Heute in den Feuilletons

Heute in den Feuilletons

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
09.03.2006. Die aus alter Gewohnheit bürgerliche Zeit will der neuen Bürgerlichkeit nicht recht über den Weg trauen. Die Welt erklärt das neue Urheberrecht für die Theater: Künftig können Autoren Schmerzensgeld einklagen. Schon jetzt werden Kritiker allenfalls in Nebenspielstätten von toten Schwänen gebissen, konstatiert die SZ in einem Artikel über die Lage des Theaters. Die NZZ staunt über die gemorphten Zwitter des Amsterdamer Architekturbüros UN-Studio. Detlev Bucks Film "Knallhart" beeindruckt die Kritik.

Zeit, 09.03.2006

Etwas befremdet blickt die seit eh und je bürgerliche Zeit auf die neue Bürgerlichkeit. Jens Jessen möchte betonen, dass zur Bürgerlichkeit immer auch ein vitales "Institut der Kritik", die Freude an der steten Revision, gehört. Und es sei eine Illusion, den Kapitalisten als eigentlichen Träger des Gemeinwohls anzusehen: "Private Stiftungen und Zuwendungen für die Kultur sind auch kein exklusiv bürgerliches, sondern genauso gut ein feudales oder neofeudales Merkmal; und nirgends lässt sich das besser beobachten als bei den Spenden für die Hamburger Elbphilharmonie, von denen 30 Millionen das Unternehmerpaar Greve, 10 Millionen der Versandhauschef Michael Otto, weitere 10 Millionen die Hermann-Reemtsma-Stiftung, aber gerade mal 83.000 Euro aus der Tiefe der Bevölkerung aufgewendet wurden. Das ist eine Struktur öffentlichen Engagements, wie sie auch den Feudalstaaten Lateinamerikas geläufig ist."

Der Historiker Manfred Hettling spricht im Interview mit Thomas Assheuer über die Grundlagen der neuen Bürgerlichkeit: "Da muss man so ehrlich sein und zugeben, dass damit ein höheres Maß an Ungleichheit verbunden ist und neue Risiken entstehen. Bürger zu sein ist Chance und Zumutung zugleich." Georg Diez hat die Galionsfiguren des bürgerlichen Lebens besucht: die Verleger Wolf-Jobst Siedler und Gina Keyahoff, den KPM-Besitzer Jörg Woltmann und den Schriftsteller Jakob Hein.

Weiteres: Thomas Groß preist die Berliner Band NMFarmer. Evelyn Finger hätte Ang Lees Neo-Western "Brokeback Mountain" gern acht Oscars gegeben: "Er weckt die alte Sehnsucht nach einem frontier-Dasein jenseits der auf Konvention gebauten Städte." Und Bartholomäus Grill stellt den südafrikanischen Oscar-Gewinner "Tsotsi" vor. Vom Kunstmarkt berichtet Claudia Herstatt, dass Stephane Breitwieser, einer der größten Kunstdiebe der Geschichte, wieder auf freiem Fuß ist. Er möchte jetzt in legalem Kunsthandel machen.

Besprochen werden zwei Berliner Opernpremieren, Sebastian Baumgartens Inszenierung von Händels "Orest" von Händel und Alain Platels Choreografie zu Monteverdis "Marienvesper", Thomas Ostermeiers Inszenierung von Eugene O'Neills "Trauer muss Elektra tragen", Schubert-Lieder von Christian Gerhaher, Improvisationen des Bassisten Barry Guy und in der Reihe "Klassiker der Modernen Musik" György Ligetis "Atmospheres".

Im Leben versucht die Soziologin Necla Kelek die Grundlagen für eine gemeinsame Zukunft von Deutschen und Einwanderern auszuloten: "Durch eine falsche Integrationspolitik, die ihre Herkunftsidentität stärkte, fühlen sich selbst türkische Migranten, die schon Jahrzehnte hier leben und einen deutschen Pass haben, immer noch als Türken. Sie gehören nirgendwo richtig dazu - für das Land, aus dem sie kommen, sind sie die 'Deutschländer', und zu dem Land, in dem sie leben, wollen sie nicht gehören. Diese ungeklärte Identität trägt zum Rückzug in die eigene Community, in die 'Parallelgesellschaft' bei. Wer seinen Kindern nach 30 Jahren Aufenthalt in Deutschland immer noch die Türkei als die wahre Heimat verkauft, wer ihnen die Maxime en büyük türk, 'Der Türke ist der Größte' vorlebt, der diskreditiert seinen eigenen Lebensweg als Irrtum."

