Im Kino

Klapperstörche

Die Filmkolumne. Von Olga Baruk
15.03.2023. Auch in seinem neuen Film "Broker" erzählt der japanische Regisseur Hirokazu Koreeda von einer Handvoll Außenseiter, die sich zusammentun. Ein warmherziger Film über Würde, Familienbande und zwei Männer mit Geschäftsideen.

Der Japaner Hirokazu Koreeda ist für Filme bekannt, die davon erzählen, was eine Familie ausmacht und was es braucht, um eine zu werden. In seinem Cannes-Gewinner "Shoplifters - Familienbande" (2018) trotzte eine sympathische Wahlverwandtschaft finanzieller Not und Einsamkeit.

Thematisch nah dran ist Koreedas neuester Film, den er diesmal in Südkorea und auf Koreanisch gedreht hat. "Broker" beginnt an einer so genannten Baby Box. Vorrichtungen wie diese, wo man Neugeborene anonym abgeben kann, sind in Südkorea üblich, meist werden sie von Kirchen oder Krankenhäusern beherbergt. Früher habe er gedacht, so Koreeda in einem Interview, dass Mutterschaft für Frauen etwas Intuitives, Selbstverständliches sei. Bis ihm eine weibliche Bekannte einmal erklärte, dass auch Frauen in ihre Mutterolle oft hineinwachsen müssen. Diese Erkenntnis, sagt der Regisseur, beschämte ihn.

Aber er lernte dazu. Wie "Shoplifters" dreht sich auch "Broker" um eine Gruppe sozialer Außenseiter, die sich zu einer Familienbande zusammentun. Als ein wenige Monate alter Woo-Sung an einer Baby Box abgelegt wird, ist es kalt und regnerisch. Am Tag darauf möchte die Sexarbeiterin So-young ihren Sohn zurückholen, aber von Woo-Sung ist hier keine Spur. Gang Dong-won, der zuständige Mitarbeiter, und Sang-hyun, hochverschuldeter Besitzer einer unrentablen Wäscherei, haben ihre Finger im Spiel. Die beiden sind Broker, Vermittler, die abgelegte Babys an kinderlose Paare verkaufen. Zehn Millionen Won kann ein Junge wert sein, eine Menge Geld. "Stell dir vor, wir sind so eine Art Amor, oder besser, zwei Klapperstörche, die das Babyglück schenken", erklärt es Sang-hyun der wieder aufgetauchten Rabenmutter. Niemand kann so gut das Gutmütige und das Schmierige in einem Gesichtsausdruck verschmelzen lassen wie der große Darsteller Song Kang-ho, der vielen hierzulande aus "Parasite" bekannt sein dürfte.

Sang-hyun hat nicht Unrecht. Die legalen Adoptionsverfahren sind langwierig und abschreckend. Die Baby-Box-Kinder wachsen in Waisenhäusern auf, statt in einer liebevollen Familie - eine Ungerechtigkeit, die sich in der Regel weiter durchs Leben zieht. Darum soll der süße Woo-Sung eine Familie bekommen, die bereit ist, zu zahlen und zu lieben. Oder doch nicht? Jedenfalls lässt der Deal erst einmal auf sich warten. Außerdem gibt es in "Broker": Zwei Polizistinnen auf der Lauer, jede Menge Fastfood und eine unappetitlich zugerichtete Leiche.


Wie konnte nur aus diesem Plot ein derart warmherziger, bittersüßer und charmanter Film werden, fragen sich viele Rezensentinnen und Rezensenten. Zu unmoralisch und harsch erscheint das, was Koreeda hier erzählt. Dass dem Regisseur dennoch ein außerordentlich humanistischer Film gelingt, liegt wieder einmal daran, dass es in seinen Filmen zwar das Böse, aber keine Bösen gibt. Höchstens Einsame. Nicht von scharf gestellten Konflikten und klassisch gespannten Charakterbögen lebt "Broker", sondern von Würde, Zärtlichkeit und Geselligkeit, die Koreeda seinen Figuren ganz selbstverständlich zugesteht.

"Broker" ist ein Roadmovie, eine Reise mit einem Ziel, welches hin und wieder aus den Augen verloren gehen darf. Eine Flucht und eine Suche. Eine Gelegenheit für geteilte Erfahrungen, für Reibungen und Geständnisse, für Fürsorge und kleine Aufmerksamkeiten, fürs Aushandeln und Auskommen miteinander und nicht zuletzt mit sich selbst. "Danke, dass du geboren bist", sagen sich die Mitglieder der Familienbande in der Dunkelheit des Hotelzimmers, in dem sie an diesem Abend zusammen zur Ruhe kommen. "Ich denke, in jedem Film soll es einen Moment geben, in dem das Leben gefeiert wird. In diesem Film wird es vielleicht nur etwas deutlicher gezeigt", so Koreeda in einem Interview. Damit ist eigentlich schon alles gesagt.

Beurokeo - Broker. Regie: Hirokazu Koreeda. Mit Song Kang-ho, Gang Dong-won, Bae Doona, Lee Ji-eun, Lee Joo-young und anderen. Südkorea 2022, 129 Minuten.
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