9punkt - Die Debattenrundschau

Kommentierter Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Juni 2015

Beiträge zur Herzens- und Gewissensbildung

30.06.2015. Warum gibt es Demonstrationen gegen Karikaturen und keine Demonstrationen gegen die Massaker?, fragt Kamel Daoud im Quotidien d'Oran. Die Welt betrachtet die Welterberetter von der Unesco mit einiger Skepsis. Im Guardian erklärt Joseph Stiglitz, warum er beim griechischen Referendum mit "Nein" stimmen würde. Und Cory Doctorow packt in Boingboing ein und aus: bloß weg aus London.

Die vielen Ärzte waren oft schwul

29.06.2015. Im Tagesspiegel erklärt der Historiker Brendan Simms, wie Europa mit Blick auf die richtigen Vorbilder eventuell doch noch zu retten ist. Lieben muss man es so oder so, findet Richard Herzinger in der Welt. In der taz fragt die Toxikologin Anita Schwaier: Was meinen Sie, weshalb die Lerchen sterben? Slate.fr schildert den Zwiespalt französischer Medien gegenüber dem Front national.

Ein Konstrukt mit sehr realen Konsequenzen

27.06.2015. Man muss den tunesischen Jugendlichen Hoffnung machen, ruft der Menschenrechtler Abderrahmane Hedhili nach dem neuen Massaker im Land in Libération. Amerika feiert die Entscheidung des Supreme Court zur Lesbenehe. Huffpo.fr analysiert, wie sich der Islamische Staat in die westliche Popkultur einbrannte. Der Standard bringt einen Schwerpunkt über  "Die überwachten Bürger". Vice fragt: Hat der Papst recht, wenn er die Rolle der katholischen Kirche im Holocaust mit Verweis auf die Untätigkeit der Alliierten relativiert?

Das Ypsilon im Landesnamen

26.06.2015. Touristen sollten künftig keine Wahrzeichen mehr fotografieren, die urheberrechtlich geschützt sein könnten, warnt Zeit online. Ein anonymer Autor erzählt auf Vice, was es heißt, als Schwuler in Russland zu leben. Courtney Love twittert aus einem Uber-Auto, das von wütenden Pariser Taxifahrern attackiert wurde. Die FAZ sehnt sich nach ein bisschen Transparenz in öffentlich-rechtlichen Sendern.

Auf andere Weise hinreichend deutlich

25.06.2015. Fast zehn Jahre nach der Debatte über Islam in Europa ändert Ian Buruma in der Presse eine Vokabel: Ayaan Hirsi Ali ist für ihn nicht mehr eine Fundamentalistin, sondern eine Dogmatikerin der Aufklärung. In der FAZ fordert Christian Hillgruber ein Verbot der Beihilfe zur Selbsttötung. Es muss aber nicht strafbewehrt sein. taz und Zeit online  raufen sich angesichts der Überwachung überwachter Überwacher befreundeter Mächten die Haare.

Das ist halt Jeremy

24.06.2015. Politico.eu graut's vor dem möglichen neuen Labour-Chef Jeremy Corbyn, der sich gern mit antisemitischen Verschwörungstheoretikern umgibt. In der FAZ erzählt Raif Badawis Frau Ensaf Haidar über die unwürdige Politik Saudi-Arabiens auch ihr gegenüber. Die Literaturblogggerin Mara Giese warf bei der Electric Bookfair einen Blick auf die Zukunft des Buchmarkts. Die NZZ liest Christian Füllers Studie über Pädophilie in Reformbewegungen. Und Spiegel Online blättert duch den deprimierenden Terminkalender Günther Oettingers.

Die Interessen des Königreichs

23.06.2015. In der SZ unterstützt Jürgen Habermas die Position der griechischen Regierung. In der FAZ schimpft Mikis Theodorakis aus das "vom Geld dirigierte Europa". Das Middle East Eye analysiert Wikileaks-Dokumente, die zeigen, wie Saudi-Arabien ausländische Medien schmiert. Amerikanische Medien zeichnen die Debatte um die Konföderierten-Flagge nach, die für die Republikaner zur Peinlichkeit wird. Im Standard erklärt Guardian-Strategie Wolfgang Blau, warum Medien heute mit Facebook und Apple kooperieren.

Der Ruf ihrer Vorfahren

22.06.2015. Bei Spiegel Online gratuliert Sibylle Berg nochmals Navid Kermani zum Friedenspreis. Aber eine Frage hat sie auch zu der Entscheidung: Warum hat die Jury seit 1950 erst sieben Frauen ausgezeichnet? In der SZ erzählt die Historikerin Karina Urbach, wie schwer es ist, an die Archive der Royals zu kommen. In der FR erläutert Ian Buruma den Unterschied zwischen deutscher und japanischer Vergangenheitsbewältigung.

Brooklyn dehnt sich nicht aus!

20.06.2015. Mit Entsetzen aber auch offen eingestandener Ratlosigkeit blicken amerikanische Medien auf das Massaker von Charleston und den nicht endenden Rassismus des Landes. Auch die Debatte um Rachel Dolezal geht weiter: Wer nicht kapiert, dass Jenner selbstbestimmt handelt, während Dolezal lügt, stellt sich aus Ranküne dumm, meint die FAZ. Tabletmag sieht's anders. Die Welt übersetzt Jonathan Franzens Artikel zum Klimawandel.

