Heute in den Feuilletons

Papier ist das Vinyl von übermorgen

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
07.02.2009. Okay, es ist offiziell: Suhrkamp kommt (beziehungsweise geht) nach Berlin. Siegfried Unseld hätte es nicht anders gemacht, meint seine Witwe Ulla in der FAZ. Die Berliner Zeitungen wissen schon, wohin Suhrkamp in Berlin zieht: ins Nicolaihaus. Der Tagesspiegel fragt 20 Jahre nach der Fatwa gegen Rushdie, was der Islamismus im Westen angerichtet hat.  In der FR meint Burkhard Spinnen: "Wir alle haben Märklin auf dem Gewissen." Und in der SZ schreibt Monika Maron zu den Grass-Tagebüchern aus dem Wendejahr: "Die Unke hat geirrt."

Tagesspiegel, 07.02.2009

Perlentaucher Thierry Chervel schreibt über 20 Jahre Fatwa gegen Rushdie und über die Frage, was der Islamismus im Westen und der Linken seitdem angerichtet hat: "Die Linke hat in der Auseinandersetzung mit dem Islamismus ihre Prinzipien aufgegeben. Sie stand für Loslösung von Sitte und Tradition, aber im Islam setzt sie sie im Namen von Multikulti wieder ins Recht. Sie ist stolz, die Frauenrechte erkämpft zu haben, aber im Islam toleriert sie Kopftücher, arrangierte Ehen und prügelnde Männer. Sie stand für Gleichheit der Rechte, nun plädiert sie für ein Recht auf Differenz - und damit für eine Differenz der Rechte. Sie proklamierte die Freiheit des Worts und gerät beim Islam in hüstelnde Verlegenheit. Sie unterstützte die Emanzipation der Schwulen und beschweigt das Tabu im Islam. Die fällige Selbstrelativierung des Westens nach der kolonialen Ära, die von postmodernen und strukturalistischen Ideen vorangetrieben wurde, führte zu Kulturrelativismus und Kriterienverlust."

Ebenfalls im Tagesspiegel weiß Gerrit Bartels bereits, wohin Suhrkamp in Berlin zieht (wie übrigens auch Jörg Sundermeier in der Berliner Zeitung, hier): "Als neue Adresse in der Hauptstadt hat man das Nicolaihaus in der Brüderstraße in Mitte ins Auge gefasst. Andre Schmitz, der Berliner Staatssekretär für Kultur, wünscht sich diesen 'traditionsreichen Standort, wo einst der berühmte Aufklärer und Verleger Christoph Friedrich Nicolai, Lessing und Moses Mendelssohn aus und ein gingen.' Wegen des Hauses, das zur Stiftung Stadtmuseum Berlin gehört, stehe man mit dem Verlag in Verhandlungen, so Schmitz." (Das Bild haben wir aus der Wikipedia, wo es unter Creative-Commons-Lizenz steht.)

TAZ, 07.02.2009

Auf der Meinungsseite staunt Wolfgang Storz, ehemaliger Chefredakteur der FR, wie unbeanstandet die Patriarchen ins Verlagsgeschäft zurückkehren dürfen: "Der britische Investor David Montgomery ist geschlagen, er flieht. Montgomery kam als große Gefahr für Deutschlands Medien und entpuppte sich als nützlicher Idiot für deren Verleger. Weil er in allem ein bisschen marktradikaler war, ein bisschen maßloser, diente der große böse Bube als vorzügliches Versteck für alle anderen. Nun kann sich die Heuchelei verziehen, und siehe da: Alle deutschen Verleger sparen seit Jahren. Für Synergien lassen sie bis in den letzten Winkel kriechen. Sie arbeiten mit Beratungsfirmen wie der Schickler-Gruppe zusammen, die mit Hingabe zum Cent Redaktionsarbeit in industrielle Fertigungsprozesse umwandelt. Die WAZ-Mediengruppe verabschiedet sich von Redakteuren und Lokalausgaben, Gruner+Jahr legt Wirtschaftstitel zusammen."

Im Feuilleton: Dirk Knipphals vermeldet den gestern verkündeten Umzug des Suhrkamp Verlags nach Berlin, gegen den sich seinen Angaben nach 80 Prozent der Beschäftigten ausgesprochen hatten. Julian Weber porträtiert die amerikanische Singer-Songwriterin Azita Youssufi: "Ihre Stimme klingt heiser, schroff. Die Haare auf den Zähnen verschaffen sich öfter Gehör." Meike Laaf erklärt, wie die Kölner Indieband Angelika Express neues Album per Bandaktie finanzierte.

