9punkt - Die Debattenrundschau

Kommentierter Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Januar 2019

Ich bin ein Brückenbauer, ein Versöhner

31.01.2019. In der FR schreibt der in Polen geborene Schriftsteller Artur Becker über den Mord an dem Danziger Bürgermeister Pawel Adamowicz, und die Stimmung in Polen. Die taz feiert das mögliche Paritätsgesetz im Land Brandenburg als historisches Ereignis.  Die Welt druckt die Rede, die Henryk Broder vor der AfD-Fraktion gehalten hat. Politico.eu erklärt, warum in Nordirland nach einem harten Brexit eine Zweiklassengesellschaft entstehen könnte. Und Benedicte Savoy will laut Zeit nun auch unsere Knochen in Afrika abgeben.

Draußen bedeutet draußen

30.01.2019. Das House of Commons zerbiss sich gestern die stiff upper lip, kommentiert Rafael Behr im Guardian: Und das alles, um nicht zu benennen, dass nicht der Deal das Problem ist, sondern der Brexit. Le Monde analysiert die Facebook-Posts der Gilets jaunes: An erster Stelle geht's um die Autos. In der NZZ mahnt Timothy Snyder: Nur eine funktionierende EU bindet die Macht Deutschlands ein. Der Koalitionskompromiss zum Paragrafen 219a stößt auf Kritik.

Die wahre Parität

29.01.2019. Eine soziale Bewegung ist nicht an sich ein gutes Ding, sagt Bernard-Henri Lévy in der Presse mit Blick auf die Gelben Westen. "Männer und Frauen sind nicht gleich", insistiert Monika Maron bei cicero.de. Im Online-Magazin Africa is a Country legt der südafrikanische Psychologe Wahbie Long dar, dass man eine Zukunft ohne "Rasse" nur haben kann, wenn auch Antirassisten den Begriff nicht als Marker betrachten. Und das Niemanlab fragt, warum sich die Preise von Printzeitungen in den USA in kurzer Zeit so drastisch erhöhten.

Bann des Vergangenen

28.01.2019. In der NZZ ruft Herfried Münkler dazu auf, die Fetische der Identitätspolitik zu entmystifizieren. Netzpolitik veröffentlicht das - offiziell vertrauliche - Gutachten des Bundesverfassungsschutzes zur AfD. Am Ende könnte vor allem einer von der Bewegung der Gelben Westen profitieren, spekuliert politico.eu: Emmanuel Macron. Die SZ versucht die BDS-Kampagne zu erklären.

Europa wollen oder untergehen

26.01.2019. In Liberation fordern dreißig Intellektuelle, Europa gegen seine Feinde zu verteidigen, auch wenn es träge und kraftlos geworden sei. In der Welt diagnostiziert Wladimir Sorokin eine paranoide Angst der Macht. Die CJR fordert die Regulierung der Plattformen. Die SZ misstraut den neuen Dokudramen, in denen Prominenten der Prozess gemacht wird. Und der Tagesspiegel erhebt Einwände gegen den 8. März als neuen Berliner Feiertag.

Es ist auch viel Kluges und Anregendes dabei

25.01.2019. Die größte Gefahr für die Demokratie geht von China aus, hat George Soros laut Guardian in Davos gesagt. Wer genau will eigentlich ein "House of One", wo Religionen, die sich nicht grün sind, in den Dialog treten sollen? Offenbar vor allem die subventionierende Politik, fürchtet hpd.de. Die SZ erinnert daran, dass das Internet nicht als Naturgewalt über uns hereingebrochen ist. In der Jüdischen Allgemeinen wird die Jerusalem-Ausstellung des Jüdischen Museums Berlin kritisiert. Und Timothy Garton Ash fordert die Briten im Guardian auf, "europäisch zu sprechen".

Gewisse Demut

24.01.2019. Die Stimmung wird in den britischen Medien angesichts des sich nähernden No-Deal-Brexit immer düsterer. In Le Monde bekennt der Autor William Boyd seine Scham über dieses "unnütze Schlamassel". Pascal Bruckner beschreibt in der NZZ die französische Mentalität. Angela Merkel bezweifelt in einem Zeit-Interview, dass die DDR-Frauen so emanzipiert waren, wie gern behauptet wird. Ebenfalls in Zeit online schreibt Olga Tokarczuk  über den ermordeten Danziger Bürgermeister Pawel Adamowicz.

