Heute in den Feuilletons

Schluffig den Hintern hinab

Die kommentierte Kulturpresseschau. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
02.07.2009. In der SZ erklärt der Professor Robert Stockhammer, warum er demnächst eine Rechtsschutzversicherung fürs Lehren braucht. In der NZZ informiert David Albahari über die Schwierigkeiten eines serbischen Autors.  Die Blogs sind entsetzt über Hubert Burda und erwägen einen Verzicht auf seine kalten Buffets beim DLD-Kongress.Und Don Alphonso benennt in seinem FAZ-Blog einige Urheberrechtsverstöße im Internet (begangen durch Mainstreammedien).

Berliner Zeitung, 02.07.2009

Unter großer internationaler und geringer regionaler Beachtung findet in Berlin eine Fashionweek statt. Carmen Böker macht sich Gedanken über Mode in Berlin: "'Berlin hat Mode im Blut', befand gestern Suzy Menkes vom International Herald Tribune, die für die Spitzzüngigkeit ihrer Kritiken gefürchtet wird. Aber Berlin ist trotzdem immer noch die Heimat der Chucks und schluffig den Hintern hinab rutschenden Röhrenjeans; das Habitat der 'Generation Umhängetasche', die nichts mehr fürchtet als die Vorstellung, erwachsen zu werden und sich entsprechend kleiden zu müssen. Die Mode, die hier entsteht, scheint also in einer Art Paralleluniversum getragen zu werden."
Stichwörter: Berlin, Menkes, Suzy

Aus den Blogs, 02.07.2009

Nach dem FAZ-Artikel Hubert Burdas (mehr hier, "Die vierte Gewalt ist jetzt im Netz") mit drastischen Forderungen zur Besserstellung der Mainstreammedien und Kontrolle des Netzes, ruft Don Alphonso die geneigte deutsche Bloggerschaft zum Boykott der Burdaschen Digital-Lifestyle-Messe DLD auf, die Burda laut Kress übrigens zu einer eigenen Geschäftssparte machen will: "Geht doch einfach das nächste Jahr nicht auf seinen DLD-Kongress. Zeigt Eure Haltung durch Verweigerung. Biedert Euch nicht mehr an, versucht nicht, seinen Firmen Kooperationen anzudrehen, und macht nicht bei seinen Werbenetzwerken mit."

Und in seinem, ähem, FAZ-Blog nimmt Don Alphonso in punkto Burda kein Blatt vor den Munde: "Ich kann dieses Gejammer nicht mehr hören. Das Geheule von Plattenfirmen, dass die Kunden den billigst abgemischten Kommerzpop inzwischen billiger beziehen, als er hergestellt wird - das ist in meinen Augen nur angemessene Preisfindung. Die Klagen von Herrn Burda, seine wertvollen Inhalte würden schleichend enteignet - was meint er damit? Auf Focus.de finde ich den gleichen Infomüll wie überall, angereichert mit einem 'Strandführer Ibiza' und 'Richtungsstreit in der Busenpartei'."

Markus Beckedahl kommentiert Burdas Forderungen in in Netzpolitik: "Könnte auch Blogs gefährlich werden."

Carta bringt gleich mehrere Reaktionen zu Burda. Matthias Schwenk schreibt: "Dass ein Mann wie Hubert Burda sich dazu hergibt, einen solchen Unsinn zu fordern, ist schon erstaunlich. Diese Forderungen zeigen aber auch, dass unsere Verlage praktisch immer noch nichts von der Funktionsweise einer Suchmaschine verstehen." David Pachali bringt außerdem eine ausführliche Blogschau zum Thema.

Anke Gröner macht sich in ihrem Blog Gedanken, wie die Unterhaltungsindustrie, aber auch einzelne Künstler das Netz nutzen könnten: "Jeder Künstler kann sich heute eine Webseite bauen und dort seine Musik direkt zum Download anbieten. Radiohead haben es erfolgreich vorgemacht - warum machen das nicht mehr Bands? Ich muss gestehen, ich habe keine tiefen Einblicke in das Musikgeschäft und sehe das alles nur aus Konsumentensicht. Aber ich glaube, dass es für Künstler genauso lohnenswert sein kann, seine Musik selbst anzubieten als wenn es über einen Musikverlag geht. Vielleicht sogar noch lohnenswerter, weil der ganze Wasserkopf wegfällt."