Im taz mag macht der für dieses Jahr hauptamtlich bestellte Darwin-Erklärer Cord Riechelmann klar, dass Evolution und sexuelle Selektion eher Kulturgeschichte als Naturgesetz sind: "Verhalten im Sinne Darwins spielt sich zwischen Weibchen und Männchen ab, hat die Nachkommenerzeugung zum Zweck und macht besonders in der medialen Verarbeitung dann Sinn, wenn es sich zur menschlichen Familie in Beziehung setzen lässt. Das muss nicht immer die bürgerliche Kleinfamilie sein, das kann auch das promiske Verhalten von besonders erfolgreichen Männern wie Pop-, Filmstars oder auch VW-Managern sein."

Besprochen werden Isabelle Graws Analyse des Kunstmarkts "Der große Preis", Philip Roth' Roman "Empörung", Willa Cather Liebesgeschichte "Mein ärgster Feind" und Politische Bücher (mehr ab 14 Uhr in unserer Bücherschau des Tages).

FR, 07.02.2009

Über das Ende der Modellbahn-Bauer Märklin verbittet sich der Schriftsteller Burkhard Spinnen alle Krokodilstränen: "Nicht allein die unglücklichen Göppinger Manager oder die sturen Göppinger Banker - wir alle haben Märklin auf dem Gewissen. Auch ich, wenn ich mit dem Kauf einer Lok warte, bis sich die Internet-Anbieter eine Preisschlacht liefern. Mit unserer Kaufstrategie, uns nicht etwas Bestimmtes und Verbindliches, sondern eine möglichst große Fülle zuzulegen, haben wir Produkte wie die von Märklin ins Hintertreffen geraten lassen."

Ina Hartwig liest ein wenig ächzend Günter Grass' Tagebuch "Unterwegs von Deutschland nach Deutschland" aus dem Jahr 1990: "Nicht nur der bisweilen arrogante Politikberaterton, die völlig ironiefreie Bedenkenträgerei machen die Lektüre dieses Tagebuchs lähmend." In ihrer samstäglichen Kolumne fragt sich Marcia Pally, warum die amerikanischen Republikaner bei Dick Cheneys Halliburton-Konzern vergessen haben, so genau auf die Steuererklärung zu sehen wie bei Barack Obamas Ministern.In Times mager beharrt Christian Schlüter darauf, dass Religion die von Nietzsche so bezeichnete "faustgrobe Antwort, eine Undelikatesse gegen uns Denker" ist, auch wenn einige Kirchenobere anderes behaupten. Besprochen werden William Forsythes Choreografie "Heterotopia" in Frankfurt, ein Konzert des Ensemble Modern mit Heinz Holliger ebenda, eine Aufführung des "Peer Gynt" in Bremen und auf der Medienseite der nächste Tatort.

NZZ, 07.02.2009

In Literatur und Kunst (steht die Beilage gar nicht mehr online?) schreibt der Öko- und Ornithologe Josef H. Reichholf über 200 Jahre Darwin - auch über den politischen Missbrauch des Darwinismus: "Darwin hatte Erfolg über die gelehrte Welt hinaus; weit mehr, als angesichts des zum Teil spröden Inhalts seiner Bücher zu erwarten gewesen wäre. Die Umstände der Zeit spielten ganz wesentlich mit. Die natürliche Selektion passte ins Weltbild des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Sie lieferte eine probate Erklärung dafür, dass es 'favoured races' und somit auch bessere Menschen zu geben schien. Dem britischen Empire kam das Prinzip auf dem Weg zum Höhepunkt der Macht - wie dem Kolonialismus ganz allgemein - sehr gelegen." (Schlimmer haben's allerdings noch die Nazis getrieben, wenn wir uns richtig erinnern.)

Außerdem schreibt in der ganz Darwin gewidmeten Beilage Winfried Menninghaus über Darwin und die Ästhetik. Michael Hampe betont, dass Darwin uns "uns von der Zwangsvorstellung, Leben bedeute Fortschritt" befreit habe. Virginia Richter sucht nach Spuren Darwins in der Literatur. Bernd Flessner erinnert an einen von Thomas Huxley gegründeten Klub zur Verbreitung der Evolutionstheorie.