Im Aufmacher des Literaturteils preist Eberhard Falcke Clemens Meyers Roman über Leipzigs Halbstarke "Als wir träumten". Für das Dossier begibt sich Wolfgang Zank in die Festung Dänemark, dessen Regierung seinen Beobachtungen zufolge seit Jahren mit einer rigiden Politik gegenüber Einwanderern die Ausländerfeindlichkeit schürt.

Welt, 09.03.2006

Der Philosoph Werner Becker setzt Hoffnungen auf die Reformfähigkeit des Islams: "Im Unterschied zum katholischen Christentum gibt es im Islam weder eine straffe priesterkirchliche Organisation noch eine dogmatische Theologie. Vielmehr steht das muslimische Gottesverhältnis eher dem protestantischen 'Priestertum aller Gläubigen' nahe, sieht sich doch jeder Gläubige in direkter Beziehung zu Gott. Das aber sind Aspekte, die unter westlichen Bedingungen für die Möglichkeit eines Reformislam sprechen."

Im Interview mit Matthias Heine erzählt Detlev Buck von seinen Recherchen für seinen Film "Knallhart" in Neuköllner Schulklassen: "Ich habe sehr viel gelernt im Unterricht von Peter Bucksch, dem Lehrer, der ja auch selbst im Film mitspielt. Da gibt es noch so viele Filmthemen, die 'Knallhart' gerade so anschneidet: Zwangsheirat zum Beispiel - eine Komparsin ging weg und ist nicht mehr aufgetaucht. Als die Schüler gefragt haben: 'Wer ist das denn da vorne?', habe ich gesagt: 'Ich bin von Pisa.' 'Von was bist du?' Da ist noch eine Menge Arbeit zu tun für Leute wie Herrn Bucksch. Wenn der sagt: 'Noch mal so ein Scheiß, und du wirst abgeschoben' - das ist der Ton, der da einfach jenseits aller Theorie angesagt ist. Du musst physischen Unterricht machen. Sonst brauchst du da gar nicht anzutreten."

Reinhard Wengierek stellt in einem instruktiven Artikel die Veränderung des Urheberrechts für Theaterstücke dar, die vom Justizministerium vorbereitet wird. Die Autoren oder Erben, die ihren Text misshandelt fühlen, können künftig eine Art Schmerzensgeld einfordern: "Freilich darf bezweifelt werden, dass ein verschärfter Urheberrechtsschutz das Theater besser, also spannender, aufregender, gegenwärtiger macht. Höchstens dass es prophylaktisch wirkt gegen sonderlich krasse Regie-Auswüchse."

Weitere Artikel: Klaus Honnef schreibt zum Tod des amerikanischen Fotografen und Filmemachers Gordon Parks. Eckhard Fuhr kann in einer Kolumne Silvio Berlusconis Vorschlag an die Armen, "sie sollten doch mehr Geld verdienen, um aus ihrer Armut heraus zu kommen", nur beipflichten.

Besprochen werden zwei Beckmann-Ausstellungen in Frankfurt, Rosa von Praunheims Film "Dein Herz in meinem Hirn" (mehr hier) und die Neuverfilmung von "Der rosarote Panther" mit Steve Martin.

NZZ, 09.03.2006

Anlässlich einer Ausstellung im Frankfurter Architekturmuseum preist Roman Hollenstein das Amsterdamer Architekturbüro UN-Studio, dessen Entwurfsstrategie auf mathematischen Modellen wie dem Moebiusband basiert und das gerade weidlich für sein Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart gefeiert wird. "Das nun der Vollendung entgegengehende Gebäude erscheint im postindustriellen Niemandsland von Untertürkheim wie ein metallisch glänzender, seltsam gemorphter Zwitter - halb CD-Player, halb Autosilo oder Raumstation. Kritiker schwärmten bereits von einer barocken Lösung. Doch so einfach kann das Form- und Raumgefüge dieser skulpturalen Science-Fiction-Architektur nicht charakterisiert werden. Ihr Inneres lebt von einem doppelten Raumkontinuum, welches der Funktion des Hauses auf spektakuläre Weise entgegenkommt und Ausstellungssituationen von der traditionellen Halle für Oldtimer bis hin zum nachgebauten Autobahnstück voller schnittiger Wagen bietet."

