Heute in den Feuilletons

Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
09.04.2005. In der Welt prangert Christopher Hitchens die systematische Grausamkeit der Moskauer Tschetschenien-Politik an. In der taz schreibt Joseph von Westphalen den "Fischer"-Schlüsselroman. Die FAZ erkennt die Erhabenheit in der Rechtlosigkeit. Die NZZ bilanziert die religiöse Entspannungspolitik von Johannes Paul II. In der FR beobachtet Ruth Klüger besorgniserregende Hirnzunahme bei Rechtsextremisten. Die SZ fordert: mehr Punk!

Welt, 09.04.2005

In der Literarischen Welt preist der britische Publizist Christopher Hitchens das "deprimierende und alarmierende und mutige" Buch der russischen Journalistin Anna Politkovskaja "In Putins Russland", das von der hiesigen Lietraturkritik bisher kaum beachtet wurde: "Anna Politkovskajas Buch wurde mit heißem Blut geschrieben, was kein Grund zur Schande ist. Es beschreibt Dinge, über die man nicht emotionslos reden kann: die abscheuliche Brutalität des russischen Offizierskorps, die unverstellte Voreingenommenheit und Feigheit der Gerichte dieses Landes, die Korruption, die sich wie Wundbrand in jedes Glied der Geschäftsoligarchie gefressen hat, und den bösartigen Zynismus, der die öffentliche Meinung durchdringt. Das Herz all dessen - wenn es über ein Herz verfügt - ist die systematische Grausamkeit, die Moskaus Politik in Tschetschenien kennzeichnet. Das ist nur angemessen, weil es an die schlechten alten Tage im Kaukasus erinnert, auf die Lermontow und später Tolstoj sich so häufig bezogen. Aber es bringt uns auch auf den neuesten Stand jener Krise, die Leute mit Gewissen in Russland heute herausfordert." (Hier ein Auszug aus Anna Politkovskajas Buch).

Im Feuilleton erzählt Ulrich Weinzierl die Geschichte des Stefan Jerzy Zweig, die unter anderem durch das Buch des Buchenwald-Häftlings Bruno Apitz "Nackt unter Wölfen" bekannt geworden ist. Er war im Alter von vier Jahren als Jude und "politischer Häftling" in Buchenwald interniert und von den Kommunisten - aus Kosten eines anderen Kindes - gerettet worden.

TAZ, 09.04.2005

In der taz zwei schreibt der Autor Joseph von Westphalen eine literarische Expertise über das Auswärtige Amt, Titel "Fischer - Der Roman": "Kein normaler Mensch lässt sich die Stimmung von einem Chef verderben, den man kaum zu Gesicht bekommt. Ein großer Teil der Beamten saß ohnehin auf dem Auslandsposten, und was im weit entfernten Berlin passierte, ging einem am Arsch vorbei. Visa, Nachrufe und saublöde Artikel in der FAZ - geschenkt. Da hatten die Journalisten wieder mal mit den Ratten gesprochen. Was wirklich an die Nieren ging, war das, was den Leuten in allen Ministerien und Behörden an die Nieren und auf die Nerven ging: Die Haushaltseinsparungen und damit die immer schlechter werdenden Beförderungsaussichten."

Außerdem: Jan Feddersen stellt "die attraktivste Frau der Welt" vor: Camilla Parker-Bowles. Philipp Gessler erinnert zum sechzigsten Todestag an Friedrich Bonhoeffer.

In der Kultur erinnert der Ludwigsburger Jörg Magenau an den Ludwigsburger Friedrich Schiller. Es werden besprochen: Das Tanztheaterstück "Shanghai Beauty" im Berliner Haus der Kulturen der Welt, Hannes Stöhrs Film "One Day in Europe", der neue inszenierte "Brandner Kasper" im Münchner Volkshtheater, von Vanessa Beecroft arrangierte nackte Frauenleiber in der Berliner Nationalgalerie. Den Nachruf auf Max von der Grün schreibt Jan Feddersen.