Fürs Feuilleton besucht Urs Schoettli die alte Kaiserstadt Kaifeng. Martin Walder schreibt zum Tod der großen Schweizer Schauspielerin Anne-Marie Blanc. Susanne Ostwald nimmt die ersten Filme der Berlinale unter die Lupe. Joachim Güntner meldet, dass Suhrkamp nach Berlin zieht. Besprochen werden eine Ausstellung über die Stilistin Sonia Rykiel in Paris und Bücher, darunter eine Untersuchung über die Frage "Wie werden Professuren besetzt? - Chancengleichheit in Berufungsverfahren".

Aus den Blogs, 07.02.2009

Im Umblätterer befasst man sich mit dem kommenden Prozess zwischen Rowohlt und Spiegel wegen Durchbrechung der Kehlmann-Sperrfrist. Aber war Volker Hages Artikel denn eine Kritik oder ein Porträt? Das Gericht wird sich mit den journalistischen Genres beschäftigen müssen. meint Marcuccio im Umblätterer: Und "ausgerechnet (der symbolisch angeklagte) Volker Hage könnte vom Gericht nun als Sachver­ständiger, als Gutachter seiner selbst herangezogen werden. Für den August ist bei Suhrkamp nämlich sein Kompendium über 'das breite Spektrum journalistischer Beschäftigung mit Literatur' angekündigt."

Zum Phänomen der Sperrfristen meinte bereits am 4. Februar Thomas Knüwer in Indiskretion Ehrensache: "Es wird Zeit, dass Medien mehr Selbstbewusstsein zeigen und sich nicht von der PR vorschreiben lassen, wann sie über was zu berichten haben."

Vera Lengsfeld scheint in Achgut nicht ganz einverstanden mit Tom Tykwers Weltbild in "The International": "Clive Owen jagt als Agent Salinger mit hinreißend erschöpftem Gesichtsausdruck die ganz Bösen, die nicht im Iran, in Nordkorea, in Indonesien, oder einer der anderen scheußlichen Diktaturen zu finden sind, sondern in den Banketagen von Luxemburg, Mailand und Istanbul. Sie halten in ihren Glaspalästen alle Fäden der Welt in der Hand und lassen ihre Puppen in den Regierungen aller westlichen Staaten tanzen. Ein ähnlich einfältiges Weltbild habe ich zuletzt in der DDR vermittelt bekommen."

Markus Beckdahl meldet in Netzpolitik: "Widerstand ist zwecklos? Ganz im Gegenteil! Die Deutsche Bahn AG gibt auf und verzichtet auf weitere Konsequenzen gegen mich."

Welt, 07.02.2009

Die Wirtschaftskrise ist wie ein Tsunami über Island hereingebrochen, schreibt der isländische Schriftsteller Halldor Gudmundsson, doch wochenlang trat kein Verantwortlicher von seinem Posten zurück. "Spätestens danach, etwa um Weihnachten herum, wäre es an der Zeit gewesen, Finanzämter umzukrempeln und die Regierung umzubauen. Demokratische Legitimation ist nie nur eine formale Sache, sie muss auch von der Bevölkerung so empfunden werden. So ist es derzeit jedoch nicht. Erstmals seit Islands Nato-Beitritt im Jahr 1949 geht die Polizei rund um das Parlamentsgebäude mit Knüppeln und Tränengas gegen Demonstranten vor. Inzwischen hat Ministerpräsident Geir Haarde „aus gesundheitlichen Gründen“ seinen Rückzug aus der Politik angekündigt, im Mai wird es Neuwahlen geben. Die bisherige Regierung hat schlicht den Zeitpunkt verpasst, an dem das Vertrauensverhältnis zwischen Volk und Regierenden noch hätte repariert werden können."

Im Interview mit Elmar Krekeler und Jacques Schuster kommt der irakische Autor Najem Wali auf einen selten angesprochenen angesprochen Aspekt des Nahostkonflikts zu sprechen, die Situation der palästinensischen Flüchtlinge außerhalb Israels: "In den arabischen Ländern löst man das palästinensische Flüchtlingsproblem bewusst nicht, damit - so die offizielle Begründung - die Palästinenser nicht ihre Identität verlieren. Wenn wir sie wie gleichberechtigte Bürger behandeln, dann werden sie ihre Identität vergessen. Deshalb bekommen die meisten von ihnen keinen Pass und keinen Ausweis. Sie müssen weiter in Lagern leben, bis Palästina befreit wird. Die Palästinenser in Israel haben viel mehr Freiheiten und Rechte als die Palästinenser in arabischen Staaten."

