Heute in den Feuilletons

Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
05.02.2004. Die Zeit beweist zu Berlinale-Beginn, dass eine Kulturberichterstattung ohne Kulturredaktion möglich ist. Die FAZ berichtet über holländische Diskussionen zur Einwanderungspolitik der 68-er. In der FR kritisiert Bruno Latour das französische Kopftuchverbot. Die NZZ porträtiert den berserkerhaften Lautmaler Jaap Blonk und die sizilianische Theaterhoffnung Emma Dante.

Zeit, 05.02.2004

Eine sehr hübsche Sonderbeilage zur Berlinale hat der Verlag der Zeit der Zeit von heute beigelegt. Die Filmkompetenz wurde in diesem Fall an die Agentur granma in Berlin outgesourct, es schreiben also zwar keine Zeit-Redakteure, aber namhafte Autoren wie Matthias Lerf (Filmredakteur der Zürcher Sonntagszeitung) oder der Schriftsteller Peter Glaser. Und das schönste ist, dass der Verlag Anzeigen von Louis Vuitton, L'Oreal und Rado of Switzerland akquirieren konnte, die wir im Feuilleton sonst schmerzlich vermissen! Der endgültige Beweis, dass das operative Geschäft auch ohne redaktionelle Kernkompetenz zu bewältigen ist.

Der Aufmacher des Feuilletons ist wirtschaftsfeindlicher: Er zeigt in der Illustration einen hämisch grienenden Josef Ackermann von der Deutschen Bank, der das Victory-Zeichen macht: Meine Leistung lohnt sich so oder so, schon weil ich mir die teuersten Anwälte leisten kann! "Der Mannesmann-Prozess zeigt beispielhaft, dass sich inmitten der vermeintlich modernsten Wirtschaftkultur in Wirklichkeit längst ein ökonomischer Neofeudalismus verbreitet hat", schreibt dazu der Gießener Soziologe Sighard Neckel. Auch der Wirtschaftsteil zeigt sich ziemlich ratlos über das von Ackermann geleitete fatale Institut: "Der Mythos Deutsche Bank verfliegt."

Weitere Artikel: Thomas E. Schmidt kommentiert in der Leitglosse die Idee, das Land Preußen jetzt sogar aus der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu tilgen. Katja Nicodemus lässt es sich nicht nehmen, trotz der vom Verlag geleisteten Vorarbeiten noch mal im Namen der Redaktion über die Berlinale zu informieren. Sie macht unter den amerikanischen Wettbewerbsfilmen eine "verdruckste Nachhut des Frauenfilms" aus. Der Schriftsteller Jerome Charyn schreibt außerdem zur Berlinale-Retrospektive von New-Hollywood-Filmen über seine Lieblingspaare aus dieser großen Zeit des amerikanischen Kinos. Hanno Rauterberg stellt den Vorschlag einer Nationalen Stiftung Baukultur vor. Der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich entdeckt einen neuen Dilettantismus in der neuesten Kunst - kaum ein Künstler, der sich heute nicht auch als Filmemacher oder Sänger versucht - und macht dazu recht kritische Anmerkungen. Barbara Lehmann schreibt ein begeistertes Porträt über den ukrainischen Regisseur Andrij Zholdak, der zur Zeit in Berlin gastiert. Jörg Lau kommentiert den Austritt des Zentralrats der Juden aus der Stiftung Sächsische Gedenkstätten. Ulrich Stock erforscht neueste Tendenzen zur Fusion elektronischer Popmusik mit Jazz-Elementen.

Besprochen werden eine Ausstellung mit Zeichnungen von Patti Smith in München, der Film "Kitchen Stories" und Frank Castorfs Dramatisierung von "Kokain" nach Pitigrilli an der Berliner Volksbühne ("Wir sahen Kathrin Angerer, Jeanette Spassova, Handrik Arnst, Alexander Scheer mit all ihren Mitteln, mit denen sie sonst die schönsten Leuchteffekte erzeugen können, krachend gegen die Wand fahren", klagt Robin Detje).

Aufmacher des Literaturteils ist Michael Naumanns Besprechung von Herta Müllers Essayband "Der König verneigt sich und tötet". Und Jens Jessen kommentiert die jüngsten Konvulsionen um die deutsche Orthographie (oder -fie?)

