass ihr Schlimmes zustossen wird. Ohne Herberge, verbringen wir die Nacht in ihrer Nähe. Es war die am wenigsten beschädigte in Frankreich. Nur um ihretwillen wäre man katholisch geworden. Ihre Türme waren so hoch, dass sie nicht schon mit den Steinen endigten. Man folgte ihnen über sie hinaus, bis zu dem Augenblick ihres Eintritts in den Himmel. Nicht demütig war sie wie die von Chartres, nicht auf Knien ergeben wie die von Paris, nicht mächtig wie die von Laon. Es war die zur Erde niedergekommene religiöse Majestät. . . . Dreißig Sekunden später folgte die zweite Granate. Zehn Meter von der ersten ging sie nieder. Dasselbe Pfeifen durchschnitt unser Trommelfell. Das war der Anfang. Sie hatten neu ausgerichtet."

Weitere Artikel: Wolfram Kinzig widmet sich ausführlich dem Briefwechsel zwischen Adolf von Harnack und Houston Stewart Chamberlain. Sven Brömsel berichtet von Versuchen Martin Bubers, Chamberlain als Autor zu gewinnen. Besprochen werden Bücher, darunter fünf Versuche von amerikanischen und kanadischen Autoren, dem Krieg literarische Gestalt zu geben, mehrere Bücher zum Ersten Weltkrieg und Christian Nottmeiers Studie über "Adolf von Harnack und die deutsche Politik 1890-1930" (siehe auch unsere Bücherschau heute ab 14 Uhr). Schließlich stellt Hans Frei eine Ausstellung über das Werk der Architekten Herzog & de Meuron im Schaulager in Basel vor.

Im Feuilleton resümiert Barbara Villiger Heilig unter der Überschrift "Das goldene Zeitalter und seine produktiven Pannen" vier Jahre Zürich und Christoph Marthalers Schauspielhaus: "Auch unter globalisierten Umständen brauchen Theaterleute ein Zuhause. Wer miterlebte, wie die Menschen in den vergangenen Jahren an der Pfauenbühne und im Schiffbau zueinander und zu sich selbst fanden, bekam eine Ahnung davon, was der abgegriffene Ausdruck 'künstlerische Heimat' bedeuten mag." Zum rüde provozierten Abgang des Regisseurs aus Zürich schreibt sie allerdings nichts.

Weitere Artikel: Hermann Köstler schreibt zum Tod von Olda Kokoschka. Besprochen werden zwei Bücher, nämlich Sonja Margolinas Kulturgeschichte des Wodkas und ein Band über Peter Lorre (siehe auch unsere Bücherschau heute ab 14 Uhr).

TAZ, 26.06.2004

Viel Film heute in der kultur-taz. Brigitte Werneburg berichtet vom Moskauer Filmfestival, das sich in seiner 45. Ausgabe ambitioniert zeigt. Die allgemeine Lage des Kinos in Russland jedenfalls hat sich deutlich gebessert: "Untersuchungen zeigen, dass sich eine Mittelstandskultur in Russland entwickelt. Die Ausgaben für Produkte der Unterhaltungsindustrie haben sich gegenüber 2000 mehr als verdoppelt. 68 Millionen Besucher zählten die Kinos vergangenes Jahr, eine Steigerung von 70 Prozent gegenüber 2002. Bis 2007 rechnet die Produktionsfirma Nevafilm mit 200 Millionen Besuchern." Noch ist der Marktanteil russischer Filme gering, aber auch da geht es wieder aufwärts: "Über 100 Filme werden inzwischen jährlich hergestellt. Neben drei Beiträgen im Wettbewerb konnten in der Reihe 'Russisches Kino heute' rund 30 weitere Produktionen vorgestellt werden, dazu 23 Animationsfilme und 18 Dokumentationen."

Besprochen werden der Fußball-Dokumentarfilm "The Other Final" über die zwei schlechtesten Nationalmannschaften der Welt (nein, nicht Deutschland und Frankreich) - und "Mambo Italiano", ein Werk aus dem Genre "warmherzige Stereotypekomödie". Aus Tel Aviv berichtet Susanne Knaul von einer Fotoausstellung ehemaliger Besatzungssoldaten in Hebron - und der Razzia gegen sie: "'Wir wollten Hebron nach Tel Aviv bringen', sagt Schaul, denn obschon die besetzte Stadt nur eine Autostunde von Jerusalem entfernt ist, lägen 'Lichtjahre' zwischen Tel Aviv und Hebron, wo die Bevölkerung permanenter Schikane ausgesetzt sei."