Das DJV-Blog macht in Antwort auf Burda auf die eigentliche "Enteignung" aufmerksam, die der Urheber, zumindest wenn sie freie Autoren sind: "Die freien Journalisten werden seit über einem Jahrzehnt täglich enteignet. Einige wenige klagen mit Hilfe ihres Berufsverbandes, dem DJV. Diese Verfahren ziehen sich ebenfalls dahin. Es gibt ja im Rechtsstaat so allerlei Instanzen und Rechtsmittel."

(Via lawblog) Der Mannheimer Informatikprofessor Felix C. Freiling erklärt, wie die verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung, die gerade vom Bundesverfassungsgericht überprüft wird, technisch funktioniert. Sein Gutachten ist sehr technisch. Eine gute Zusammenfassung für den Laien findet man bei Heise: "Die vom Gesetz erfassten 'Verkehrsdaten', die darüber Aufschluss geben, wer mit wem wann und wie lange kommuniziert hat, würden durch Trends in der Telekommunikation 'plötzlich' zu Inhaltsdaten, die eigentlich nicht gespeichert werden dürfen. Der Informatiker hält es daher für sinnvoll, Verbindungsdaten 'generell stärker als Inhaltsdaten zu bewerten'. Diese Einschätzung würde die Ermittlungsbehörden auch darin unterstützen, 'sich auf die Verfolgung von für die Gesellschaft wesentlich schädlicheren und schwereren Deliktsarten zu konzentrieren' und sich nicht zu 'verzetteln'."

Noch vor einem Jahr haben Großinstitute wie die Zeit über das Ende der Billigflieger geschrieben. Es ist ganz anders gekommen, schreibt Wolfgang Röhl auf der Achse des Guten: "Wer unter der Krise am meisten leidet, das sind die Nicht-Billigairlines wie Lufthansa, deren größter Ertragsbringer, die Business-Class, furchtbar leidet. Ich wurde kürzlich auf einem Flug in die USA zusammen mit meiner Frau aus der Holzklasse kurzerhand in die Business-Class verfrachtet, damit es in dieser nicht so leer aussah. So macht die Krise Spaß!"

FR, 02.07.2009

Die Lyrikerin Olga Martynova beklagt das ungewisse Schicksal von Frankfurts Slawistischer Bibliothek nach Schließung des Slawistik-Seminars: "Es bleibt noch Zeit für die Öffentlichkeit, sich einzumischen. Denn das ist nicht nur eine Angelegenheit des Landes Hessen, das viel Geld für all diese Bücher ausgegeben hat. Vielleicht wäre es vernünftiger, meint Franz Schindler, noch ein wenig zu investieren - in ein Paar Hilfskräfte zum Beispiel, die die Bestände der drei Bibliotheken vergleichen, Duplikate aussortieren und den Zettelkatalog digitalisieren. Das ist auch ein Anliegen aller, die es bei dem Gedanken schaudert, dass die wertvolle Sammlung einfach verschwindet."

Weiteres: In Times mager widmet sich Christian Thomas den nun ans Licht gekommenen Verfahrensfehler im Wettbewerb um das Berliner Stadtschloss: Der siegreiche Franco Stella hätte offenbar überhaupt nicht am Wettbewerb teilnehmen dürfen, weil er kein arbeitendes Architekturbüro hat. (Hier die gemischten Reaktionen auf die Entscheidung).

Besprochen werden der Auftakt der U2-Tournee, deren große Attraktion eine gigantische 360-Grad-Bühne sein soll, eine Ausstellung über die Bauhaus-Architektur von Tel Aviv im Frankfurter DAM, Jens Hoffmanns Branchenporträt "5 to 9 - Days in Porn", die Defa-Klamotte "Hände hoch oder ich schieße", die Forced-Entertainment-Werkschau im Berliner HAU, ein Konzertabend des Bassisten Rene Pape und Jonathan Coes Roman "Der Regen, bevor er fällt".

Welt, 02.07.2009

Die Realisierung der Stadtschlosskopie in Berlin ist erneut ins Gerede geraten, weil der Architekt des Siegerentwurfs, Franco Stella, möglicherweise die formalen Bedingungen für die Wettbewerbsausschreibung nicht erfüllte - und dies im Moment, wo ein repräsentativer Reader und eine Ausstellung über das Projekt positive Stimmung schaffen sollten. Eckhard Fuhr plädiert dafür, am Projekt festzuhalten: "Sich jetzt aber entschlossen an seine Realisierung zu machen, heißt nicht dem Prinzip 'Augen zu und durch' zu frönen."

