Im Kino

Harte Schale, Reaktor-Kern

Die Filmkolumne. Von Ekkehard Knörer
30.04.2008. Die Comic-Verfilmung "Iron Man" weiß, politisch und auch sonst, nicht unbedingt, was sie will. Dafür macht sie aber erstaunlich viel Spaß. Und Alexis dos Santos gibt der Ereignislosigkeit einer Jugend im Nirgendwo Patagoniens in "Glue" überzeugende Form.

Harte Schale, Reaktor-Kern - das ist Iron Man. Vielmehr: Dazu macht sich, als Selfmade-Superman, der milliardenschwere Waffenerfinder und Waffenverkäufer Tony Stark (Robert Downey Jr.). Er gehorcht nur der Not dabei. Bei einem Ausflug nämlich ins schöne Afghanistan, wo er zur Enthüllung des neuesten, Berge und Feinde zersprengenden Wunderwerks aus der eigenen Schmiede weilt, wird er von einem afghanischen Warlord entführt. In dessen Auftrag soll er nun eine neue, noch tödlichere Waffe zusammenbauen. Tony Stark tut auch so, als wäre er bereit, in Wahrheit aber baut er sich einen miniaturisierten Kernreaktor in die Brust und bastelt sich eine eisenharte Rüstung mit Raketenantrieb zurecht. Das Ding funktioniert, mit Ach und Krach. Stark entkommt, blickt aber, als er nach Hause zurückkehrt, erstmals der Wahrheit ins Auge.

Waffen, so erkennt Tony Stark, tun in den Händen der Bösen auch Böses. Er will darum aussteigen aus der Produktion, sich der Herstellung von friedfertigerem High Tech kümmern. Nur stößt er dabei auf Widerstand im eigenen Haus. Sein Vizechef Obadiah Stane (Jeff Bridges als Glatzkopf mit Bart) erklärt ihn für verrückt, sieht in Wahrheit aber seine eigenen Interessen in Gefahr. Er nämlich ist es, der mit der Achse des Bösen kooperiert und gute amerikanische Waffen an böse Afghanen verkauft. Stark schlägt nun mit den Mitteln hochgerüsteter Homöopathie zurück: Similia similibus curentur, Gleiches werde durch Gleiches geheilt. Er macht sich, mit anderen Worten, selbst zur Superwaffe. Perfektioniert werden Reaktorkern, Eisenrüstung und Raketenantrieb. Mir nichts, dir nichts zischt der Multimilliardär fortan durchs All und macht bei Gelegenheit auch einen Abstecher nach Afghanistan, um eigenhändig kaputtzumachen, was gute amerikanische Krieger kaputtmacht.


"Iron Man" ist das Update eines alten Marvel-Comics aufs Zeitalter des islamistischen Fundamentalismus. Er ist, wie noch jede Superhelden-Story, eine Vigilante-Fantasie, die sich an die Stelle der so verteufelt langsam mahlenden Mühlen von Recht und Gesetz einen verteufelt schnell fliegenden, schwingenden, springenden Rächer und Kämpfer imaginiert. Und wie jede andere Superhelden-Story auch ist das als Traum von einem starken Mann, der mit harter Hand richtet, was anders kaum oder nur in mühsamen politischen Aushandlungsprozessen und Kämpfen zwischen Interessensgegensätzen zu richten wäre, eine strukturell rechte Fantasie. Was "Iron Man" aber fehlt, ist das "linke" Element vieler Superheldengeschichten, nämlich der Underdog-Charakter des Helden, das Moment der Selbstermächtigung des Schwachen zur Rettung der Erniedrigten und Gefährdeten.

"Iron Man" ist jedoch gewitzt genug, gelegentlich Widerlager gegen diese Rechts-Tendenz an anderer Stelle zu suchen. Da ist, natürlich, die Wahl von Robert Downey Jr. als Hauptdarsteller, auch die von Jeff "Big Lebowski" Bridges als Widersacher. Beide sind, der Kontur ihrer bisherigen Rollen und ihrer Körper nach, eher weich als hart. Downey ist von Anfang an eine überaus elegante, zivilisierte, weltmännische Erscheinung. Reihenweise legt er zunächst die Frauen flach, wird allerdings im weiteren Verlauf von der Frau, die er Pepper nennt, die seine Sekretärin ist und - weitere Entscheidung für darstellerische 1-a-Qualität - von Gwyneth Paltrow gespielt wird, zur Monogamie domestiziert. Tony Stark wird, mit anderen Worten, vom narzisstischen Spielkind zum (halbwegs) Erwachsenen, bekommt sich und seine Triebe und - buchstäblich - Antriebe als eisenharter Raketen-Phallus Tony Stark immer besser unter Kontrolle.