Dreißigmal so viel Gemüse und Obst

23.01.2019. Der Ökonom Simon Wren-Lewis geht im New Statesman noch mal alle Lügen der Brexiteers durch, darunter die gemeinste. Der Guardian fragt, ob das House of Commons die Krise lösen kann. Globalgeschichte ist keine Absage an Nationalgeschichte, versichert Historiker Jürgen Osterhammel in der NZZ. In der SZ erklärt der Zukunftsforscher Daniel Dettling, was am Populismus gut ist.Neben Paragraf 11 und 13 sollte auch über Paragraf 12 der EU-Urheberrechtsreform diskutiert werden, finden die Freischreiber.

Genügend weise Menschen

22.01.2019. Nein, sie wird nicht hamstern gehen, schreibt Guardian-Kolumnistin Polly Toynbee nach der gestrigen Rede von Theresa May, denn die Kräfte der Vernunft, hofft sie, werden am Ende siegen. Heute stellen Angela Merkel und Emmanuel Macron den Aachener Vertrag vor. Rechtsextremisten polemisieren dagegen und zeigen, wie es im Europawahlkampf zugehen wird, fürchtet Pierre Haski in France Inter. Die DSGVO fordert ein erstes Opfer: Google soll 50 Millionen Euro bezahlen.

Sehnsucht nach einer Alles-oder-Nichts-Politik

21.01.2019. taz und Zeit online blicken auf Polen, wo sich gestern Zehntausende dem Trauerzug für den ermordeten Danziger Bürgermeister Pawel Adamowicz anschlossen, und fürchten, dass sich die Spaltung des Landes noch verschärft. Die stets objektiven Zeitungen scheinen ihr europäisches Leistungsschutzrecht auf Überschriften nun offenbar doch nicht durchzukriegen - und sind empört über den Lobbyisten Google, Zeit online und Welt berichten und protestieren. Libération präsentiert ein Onlinedossier zur Frage, warum das Vertrauen in den Journalismus zurückgegangen ist.

Über das Allerheiligste gelacht

19.01.2019. Parteien, auch rechte, vom Verfassungsschutz überwachen zu lassen, ist Gift für die politische Freiheit aller, erinnern Claus Leggewie und Horst Meier in der FR an linke Überzeugungen. Im Guardian ahnt Fintan O'Toole: Der Brexit hat überhaupt nichts mit Europa zu tun. Auch bei der Moderne funktioniert die Rosinenpickerei nicht, weiß Kacem El Ghazzali in der NZZ. Und wenn Donald Trump als List der Vernunft herausstellte?, klammert sich Hans Ulrich Gumbrecht in der Welt an die letzte Hoffnung.

Keine zusätzlichen Informationen mehr

18.01.2019. Der Brexit ist nicht das erste Desaster britischer Krisenbewältigung, schreibt Pankaj Mishra in der New York Times: Nummer 1 war der chaotische Rückzug aus Indien, der auch einiges über den Brexit lehrt. Rein demografisch gesehen, würde Remain ab morgen obsiegen, weiß der IndependentGoogle zeigt laut googlewatchblog, wie eine Suche mit EU-Leistungsschutzrecht aussehen würde - so, als würde sie sich gar nicht aufbauen. Im Tagesspiegel erklären Bénédicte Savoy und Felwine Sarr, wie die Schätze der Kolonialkunst in Afrika verteilt werden sollen: Die afrikanischen Staatschefs sollen entscheiden.

Zur Symbiose von Hülsenfrüchten und Knöllchenbakterien

17.01.2019. Wie kam es, dass ein Politiker, der aussieht wie eine von einem Fuchs aufgerissene Oxfam-Spendentasche, Britannien in den Brexit-Abgrund stoßen konnte, fragt der Guardian. Und in der Zeit lotet Fintan O'Toole die Figur des englischen Exzentrikers aus, die nicht so harmlos ist, wie es scheint. Die taz erinnert an die Selbstverbrennung Jan Palachs vor fünfzig Jahren und beklagt den Sieg der Gleichgültigkeit, gegen die er ein Fanal setzen wollte.