Lesenswert ist ganz sicher das Dossier über den politischen Einfluss von Beratungsunternehmen wie Berger und McKinsey in Deutschland. In den Zeitläuften erinnert Wolfgang Zank an den russisch-japanischen Krieg vor hundert Jahren. Im politischen Teil legt der Kriminologe Arthur Kreuzer einen Essay über die offenen Fragen nach dem Kannibalsmus-Prozess von Rotenburg vor.

FR, 05.02.2004

"Jetzt muss Berlinale-Leiter Dieter Kosslick tatsächlich seinem Rivalen, Cannes' Programmmacher Fremaux, ein paar versöhnliche Augenblicke auf dem roten Teppich schenken," seufzt Daniel Kothenschulte mit Blick auf die Eröffnung der 54. Berliner Filmfestspiele, "dem Mann, der ihm Walter Salles' Che-Guevara-Film wegschnappte. Momente, die wohl jeder lieber mit Nicole Kidman geteilt hätte, der nun doch abwesenden Hauptdarstellerin aus Anthony Minghellas Eröffnungsfilm "Cold Mountain". Die Zeiten aber, da eine Feier nicht mehr wie es sich gehört, nach den liebevollen Anrichtungen der Gastgeber beurteilt wird, den in mühevoller Kleinarbeit geschmierten Schnittchen, sondern lediglich am Ausbleiben der üblichen Verdächtigen, sind hoffentlich auch in Berlin längst vorbei. Es war schon immer eine provinzielle Kritik, die dort nur die Sternchen zählte."

"Das kollektive Unbewusste, das muss man schon sagen, hat eine vortreffliche Wahl getroffen" schreibt der französische Soziologe Bruno Latour (mehr hier). "Die jungen Mädchen, die seit Jahrzehnten unter ihrer ununterbrochenen Diskriminierung leiden, werden endlich im öffentlichen Leben wahrgenommen dank ihres Kopftuches, das ihre Haare und manchmal auch ihr Gesicht versteckt. Und wie reagiert die alte Republik darauf? 'Nehmt eurer Kopftuch ab, hinter dem ihr euch versteckt, damit ihr wieder unsichtbar werdet und damit wir, die guten Franzosen, uns wieder die Augen verschleiern können angesichts des Ausmaßes an Diskriminierung, das ihr erleidet! Ihr habt die Wahl: Entweder ihr werdet wahrgenommen, indem ihr euch verschleiert, dann schließen wir euch aber von der Schule aus; oder ihr nehmt das Kopftuch ab und werdet wieder unsichtbar, damit wir euch wieder ausschließen können und es nicht einmal merken, weil wir euch ja gar nicht wahrnehmen.' Das ist wie 'Tartuffe' und noch ausgekochter als 'Tartuffe'."

Weitere Artikel: Als "verwegene Mischung aus minimalistischer Skulptur und begehbarer Höhle" und architektonisches Schwergewicht feiert Oliver Herwig ein Augsburger Einfamillienhaus, dass der junge Architekt Titus Bernhard im Kampf gegen deutsche Gestaltungsvorschriften errichtet hat, Baustopp und Rechtsstreit inklusive. Ulrich Speck würdigt den verstorbenen Historiker und Hitler-Biografen Allan Bullock und Frank Keil fragt sich angesichts des bevorstehenden Abrisses von Dieter Roths Hamburger Schimmelmuseum, warum niemand sich für dessen Erhalt eingesetzt hat.

Besprochen werden eine Ausstellung mit Fotoarbeiten der japanischen Künstlerin Miwa Yanagi in der Deutschen Guggenheim Berlin und das neue Album von Nils Wogram & Root 70 "Getting Rooted" und Bücher: Alain de Liberas Studie "Denken im Mittelalter" und John McNeills Geschichte der Umwelt (siehe auch unserer Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).