Weiteres: Paul Jandl berichtet, dass Österreich ein neuer Restitutionsfall droht: Marina Mahler, die Enkelin Alma Mahler-Werfels und des Komponisten Gustav Mahler klagt auf die Rückgabe des Munch-Gemäldes "Sommernacht am Strand". Marc Zitzmann muss feststellen, dass der Montparnasse nicht einmal mehr von seiner eigenen Legende zehren kann: "Als Ganzes hat der Montparnasse nicht einmal mehr den Charme der Banalität."

Besprochen werden das Album "Stoa" des Schweizer Jazzpianisten Nik Bärtsch, Romesh Gunesekeras Roman "Am Rand des Himmels", Michel Mettlers "polyphones" Romandebüt "Die Spange", Irene Disches Roman "Großmama packt aus" (mehr in unserer Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).

SZ, 09.03.2006

Christopher Schmidt widmet sich der Spiralblock-Fraktion unter Deutschlands professionellen Theaterfreunden und der neuen Trendsportart, dem Theaterbashing. Besonders bemerkenswert findet er dabei, "dass der Tonfall der Fäkal-Alarmisten, den man nur aus der Bild-Zeitung kennt (Wie lange müssen wir die Sauereien noch ertragen? Und alles von unseren Steuergeldern!), sich zu etablieren scheint, verbunden mit dem revanchistischen Wunsch nach kompensatorischer Theaterkulinarik, nach dem Positiven." Dabei ist das Theater aus Angst vor Kürzungen fast überall schon brav geworden, meint Schmidt: "Man muss sich schon in die eher verschwiegenen Nebenspielstätten begeben, dorthin, wo vor den Augen einer urbanen studentischen Jugend die Experimente verscharrt werden, um von einem toten Schwan gebissen zu werden."

Gustav Seibt folgte in Berlin einem Vortrag Jean-Noel Jeanneneys von der Pariser Bibliotheque nationale, der ganz Europa als gallisches Dorf gegen Google Book Search aufbauen will, um die angelsächsische Dominanz im Netz zu brechen: "Herr Jeanneney gab ein erschütterndes Beispiel, wozu es führen könnte, wenn eine angelsächsische Weltsicht zu dominieren beginne: Man könnte doch die Französische Revolution tatsächlich auch als Periode 'von Guillotine und Terror' verstehen, während 'wir vom Kontinent' sie doch eher als Zeit von Humanität und Fortschritt sehen. Parbleu! Terror in der Großen Revolution? Das ist neu!"

Weitere Artikel: Der in Bonn lebende irakische Schriftsteller Najem Wali empfiehlt den Irakern, statt sich gegenseitig mit Anschlägen zu terrrorisieren, offen über das vielfältiges "Bevölkerungsmosaik" des Landes zu reden: "Wann, wenn nicht jetzt?" Jörg Königsberg erläutert Sanierungsperspektiven ("O Wunder!") für die Berliner Staatsoper Unter den Linden, inklusive Ersatzspielort im Flughafen Tempelhof. Auf der Filmseite erinnert sich Mario Adorf an Hollywoodregisseur Sam Peckinpah, Markus Rothe befragt Ang Lee über seinen Film "Brokeback Mountain", Fritz Göttler verabschiedet "Shaft"-Regisseur Gordon Parks, der jetzt 93jährig gestorben ist.

Auf der Medienseite informiert Hans-Jürgen Jakobs über neue Pläne der SPD-Medienholding, die Frankfurter Rundschau zu verkaufen, sowie Pläne der Großen Koalition, das Pressekartellrecht zu reformieren.

Besprochen werden Teil zwei von Len Wisemans Underworld-Vampir-Saga "Evolution", Detlev Bucks Film über Neuköllner Ghettokids "Knallhart" ("ein ziemlich schmerzhafter Film", schreibt H.G. Pflaum, "der seine brutale Leidensgeschichte indes mit beharrlicher Sensibilität erzählt"), die Ausstellung "Splendeurs de la Cour de Saxe" in Versailles, ein Gastspiel des Leipziger Gewandhausorchesters unter Riccardo Chailly in München, und Bücher, darunter Eva Demskis neuer Roman "Das siamesische Dorf" (mehr in unserer Bücherschau heute ab 14 Uhr).

FR, 09.03.2006

Mit "Knallhart" ist Detlev Buck, seinen Schauspielern und den Drehbuchautoren "ein Film gelungen, der einem Angst macht", schreibt Heike Kühn, "davor, in die Enge getrieben zu werden, die Deutschland heißt, davor, sich an Gewalt anzupassen, statt den Gewaltsamen Anpassung abzuringen. Davor, zurückzuschlagen. Oder den Ausbruch des Bürgerkriegs in unseren Schulen übersehen zu haben."

