9punkt - Die Debattenrundschau

Kommentierter Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Februar 2019

Die Unheilbarkeit der Spaltungen

28.02.2019. Die Demokratie stirbt nicht mit einem Knall, sondern durch langsame Erosion, konstatiert der Rechtsprofessor Christoph Schönberger in der FAZ - und zwar auch im Bundestag, wo CDU und SPD still und heimlich alte Regeln außer Kraft setzten, um sich besser zu finanzieren. Im Freitag  erklärt Horst Bredekamp, dass gerade die heute oft als Räuber geltenden Ethnologen ausgesprochene Gegner des Kolonialismus waren. Die SZ fragt sich nach einer Diskussion zwischen Paul Collier und Robert Habeck , ob das schwindende Rot mit dem urbanen Grün noch vereinbar sei.

Absterben der Entrüstung

27.02.2019. Der mögliche Verkauf  der Zeitungen der Dumont-Gruppe (falls jemand sie haben will!) wäre ein Einschnitt: Ist eine lokale Öffentlichkeit ohne Zeitungen denkbar, fragt Spiegel online. Schuld an dem Debakel ist letztlich der Patriarch Alfred Neven DuMont, der es versäumte, die Gruppe zu modernisieren, meint Meedia. Öffentlichkeit ist auch in anderen Artikeln Thema: Wie funktioniert heute ein Skandal, fragt etwa Ilija Trojanow in der taz. Und wer entscheidet wie, wen die Studienstiftung einlädt, fragt die FAZ. Und die Welt zeigt, wie man andere der Propaganda beschuldigt, während man selber welche macht.

Auf schwankendem Gesellschaftsboden

26.02.2019. Viele Medienthemen, heute: Die DuMont-Gruppe plant angeblich, sich von sämtlichen ihrer Zeitungen zu trennen, meldet horizont.net. Die New York Review of Books benennt laut New York Times zwei NachfolgerInnen für Ian Buruma. Apple News ist für Medien ein totaler Flop, berichtet Digiday. Jeremy Corbyn unterstützt jetzt ein zweites Brexit-Referendum - aber laut Guardian hätte die Idee im House of Commons wenig Chancen. Isolde Charim sucht in der taz nach positiven Beispielen einer direkten Demokratie.

Spaltende Dynamik

25.02.2019. In der NZZ erinnert Peter Schneider noch einmal mit Nachdruck daran, dass es derzeit auf der ganzen Welt kein attraktiveres Lebensmodell als die EU gibt. Dennoch werden die Rechtsextremisten bei der Europawahl hinzugewinnen, fürchtet die FR. Der Tagesspiegel thematisiert die Krise bei Amnesty international. Die französischen Medien machen sich Sorgen: Die algerische Jugend - mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Landes - könnte sich gegen eine fünfte Amtszeit des bettlägerigen Präsidenten Bouteflika wehren - oder nach Frankreich abhauen.

Effekt der Deglobalisierung

23.02.2019. Die SZ fragt sich, wie sich die ARD ihr Publikum vorstellt - etwa als "bestenfalls halbbewusst dämmernde Masse," der man per "Framing" die richtigen Ansichten einimpft? Die FR vergleicht die "Framing"-Idee mit der Fälschungssoftware, mit der die Autoindustrie konforme Abgaswerte vorgaukelte. Warum wird die Staatsanwaltschaft bei Pädophilie-Vorwürfen eigentlich nicht tätig, fragt die SZ mit Blick auf die Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche. Im Guardian schreibt der Medienforscher Hossein Derakhshan über den Niedergang der Auslandsberichterstattung.

Die ganze Idee des Museums

22.02.2019. In der SZ schreibt Michal Hvorecky ein Jahr nach dem Mord an Jan Kuciak über die Stimmung in der Slowakei. Die Welt bringt ein Pro und Contra zur Frage, ob es in Berlin ein Mahnmal für die polnischen  Opfer der deutschen Besatzung brauche. Börsenblatt und Deutschlandfunk versuchen, die Krise der Buchbranche nach der Insolvenz des Grossisten KNV auszuloten. L'Espresso weist nach, dass Wladimir Putin über Umwege den Europa-Wahlkampf der Lega Nord subventionieren wollte.