Zum anderen wird "Iron Man" seine anfangs etablierte Politgeschichte irgendwann einfach ziemlich egal. Der Film hat eher raketengetriebene Luftduelle im Sinn als einen Kommentar zu George W. Bushs Afghanistan-Politik. Man könnte auch sagen: So ganz genau weiß er nicht, was er will. Vielleicht ist gerade deshalb die Spaßenergie, die er erzeugt, immer wieder ganz beträchtlich.

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Ein Jugend in einem Kaff in Patagonien. Darum herum Wüste. Lucas (Nahuel Perez Biscayart) und Nacho (Nahuel Viale) und Andrea (Ines Efron) versuchen, der äußeren Ereignislosigkeit ein wenig Pubertätsdramatik abzugewinnen. Lucas liebt die Verzweiflungssongs der Violent Femmes und schreibt für seine Band selber solche. Über Russinnen und Russen, die sich ausziehen. Über Sex. Ein Thema, mit dem er jetzt nicht die ganz große Erfahrung hat.

Aber er probiert herum. Mit Nacho, mit dem er rangelt, von dem er sich angezogen fühlt und den er auch einmal küsst. Und mit Andrea, die meist eine sehr große Brille auf der Nase trägt, verstohlen die Zahnspange rausnimmt, als die beiden einmal unangekündigt vor der Tür stehen - und nicht daran denkt, sich für einen der beiden zu entscheiden. Darum geht es aber auch nicht. Eher ums Ausprobieren, ums Einander-Berühren, eher ums Sehen, was möglich ist, was der eigene Körper und überhaupt das eigene Wollen so will. Darum, dass bei aller furchtbaren Ereignislosigkeit doch viel bisher Ungewagtes vor einem liegt. Selbst am Ende der Welt.

Einmal fahren Lucas und Nacho in eine andere Stadt. Andrea hat nachzukommen versprochen, aber dann warten die beiden am Bahnhof vergeblich. In der Wohnung von Lucas' abwesendem Vater finden sie eine Dose mit Leim. Die ziehen sie sich, Pornos guckend, rein. Dieser Art ist das titelgebende Ereignis des Films. Am nächsten Tag kommt der Vater, die Hände der Jungs sind total verklebt. Kleinlaut ziehen sie von dannen.


Regisseur und Drehbuchautor Alexis dos Santos kommt aus dem patagonischen Kaff, in dem "Glue" spielt. Er macht aus der Ödnis kein Drama. Er setzt auf das Improvisieren seiner Darstellerinnen und Darsteller, die sehr ausdrucksvoll sprachlos sind, in Bruchstücken und Satzfetzen reden, die fern davon sind, das ganze aufregende Elend pubertärer Verzweiflung auf Begriffe zu bringen. Mit Ausnahme von auf Super-8-Material gefilmten Sequenzen, die mit existenziellen Banalitäten unterlegt sind: Was wäre, wenn mich meine Eltern etwas früher gezeigt hätten. Wäre ich dann ich? Dann der Ausbruch in den Gesang mit seinen in ihrer Dämlichkeit sehr wahren Song-Texten.

Natasha Breier gibt mit ihrer wahnsinnig unruhigen Kamera, die immer nah dran ist, in alles andere als abgeklärter Weise dem Zittern, dem Nichtwissen um das, was mit einem passiert, eine Form. Wenn sich die drei zusammenkuscheln, kuschelt sie mit. Wenn Andrea vor dem Spiegel steht und ihre in nicht zufriedenstellender Weise wachsende Brüste betrachtet, dann ist ihre Betrachtung vollkommen solidarisch. Die Intimität, die sich zwischen Laiendarstellern und Kamera herstellt, hat die schönste Selbstverständlichkeit. In ihrem Zusammenspiel stimmt, wie im ganzen Film, einfach der Ton. Keinem, der jung war, wird dies Patagonien fremd sein.

Iron Man
. USA 2008 - Regie: Jon Favreau - Darsteller: Robert Downey Jr., Terrence Howard, Gwyneth Paltrow, Jeff Bridges, Samuel L. Jackson, Leslie Bibb, Clark Gregg, Shaun Toub, Bill Smitrovich, Ghostface Killah, Faran Tahir

Glue. Argentinien 2006 - Regie: Alexis Dos Santos - Darsteller: Nahuel Perez Biscayart, Ines Efron, Nahuel Viale, Veronica Llinas, Hector Diaz, Florencia Braier