SZ, 05.02.2004

Beunruhigt zeigt sich der Erlangener Germanist und Rechtschreibreformgegner Theodor Ickler über den Inhalt des noch unveröffentlichten vierten Berichts der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung: "Von den 12 500 Wörtern der amtlichen Liste waren bisher rund 1030 durch ein Sternchen als reformbetroffen gekennzeichnet, also rund acht Prozent des Wortschatzes (mit Silbentrennung etwa 15 bis 18 Prozent). Die neuen Vorschläge verändern wiederum zwei bis drei Prozent der Wörterbucheinträge." Auf Icklers Kritik stößt auch die gepante "'Ermächtigung' der Kommission, künftig nicht nur Vorschläge für weitere Eingriffe in die deutsche Orthografie zu unterbreiten, sondern solche Eingriffe jederzeit auf eigene Verantwortung vornehmen zu können. Das ist auch deshalb bedenklich, weil einige Kommissionsmitglieder seit je in die private Vermarktung der Rechtschreibreform verwickelt sind."

Beunruhigt ist auch Fritz Göttler, weil sich Berlinale-Chef Dieter Kosslick vielleicht zum Doktor Faustus des amerikanischen Filmpoduzenten Harvey Weinstein gemacht hat, dessen Film "Cold Mountain" das Filmfest eröffnen wird: "Natürlich ist 'Cold Mountain' noch am ehesten geeignet, die Quadratur des Kreises hinzukriegen, die ein Festivaleröffnungsfilm nun mal bewältigen muss - aber er macht diesen Kraftakt auch deutlich wie selten ein Film zuvor. Er will den Glamour mit der Politik vereinen, das hohe Pathos mit dem Populären, die höchsten Gefühle mit tiefer Erdverbundenheit. Er scheint in dieser Ambition abgehoben vom Rest des Festivals - das in diesem Jahr weniger große Namen bietet als man erwartet hätte."

Weitere Artikel: Jens Schneider berichtet von sächsischen Bemühungen, die Gedenkstätten-Krise in den Griff zu bekommen. Petra Steinberger reflektiert Ariel Sharons Plan, jüdische Siedlungen im Gaza-Streifen zu räumen. Bernd Brehmer schickt Impressionen vom Filmfest in Rotterdam. Alexander Kissler lästert über Ulla Kock am Brinks RTL-Show "Verzeih mir". Und Frank Arnold befragt Sylvester Stallone zu seinem neuen Film "Mission 3D", aber auch zu seinen alten.

Besprochen werden Andreas Kriegenburgs Theaterprojekt "Kurz vorm Vergessen" im Hamburger Thalia Theater, eine Ausstellung mit Fotografien von Georges Simenon in der Pariser Galerie Nationale du Jeu de Paume, Henrik Ruben Genz' Kinderfilm "Hodder rettet die Welt", Richard Linklaters Film "School of Rock", Rosa von Praunheims Film über das Berliner Obdachlosentheater "Die Ratten 07". Und Bücher, darunter Meir Aron Goldschmidts wiederaufgelegte Erzählungen "Avrohmche Nachtigall" (mehr ab 14 Uhr in der Bücherschau des Tages).

TAZ, 05.02.2004

Etwas griesgrämig eröffnet Cristina Nord die Berliner Filmfestspiele: "Wird Cate Blanchetts Anwesenheit Party-Empfänge aufwerten? Jack Nicholson die Gesellschaftsreporter mit seinem Sphinx-Lächeln beglücken? Oder macht die vorgezogene Oscar-Verleihung all das zunichte, was im letzten Jahr so gut funktionierte... Das bereitet den Lokalpatrioten Sorge und lenkt dabei vom wirklichen Ärgernis ab: Wie sind die Filme beschaffen, in denen die Stars auftreten?" Etwas besser gelaunt wird sie erst beim Blick auf einrahmende Reihen des 'Panorama' oder der 'Retrospektive', die sich einem dezidiert politischen Kino zuwenden und schließlich doch auf ein spannendes Festival erwarten lassen.

Die Berlinale setzt in diesem Jahr erstmals digitale Projektoren ein. Jörn Kabisch hat in Berlin die Geyerschen Kopierwerke besichtigt, wo sich noch die Filmdosen stapeln: "Hier lebt die Welt des Zelluloids weiter, trotz der fortschreitenden Digitalisierung des Films, von der es heißt, sie bedeutet für die Branche so etwas wie die Umstellung auf den Tonfilm in den 20er-Jahren.." Dass die Geschichte andere Wege gehen wird, ist im Kopierwerk allerdings zu spüren: "Die Cinemedia rüstet um. Auf Digital. Im Hinterhof, in den Flachbauten, liegt das Digi Lab: Knöpfe und Regler statt Spulen, Rechner statt Maschinen, Server statt Filmdosen."