VDS lehne ich entschieden ab

19.06.2015. In der New York Times schreibt Henry Louis Gates einen Nachruf auf den charismatischen Pastor und Politiker Clementa Pinckney, der in Charleston ermordet wurde. Der Papst kritisiert in seiner Enzyklika nicht nur die Umweltzerstörung, sondern auch das Internet, hat Rue89 herausgefunden. In der taz hofft der Jurist Christian Rath, dass die Vorratsdatenspeicherung vor Gericht gestoppt oder korrigiert wird. Bei Politico.eu kommentiert Flemming Rose den heftigen Rechtsruck in Dänemark.

Buchstaben, Worte, Sätze

18.06.2015. Nicht nur im Mittelmeer, auch in der Sahara sterben Tausende Flüchtlinge, berichtet Libération. Die FAZ kritisiert das Zentrum für politische Schönheit, das mit Bestattungen auf das Schicksal der Flüchlinge hinwesen will. In den Verlagsblogs hundertvierzehn und logbuch startet eine neue Diskussion über "Feminismen". Die Zeit beobachtet den Alltag in der dezimierten Charlie-Hebdo-Redaktion. Huffpo.fr erinnert an Charles De Gaulles Rede vom 18. Juni.

Die berüchtigte Berliner Schießscharten-Architektur

17.06.2015. Warum lässt Südafrika den sudanesischen Despoten Omar al-Baschir entkommen?, fragt La Règle du Jeu. Die FR beschreibt, mit welchen Mitteln der Kreml die russischen Medien auf Linie gebracht hat. In der Berliner Zeitung protestiert Filmemacher Volker Heise gegen die Berliner Schlossattrappe. Und darf sich Rachel Dolezal zur Farbe Schwarz bekennen? Und Hannah Pool zur Farbe Rosa?

Wahnsinnig kooperative Menschen

16.06.2015. Die Aktionskünstler vom Zentrum für politische Schönheit wollen die exhumierten Leichen ertrunkener Flüchtlinge nach Deutschland bringen - aber wollen sie das wirklich?, fragen taz, Vice und SZ. Im Tagesspiegel fordert Laurie Penny eine Revolution der faulen Frauen.  Im Guardian verteidigt Cory Doctorow die Internet-Utopisten. Und nach der Formel über die "Demokratieabgabe" kursiert bei den Öffentlich-Rechtlichen laut Welt nun ein neuer Neusprech: "Die beste Möglichkeit, kritisch... über die FIFA zu berichten, ist der Rechteerwerb."

Sehr große rote Buchstaben

15.06.2015. Im Standard spricht die deutsch-chinesische Autorin Xifang Yang über Mao-Nostalgie in China. In der FAZ zieht Brendan Simms Lehren aus Waterloo. Bei freitext kritisiert Feridun Zaimoglu die Kritiker von Religion. Die taz langweilt sich bei der FAZ-Lektüre. Im Observer benennt Kenan Malik eine Fehlstelle des Postkolonialismus.

Texte von und zu

13.06.2015. Hilft der internationale Druck? Raif Badawi wurde gestern nicht ausgepeitscht, berichtet die FAZ. Nach dem Richtfest des Humboldt-Forums hoffen die Medien, dass am außereuropäischen Wesen Deutschland genesen wird. Libération berichtet über die Erfolge der Israel-Boykottbewegung unter Popmusikern. In der Welt lotet Wolfgang Schivelbusch Napoleons Waterloo aus. Und Surrealismus: Bei der Verleihung eines Preises für Zeitdiagnostik an Enzensberger wird Morozov Schirrmacher rezitieren.

Auf der Suche nach einem sanften Selbstbild

12.06.2015. In Berlin-Mitte zeichnet sich die bizarre Betonsilhouette der noch nackten Schloss-Attrappe ab. Heute ist Richtfest: die Feuilletons schwanken zwischen Feierlichkeit und Kritik. Die Welt verabschiedet ein Jahr nach dem Tod Frank Schirrmachers das Feuilleton als Schicksalsort der Debatte. Mit Grauen sehen die Medien zu, wie den MdBs die Gigabytes zwischen den Fingern zerrinnen. Die ukrainische Autorin Tanja Maljartschuk erzählt in freitext die Geschichte ihrer Urgroßväter.

Aber Sie sind nur peripher interessiert

11.06.2015. Die Zeit schämt sich für das Humboldt-Forum, dessen Exponate sich angeblich unserem "blutigen Welterlösungsdrang" verdanken. Hermann Parzinger von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz kontert im Freitag: "Kolonialer Kontext ist nicht automatisch Unrechtskontext." Die deutsche Bevölkerung hat in digitalen Dingen die Bundesregierung, die sie verdient, fürchtet Sascha Lobo bei Spiegel online. Die Welt sucht nach Gründen für die afrikanische Misere und findet sie in Europa. Und Saudi Arabien sucht Henker!