Noch intensiverer Überlebenskampf

16.01.2019. Theresa Mays Brexit-Deal ist im House of Commons mit einer Zweidrittelmehrheit gescheitert. Das Land treibt richtungslos vor sich hin, konstatiert der Guardian. Nun hilft nur noch Durchwurschteln mit wenig Aussicht auf Besserung, meint politico.eu. Oder Britannien bleibt einfach in der EU, erläutert die FAZ. In der SZ warnt Historiker Eckart Conze vor dem neuen Nationalismus. Und hpd.de erklärt, warum das neue Sozialgesetzbuch des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Nummer 14 tragen wird.

Luftgewehr der Fantasie

15.01.2019. Heute wird über Theresa Mays Brexit-Deal abgestimmt. Aber niemand sollte denken, dass es nun bald vorbei ist mit dem Streit, sagen der Historiker Anthony Glees  in der SZ und die Kolumnistin Polly Toynbee im Guardian. Die Reaktionen auf den Mord am Danziger Bürgermeister Pawel Adamowicz offenbaren für politico.eu die tiefe Spaltung der polnischen Gesellschaft. Im dpa-Interview rät Mathias Döpfner Journalisten, sich aus den sozialen Medien abzumelden. taz und FR fragen: Was besagen die Morddrohungen gegen die Anwältin Seda Basay-Yildiz, über die deutsche Gesellschaft - und die hessische Polizei?

Jetzt ist aber die oder der mal dran

14.01.2019. Dass Donald Trump im Interesse Wladimir Putins agiert, muss man eigentlich gar nicht mehr polizeilich nachweisen, meint der ehemalige Clinton-Berater Strobe Talbott in politico.eu. Die New York Times sagt Trump eine sehr schwierige zweite Hälfte der Amtszeit voraus. Im Börsenblatt freuen sich die Chefs der Mayerschen Buchhandlung und von Thalia über ihre Fusion. In der Türkei wird die erste Kirche seit 1923 gebaut, die laut FR allerdings ihre Loyalität zum Staat betonen muss. Bei Moscheen in Berlin sieht es laut Tagesspiegel etwas anders aus.

Das würden die Kinder doch gar nicht verstehen

12.01.2019. Sehr viel Prominenz: Götz Aly nennt die Namen all der Juroren, die Claas Relotius mit Journalistenpreisen überhäuften. In der NZZ empfiehlt Hans Ulrich Gumbrecht die Lektüre René Girards, um die Proteste im heutigen Frankreich zu verstehen. Im Perlentaucher fragt Jochen Hörisch: Warum ist die liberale Öffentlichkeit auf die einen Rechten fokussiert, aber nicht auf die anderen? taz und SZ fragen: Wie rosa wäre der Sozialismus der Rosa Luxemburg gewesen, die vor hundert Jahren ermordet wurde.

Wenn nötig, Unverständnis

11.01.2019. Timothy Garton Ash hofft im Guardian auf einen Triumph der Demokratie: Das Unterhaus soll die Regie übernehmen, eine Denkpause einlegen und sich zu einem zweiten Referendum über den Brexit entschließen. In der NZZ wirft die ukrainische Autorin Oksana Sabuschko einen spöttischen Blick auf Russland. Die SZ sucht nach dem Unterschied zwischen einer Relotius-Reportage  und einer literarischen Reportage, die den Namen verdient.

Gift für die lernwilligen Algorithmen

10.01.2019. Vor einer Moscheesteuer muss ein Verbot der Auslandsfinanzierung von Moscheen kommen, fordert die Islamforscherin Susanne Schröter in der Zeit.  Und in Köln versucht Tayyip Erdogan gleich selbst, eine Islamkonferenz zu gründen, berichtet der Tagesspiegel. Unter all den illiberalen Demokratien in Osteuropa ist die Slowakei das gallische Dorf, freut sich die New York Review of Books. Aus der Türkei verschwinden die Bewohner, konstatiert Bülent Mumay in der FAZ. Und Netzpolitik feiert mit Karl Valentin die Gemeinfreiheit.

