Heute in den Feuilletons

Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
18.10.2001. Die Zeit berichtet über die Wirkung einer Ausstellung in New York, in der Bilder von den Anschlägen präsentiert werden. Die SZ schreibt über das miserable Image, das Amerika in der arabischen Welt hat und in der FAZ erzählt der Kommandant der Internationalen Raumstation ISS, wie er die Terroranschläge im All erlebte.

TAZ, 18.10.2001

Anlässlich der Eröffnung der "Sammlung Prinzhorn" auf dem Gelände der Universitätsklinik Heidelberg, berichtet Peter Nowak über wieder aufgeflammte Standortstreitigkeiten. Seit September ist die berühmte Sammlung des Psychiaters Hans Prinzhorn, die er zwischen 1919 und 1921 aufbaute, dort zu sehen. Die Antifaschistische Initiative Heidelberg kritisiert die Präsentation der über 5.000 Kunstobjekte von Psychiatriepatienten nun als "Verhöhnung der Opfer". Schließlich war die Klinik in der Nazizeit "Wirkungsstätte" von Karl Schneider, dem Leiter des "Rassenpolitischen Amtes" und Hauptorganisator des Euthanasieprogramms. Der Landesverband der Psychiatrieerfahrenen Berlin-Brandenburg wiederum würde am liebsten, die Sammlung in eine Gedenkstätte für die Euthanasieopfer der Nazizeit in Berlin eingliedern. Für Nowak entwickelt sich die Standortdebatte jedenfalls zu "einer verspäteten Auseinandersetzung um die Vergangenheitsbewältigung an der Heidelberger Universität".

Jan Engelmann stellt den Politologen Ernesto Laclau vor, der heute abend im Rahmen der documenta-Plattform "Democracy Unrealized" im Berliner Haus der Kulturen reden wird. Sein Thema: die Handlungsfähigkeit "radikaldemokratischer" Politik". Laclau plädiert für "die Hegemonie als eine Art Theorie der Entscheidung", die "einen wichtigen Eingriff in das 'Feld strukturaler Unentscheidbarkeiten' vornehmen" solle. Aber keine Angst: trotz dieses "abstrakt formalistischen" Ansatzes, hält Engelmann Laclau für den "richtigen Mann zur Unzeit" - theoretisch gesehen.

Besprochen werden Terry Zwighoffs Film "Ghost World" nach dem Comic von Daniel Clowe, John Carpenters neuer Film "Ghosts Of Mars", außerdem äußert sich Baz Luhrmann in einem Gespräch zu seinem Film "Moulin Rouge", einem Melo-Musical über die Blumenkinder der Jahrhundertwende.

Und auf der Flimmern und Rauschen-Seite räumt Roland Hofwiller mit dem Eindruck auf, die Taliban hätten inzwischen keinerlei Medienplattformen mehr. So sendet etwa "Scharia" Radio" nach wie vor ein "religiös-politisches Vollprogramm", und die Tageszeitung Etefaq-i Islam verbreitet "Taliban-Rhetorik".

Und natürlich wieder TOM.

SZ, 18.10.2001

Johannes Willms erklärt uns, weshalb "Orient und Okzident Gefangene der nämlichen Globalisierungsfalle" sind, was sie sich gerne und beharrlich gegenseitig bescheinigen. Der Okzident setzt stur auf Modernisierung "nach seinem Bilde", während der Orient, dilemmatisch gebunden an "eine überkommene Lebensweise und religiös fundamentierte Weltsicht" derzeit versucht, "mittels Terror die globalisierte Dynamik der Modernisierung" zu neutralisieren. Die Lösung "dieses fundamentalen Konflikts" sieht Willms mit Ulrich Beck in einem "Kosmopolitismus", der es beiden "ermöglichte, sich im Sinne Lessings Respekt zu zollen".

Gerhard Matzig nimmt sich den Bahnhof vor - als Mythos und Umschlagplatz für Menschen aller Art, darunter eben auch Arme, Zerlumpte und Kriminelle. Anlass fürs Räsonnieren ist mal wieder Bahnchef Hartmut Mehdorn, "der aus dieser zutiefst urbanen Tragödie gerade eine Komödie macht". Mehdorn will nämlich die Suppenküchen der Bahnhofsmissionen abschaffen, damit deren Klientel künftig die neue ?Warenwelt mit Gleisanschluss" nicht mehr beeinträchtige. Matzig hält diese neuaufgelegte Gesindeldebatte hält für ziemlich nutzlos. Arme wird es erwartungsgemäß immer geben, Kriminelle auch. Und schließlich hat, so Matzig, "auch der neue starke Mann in Hamburg seinen politischen Erfolg ja vor allem einem einzigen ästhetischen und sozialen Unort zu verdanken: dem Bahnhof." Da wird er wohl mit leben müssen.