Im Aufmacher des taz mag porträtiert Peter Münder den KGB-Offizier Viktor Tscherkaschin, dessen Erinnerungen gerade in den USA erschienen sind: "Auch beim KGB lauerte die Paranoia immer und überall; Lenins Devise 'Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser' wurde als richtungsweisende Maxime verinnerlicht. Natürlich bestand eine Hauptaufgabe darin, den Gegner durch Unterwanderung und Abwerbung zu schwächen. Allerdings war es auch gefährlich, die Seiten zu wechseln und als Verräter entlarvt zu werden - das bedeutete meistens die sofortige Exekution."

Weitere Artikel: Von einem dreimonatigen Aufenthalt im bolivianischen Regenwald erzählt Daniel Stender. Gesine Kulcke schildert Szenen aus einer Frauenberatungsstelle. Der Psychologe Martin Altmeyer diagnostiziert: "Nicht mehr Sexualität, Identität ist nun das seelische Hauptproblem."

Rezensionen: Besprochen werden Ian Burumas und Avishai Margalits Essay "Okzidentalismus", Sybille Buskes Geschichte der Unehelichkeit "Fräulein Mutter und ihr Bastard", Hans Pleschinskis Anti-Novelle "Leichtes Licht", ein Erzählungsband von Franz Hohler und Roger Willemsens Roman "Kleine Lichter" (mehr in unserer Bücherschau ab 14 Uhr.)

Und Tom.

FAZ, 09.04.2005

Wochenende. Zeit für den Schriftsteller Martin Mosebach, auf die prekäre Lage des modernen Monarchen, mit anderen Worten Prinz Charles, hinzuweisen. Freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit, Freiheit der Berufswahl, Wahl des Wohnsitzes, nicht einmal die elementarsten Bürgerrechte stehen ihm zu. "Seine Eheschließung bedarf der Zustimmung der Parlamente." Prinz Charles setzt mit Camilla seinen Willen durch, aber damit auch die Monarchie aufs Spiel, warnt Mosebach. Denn "die Rechtlosigkeit gibt der Monarchie den Charakter geradezu magischer Auserwähltheit - wie der alttestamentarische Sündenbock die Schuld des ganzen Volkes auf sich zu nehmen hatte, soll die Rechtlosigkeit des einen, ohne eigenes Zutun, ohne Verdienst oder Schuld in seine einzigartige Position Gelangten, die Rechte seines Volkes garantieren. Die Rechtlosigkeit ist das höchste Gut des modernen Monarchen."

Dirk Schümer leidet mit dem Papst, der nicht in Würde ruhen darf, sondern wohl bald als Heiliger ausgestellt werden wird. Jürg Altwegg sieht schwarz für die überfällige Neuordnung der französischen Forschung, Joseph Hanimann berichtet vom gallischen Streit über valide Ergebnisse der Psychonanalyse. Joseph Croitoru liest in den aktuellen Ausgaben von den im Netz etwas verschlafenen Magazinen Osteuropa und East European Quarterly, wie das ehemalige Jugoslawien auch in der Literatursprache immer weiter auseinander driftet. Wolfgang Sandner gratuliert dem finnischen Komponisten Aulis Sallinen zum Siebzigsten. Heinz Ludwig Arnold schreibt zum Tod des "ersten Arbeiterschriftstellers" der alten Bundesrepublik, Max von der Grün. Der verstorbene Altphilologe Oliver Lyne bekommt einen Nachruf von Jan Felix Gaertner. Auf der Medienseite fasst Squad Mekhennet knapp die überwiegend neutrale bis wohlwollende Berichterstattung arabischer Fernsehsender über den Papsttod zusammen.

In den Resten von Bilder und Zeiten porträtiert Paul Ingenday den mit etwa hundert Seiten pro Woche produktivsten Schriftsteller der englischen Literatur, Anthony Trollope (mehr). Und er gibt Leserhilfe. "Während Dostojewski mit jungem Herzen gelesen werden muss, damit seine Überspanntheiten nicht stören, scheint Trollope etwas für Leser ab Mitte Dreißig zu sein - frühestens." Der Leiter des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung erklärt, dass Deutzschland nicht von der Globalisierung profitiert, "weil es es sich immer noch an Lohnstrukturen klammert, die aus der Zeit vor der Beteiligung der früher noch kommunistischen Länder am Welthandel stammen." Stefan Aust und Frank Schirrmacher unterhalten sich für die Reihe "Hundert Jahre Deutschland" mit dem eleganten Raucher Helmut Schmidt über den Aufbruch damals und die Lähmung heute. "Heute fehlt der Antrieb, möglicherweise fehlt die geistige oder seelische Führung." Und was ist mit der FAZ?