Gegen die Sintflut des Gedruckten

09.01.2019. In der Presse entschuldigt sich Robert Menasse für sein falsches Walter-Hallstein-Zitat und hält doch an seiner Ansicht fest. In der SZ empört sich Eva Menasse über den "puristischen Reinigungsfuror" einiger Kritiker im Umgang mit ihrem Bruder Robert. Bei Meedia hat der Blogger Fefe kein Mitleid mit Politikern, die selber immer mehr Daten sammeln und sich aufregen, wenn ihre Daten geleakt werden. Im Tagesspiegel zeigt Alexander Kluge, wie Immanuel Kant das Internet seiner Zeit mit den Mitteln des Internets schlug.

Die berühmten falschen Freunde

08.01.2019. In La Dépêche,der Tageszeitung aus Toulouse, spricht Michel Serres über den Riss "zwischen der Gesellschaft, wie sie entstanden ist, und den Institutionen, wie sie geblieben sind". Vier Jahre nach dem Anschlag auf Charlie Hebdo wollen die Franzosen zur Tagesordnung übergehen und verstehen nicht, wie fragil die Demokratie ist, sagt Riss im Figaro. Aufmacher in Deutschland: Robert Habeck hört auf zu twittern. Und die Medien zensieren sich im Fall Relotius.

Mathematischer Pluralismus

07.01.2019. Ein neuer Streit über die Rolle der SPD? "Noske, der wird schießen", titelt die FAS hundert Jahre nach dem Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Die New York Times berichtet, dass die chinesische Regierung systematisch uigurische Intellektuelle verschwinden lässt. Die Times schildert auch die Spaltung zwischen amerikanischen und israelischen Juden. Die jüngste "Doxing"-Affäre um geleakte Daten von Politikern, Journalisten und Prominenten sorgt nach wie vor für Debatten.

Der digitale Dissens

05.01.2019. Nach dem großen Datenraub rät Netzpolitik zur digitalen Selbstverteidigung, fordert von der Politik aber auch "Privacy by Default". In der FAZ vermutet Frank Rieger die Hinterleute in der Doxing-Ecke. In der taz fragt Hans Ulrich Gumprecht, was Politik eigentlich noch bewirkt. In der Washington Post sorgt sich Anne Applebaum um Amerikas öffentlichen Dienst als einem Grundpfeiler der Demokratie. Das Nieman Lab bereitet die Medien auf ein miserables Jahr vor.

Potenziell problematische Wörter

04.01.2019. Die Gemeinsamkeit von Trump und Putin liegt vor allem darin, dass sie als Oligarchen agieren, sagt Timothy Snyder in der Berliner Zeitung. Die Relotius-Affäre wäre ohne den Antiamerikanismus in der Spiegel-Redaktion, den Relotius nur bediente, nicht möglich gewesen, schreibt James Kirchick in Atlantic. Die New York Times erzählt, wie Internetzensur in China organisiert wird. In der NZZ beklagt die Historikerin Ute Frevert die Effekte der sozialen Medien. Man könnte sie vergesellschaften, schlägt die taz vor.

Etwas für Florette, nicht für Dreschflegel

03.01.2019. In der FAZ streiten Horst Bredekamp und der Afrika-Historiker Jürgen Zimmerer über Wohl und Wehe der Kolonialkunst. Und Monika Grütters bekundet laut dpa, dass sie mit der Rückgabe nicht länger warten will. In La Règle du Jeu preist Bernard-Henri Lévy ein Buch Daniel Schneidermans, das die Reaktionen der internationalen Presse auf Hitler analysiert. In Zeit online erklärt der Soziologe Matthias Quent, warum der Anschlag von Bottrop als Terrorakt zu bezeichnen ist. Und die Türken verlassen die Türkei in Scharen, berichtet die New York Times.

Der ausgebreitete rote Teppich

02.01.2019. Atlantic Monthly wirft einen Blick auf die Lage der amerikanischen Medien: Besser wird sie nicht. In der Welt fragt der Psychiater Joachim Bauer: Ist Claas Relotius vielleicht nur ein Symptom? Die taz zeigt, wie rumänische Nationalisten gegen die deutsche Minderheit Stimmung machen. Die Zeit fürchtet, dass die AfD in allen drei diesjährigen Wahlen in den neuen Ländern stärkste Kraft werden könnte.