Weiteres: "Deutsches Fernsehen soll schlecht sein? Unfug", findet Reiner Wandler, und zeigt uns am Beispiel der spanischen TV-Landschaft, wie richtig mies Fernsehen sein kann. Roman Rhode feiert die Sängerin Lhasa.

Besprechungen gelten: Bert Hamers Film "Kitchen Stories" ("ein vertrackt-komischer und gleichzeitig grandios-hintersinniger Film") und Richard Linklaters Film "School of Rock".

Und noch TOM.

NZZ, 05.02.2004

Oliver Ruf porträtiert den bieder aussehenden, aber durchaus berserkerhaften Lautmaler Jaap Blonk, der neulich in der Düsseldorfer Kunstsammlung Schwitters' Ursonate vortrug: "Blonk exponiert die Motive der 'Ursonate' zunächst im Stechschritt, dann sanft wie ein Lamm; er keucht, stampft, springt heftig auf und nieder, so dass in der Kunstsammlung schließlich die Alarmanlage losgeht."

Und noch eine Entdeckung: Christine Wolter schildert das Theater der jungen Sizilianerin Emma Dante, die die italienischen Kritiker bereits zu Hymnen hinriss. So geht's zu in ihrem Stück "mPalermu": "In brutalen Ausfällen entblößen sich Gewalt, Geilheit, Hass; sie werden entfesselter Tanz, den Musikfetzen aller Art aufpeitschen, und sie münden in Mordlust. Es trifft die Großmutter, sie stirbt, umgeben von verlogener Trauer."

Weitere Artikel: Aldo Keel erinnert an den finnischen Nationaldichter Johan Ludvig Runeberg, der vor 200 Jahren geboren wurde. Besprochen werden ferner Bücher, nämlich zwei neue Novellen von Hartmut Lange und Texte von und über Milo Dor.

Leider nur für Abonnenten online sind Max Nyffelers Artikel über das Label ECM und seinen Gründer Manfred Eicher und Phono-Notizen zu neuen Platten von Krystian Zimerman mit Rachminow und Hector Berlioz' "L'Enfance du Christ" mit dem Orchester des SWR unter Roger Norrington. Ferner weist Alfred Schlienger hin auf Ruedi Häusermanns Robert-Walser-Spektakel "Unterricht in der Kunst, die Fröhlichkeit nicht einzubüßen" in Basel.

FAZ, 05.02.2004

Die Niederlande denken darüber nach, was sie mit ihrer von den 68ern geprägten Einwanderungspolitik falsch gemacht haben, berichtet Dirk Schümer. "Wie auch Fortuyn ein ursprünglich linker Soziologe gewesen war, der sogar über seine homosexuelle Vorliebe für Araber Witze reißen konnte, kommt nun auch mit Paul Scheffer der schärfste Kritiker der Einwanderung von links. Der Soziologe und provokante Vordenker der Arbeiterpartei hat nun in einem Aufsatz des NRC-Handelsblad mit der Illusion aufgeräumt, unkontrollierte Zuwanderung und Sozialstaat könnten auf Dauer miteinander koexistieren. Scheffer nutzt dabei den Rückenwind der neuen Redefreiheit, in der sogar prominente Vertreter der Grünen und der Sozialisten das bequeme Abrutschen vieler Einwanderer in die Sozialfürsorge und den Unwillen - vor allem der nicht berufstätigen Frauen - zur Integration geißeln. Nicht zuletzt wegen dieser Folgekosten, die aus wachsender Arbeitslosigkeit Ungelernter im Alter und aus der Familienzusammenführung resultieren, berechnen unabhängige Sozialforscher die Kosten der Einwanderung inzwischen für höher als deren Nutzen."