Weitere Artikel: Hendrik Werner porträtiert den schwedischen Verschwörungsthriller-Autor Stieg Larsson, der mit seinen sozialkritischen Räuberpistolen sämtliche internationale Bestsellerlisten stürmt - und leider nichts mehr davon mitbekommt, weil er 2004 im Alter von fünfzig Jahren an einem Herzinfarkt starb. Manuel Brug kommentiert den schnöden Abschied des GMD Fabio Luisi von Dresden - in Zürich wird er besser verdienen. Hannes Stein erinnert an den mittelalterlichen persischen Dichter Omar Khayyam, der wegen seiner Wein-Weib-und-Gesang-Lyrik im heutigen Iran nicht viele Chancen hätte. Matthias Kamann schreibt zum 25. Jubiläum des Hamburger Instituts für Sozialforschung. Hendrik Werner berichtet über die Verzögerung der Kindle-Einführung in Deutschland - Amazon will das mit Mobilfunk funktionierende Lesegerät wegen überzogener Preisvorstellungen der Telekompartner vorerst nicht in Deutschland lancieren. Thomas Lindemann porträtiert den Schweizer Rapper "Stress".

Besprochen werden Filme, darunter die Komödie "Das Mädchen aus Monaco" mit Fabrice Luchini, der aus diesem Anlass auch interviewt wird.

NZZ, 02.07.2009

Der Schriftsteller David Albahari stellt in einem fiktiven Dialog klar, dass es serbische Autoren nicht leichter haben als etwa kanadische, nur weil es in Serbien so schön viele Probleme gebe: "Was ein serbischer Schriftsteller auch tue, immer stelle sich heraus, dass er Verrat an jemandem oder an etwas begehe. Erscheint sein Buch in lateinischer Schrift, verrät er die serbische Tradition, erscheint es in Kyrillisch, hat er die Befürworter des EU-Beitritts gegen sich. Schreibt er über serbische Themen, ist er sofort als nationalistischer Dichter verschrien, schreibt er über nationale Themen nicht, gerät er in Verdacht, er wolle sich bei den Feinden der serbischen Orthodoxie lieb Kind machen. Benutzt er die Sprache des nördlichen Serbien, kritisiert man ihn, dass er die Dialekte des Südens vernachlässigt."

Weiteres: Brigitte Kramer berichtet, dass Andalusien die riesigen Stellwände mit dem Osborne-Stier als Kulturgut schützen lassen will. Joachim Güntner besucht den Leipziger Lehmstedt Verlag.

Besprochen werden Bruce Springsteens Konzert in Bern (bei dem er die Schweizer auch mit dem Lied vom "Vogelisi" beglückte), Ryu Murakamis Roman "Piercing" und auf der Filmseite Maren Ades Film "Alle Anderen" sowie James Grays Milieustudie "Two Lovers".

Zeit, 02.07.2009

Wer die DDR einen "Unrechtsstaat" nennt, stellt ihre ehemaligen Bürger "flächendeckend moralisch unter Verdacht" - dies war die Grundthese eines Aufsatzes von Gesine Schwan im politischen Teil der letzten Zeit. Marianne Birthler erinnert das in der heutigen Zeit "fatal an die von der SED propagierte Einheit von Staat und Volk." Aber genau das sei eben nicht der Fall gewesen. "Zu meinen, in einer Diktatur sei der Staat mit der Gesellschaft identisch, würde in letzter Konsequenz bedeuten, dass die Ostdeutschen kollektiv für alles DDR-Unrecht verantwortlich oder mitverantwortlich sind - eingeschlossen das Unrecht, das ihnen selbst widerfuhr. Keine freien Wahlen? Keine unabhängigen Gerichte? Mauer und Schießbefehl? Selber schuld - oder zumindest moralisch mitschuldig." Schwans Argumentation führe also genau zu der Pauschalverurteilung, die sie eigentlich ablehne.

Die ersten drei Seiten des Feuilletons sind Michael Jackson gewidmet. Durs Grünbein hat der "Sphinx des Pop" ein Gedicht gewidmet:

"...
Er aber hatte nun das Handtuch geworfen,
Der Herzens-Ariel, Peter Pan in Röhrenhosen,
Die Astro-Diva aus dem Menschenmischland.
..."