Nur für den Geschmack

21.02.2019. Wie "framet" man einen Kommunikationsunfall? Die Medien streiten weiter über das Framing-Papier für die ARD: Schuld an dem ganzen Debakel sei jedenfalls Mathias Döpfner, der die Öffentlich-Rechtlichen im Jahr 2017 als "Staatsfunk" geframed hatte, heißt es in der NDR-Sendung "Zapp". In der Zeit spricht Alain Finkielkraut über die antisemitischen Attacken der Gelbwesten. "Rechts" und "Links" sind in dieser Bewegung jedenfalls nicht mehr zu unterscheiden, meint Richard Herzinger in der Welt.

Wir haben niemanden unter Mindestlohn bezahlt

20.02.2019. Im Netz und den Medien wird heftig über das Framing-Papier der ARD gestritten: Ist es "Schönsprech" oder "von vielen missverstanden" oder gar eine "Umerziehungsfibel" zum Preis von 120.000 Euro? Wir bringen eine ausführliche Presseschau.  Der Tagesspiegel legt offen, wie sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn beim Thema Sterbehilfe gegen das Bundesverwaltungsgericht stellt - unter anderem mit einem überflüssigen Gutachten, für das Udo Di Fabio 95.000 Euro erhielt. Im Gespräch mit der Welt über die Insolvenz des Grossisten KNV findet Verleger Klaus Schöffling sehr selbskritische Worte über die Bruchbranche.

Im Namen der Gleichheit

19.02.2019. Will Jens Spahn sich mit seiner Studie zu psychologischen Folgen von Abtreibung bei deren GegnerInnen beliebt machen, fragt Alice Schwarzer in emma.de. Nicht nur bei den Gelben Westen auch im Feminismus gibt's gefährliche Tendenzen, meint Virginie Despentes im Freitag, zum Beispiel den "puritanischen Feminismus".  Die Linke hat den Laizismus verraten, sagt Alain Finkielkraut in der Presse. Aber was soll's, es gibt ja sowieso kein rationales Denken, sagt - zum Staunen der FAZ - das Framing-Papier der ARD.

Atome und Leere

18.02.2019. In Paris ist Alain Finkielkraut von Gilets jaunes antisemitisch beschimpft worden - in den sozialen Netzen und den Medien wird heftig über den Vorfall diskutiert. In Großbritannien wird erbittert über die Frage debattiert, ob man IS-Kämpfer und ihre Ehefrauen zurückkommen lassen soll - ja, meint Kenan Malik im Observer. Netzpolitik veröffentlich das "Framing"-Papier der ARD, das  diese aus "urheberrechtlichen Gründen" nicht freigeben wollte. In der taz fordert Verleger Jörg Sundermeier Regierungshilfen nach der Insolvenz des Grossisten KNV.

Diese teuflisch schöne Sexbombe

16.02.2019. In der Welt attackiert Maxim Biller den Spiegel, der in neuer linksrechtsdeutsche Manier seinen Frieden nicht nur mit den Nazis der Vergangenheit mache, sondern auch mit denen der Gegenwart. Die NZZ pocht auf ein #MeToo für die muslimischen Länder. Die SZ misst in Freiburg der gestressten Großstadt den Puls. Die FAZ blickt auf den Abgrund der Verlogenheit, der sich im Russischen Staatsfernsehen auftut. Die taz fragt: Wer ließ die Ukrainerin Katja Handsjuk ermorden?

Das Geheimnis der EU-Institutionen

15.02.2019. Erst brauchen wir eine KI mit Sinn für Humor, dann kann das neue EU-Urheberrecht kommen, fordert Julia Reda in der taz. Wenigstens sind jetzt auch originalgetreue Reproduktionen gemeinfreier Werke frei, meint die Wikimedia Foundation. Die SZ stellt den Mann vor, den sich viele Gelbwesten als Präsidenten wünschen: den 61-jährigen Ex-General Pierre de Villiers. Die NZZ wird im russischen Winter zum Philosophen.