Weitere Artikel: Sonja Zekri beschreibt den Kampf der USA mit ihrem miserables Image in der arabischen Welt, einer Folge verpasster Dialogchancen. Arezu Weitholz fragt sich, was die Medien eigentlich zeigen vom Krieg, während der russische Satiriker Wladimir Woinowitsch ausführliche Vorschläge zur vollkommenen Sicherheit im Alltag macht. Und Willi Winkler schließlich war für uns in Peenemünde auf der Ostseeinsel Usedom, wo Wernher von Braun und andere einst in aller Idylle Raketen für den Zweiten Weltkrieg bastelten.

Die Filmseite stellt Baz Luhrmanns Filmmusical "Moulin Rouge" mit Nicole Kidman vor (dazu gibt es auch ein Interview mit dem Regisseur), Ben Verbongs "Das Sams" und Karin Jurschicks "Danach hätte es schön sein müssen". Außerdem wird Jon Fosses "Traum im Herbst" an der Berliner Schaubühne besprochen und der Start von Elton Johns Musical "Der König der Löwen" in Hamburg avisiert.

Auf der Medienseite beleuchtet Andrian Kreye die Milzbrandanschläge in den USA, die vornehmlich gegen Medien gerichtet sind. Und Winfried Scharlau, ehemaliger ARD-Reporter im Vietnamkrieg, denkt über dessen Folgen für die heutige Berichterstattung nach.

NZZ, 18.10.2001

Historikerstreit in der Schweiz. Jean-François Bergier, der Präsident der Unabhängigen Expertenkommission Schweiz - Zweiter Weltkrieg (UEK), hat in der NZZ vom 8./9. September geschildert, wie er, der vorwiegend als Mediävist gearbeitet hat, die historiographische Beschäftigung mit der Zeitgeschichte erlebt. Heute macht der Historiker Paul Stauffer darauf aufmerksam, dass sich Bergier keineswegs zum ersten Mal mit Zeitgeschichte befasst hat, vielmehr 1990 einen Band mit "Diplomatischen Dokumenten der Schweiz" aus den Jahren 1939 und 1940 herausgegeben hat. Zu dieser Zeit, erklärt Staufer, sei Bergier "gegen die Gefahr unbeschwerten Moralisierens ex post" gefeit gewesen. Wohingegen die ersten UEK-Berichte zu eigentlichen Anklageschriften gegen die eidgenössischen Behörden der Kriegsjahre" geraten seien. "Man fragt sich, ob derartige Selbstbezichtigung auf eine gewisse Willfährigkeit gegenüber Druck von aussen zurückzuführen sein könnte". Bergier, dessen Antwort gleich mitabgedruckt ist, bleibt höflich und erklärt nur, dass es ein "Zeichen intellektueller Lähmung" sei, seine Ansichten nicht zu ändern.

Besprochen werden die Hieronymus-Bosch-Ausstellung im Museum Boijmans Van Beuningen und sehr viele Bücher, darunter Willem Frederik Hermans' Roman "Die Dunkelkammer des Damokles", ein Band über "Gebaute Visionen" und eine fiktionalisierte Autobiographie von Woody Guthrie (siehe auch unsere Bücherschau heute ab 14 Uhr).

Zeit, 18.10.2001

Michael Ondaatje hat ein Gespräch mit dem Cutter Walter Murch geführt, der den Neuschnitt für "Apocalypse Now" besorgte - die beiden haben sich kennengelernt, als Murch die Verfilmung von Ondaatjes Roman "Der englische Patient" schnitt. Murch kommt auf einen rätselhaften Effekt in Coppolas Film zu sprechen: "Es ist faszinierend, wie Francis in 'Apocalypse Now' als Stilmittel einsetzt, dass die Darsteller in die Kamera schauen. So etwas ist sonst nur üblich, wenn man erreichen will, dass die Darsteller den Rahmen des Films verlassen und das Publikum direkt ansprechen, was wiederum die Handlung unterbricht. Aber in 'Apocalypse Now' schauen die Darsteller die ganze Zeit in die Kamera, und nie bekommt man den Eindruck, dass sie die Handlung verließen oder irgendetwas unterbrochen würde." Vielleicht sollte man sich den Film doch noch mal ansehen.