Weitgehend destruktiv und eher heiße Luft

10.06.2015. Etwas Wundersames ist in der Türkei geschehen, staunt die Welt nach den Wahlen. In der FR konstatiert die Linguistin Monika Schwarz-Friesel, dass Antisemitismus in Deutschland eine Sache der gebildeten Stände ist. In der Deutschen Welle analysiert Gerd Koenen die unausgegorenen Eurasien-Diskurse Wladimir Putins. Politico macht sich Sorgen um die Londoner City, die womöglich nach Frankfurt umziehen muss. Und ein Tipp von Vice: So fährst du Fahrrad, ohne ein Arschloch zu sein.

Weißer Fleck auf der mentalen Landkarte

09.06.2015. Wird Tayyip Erdogan seine Niederlage verkraften, fragen die Zeitungen. In der NZZ verzweifelt Kiran Nagarkar an der indischen Fortschrittsresistenz. In der SZ sucht Frank-Walter Steinmeier einen neuen deutschen Blick auf die Welt. Das französische Blog arrêtsurimage erklärt, warum die iranische Karikaturistin Atena Farghadani zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt wurde.

Samt nachgebildetem Eiffelturm

08.06.2015. Raif Badawi soll nun doch tausend Peitschenhiebe erhalten und zehn Jahre im Gefängnis bleiben, melden die Medien. Der Guardian erinnert an sein Verbrechen: Er ist für die Trennung von Staat und Religion eingetreten. Der NZZ graut vor Capital Cairo. Wenn die Staaten so scharf darauf sind, das Internet zu kontrollieren, dann vielleicht auch, weil es ein Raum der Freiheit ist, vermutet Alan Rusbridger in der CJR. Was bedeutet es eigentlich, dass ein zentraler Ort deutscher Repräsentation wie das Humboldt-Forum ganz ohne Deutschland auskommen will?, fragt die FAS.

Anschlag auf die Sinne

06.06.2015. Villa Kunterbunt oder ästhetisches Verbrechen? Vor dem Richtfest des Berliner Stadtschlosses sind sich taz und SpOn uneins in der Bewertung von Deutschlands seltsamstem Gebäude. Die FR erinnert an die Anfänge des organisierten Fußballs in Deutschland. Die Welt erklärt, wie die Terroranschläge vom Januar die französische Gesellschaft voran gebracht haben. Und die New York Times wäre lieber Kunde als Produkt von Facebook.

Offenes Frequenzspektrum

05.06.2015. Auch zwei Jahre nach seinen Enthüllungen verteidigt Edward Snowden unter anderem in Libération die Idee der offenen Gesellschaft. In der FAZ kritisiert Caspar Hirschi Reinhart Kosellecks Kritik der Kritik. Die taz hofft auf die türkische Partei HDP als Gegengift zu Tayyip Erdogan. Google verspricht bei Politico, geschickter zu kommunizieren. Und die New Republic unterstreicht, dass man Comedians nicht mit Intellektuellen verwechseln sollte.

Wie jene verarmten Aristokraten

04.06.2015. Taslima Nasrin geht ins amerikanische Exil, melden die Agenturen. Richard Herzinger zerpflückt auf seinem Blog den Mythos vom russischen Antifaschismus. Die taz versteht nicht, warum sich Bundespräsident Gauck mit dem ägyptischen Präsidenten al-Sisi trifft. Correctiv.org stellt ein Crowdfunding-Projekt vor, das die "Akte NSU" bündeln will. Die New Republic fragt, ob die sexy Pose der Caitlyn Jenner auf dem Cover von Vanity Fair der Sache der Cisgender-Frauen schadet.

Gern eine danseuse

03.06.2015. Sollten wir Bibel und Koran verbieten?, fragt Kenan Malik in seinem Blog. Der populäre Philosoph Markus Gabriel findet in der FR die Idee der Wirklichkeit auch so schon leer. Laut SZ werden die französischen Zeitungen zunehmend zu Spielzeugen der Milliardäre. Die NZZ beugt sich über die albanische Vergangenheit.

Ein großes Zufälligkeitsarrangement

02.06.2015. Warum hassen Islamisten die Frauen?, fragt Kamel Daoud in der huffpo.fr. Und verdient Blasphemie ein Lob?, fragt slate.fr. Die taz verfolgt Milo Raus Kongo-Tribunal. Die SZ staunt über immer neue Willkürakte des Kreml auch in Russland selbst. In der taz findet Micha Brumlik bei Martin Buber Argumente für eine israelisch-palästinensische Einstaatenlösung. Spiegel Online und das Altpapier haben herausgefunden, wer die FIFA-Korruption wirklich finanziert: Wir.

Jakob und Auguste

01.06.2015. Ausrangiert? Die taz-Autorin Gabriele Goettle schickt eine ihrer letzten Reportagen von einem Gnadenhof. In der FAZ gibt Lutz Hachmeister Entwarnung: Es gibt gar keine "digitale Gesellschaft". Huffpo.fr polemisiert gegen die Fraktion der französischen Linken, die sagt, "ich bin Charlie, aber..." Und die SZ fragt, ob Schimpansen Personen seien.