In einer großen mit 53 Minuten Lesezeit angegebenen Reportage
schildert Lynzy Billing das ganze Ausmaß an
giftiger Umweltbelastung, die erst das
sowjetische und dann vor allem das
amerikanische Militär in Afghanistan hinterlassen haben: "Anwohner berichten seit langem, dass US-Militärstützpunkte große Mengen an Abwasser, chemischen Abfällen und giftigen Substanzen von ihren Stützpunkten auf das Land und in Wasserstraßen kippen und so Ackerland und
Grundwasser für ganze in der Nähe lebende Gemeinden verunreinigen. Sie verbrannten auch Müll und andere Abfälle in offenen Brenngruben - einige hatten Berichten zufolge die Größe von drei Fußballfeldern - und überschwemmten Dörfer mit giftigen Rauchwolken. Afghanistan hat mehr als 40 Jahre lang einen selten unterbrochenen Krieg erlitten. Die Beweise sind überall, einige davon statisch und vergraben, andere noch sehr lebendig. Die Kriegschemikalien vergifteten das Land auf eine Weise, die noch immer nicht vollständig verstanden ist. Bevor das US-Militär in Afghanistan eintraf, wurde den sowjetischen Streitkräften der Einsatz
chemischer Waffen, darunter Napalm, vorgeworfen. Ihre Stützpunkte wurden dann von den Amerikanern umfunktioniert. Zurück bleiben heute
Schichten über Schichten medizinischer, biologischer und chemischer Abfälle, die wahrscheinlich nie beseitigt werden."
Männer in Schlaghosen, Frauen in kurzen Röcken - kein seltenes Bild im
Afghanistan der Sechzigerjahre, das modische Einflüsse aus Russland, Amerika und Indien vereinte,
erinnert die in Afghanistan geborene Autorin Sofia Mahfouz, die Afghanistans Geschichte anhand der Mode in drei Generationen erzählt. Trugen Frauen
Kopftuch, bekundete man ihnen
Beileid, denn das Kopftuch wurde nur zu Traueranlässen oder zu Ramadan getragen. Und auch in den
Neunzigern, als die Taliban erstmals die Macht übernahmen, versuchten afghanische Frauen noch, irgendwie ihre
modische Freiheit zu bewahren: "In den dunklen Jahren der Taliban, als ich geboren wurde, war Mode ein verbotenes Wort. Meine Familie war zu diesem Zeitpunkt bereits nach Kandahar gezogen. Frauen mussten sich mit
formlosen Burkas bedecken und so ihre Schönheit und Identität verbergen. Doch schon damals erfreuten sie sich an den Farben ihrer Stickereien und stickten
Muster aus Blumen und Vögeln auf ihre Kleidung. Meine Mutter war eine von ihnen. Da meine Mutter keine andere Möglichkeit hatte, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen, musste sie sie auf eine neue Art und Weise entfalten. Einst Professorin, die Vorlesungen über organische Chemie hielt, musste sie nun ein neues Handwerk erlernen. Sie verwendete Seidengarn, das im Licht schimmerte, und verbrachte Stunden damit, die richtigen Farben und Muster auszuwählen. Wer Zugang nach
Pakistan hatte, hatte Glück. Sie konnten sehen, was in der Modewelt passiert, und etwas davon mit nach Hause nehmen. (…) Die pakistanischen Kleider hatten raffiniertere Muster und Farben. Jeder, der nach Pakistan reiste, wurde daher mit der Aufgabe betraut, mit den gewünschten
Stoffen und Stickmaterialien zurückzukehren."
Als Kind war der syrische Journalist Asser Katthab der einzige, der in der Schule Deutsch lernte. Hätte ihm jemand gesagt, dass ein paar Jahre später
eine halbe Million syrische Menschen hier leben würden - er hätte es nicht geglaubt,
schreibt er. Im Jahr 2017 floh auch er aus seiner Heimat, weil ihm wegen seiner Arbeit schwere Repressionen drohten. Ein französisches Asylvisum - sein Antrag in Deutschland wurde abgelehnt - erlaube ihm seitdem, nicht nur in Frieden zu leben, sondern auch frei reisen zu können. Kaum hatte er die Gelegenheit, reiste er nach Deutschland, nach Nürnberg um genau zu sein, um sich dort das Germanische Museum anzusehen. Die
Begegnungen mit seinen Landsleuten waren nicht immer einfach, erzählt er, manchmal traf er auf Sympathisanten des Regimes oder konservative Syrer, die andere Mitglieder der Diaspora kontrollierten und sicherzustellen, dass sie keinen "westlichen" Gewohnheiten verfielen. Andere, so stellte er verblüfft fest, waren hundertfünfzigprozentige Bayern geworden. Vor allem aber konnte er beobachten, dass es eine wichtige Gemeinsamkeit zwischen Deutschen und Syrern gibt, auf die ihn seine eigenes Interesse für die deutsche Geschichte stieß: "Ich war mir bereits bewusst, dass die Deutschen angesichts dessen, was im vergangenen Jahrhundert geschehen ist, nicht sehr stolz auf die Vergangenheit ihrer Nation sind. Aber ich war überrascht, dass mein Interesse an der Geschichte des Landes - sogar vor der Vereinigung unter Kaiser Wilhelm I. und Bismarck in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, ganz zu schweigen von den beiden Weltkriegen - fast jeden, den ich dort traf Unbehagen bereitete. Die meisten Deutschen, mit denen ich zu tun hatte, schienen darin übereinzustimmen, dass ihr Land
sein Recht verloren hat, seine Kultur und sein Erbe zu feiern. Viele der Syrer, die nun schon seit Jahren hier sind, scheinen die gleiche Einstellung zum Rückblick auf die Vergangenheit zu haben. Diese Syrer waren schließlich unter einem Regime aufgewachsen, das in vielerlei Hinsicht dem Nationalsozialismus ähnelte. Sie wissen sehr gut, wie der Stolz auf die Geschichte dazu genutzt werden kann,
gefährliche Ideen über Nationalismus und Macht zu schmieden."