Robin Detje berichtet über eine Ausstellung in der New Yorker Price Street. Profis und Amateure sind aufgerufen, ihre Fotos von den Anschlägen auf das World Trade Center zu präsentieren. Detje schreibt ihne eine seltsam therapeutische Wirkung zu: "Angesichts des Traumatischen... ist alles gut, was einem das Gefühl gibt, ein wenig Kontrolle über das Geschehen zurückzugewinnen." Dabei sei es fast nie "der direkte Blick auf die Explosionen, die Rauchwolken, die Feuerwehrleute, der einem auf den Magen schlägt. Das Bild der mannshohen Bugs-Bunny-Figur, die vor dem zerstörten Warner-Bros.-Fan-Geschäft in einer wüsten, untergegangenen Welt Wache hält, trifft härter."

Weitere Artikel: Auch Peter Kümmel macht sich im Aufmacher Gedanken über ein Bild - das Bild des Attentäters Atta beim Durchgang der Kontrollschleuse, das von der Videokamera des Flughafens aufgezeichnet wurde. Und noch mehr Bilder: Sabine Etzold führt ein Gespräch mit dem Medienwissenschaftler Dietrich Leder, der erklärt, wie bin Laden seine Videoauftritte inszeniert ("alle Bildbestandteile waren durchgestylt"). Und Jens Jessen deutet die Botschaft der Attentäter vom 11. September so: "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, das ist die Drohung, unter wir seit dem 11. September leben."

Ferner bespricht Christof Siemes eine Ausstellung über Überwachungstechnologien im Zentrum für Kunst und Medientechnologien Karlsruhe. Evelyn Finger stellt das Wiener Tanzquartier nach seiner Neueröffnung vor und Hanno Rauterberg hat das Wiener Architekturzentrum besucht. Weitere Besprechungen gelten John Cages "Europeras" in Hannover, einer Christo-Ausstellung im Berliner Gropiusbau und Baz Luhrmanns Film-Musical "Moulin Rouge".

Aufmacher des Literaturteils ist eine Besprechung des neuen Naipaul-Romans "Half a Life" durch J. M. Coetzee (der bekanntlich auch als Nobelpreiskandidat gehandelt wurde). Eine erfreuliche Übernahme, denn in der New York Review of Books war dieser Text leider nicht freigegeben!

FAZ, 18.10.2001

Gerhard R. Koch meldet einen Coup der Hamburger CDU: sie holt Nike Wagner als Kultursenatorin nach Hamburg. Koch hält das für eine sehr gute Wahl, denn Nike Wagner, eine "Intellektuelle, vielseitige Schriftstellerin mit hoher Reputation, und ... brillante Polemikerin" wird seiner Ansicht nach für eine "liberale, wenn nicht sogar linksliberale Perspektive stehen", die der Schill-Partei Paroli bietet. Koch schließt seinen Artikel mit dem schönen Satz: "Besser Ideen, die sich in auch widriger Praxis behaupten müssen, als eine Praxis ohne Ideen."

Gore Vidal erklärt im Interview, warum die amerikanische Bevölkerung seit Vietnam nie mehr gegen militärische Interventionen (Irak, Bosnien, Grenada, Panama) protestiert hat: "Wir haben keine repräsentative Regierung. Das Volk ist nicht vertreten. Und wir haben keine politischen Parteien. Wir haben ein Einparteiensystem mit zwei rechten Flügeln, einer nennt sich Republikaner, der andere Demokraten. Aber beide werden von den großen Unternehmen finanziert. Die Republikaner stehen viel weiter rechts, sind reicher und vertreten die Kriegsinteressen wahrscheinlich etwas stärker als die Demokraten. Aber das ist der einzige feine Unterschied, den man ausmachen kann."