In der tazzwei ein Interview mit der "Wir sind Helden"-Sängerin Judith Holofernes über ihre lesbische Mutter und das eigene Begehren: "Ich könnte mir wirklich vorstellen, mit einer Frau zusammen zu sein. Wer wäre ich, das auszuschließen? Aber ich bin fürchterlich verliebt, heterosexuell." Jasna Zajcek porträtiert den gelernten Raumausstatter und erfolgreichen antisemitischen Verschwörungsesoteriker Jan Udo Holey alias Jan van Helsing und stellt sein neuestes Machwerk vor. Henning Kober, per Interrail unterwegs, heute "Out of Tanger".

Im tazmag empfehlen Stefan Reinecke und Christian Semler den USA: Raus aus dem Irak - und entwerfen das passende Szenario: "Die Doktrin von der per Krieg erzwungenen 'demokratischen Transformation' des Nahen Ostens muss begraben, das Projekt einer ökonomischen und politischen US-Hegemonie über den Irak fallen gelassen werden. Der Irak braucht die volle Entscheidungsfreiheit über sein künftiges Staatswesen. Für die Übergangszeit muss die UNO die Treuhandschaft für Sicherheit und Zusammenhalt des Irak übernehmen." Der Colahasser Jan Freitag stellt die colasüchtigen Erfinder der Pepsi-, Coke-, und Afri-Cola-kritischen, sehr koffeinhaltigen "Premium-Cola" vor.

Abgedruckt wird ein Auszug aus dem neuen Reportage-Buch des Türkei-Korrespondenten der taz, Jürgen Gottschlich. Micha Brumlik bespricht Anetta Kahanes Buch über Rassismus in der DDR und im vereinten Deutschland. "Charakterlosigkeit" wird Brigitte Seebacher angesichts ihrer Willy-Brandt-Biografie bescheinigt. Außerdem neue Krimis und ein Mennoniten-Roman (mehr in der Bücherschau ab 14 Uhr).

Und schließlich Tom.

FR, 26.06.2004

Martina Meister berichtet aus Frankreich von der Büchermode der Sommersaison: "Der Büchersommer ist die Zeit der großen Beichte: Alles wird gesagt, ausgesprochen, aufgeschrieben. Schmutzige Wäsche wird gewaschen, vor aller Augen, und die bestgehüteten Familiengeheimnisse werden preisgegeben. Die Familien, um die es geht, sind nicht irgendwelche: Es geht um Gabin, Montand und Depardieu, um Anquetil, den unvergessenen Radrennfahrer, um Philosophentöchter und Verlegersöhne, um Fernsehjournalisten, Topmodels und Schlagerstars. Ihre Konfessionen werden mit Erstauflagen von 100 000 Exemplaren auf den Markt geworfen und von ausführlichen Interviews in der Presse und langen Auftritten in den einschlägigen Talk-Shows orchestriert."

Außerdem: Der Hirnforscher Wolf Singer schreibt über den Zusammenhang von Hochhäusern und Hirnstrukturen, der natürlich ein ganz einfacher ist: "Lassen Sie mich versuchen, darzulegen, warum ich glaube, dass Hochhäuser ein konstitutives Merkmal hoch organisierter urbaner Strukturen darstellen und warum ich Analogien sehe zwischen den funktionellen Architekturen von Städten und denen gewachsener biologischer Systeme, und hier vor allem der Hirnrinde, dem perfektesten informationsverarbeitenden System, das wir kennen." Christian Thomas macht sich zum Tag der Architektur Gedanken über die Baustelle als "Ort des Unleserlichen".

Weitere Artikel: Recht bitter kommentiert Peter Michalzik den schnellen Abgang Frank Castorfs als Intendant der Ruhrfestspiele. Hans-Jürgen Linke stellt die arabische Welt vor, als Gast der diesjährigen Frankfurter Buchmesse. Thomas Winklier bespricht die neue CD der ehrwürdigen Punkrock-Band "Bad Religion". Der Schweizer Fotograf Christian Schwager hat das "Geheimnis der falschen Chalets" gelüftet - Burkhard Müller-Ullrich weiß Genaueres. Renee Zucker lässt Fußball spielende Italiener und Deutsche durch ihre Zimt-Kolumne paradieren.

Berliner Zeitung, 26.06.2004

Arno Widmann fürchtet nichts Gutes für den Prozess der Nationenbildung im Irak: "Wenn heute der irakischen Bevölkerung vorgeworfen wird, sie habe kein Interesse an der politischen Entwicklung ihres Landes, so werfe man einen Blick in die Zeitungen der ersten Nachkriegsjahre. Das Interesse an den neuen Institutionen war verschwindend gering. Der Grund dafür war nicht allein das Interesse, erst einmal die aller elementarsten Bedürfnisse - Essen, Trinken, Wohnung. Kleidung - befriedigen zu können, sondern auch tiefes Misstrauen gegenüber dem Feind. Das eigentliche Nationbuilding der Bundesrepublik Deutschland war wahrscheinlich nicht einmal der wirtschaftliche Wiederaufbau - dessen Rolle allerdings kaum zu überschätzen ist -, sondern die Verwandlung des geschlagenen und besetzten Deutschland in einen Bündnispartner. Das glückliche Ende der übergestülpten Demokratie in Deutschland ist in Wahrheit ein weiterer Beleg dafür, dass Nationen zu ihrer Entstehung eines Feindes bedürfen." Und der ist - abgesehen von den USA - im Irak derzeit nicht in Sicht.