Monopolisierung der Kreativität

14.02.2019. Die EU-Politiker haben sich auf die Urheberrechtsreform geeinigt: Das Leistungsschutzrecht wird schlimmer als in der deutschen Version, fürchtet die Abgeordnete Julia Reda. In der Zeit erzählt eine Berliner Psychologin, dass das Problem der Zwangsheiraten eher noch zunimmt: "Das große Problem ist immer die Ehre." Die französischen Medien stehen erschrocken vor dem Abgrund, der sich mit den Enthüllungen über die "Ligue du LOL" aufgetan hat - und zwar in einigen der hippsten Medien wie Libération  oder den Inrockuptibles.

Mit Zahlen, Sonderzeichen, Groß- und Kleinschreibung

13.02.2019. Libération bringt eine Eins zum steigenden Antisemitismus in Frankreich. Eine Gesetzesänderung reicht nicht für ein Parité-Gesetz, dafür muss schon eine Verfassungsänderung her, meint Christoph Möllers in der FAZ - die Idee an sich aber findet er richtig. Die Sozialdemokraten  betreiben mit ihrer sozialpolitischen Wende das Geschäft der AfD, meint Götz Aly in der Berliner Zeitung. Und Anne Applebaum hat in der Washington Post herausgefunden, was die Populisten wirklich eint.

Neuartiger Reichtum

12.02.2019. Kein Sex auf Instagram, und jetzt auch keine Kartoffeln mehr: Engadget beklagt die zunehmend sexuelle Zensur im Netz. Politico beobachtet die PR-Schlacht um den Prozess gegen die führenden Politiker der katalanischen Separatistenbewegung. In der NZZ plädiert der Philosoph Maurizio Ferraris für ein Mobilisierungsgehalt aller EU-Bürger von den Internetkonzernen, statt ein Bürgereinkommen vom Staat. Wie die ARD lernt, ihre Existenzberechtigung zu "framen", erzählt der Tagesspiegel. Die Welt stellt die Framing-Expertin Elisabeth Wehling vor. Da bleibt Zeit online nur noch eine letzte Zigarette.

Die krassesten Ausdrücke des Volkszorns

11.02.2019. In der SZ spricht der Historiker Jean-Noël Jeanneney über die Geschichte des Hasses in der Demokratie. Nick Cohen fragt sich in seiner Observer-Kolumne, ob der britische Common Sense noch richtig tickt. In der Jungle World sieht der Soziologie David Hirsh die Demokratie im Klammergriff von Links- und Rechtspopulisten. Die taz fragt, wozu Jens Spahn einen 5-Millionen-Euro-Bericht über psychische Folgen von Schwangerschaftsabbrüchen braucht. Der Houston Chronicle bringt eine riesige Recherche über sexuellen Missbrauch bei den Southern Baptists.

Technologien des Posertums

09.02.2019. Laut Agenturen haben sich die EU-Staaten auf eine Urheberrechtsreform geeinigt: Auch kleine Plattformen sollen Uploadfilter installieren. Die New York Times analysiert die "giftigsten Unterstellungen" heutiger Antizionisten. Das Brandenburger Parité-Gesetz ist verfassungswidrig, meint die Juraprofessorin Monika Polzin im Verfassungsblog. Die SZ kann das Ossi-Wessi-Gerede nicht mehr hören. Nein, Roland Tichy ist kein Opfer der SPD, weisen Meedia und die Uebermedien nach.

Ungesunde Inhalte

08.02.2019. Sensation des Tages: Jeff Bezos' wirft dem National Enquirer, einem Donald Trump nahestehenden Boulevardblatt, vor, ihn erpressen zu wollen: "Wenn ich mich in meiner Position nicht gegen diese Erpressung wehren kann, wie viele Leute können es dann?" Das Bundeskartellamt hat Facebook attackiert - es soll ein klein bisschen schwieriger werden, Daten zu verknüpfen: Die Richtung ist richtig, so die meisten Kommentare. Im Guardian erklärt der malische Sänger Salif Keita, warum er sich für Albinos einsetzt. taz und Welt berichten über sexuelle Gewalt in der katholischen Kirche.