Weitere Artikel: Cordelia Edvardson (mehrmissbilligt die Bilder der beim Attentat auf einen Bus Getöteten, die das israelische Außenministerium ins Netz gestellt hat. Sie ist "überzeugt, daß sich die Kunde von dieser Website, mit garantiert echten Blutlachen, mit zerfetzten, verkohlten 'echten' Leichen und nicht etwa Dummys, längst wie ein Flächenbrand unter einschlägig Interessierten ausgebreitet hat. Von diesen Leuten gibt es leider mehr als man denkt, vor allem unter Heranwachsenden." Jürg Altwegg beschreibt, wie die Kopftuchdebatte Frankreich spaltet. "Stillos" findet Felicitas von Lovenberg den Streit um Asfa Wossen Asserates Buch "Manieren": "Martin Mosebach hat seine Mitarbeit als Freundschaftsdienst verstanden und nie verheimlicht." Hubert Spiegel kündigt den nächsten Vorabdruck in der FAZ an, es ist Viktor Jerofejews Roman "Der gute Stalin". Jürgen Kaube berichtet, dass der Wissenschaftsrat neue Kündigungsregeln und ein eigenes Tarifrecht für Forscher vorgeschlagen hat (das Dokument finden Sie hier). Auf der letzten Seite porträtiert Regina Mönch die Schriftstellerin Daniela Dahn, die am 6. Juni den Ludwig-Börne-Preis erhält. Andreas Rossmann beklagt brutale Kürzungen bei den Städtischen Bühnen Kölns, die zur Folge haben werden, dass zwei Spielstätten - die Halle Kalk und das West-end-Theater - geschlossen werden müssen.

Berlinale: Im Aufmacher des Feuilletons stellt Andreas Kilb den Eröffnungsfilm "Cold Mountain" von Anthony Minghella vor und lobt den Berlinale-Leiter: Durch Kosslick sei "ein Geist der Offenheit nach Berlin gekommen ..., der gerade in Cannes und Venedig so spürbar fehlt. Denn der große Film, das Meisterwerk, nach dem alle Festivals suchen, hat, anders als viele dort meinen, nichts mit großen Namen zu tun. Es könnte jeder sein." Auf der Filmseite lesen wir ein Gespräch mit den Regisseuren Fatih Akin (mehr), Romuald Karmakar (mehr) und Achim von Borries (mehr) über das Filmemachen in Deutschland und die Bedeutung des Films hierzulande. Michael Althen verteidigt die Schläfer im Kino mit einem Spruch von Rudolf Thome: "Im Kino schlafen heißt dem Film vertrauen."

Besprochen werden eine Ausstellung von Jonathan Meese in der Frankfurter Schirn, Ruedi Häusermanns Inszenierung der späten Prosa von Robert Walser nach einer Collage von Adolf Wölfli am Basler Theater und Anne Atiks Erinnnerungen an Samuel Beckett (siehe auch unsere Bücherschau heute ab 14 Uhr).

Welt, 05.02.2004

Der Medienwissenschaftler Norbert Bolz (mehr hierdiskutiert Jürgen Habermas' Forderung, "religiöse Gehalte zu säkularisieren". Darin, meint Bolz, erweise sich Habermas als erstaunlich unmodern, was ihn aber nicht wundert: "Was an der Kritischen Theorie für die Linksintellektuellen attraktiv war, hatte immer schon Züge einer geheimen Theologie. Walter Benjamin hat dieses Geheimnis schon in den dreißiger Jahren in einem schönen Bild verraten: Die Theologie ist in der Moderne ein hässlicher Zwerg, der sich verstecken muss - und das beste Versteck ist der Marxismus. Theodor W. Adorno hat dieses Versteckspiel dann auf den Begriff einer 'inversen Theologie' gebracht. Das heißt im Klartext: Alles, was die Jugendlichen und Intellektuellen unter Titeln wie Neomarxismus, Frankfurter Schule und Kritische Theorie faszinierte, war eine geschickt als Gesellschaftskritik und Ästhetik verkleidete Theologie. Die Frankfurter Schule lehrte, an den Gott zu glauben, den es nicht gibt. Das ist der 'theologische Glutkern' der Kritischen Theorie. Er wärmt das Oberseminar, in dem die schönsten Blumen politischer Weltfremdheit gedeihen."