Weitere Artikel in der Literarischen Welt: Man druckt den Nachruf Ian McEwans auf John Updike nach. Und Fritz J. Raddatz bespricht Anatol Regniers Wedekind-Biografie.

Im Feuilleton kommentiert Eckhard Fuhr nach der Medlung vom Suhrkamp-Umzug den Niedergang Frankfurts: Geist und Geld - alles futsch. Im Aufmacher zeigt sich Hanns-Georg Rodek beeindruckt von Stephen Daldrys "Vorleser"-Verfilmung. Peter Zander interviewt Kate Winslet zum Film. Bethold Seewald besucht die restaurierte Capella Palatina in Palermo. Auf der Berlinale-Seite wird der Filmmusikkomponist Maurice Jarre interviewt.

Auf der Magazinseite unterhält sich Andrea Seibel mit Seyran Ates und Thea Dorn, die gemeinsam den morgigen Tatort über einen Ehrenmord in einer wohlhabenden türkisch-deutschen Familie geschrieben habe. Dorn sagt: "Mich interessiert die Kollision zwischen der westlich-urbanen und der muslimisch-traditionellen Welt - und zwar in der Familie selbst. Deshalb haben wir eine Familie gewählt, die bereits ein großes Stück in Richtung Moderne gegangen ist."

FAZ, 07.02.2009

Ja, Suhrkamp geht nach Berlin. Im Gespräch mit Felicitas von Lovenberg liest Verlegerin Ulla Unseld-Berkewicz einen Brief vor, den Siegfried Unseld an Frank Schirrmacher schrieb, als Schirrmacher mit seinem Feuilleton nach Berlin gehen wollte: "'Was Berlin heute vielleicht noch nicht ist, wird es in Zukunft werden: der entscheidende Mittelpunkt deutscher Kultur in allen Bereichen.' Und er schrieb damals: 'Ich kann Ihnen gestehen, dass auch ich mir überlegt habe, ob ich mit dem Suhrkamp Verlag einen Umzug wagen sollte.'" Und die Berliner waren nett, erzählt die Vergerin weiter: "Nachdem der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit uns vor drei Jahren ein erstes Angebot gemacht hatte, hielt sein Kulturstaatssekretär auf feine, kluge Weise den Kontakt und machte das Angebot der Stadt just zu einer Zeit konkret, da gegen den Verlag und mich eine schrille öffentliche Diffamierungskampagne stattfand, zuverlässig begleitet von Hämeausbrüchen in den Medien."

In einem zweiten Artikel hat Felicitas von Lovenberg weitere Neuigkeiten: Angeblich plant Unseld-Sohn Joachim, seine Anteile am Verlag abzugeben, und auch mit der Medienholding AG Winterthur scheint sich die Stiftung, dem der Verlag gehört, einig zu werden.

Weitere Artikel: In der Leitglosse glaubt Richard Kämmerlings, seit er seinen Shakespeare auf dem Iphone lesen kann: "Papier ist das Vinyl von übermorgen."Jürgen Dollase wohnte für seine Gastrokolumne einer Weinprobe bei, in der deutsche gegen Burgunderweine antraten. Oliver Jungen resümiert Recherchen zu Erwin Strittmatter, der noch tiefer in die Verbrechen der Nazizeit verstrickt zu sein scheint als bisher bekannt.

Auf der Berlinale-Seite geht's unter anderem um die Verfilmung Bernhard Schlinks "Vorleser" und um Filme von John Cook im Forum. Auf der Schallplatten-und-Phono-Seite geht's um den Jazztrompeter Arve Henriksen, um ein Klavierkonzert Rachmaninows mit Dejan Lazic und um die Band Joan als Police Woman. Auf der Medienseite stellt Regina Mönch den neuen, von Jakob Augstein herausgegebenen Freitag vor. Für die letzte Seite besuchte Julia Voss die Kurorte, in denen Darwin seine späten Tage verbrachte.