Besprochen werden Joachim Meyerhoffs autobiografischer Versuch "Eine Komödie" auf der Berliner Gorki-Bühne ("Wässriger Schmelzkäse", schimpft "baz".), eine Ausstellung mit Bildern von Caspar David Friedrich, darunter Der Watzmann und Das Eismeer, in der Hamburger Kunsthalle, Istvan Szabos Film Alle lieben Julia mit einer biestigen Annette Benning, Hannes Stöhrs Film One Day in Europe, und Bücher, darunter Nicholas Murrays "angenehm trockene" Studie "Kafka" sowie die "opulente" zweisprachige Ausgabe mit Gedichten des ungarischen Poeten Attila Jozsef (mehr in unserer Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).

FR, 09.04.2005

Im Interview sprechen Ruth Klüger und Jutta Limbach über deutsche Erinnerungskultur 60 Jahre nach Auschwitz. Ruth Klüger über Rechtsextremismus: "Ja, aber früher waren die Rechtsextremen auch dümmer. Nur der Schönhuber hatte etwas Grütze im Kopf. Jetzt tragen sie eine weiße Rose als Zeichen des Widerstands." Und Jutta Limbach über Neonazi-Demonstrationen: "Wir müssen mehr Meinungsfreiheit zulassen. Damit es zur Gegenrede kommt. Wenn ich von vornherein dafür sorge, dass diese Aufmärsche nicht stattfinden, nehme ich den Menschen ihre Gegendemonstrationen ab."

Weitere Artikel: Eher grundsätzliche, verfahrenstheoretische Gedanken macht sich Harry Nutt zum moribunden Aufregerthema Rechtschreibreform. Den Nachruf auf Max von der Grün hat Ursula März verfasst. Thomas Medicus stellt das polnische "Institut für das Nationale Gedenken (IPN)", das der deutschen Birthler-Behörde vergleichbar ist, jedoch über eine "eigene Strafverfolgungsbehörde" verfügt. Im Medienteil findet sich ein Interview mit dem Filmbösewicht vom Dienst Udo Kier. Dort ist auch nachzulesen, wie Stern-Vize Hans-Ulrich Jörges nicht der Moderator einer neuen bei Sat 1 geplanten Polittalkshow wurde.

Besprochen werden Mainzer Inszenierungen von Pinter und Genet, ein Bruckner-Konzert des RSO Frankfurt, ein Konzert der deutschen Bands Stereoblonde und El*ke und eines von Stereo Total, eine Lesung des Autors Joachim Helfer und eine "Idomeneo"-Inszenierung von Christof Nel in Köln.

Im Magazin, das den Internet-Lesern als e-paper dargereicht wird, geht es unter anderem um Fromme Wünsche, Kleingärtner und einen Sammler von Judensternen.

NZZ, 09.04.2005

Die NZZ zieht eine umfassende Bilanz des Pontifikats von Johannes Paul II. "Die wichtigsten Öffnungen erreichte Johannes Paul II. daher weder innerhalb der katholischen Kirche noch im Felde der ökumenischen Konkurrenz." In der Beilage "Literatur und Kunst" betont der Politikwissenschaftler Otto Kallscheuer die politischen Bemühungen des Papstes geegnüber anderen Weltreligionen. "Die Alternative zum clash of civilizations (Samuel Huntington), zum Kulturkonflikt der verschiedenen religiös bestimmten Weltzivilisationen, von dem in den neunziger Jahren die Geostrategen im liberalen Westen zu reden begannen, war für Johannes Paul II. ganz offenkundig eine Art religiöse Entspannungspolitik. Diese setzt allerdings nicht auf die Konvergenz aller Religionen (zu einem "Weltethos"), sondern im Gegenteil auf das bewusste Aushalten der Differenz."

Die Philosophin Elisabeth Gössmann konzentriert sich auf Erfolge hinsichtlich des Friedens, des interreligiösen Gesprächs und der Stellung der Frau. Der ehemalige bayerische Kulturminister und Theologe Hans Maier fordert für die gegenwärtige Kirche ein "örtlich und zeitlich abgestimmtes Krisenmanagement". Im Feuilleton umreißt Martin Meyer die Probleme und Aufgabengebiete des zukünftigen Papstes.