SZ, 26.06.2004

In einem ganzseitig abgedruckten Vortrag erinnert der Schriftsteller Ingo Schulze an die subversive Kraft der Lexika in der DDR: "Der Skandal lag in der alphabetischen Anordnung der Stichworte. War es nicht Blasphemie, Marx zwischen Mars und Maschine zu platzieren? Zudem nahmen die Illustrationen der Maschinen drei Mal mehr Raum ein als Marx' Konterfei. Was nützte es da zu schreiben, Marx hätte trotz aller Sorgen Zeit gefunden, 'sich liebevoll der Familie zu widmen'. Wäre nicht jedes Kind bestraft worden, das KPD als etwas definiert hätte, das man am besten zwischen Komet und Kompass einordnete? Wir spürten sehr wohl den Schauder des Verbotenen, wenn wir uns Lenin als Mischwesen aus Leipziger Messe und Leonardo vorstellten. Ulbricht war halb UKW (Ultrakurzwelle), halb Ultraschall, Engels wirkte zwischen Endmoräne und Entenvogel bodenständig, Brecht klemmte zwischen Braunkohle und Bremse."

Tagesaktuelleres: Heiko Flottau berichtet vom Stand des Wiederaufbaus im Irak. Andreas Wilink kommentiert den erzwungenen Abgang Frank Castorfs als Intendant der Ruhrfestspiele - und stellt fest, dass der DGB sich dabei nicht mit Ruhm bekleckert. Nicht weniger als 18 Milliarden Dollar verlangt der US-Anwalt Ed Fagan als Entschädigung für NS-Beutekunst von der Bundesrepublik, weiß Stefan Koldehoff zu berichten. Die Stimmung war gut bei der Tagung der Internationalen Verleger Union in Berlin. Der soeben eröffnete Münchner Petuel-Park wird als Vorbild-Projekt für Kunst im öffentlichen Raum vorgestellt.

Wieland Schmied hat die Tamara de Lempicka-Ausstellung an der Royal Academy of Arts in London besucht. Die Eröffnungsveranstaltung zum Tag der Architektur in Dessau annonciert Oliver G. Hamm. Die Lars-von-Trier cum Richard-Wagner-Variation "Epidemic" des jungen Regisseurs Sebastian Baumgarten am Berliner HAU hat sich Wolfgang Schreiber gefallen lassen. Ralf Dombrowski gratuliert Dave Grusin zum Siebzigsten. Und auch der Politische Club der Akademie Tutzing bekommt einen Geburtstagsartikel, zum Fünfzigsten. Gemeldet wird, dass der diesjährige Joseph-Breitbach-Preis erstens auf ein Drittel seiner Preissumme geschrumpft ist und zweitens an den Schriftsteller Raoul Schrott vergeben wird.

Eine ganze Seite ist dem heute beginnenden Münchner Filmfest gewidmet. Der neue Leiter Andreas Ströhl hat im Interview keine weltbewegenden Veränderungen anzukündigen: "Die Änderungen im Programm sind marginal - wir haben die Experimentalfilmreihe abgeschafft, wir haben schwierigere Filme einfach wie selbstverständlich im Programm untergebracht." Fritz Göttler freut sich im Kommentar auf ein viel versprechendes Publikumsfestival.

Im Aufmacher der SZ am Wochenende spielt Kurt Kister, animiert durch aktuelle Umfrage-Ergebnisse, mal durch, wie es wäre, wenn Rot-Grün die letzte Bundestagswahl verloren hätte: "In ihre erste wirkliche Krise schlittert die Regierung Stoiber, als auf Betreiben von Außenminister Westerwelle und CDU-Chefin Merkel - vom Spiegel die unheimliche Kanzlerin genannt - Deutschland im UN-Sicherheitsrat die von Washington eingebrachte Irak-Resolution unterstützt."

Marcus Jauer porträtiert den Motivationsguru Jürgen Höller, der gerade aus dem Knast entlassen wurde. In einem Brevier werden 6 x 10 Hauptstädte aufgelistet (brave, bevölkerte, schwach bevölkerte, gewesene, gefährliche, teure): Berlin ist nicht dabei. Vorabgedruckt wird eine Erzählung von Alex Capus über den Schweizer Uhrmachersohn und Autobauer Louis Chevrolet. Im Interview äußert sich die in Amerika tätige britische Modejournalistin Plum Sykes über "Codes". Und Eroberungspläne: "Plum, dachte ich heute morgen, du musst Deutschland knacken! Das ist fast so wichtig, wie Amerika zu erobern."