Besprochen werden außerdem ein Emiliana-Torrini-Konzert in Köln und Borodins "Fürst Igor" in Essen

In Bilder und Zeiten schreibt Werner Spies über die politische deutsche Kunst nach dem Ersten Weltkrieg. Tobias Rüther lauscht der neuen Platte von Morrissey. Thomas David durfte den Schauspieler Gert Voss in seiner Garderobe besuchen und wohnt seiner Verwandlung zum König Lear bei. Auf der Literaturseite geht's unter anderem um Stewart O'Nans neuen Roman "Alle, alle lieben Dich". Für die letzte Seite unterhält sich Melanie Mühl mit dem Autisten Daniel Tammet, der zu den extrem seltenen "Prodigious Savants" gehört.

In der Frankfurter Anthologie schreibt Ulrich Greiner über "Der Spinnerin Nachtlied" von Clemens Brentano.

SZ, 07.02.2009

"Die Unke hat geirrt", stellt Monika Maron nach Lektüre von Günter Grass' Tagebuch "Unterwegs von Deutschland nach Deutschland" fast schon wütend fest: "Nun ist es ja keine Schande, sich zu irren, und so gesehen könnte Grass' Tagebuch die Furcht eines von der Geschichte belehrten Mannes bezeugen, der mit der staatlichen Einheit Deutschlands ein Unglück hat aufziehen sehen, das dann aber zu seinem und unser aller Glück nicht eingetreten ist. Für Günter Grass aber ist es der Beweis seiner prophetischen Gabe oder nüchterner: seiner politischen Weitsicht oder ganz einfach: dass er recht hatte, wieder einmal. Dabei tut er eigentlich selbst, was er allen anderen vorwirft: Er kolonialisiert, wenn auch nur im Geiste. Er entscheidet, wessen Meinung zugelassen wird, er weiß, was für diese leichtgläubigen, zurückgebliebenen, D-Mark-versessenen Ostdeutschen richtig ist, was sie wollen müssten und dummerweise nicht wollen, er tritt als Fürsprecher ihrer wahren Interessen auf, als wären sie selbst zu blöd, die zu artikulieren."

Der Schriftsteller Georg Klein lässt die Pleite des Modellbahn-Bauers Märklin kalt: "Zum Uranlass meiner Geringschätzung verschwimmen zwei Märklin-Anlagen, die ich am Anfang meiner Grundschulzeit vor Augen bekam. Beide wurden mir mit betulichem, fast ängstlichem Stolz von Klassenkameraden vorgeführt... Natürlich durfte ich so gut wie nichts anfassen. Denn hinter den Modellanlagen meiner Freunde steckte in beiden Fällen ein bastelnder, ein klebender, pinselnder und schraubender Vater, der es noch am Abend desselben Tages bemerkt hätte, wenn einem seiner falschen Bäumchen ein grünes Härlein gekrümmt worden wäre."

Auf der Berlinale-Seite ziert sich Tobias Kniebe ein wenig, bevor er rausrückt, worum es in Francois Ozons Wettbewerbsfilm "Ricky" geht: In einer französischen Trabantenstadt wird ein Engel geboren: "Fassungsloses Gekicher im Publikum." Anke Sterneborg stellt die Filme des Forums und der Reihe Generation vor.

Weiteres: Als rein pragmatische Entscheidung wertet Lothar Müller den nun verkündeten Umzug des Suhrkamp Verlags nach Berlin: "Es ging in den vergangenen Wochen des Wartens nicht um das 'Haus Suhrkamp' als kulturelle Adresse, sondern um das Verlagshaus und sein Grundstück als Immobilie im Frankfurter Westend." Für einen Skandal hält es Klaus Biegert, dass Uranmunition international noch immer nicht verboten ist. Besprochen werden die Ausstellung "Darwin" in der Frankfurter Schirn, Jan Fabres Gesellschaftssatire "Orgie der Toleranz" in Düsseldorf und Philipp Löhles Stück "Morgen ist auch noch ein Tag" am Theater Baden-Baden

In der SZ am Wochenende erinnert sich Per Olov Enquist an einen Besuch in Berlin während der Eiszeit, unterhält sich Harold Hordych mit Charlotte Kerr, der Witwe von Friedrich Dürrenmatt, und stellt Alexander Runte den Bochumer Nachtwächter und Erzähler Wolfgang Welt vor.