Uwe Justus Wenzel erinnert im Feuilleton an den Begründer der Homöopathie Samuel Hahnemann, der vor 250 Jahren geboren wurde. In der Beilage versucht Werner Hofmann zu einem neuen Verständnis von Balzacs Erzählung "Le Chef-d'oeuvre inconnu" gelangen, die als Schlüsseltext zum Verständnis des modernen Künstlers und des Werkbegriffs der modernen Kunst im 19. Jahrhundert gilt. Hofmann will die bisherige Dominanz der Abstraktion zugunsten der Gegenständlichkeit abschwächen.

Die restliche Beilage ist dem "Tier" gewidmet. Die Autorin Anne Weber steuert eine Kurzgeschichte bei, die Übersetzerin und Erzählerin Ilma Rakusa (Homepage) folgt ihren inneren Tieren, und der Schriftsteller Hans Ulrich Gumbrecht entwirft eine "Theologie des Tapirs", die auf dessen unmerklichen Zittern beruht. "Während der Tapir nun zittert, wirken seine Versuche rein symbolisch, mit dem kurzen Schwanz die glänzenden Schweissfliegen zu vertreiben, welche das nach Urin und Kot stinkende Gehege anzieht. Denn der Tapir steht da, so wird dem geschichtsphilosophisch oder gar geschichtstheologisch inspirierten Besucher bald deutlich werden, um Opfer in Vollkommenheit zu sein."

Besprechungen gelten einer Ausstellung mit 70 Werken des Malers Sigmar Polke im Kunsthaus Zürich sowie einer Schau mit Designobjekten des italienischen Hauses Danese im Mudac in Lausanne. Und "Lichter der Berührung", den Roman von Dragan Velikic (hier eine Leseprobe)

SZ, 09.04.2005

Der Punk-Experte Jürgen Teipel schreibt über Punk und meint, dass mehr Punk uns allen heute gut täte: "Ich finde die Vorstellung gar nicht so abwegig, dass demnächst sogar mal ein richtiger Ruck durchs Land gehen könnte. Was Techno betrifft, sind wir eh schon Weltmarktführer. Form und Inhalt hauen einen zwar nicht vom Hocker, aber immerhin funktioniert das Ganze weitgehend über Do-it-yourself, Ein-Mann-ein-Laptop-Ich-AGs und hin und wieder sogar über Spontaneität. Was den Film betrifft, so gibt es zwar keine wirkliche Mini-DV-Szene oder etwas in diese Richtung. Dafür aber eine auffallende Häufung von 'No Budget'-Ansätzen. Und das nicht nur bei unbekannten Leuten. Was wir brauchen, ist mehr von diesem: 'Scheiß auf Förderung. Ich drehe jetzt einfach los. Genau wie damals.' Das ist Punk."

Weiteres: Mit Elias Canetti macht sich Stefan Kornelius Gedanken zur katholischen Kirche unter den Gesichtspunkten "Masse und Macht". "Der Massenapplaus der Hunderttausenden auf dem Petersplatz Punkt Mittag kam einem Gefühlsausbruch der Masse am nächsten. Gefährden konnte das die Kirche freilich nicht. Ihre Massen-Nutzung ist in Jahrhunderten erprobt und in unzähligen Ritualen, Hierarchien und Symbolen gefestigt." Die "Generation Praktikum" stellt Christian Kortmann vor; sie besteht aus "späten Berufsanfängern und ewig unbezahlten Praktikanten, Legionen von sich mit Gelegenheitsjobs durchschlagenden kinderlosen Akademiker-Desperados" und ist leider ohne Lobby. Thomas Steinfeld gratuliert dem Lyriker, Essayisten und SZ-Autor Albert von Schirnding zum Siebzigsten. Den Nachruf auf den Schriftsteller Max von der Grün hat Lothar Müller verfasst. Der Vorschlag zur Reform der Rechtschreibreform, wird gemeldet, sieht vor, dass man Wörter wie kennen lernen jetzt wieder zusammen schreiben darf.