Der Historiker Stefan Berger von der University of Glamorgan erklärt, woher Tony Blair seinen "überzeugend vertretenen Moralismus" bezieht: "Sein Christentum und seine kommunitaristischen Überzeugungen spielen hier sicher eine große Rolle. Aber er steht mit seinen Auffassungen auch durchaus in einer langen parteipolitischen Tradition", die nach Berger vor allem in der Überzeugung schon viktorianischer Labour-Politiker besteht, "dass Großbritannien die Speerspitze des moralischen Fortschritts in der Welt bildet." Aus diesem Grund kann Blair den USA gegen Bin Laden beistehen und dies "mit der Aufforderung an die amerikanische Regierung (verbinden), die Beschlüsse des Kyotoer Klimagipfels nun doch noch umzusetzen. Denn der Kampf gegen den Terrorismus ist für Blair auch ein Kampf für globale soziale Gerechtigkeit, für globalen Umweltschutz und für die weltweite Einhaltung der Menschenrechte."

Weitere Artikel: Abgedruckt sind Briefe von Frank Culbertson, Kommandant der Internationalen Raumstation ISS, der beschreibt, wie er die Terroranschläge auf New York und Washington im All erlebte: "Der Zwiespalt, in einer Raumstation zu sitzen, die ein besseres Leben auf der Erde möglich machen soll, und zu beobachten, wie Leben durch solche schrecklichen Willkürakte zerstört wird, wirft einen um und würde wohl jeden umwerfen."

Timo John berichtet über die Renovierung des Bismarckturms in Stuttgart. Hubertus Breuer schreibt zum Tod des Philosophen David Lewis. Dirk Schümer berichtet in seiner Venedig-Kolumne über einen sensationellen Fund auf der Insel San Marcos in Bocca Lama: "Im Schlick von San Marco hatte die einzige Galeere des Mittelalters überdauert, ein Vertreter des Bootstyps, mit dem Venedig sein Weltreich aufbaute, seine Waren transportierte, seine Feinde besiegte und Kreuzfahrer ins Heilige Land verschiffte."

Auf der Medienseite erklärt Joachim Gauck, warum er seine Talk-Show nicht weitermachen will. Und auf der letzten Seite berichtet Dietmar Dath über einen Vortrag von Stephen Hawking in München. Auf der Filmseite geht es um den Director's Cut im Allgemeinen und im Besonderen (Apocalypse Now).

Besprochen werden eine Ausstellung mit Porträts und Zeichnungen von Raffael im Musee du Luxembourg, Baz Luhrmanns Film "Moulin Rouge", John Fosses "Traum im Herbst", inszeniert von Wulf Twiehaus an der Berliner Schaubühne, ein "Boris Godunow" in Lissabon, Jack Bruces Latin-Rock-Reise durch Deutschland, politische Bücher und Sachbücher (siehe auch unsere Bücherschau heute ab 14 Uhr).

FR, 18.10.2001

Jörn Rüsen, Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen, antwortet Karl Heinz Bohrer auf dessen These, mit dem "Fernverhältnis" zum Nationalsozialismus hätten wir unsere "eigentliche Geschichtszeit" und damit auch "historische Identität" verloren. Rüsen konstatiert dagegen drei Phasen, in denen die drei Nachkriegsgenerationen ein historisches Verhältnis zur nationalsozialistischen Vergangenheit entwickelt hätten: Beschweigen, Moralismus und Historisierung. Der Moralismus der zweiten Generation ist dabei als Reaktion auf das Schweigen (laut Rüsen jedoch nicht: Verdrängen) der ersten zu verstehen, der sich in in der dritten in "ein genuin historisches Verhältnis zum Nationalsozialismus" verwandelt. Einen "historischen Trost" sollte man sich davon aber nicht erwarten. Denn, so Rüsen, "eine tragfähige historische Orientierung ist ohne das Element der Kritik nicht zu haben, für das die zweite Generation steht."

Martin Hartmann stellt einen amerikanischen Theorie-Bestseller vor, dessen deutsche Übersetzung derzeit vorbereitet wird: "Empire von Michael Hardt und Antonio Negri ist "so etwas wie die theoretische Stimme der Anti-Globalisierungsbewegung". Empire, so die These der Autoren, sei eine "'neue, globale Form der Herrschaft, deren Logik nicht nationalstaatlichem Größenwahn folgt, sondern allein den Gesetzen der Biopolitik gehorcht", d.h. Maschinen kontrollierten per Medien und gesellschaftliche Organisationen sowohl unser Gehirn wie unsere Körper. Für Hartmann haben die von den Autoren entwickelten Kategorien durchaus das Zeug dazu, "zahlreiche der Paradoxien der globalisierten Gesellschaft zu entschlüsseln".