Deutscher Wein von 1943

07.02.2019. Die Ungleichheit in der Welt ist in vielen Ländern vor allem eine zwischen Männern und Frauen: In vielen Entwicklungsländern haben Frauen laut Zeit online nur halb so viel Geld wie Männer. In der NZZ spricht Saul Friedländer über Antisemitismus in der alten Bundesrepublik. SZ und New York Times freuen sich über glänzende Zahlen der Letzteren.  Und der Tagesspiegel bewertet die Weimarer Republik neu.

Nur wenige Kilometer vom Kreml entfernt

06.02.2019. Die SZ denkt darüber nach, wie der Rechtsextremismus in den Neuen Ländern zu bewältigen wäre. Nicht allein die offene Grenze ist das Problem in Irland, sondern was die Communities dort wollen, schreiben zwei Politologen in politico.eu. Doch, Donald Trump wollte einen Turm in Moskau bauen, und er arbeitete auch während seines Wahlkampfs daran, behauptet Buzzfeed. Nun sieht es so aus, dass die Uploadfilter doch kommen, schreibt die EU-Abgeordnete Julia Reda, und zwar auch für kleine Plattformen. Und die Berliner Zeitung fragt, ob das Entgelttransparenzgesetz für die Katz war.

Wie groß diese Veränderung ist

05.02.2019. "Die Tories träumen davon, den Sozialstaat loszuwerden", glaubt der Schriftsteller John Lanchester in der Welt. Darum der Brexit, der Britannien in eine Art Singapur verwandeln soll. Der Scotsman fragt: Ist der Brexit das Dünkirchen der Brexiters? Die gefeierten jungen Politikerinnen der Demokratischen Partei in den USA sind fast alles Israelkritikerinnen, konstatiert Vice.com. "Rohdaten" gibt es nicht. Das Wort wurde erfunden, um Datenkolonialismus zu rechtfertigen, meint der britische Medienwissenschaftler Nick Couldry in Zeit online.

Und doch hat das Publikum keine Mitsprache

04.02.2019. Der venezolanische Schriftsteller Rodrigo Blanco Calderón kann es in der SZ kaum fassen, mit welch klischeehaften Reflexen die Linke Maduro verteidigt.  Nach neuen Vorwürfen gegen Facebook fordert Anne Applebaum in der Washington Post eine striktere Regulierung der sozialen Medien. Der öffentliche Intellektuelle ist tot, konstatiert der Literaturwissenschaftler Björn Hayer auf Zeit online.

Alle repetitiven Aufgaben kann man automatisieren

02.02.2019. "Ja Rusari, ja tusari", riefen Chomeinis Anhänger, "Entweder Kopftuch oder ein Schlag auf den Kopf". Mina Ahadi erinnert in hpd.de daran, wie die iranische Revolution zum schwarzen Tag in der Geschichte der Frauen wurde. In der NZZ antwortet Steven Pinker auf die Kritiker seines Buchs "Aufklärung jetzt". Heise.de stellt eine Studie vor, die am Nutzen der Paywalls für die Medien zweifelt. In der SZ spricht  John Micklethwait von Bloomberg News über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Journalismus.

Wir aßen viel Wintergemüse

01.02.2019. In der NZZ sieht Alain Finkielkraut die Gelben Westen als Ausdruck einer Krise der Repräsentation. Viele Zeitungen erinnern an die iranische Revolution vor vierzig Jahren - in der taz schreibt Bahman Nirumand. Politico.eu porträtiert den Politiker Robert Biedron, der zur Hoffnung der Linken in Polen wird. Die Ethnologin Brigitta Hauser-Schäublin findet es in der FAZ ziemlich widersinnig, kulturelle Güter ausgerechnet an afrikanische Staaten zurückzugeben.