Besprochen werden eine Wiener Inszenierung von Donizettis "L'Elisir d'amore" mit Anna Netrebko, eine vom Schauspieler Joachim Meyerhoff inszenierte Aufführung eines Stückes von Joachim Meyerhoff am Berliner Maxim-Gorki-Theater ("überraschend uneitel"), die Inszenierung zweier Einakter von Pinter und Genet in Mainz, ein Kölner Geheimkonzert der Band Coldplay, der Film "One Day in Europe" von Hannes Stöhr.

Auf der Literaturseite heute nichts als Friedrich Schiller: Gustav Seibt liest und preist die Briefe "Über die ästhetische Erziehung des Menschen" und sieht sie trotzdem als Gründungsmanifest des "allzuständigen, dilettantischen, mit seinem Dilettantismus zufriedenen und selbstgerechten, gern unpolitischen Moralisten jeglicher Couleur". Rezensionen gibt es zu Dieter Hildebrandts Schiller- und Beethoven-Buch "Die Neunte" und einer Ausgabe der Briefe, die Friedrich Schiller und August Wilhelm Schlegel gewechselt haben (mehr dazu in der Bücherschau des Tages).

Im Aufmacher der SZ am Wochenende singt Wiglaf Droste ein Loblied auf den jüdisch-texanischen Countrysänger ("They Ain't Makin' Jews Like Jesus Anymore") und Krimiautor Kinky Friedman (Website), der sich jetzt um den Posten des Gouverneurs von Texas bewirbt: "Friedman hat etwas Seltenes: Humor. Und so weigert er sich, im Gleichschritt oder solo in den Schwachsinn zu torkeln und die Bewohner der Welt als das ernst zu nehmen, was sie so gern wären: wichtig. Kinky Friedman beschreibt das in einer Kolumne im Texas Monthly Magazine so: 'Ich ziehe es vor, so zu bleiben, wie ich immer gewesen bin: in Selbstvergessenheit gut angepasst an eine zutiefst kranke Gesellschaft.'"

Außerdem: Im oberschwäbischen Wilfingen hat sich Julia Encke auf die Spuren des "deutschen Jahrhundertautors" Ernst Jünger begeben. Johannes Willms meditiert über die Academie Francaise, Unsterblichkeit und Anekdotenfähigkeit. Vorabgedruckt wird eine Erzählung von Jakob Hein (mehr) über "Die Geheimnisse der großen Verführer: heute". Rebecca Casati spricht mit der Schauspielerin und MTV-Moderatorin Nora Tschirner (Fanseiten) über die Wende, über Würde und MTV: "Nichts gegen Leute, die ihr Leben lang von Popstars träumen. Viel schlimmer ist es, Popstar zu sein und zu merken, dass es nicht ausfüllt. So wie Mariah Carey. Die ist nun wirklich ernsthaft verrückt geworden darüber."

Berliner Zeitung, 09.04.2005

In einem Interview im Magazin beklagt der Hitler- und Speer-Biografie Joachim Fest, Sündenbockmentalität und Trauerverbote bei den Deutschen (die anderen trauern ihm dann wieder zuviel) und bekennt seine Verachtung für die reuigen Deutschen - wie immer abgesichert mit einem Zitat von Hannah Arendt: "Die Deutschen spielen die Rolle des großen Sünders. Hannah Arendt, mit der ich befreundet war, hat immer von den 'Reue-Deutschen' gesprochen. Es gibt einige Leute, die tiefe Reue empfinden und sich anklagen. Aber dass die Französin Simone Veiel in Auschwitz sagte, sie müsse jeden Tag beim Gedenken an die Opfer weinen, glaube ich einfach nicht. Man weint nicht jeden Tag. Warum diese Übertreibung? Wenn sie alle vier Wochen einmal weint, am Anfang häufiger und jetzt immer seltener, dann wäre es begreiflich genug. Es gibt viele Deutsche, die unablässig jeden Tag über die Opfer weinen könnten. Meine Verwandten waren gegen Hitler, schon weil mein Vater gegen Hitler war. Auch sie waren Leute, die ihre Heimat verloren haben, die vergewaltigt worden sind, totgeschlagen wurden - und zwar mehr als dreißig Personen. Ich betrauere sie sehr. Als Deutscher darf man sie eigentlich nicht einmal betrauern."