Wärmstens empfehlen kann Kühn auch Yilmaz Arslans "Fratricide - Brudermord" - ein Film, der ganz in der kurdisch-türkischen Welt in Deutschland angesiedelt ist: "In den Benelux- Ländern, in Portugal, Tschechien, in Australien, Südamerika und sogar in der Türkei läuft der Film in den Kinos. In Frankreich startet er mit dreißig Kopien. Nur in Deutschland hat sich kein Verleiher gefunden. In dem Land, in dem das Problem der gescheiterten Auswanderer-Träume Alpträume für uns alle bereithält, muss der Regisseur selbst fünf Kopien durch die Städte schicken. Als Armutszeugnis bezeichnet Arslan diesen Umstand, verschweigt nicht Zorn und Zweifel. Ist er mit seinem Film, einem radikalen Abgesang auf den Multi-Kulti-Flirt mit der Integration, zu spät dran? Die jungen Türken in Deutschland, denen er einen Spiegel vorhalten wollte, gehen in 'Tal der Wölfe' und identifizieren sich gedankenlos mit einer Wut, die nicht die ihre ist. Die Deutschen, mutmaßt Arslan, schließen die Augen vor der Marginalisierung der Exilanten und den Rachegedanken ihrer Kinder."

Andere Artikel: Thomas Medicus streift durch die Ausstellung sämtlicher 309 Entwürfe des Architekturwettbewerbs zur Topografie des Terrors im Berliner Martin Gropius Bau, und findet am Ende den Entwurf der Berliner "raumfeld architekten sowie K1 Landschaftsarchitektur viel interessanter als den Siegerentwurf von Ursula Wilms. Daniel Kothenschulte schreibt zum Tod des Fotografen und Filmemachers Gordon Parks. In der Kolumne Times Mager stöhnt Stefan Behr: "Winter, elende Knackwurst, lies doch mal bei Wikipedia nach, wenn du denn lesen kannst: 'Der meteorologische Winter umfasst die Monate Dezember, Januar und Februar.' Hast du das begriffen? Februar! Es ist jetzt März."

Besprochen wird Ang Lees Western "Brokeback Mountain", ein "Film, so klar und unverstellt, als könne man Kino machen wie beim ersten Mal", lobt Daniel Kothenschulte.

TAZ, 09.03.2006

"Wenn wir an Western denken, denken wir erst mal an Revolverhelden und Schießereien", sagt Ang Lee im Gespräch mit Cristina Nord über seinen Film 'Brokeback Mountain'. "Mit dem Leben im Westen der USA hat das nur wenig zu tun. Ich arbeite mit zwei herausragenden Erzählern zusammen, mit Annie Proulx und Larry McMurtry. Sie halten sich an das Leben, an den Alltag, und dahin wollte auch ich mich bewegen. Sicher, ich borge Elemente aus der Kultur des Westerns - den Wind, die Landschaft, die Tiere, die Cowboys mit ihrem Macho-Naturell. Aber die Liebesgeschichte ist universell. Für mich ist sie die große amerikanische Liebesgeschichte."

Weiteres: Daniel Bax schreibt zum Tod des Gitarristen Ali Farka Toure, und Brigitte Werneburg verabschiedet den amerikanischen Fotografen und Filmemacher ("Shaft") Gordon Parks.

Besprochen werden Detlev Bucks neuer Film "Knallhart", Keisuke Kinoshitas Anti-Kriegsfilmklassiker von 1954 "Twentyfour Eyes" als DVD-Edition, Ang Lees "Brokeback Mountain" und Shawn Levys Remake von "Der rosarote Panther".

Schließlich Tom.

Tagesspiegel, 09.03.2006

Auf der Meinungsseite ist ein Aufruf von Andre Glucksmann, Vaclav Havel, Prinz Hassan al Talal, Frederik Willem de Klerk, Mary Robinson, Yohei Sasakawa, Karl Schwarzenberg, George Soros und Desmond Tutu abgedruckt, den Krieg in Tschetschenien zu beenden: "Was würden wir sagen, wenn die britische Führung Bomben auf Belfast regnen ließe, oder die spanische Regierung Bilbao zerstörte, unter dem Vorwand gegen die IRA oder die Eta vorzugehen? Und gleichwohl schweigt die Welt angesichts der Plünderung von Grosny und den anderen Städten und Dörfern Tschetscheniens. Verdienen tschetschenische Frauen, Kinder und Zivilisten weniger Respekt als der Rest der Menschheit? Werden sie überhaupt noch als Menschen wahrgenommen? Nichts entschuldigt die scheinbare Gleichgültigkeit, die aus unserem weltweiten Schweigen spricht."