FAZ, 26.06.2004

Die Gewerkschaften drohen, Frank Castorf als Leiter der Ruhrfestspiele zu kündigen, Gerard Mortier erklärt daraufhin seinen Rücktritt als Intendant der Ruhrfestspiele - wie vorhersehbar das alles ist, klagt Andreas Rossmann. "Mortier kann sich der wohlfeilen Zustimmung aller sogenannter fortschrittlichen Kräfte sicher sein, sein Nachfolger Jürgen Flimm weiß genau, welche die richtige Seite ist, Castorf sieht sich in seinem Ruf als Kleinbürgerschreck und der DGB ist in seiner Rolle als Innovationsfeind bestätigt. Wie unprofessionell und wie langweilig: Kulturpolitik als Affirmation von Vorurteilen."

Christian Schwägerl berichtet von einem Aufsatz Eric Drexlers, der in der Zeitschrift "Nanotechnology" des "Institute of Physics Publishing" die Vermehrungsfähigkeit von Nanorobotern für überflüssig erklärt: "Die Geräte, die in den Fabriken der Nanotechnologie eingesetzt würden, würden höchstwahrscheinlich nicht winzig und flugfähig ausfallen, sondern von der Größe und Fortpflanzungsfreudigkeit eines Druckers sein, wie ihn jeder neben seinem Computer stehen hat: 'Es ist unwahrscheinlich, daß eine Maschine von der Art eines Druckers ausflippt, sich vermehrt, intelligent wird und anfängt, Menschen zu fressen.'" Hintergrund dieses Rückziehers ist laut Schwägerl die Tatsache, dass die Phantasien über vermehrungsfreudige Roboter die kommerzielle Ausnutzung der Nanotechnologie erschweren.

Weitere Artikel: Heinz Berggruen stellt uns einige echte Fälschungen vor. Zhou Derong berichtet von einem Streit um den taiwanesischen Popstar A-Mei. Sie darf nicht mehr in China auftreten, seit sie vor drei Jahren die Nationalhymne zur Amtseinführung des taiwanesischen Präsidenten Chen Shui-bian sang. Lorenz Jäger fasst noch einmal die Affäre Besier zusammen. Jordan Mejias wirft einen Blick in amerikanische Zeitschriften, die Michael Moores Film "Fahrenheit 9/11" besprechen. Peter Kemper gratuliert dem Gitarristen Jeff Beck zum Sechzigsten.

In der ehemaligen Tiefdruckbeilage gratuliert Kasper König, Direktor des Museums Ludwig, dem niederländischen Museumsdirektor Pontus Hulten zum Achtzigsten. Abgedruckt ist ein Auszug aus den Erinnerungen Hans Graf von Kagenecks, ehemaliger Adjudant von Hitlers Vizekanzler Franz von Papen. Auf der Medienseite beschreibt Heinrich Wefing die stärker werdenden Zweifel der amerikanischen Presse am Irakkrieg. Gina Thomas referiert die neuen Regeln der BBC. Und Michael Hanfeld meldet, dass der BGH die Fernseh-Fee für zulässig hält. Eine Fernseh-Fee ist ein Gerät, das Werbung ausblendet.

Besprochen werden Glinkas Oper "Ein Leben für den Zaren" in Sankt Petersburg, eine Ausstellung des Künstlers Paul Pfeiffer im Düsseldorfer K21 und Bücher, darunter Sebastian Haffners Feuilletons aus den Jahren 1933 bis 1938 und Pierre Michons "Leben der kleinen Toten" (siehe auch unsere Bücherschau heute ab 14 Uhr).

Auf der Schallplatten- und Phonoseite geht's um neue CDs von PJ Harvey, Juliana Hatfield, Stephin Merritt, Streichquartette von Wolfgang Rihm mit dem Minguet Quartett, Cellostücke des jungen Strauss mit Jan Vogler.

In der Frankfurter Anthologie stellt Matthias Wegner ein Gedicht von Wolf Wondratschek vor:

"Kleinhesseloher See
(im Englischen Garten, München)

Da liegt der See,
die Zeiten ziehn darüberhin
wie tiefe Wolken.

Im Hintergrund,
im Eid der Ewigkeit,
die Alpen.

Hier gingen große Dirigenten
und hatten endlich die Hände
in den Hosentaschen.

Hier ging Rilke
und wollte sich wie Gott verschwenden
und litt, daß er dem Schwan nicht ebenbürtig war,
der wie im Wahn an ihm vorüberglitt.

Und dann und wann kam Thomas Mann
und fütterte die Enten.
..."