Im Rahmen ihrer Hochhausserie sprach die FR mit dem Frankfurter Architekten Albert Speer. Er hält nicht sonderlich viel von "diesem immer Höherstreben" und sieht für Wolkenkratzer im europäischen Kontext "keinen Bedarf" mehr. Dennoch meint er: "Es sollte ein neues Symbol für das 21. Jahrhundert die Skyline New Yorks ergänzen." Außerdem beschreibt Konrad Lischka, wie Computerspiele ihre eigene Physik erschaffen, und Daniel Kothenschulte erklärt in einem Abgesang, warum in den USA niemand mehr Mariah Carey hören will.

Besprochen werden Baz Luhrmans Kino-Musical "Moulin Rouge" sowie die Ausstellungen "Die andere Moderne - De Chirico und Savinio" in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen und "Thomas Bernhard und seine Lebensmenschen" in München.

FR, 18.10.2001

Jörn Rüsen, Direktor des Kulturwissenschaftlichen Instituts in Essen, antwortet Karl Heinz Bohrer auf dessen These, mit dem "Fernverhältnis" zum Nationalsozialismus hätten wir unsere "eigentliche Geschichtszeit" und damit auch "historische Identität" verloren. Rüsen konstatiert dagegen drei Phasen, in denen die drei Nachkriegsgenerationen ein historisches Verhältnis zur nationalsozialistischen Vergangenheit entwickelt hätten: Beschweigen, Moralismus und Historisierung. Der Moralismus der zweiten Generation ist dabei als Reaktion auf das Schweigen (laut Rüsen jedoch nicht: Verdrängen) der ersten zu verstehen, der sich in in der dritten in "ein genuin historisches Verhältnis zum Nationalsozialismus" verwandelt. Einen "historischen Trost" sollte man sich davon aber nicht erwarten. Denn, so Rüsen, "eine tragfähige historische Orientierung ist ohne das Element der Kritik nicht zu haben, für das die zweite Generation steht."

Martin Hartmann
stellt einen amerikanischen Theorie-Bestseller vor, dessen deutsche Übersetzung derzeit vorbereitet wird: "Empire" von Michael Hardt und Antonio Negri ist "so etwas wie die theoretische Stimme der Anti-Globalisierungsbewegung". Empire, so die These der Autoren, sei eine "'neue, globale Form der Herrschaft, deren Logik nicht nationalstaatlichem Größenwahn folgt, sondern allein den Gesetzen der Biopolitik gehorcht", d.h. Maschinen kontrollierten per Medien und gesellschaftliche Organisationen sowohl unser Gehirn wie unsere Körper. Für Hartmann haben die von den Autoren entwickelten Kategorien durchaus das Zeug dazu, "zahlreiche der Paradoxien der globalisierten Gesellschaft zu entschlüsseln". Marx mit Foucault: Obwohl sie geradezu "in überschwänglicher Weise eine Geschichtsphilosophie nach dem Ende der Geschichte verkünden", sehen "in der ökonomischen Globalisierung lediglich die Vorhut einer politisch-demokratischen Globalisierung". Und das findet Martin Hartmann angesichts der heterogenen Motive und Taktiken der Globalisierungsgegner dann doch etwas zu zuversichtlich.

Im Rahmen ihrer Hochhausserie sprach die FR mit dem Frankfurter Architekten Albert Speer. Er hält nicht sonderlich viel von "diesem immer Höherstreben" und sieht für Wolkenkratzer im europäischen Kontext "keinen Bedarf" mehr. Dennoch meint er: "Es sollte ein neues Symbol für das 21. Jahrhundert die Skyline New Yorks ergänzen."

Außerdem beschreibt Konrad Lischka, wie Computerspiele ihre eigene Physik erschaffen, und Daniel Kothenschulte erklärt in einem Abgesang, warum in den USA niemand mehr Mariah Carey hören will.

Besprochen werden Baz Luhrmanns Kino-Musical "Moulin Rouge" sowie die Ausstellungen "Die andere Moderne - De Chirico und Savinio" in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen und "Thomas Bernhard und seine Lebensmenschen" in München.