FAZ, 09.03.2006

Mark Siemons hat die erste chinesische "richtige Feuilletondebatte" anzuzeigen. Die Beilage der Parteizeitung China Youth Daily wurde vor einigen Monaten verboten, weil ein Historiker den verzögerten Aufbruch des Landes in die Moderne nicht nur den westlichen Imperialisten, sondern auch den eigenen Führern angelastet hatte. Nach Protesten erscheint die Beilage nun wieder, mit der Replik eines marxistisch gefestigten Geschichtsinterpreten. "So kam letzte Woche tatsächlich ein publizistischer Disput zustande, bei dem die Argumente direkt aufeinanderstießen - ein Disput freilich, bei dem charakteristischerweise dessen Verhinderung durch die Zensur mitdiskutiert wurde, als Subtext, ohne den die ganze Auseinandersetzung nicht verständlich ist. Es geht um das Geburtstrauma des modernen China: den demütigenden Zusammenprall der Nation mit den westlichen Mächten im neunzehnten Jahrhundert."

Im Moskauer Puschkin-Museum steht Hans-Peter Riese beeindruckt vor Grisha Bruskins monumentalem fünfteiligen Bildteppich, auf dem insgesamt hundertsechzig rätselhafte Figuren versammelt sind (etwa dergestalt). "Vergleicht man die einzelnen Sektionen, so stellt man fest, dass sich die Figuren, die offensichtlich aus einem religiös-rituellen Zusammenhang entstammen, sich zu wiederholen scheinen. Man erkennt einen Mann in einer blauen Kutte, zwei Bücher unter dem Arm, oder sein in einen braunen Umhang gekleidetes Pendant, das Haupt mit einem Schal schützend. Eine rote Figur, die sich als Engel identifizieren lässt, steht manchmal auf dem Kopf. Andere schweben oder tragen Tierköpfe."

Weiteres: In den USA gerät Englisch als verbindliche Sprache gegenüber den chinesischen und lateinamerikanischen Einwanderern immer mehr ins Hintertreffen, informiert Jordan Mejias. Gustav Falke zeigt an Beispielen, mit welcher Herablassung die politisch eher rechts zu verortenden Macher von "Tal der Wölfe" Araber und Kurden in ihrem Film darstellen. Marc Peschke meldet den Tod des malischen Bluesgitarristen Ali Farka Toure. Im Plagiatsprozess gegen Dan Brown registriert Gina Thomas zunehmende Vorteile für die Verteidiger. Der Präsident der französischen Nationalbibliothek Jean-Noel Jeanneney hat in Berlin seine Streitschrift für eine digitale europäische Bibliothek vorgestellt, berichtet Heinrich Wefing. Michael Althen schreibt zum Tod des amerikanischen Fotografen Gordon Parks. Martin Otto weist darauf hin, dass in der Schweizer Universität Teufen auch nicht Habilitierte außerordentliche Professoren werden können.

Die Filmseite birgt ein Gespräch zwischen Michael Althen und dem Regisseur Ang Lee über "Brokeback Mountain". Robert von Lucius beschreibt, was der Auslands-Oscar für den südafrikanischen Film "Tsotsi" dem Land bedeutet. Bert Rebhandl porträtiert den israelischen Filmemacher Amos Gitai, dessen Dokumentarstück "News from Home" auf der Berlinale zu sehen war (hier unsere Kritik).

Auf der letzten Seite druckt die FAZ Auszüge aus dem demnächst erscheinenden Briefwechsel zwischen Gottfried Benn und Ernst Jünger. Martin Schlögl stellt den Künstler Jim Avignon vor, der von Berlin nach New York wechselt. Frank Pergande berichtet von Verstimmungen zwischen dem Berliner Fontane-Archiv und dem Kulturministerium.

Besprochen werden eine Ausstellung über Fußballschiedsrichter im Leipziger Stadtmuseum, ein Liederfest für den Komponisten Aribert Reimann in München, das Zweipersonentanzstück "Fair is foul" mit Amanda Miller und Kate Strong in Köln sowie Reisebücher und Nadeem Aslams Roman "Atlas für verschollene Liebende" (mehr in unserer Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).