Für den 28-jährigen amerikanischen Schriftsteller Joey Goebel starben mit Michael Jackson auch die Achziger. Evelyn Finger feiert den Tänzer Jackson. Die amerikanische Theaterkritikerin Margo Jefferson, die ein Buch über Jackson geschrieben hat, bewundert ihn als postmodernen Verwandlungskünstler. Thomas Groß untersucht das Königsdrama MJ. Dirk Peitz sichtet die Reaktionen auf Jacksons Tod im Internet. Und Katharina Schmidt, Direktorin des Kunstmuseums Basel, erzählt in einem kurzen Interview, wie Jackson bei einem Museumsbesuch auf die ausgestellen Werke reagierte.

Weitere Artikel: Liu Xiaobo, Schriftsteller, Philosophiedozent und Mitinitiator der Charta 08 ist in China wegen "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" angeklagt worden, berichtet Iris Radisch, die sich gerade in China aufhielt um die Autoren kennenzulernen, die das Gastland der Frankfurter Buchmesse in Frankfurt präsentieren will. Doch keiner der Autoren, mit denen sie gesprochen hat, will je von Liu Xiaobo gehört haben. Der emeritierte Germanistikprofessor Klaus Kanzog unterzieht den Text, mit dem Jens Petersen den Bachmannpreis gewann, einer literaturwissenschaftlichen Analyse. Tobias Timm hat die Pläne zum Humboldt-Forum in Berlin studiert und begreift: "Es soll dem vereinigten Deutschland einen neuen Quellcode einschreiben. Einen, der sich nicht mehr auf die Nation bezieht, ja nicht einmal mehr auf Europa, sondern die ganze Welt." Carolyn Christov-Bakargiev, neue Leiterin der Documenta, gibt ein Interview, dem man entnehmen kann, dass sie noch nicht weiß, was sie will. Roland Müller war bei den Mannheimer Schillertagen. Wenke Husmann erzählt von Familie Scholl, die in ihrem Keller einen Topf mit alten Münzen fand, deren Versteigerung mehr als 96.000 Euro einbrachte.

Evelyn Finger schreibt den Nachruf auf Pina Bausch.

Besprochen werden William Forsythes neue Choreografie "The Returns", eine Eichbaum-Oper, die an einer Haltestelle in einem "fiesen Transitbezirk bei Essen" aufgeführt wurde, und Bücher, darunter Daniel Pennacs Buch über "Schulkummer" und eine Biografie Christian Schubarts (mehr in unserer Bücherschau heute ab 14 Uhr).

TAZ, 02.07.2009

Christian Semler bespricht die Ausstellung "Bundeswehr im Einsatz" im Berliner Paul-Löbe-Haus. Zusammengestellt wurde sie vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr zum 15. Jahrestag der ersten Auslandseinsätze und deren Legitimation durch das Bundesverfassungsgericht . "Im Gegensatz zum Katalog, der wenigstens auf einige der scharfen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in der alten Bundesrepublik um Wiederbewaffnung, allgemeine Wehrpflicht und das Notstandsrecht verweist, (...) werden die Auslandseinsätze selbst als alternativlos und in der Bundesrepublik als völlig unumstritten dargestellt. Die ideologische Botschaft ist klar: Im Innern ist die Bundeswehr ein fester Bestandteil der Gesellschaft und ihrer demokratischen Kultur."

Weitere Artikel: Wiebke Porombka porträtiert den Schriftsteller David Wagner, der seit seinem Romandebüt "Meine nachtblaue Hose" im Jahr 1999 als einer der wichtigsten jungen Autoren gilt und demnächst seinen neuen Roman "Vier Äpfel" veröffentlicht. Hortense Pisano unterhält sich mit Holger Kube Ventura, dem neuen Leiter des Kunstvereins Frankfurt am Main, über sein Programm.

Besprochen werden die Ausstellung "Kunst zur Arbeit" in den Opelvillen in Rüsselsheim, die sich mit dem Umbruch der Arbeitsgesellschaft auseinandersetzt, und das Doppelalbum "Cutting the Edge" der Münchner Girliegruppe Chicks On Speed.

Hier Tom.

FAZ, 02.07.2009

Der iranische Schriftsteller Amir Hassan Cheheltan ist gerade zu einem einjährigen DAAD-Stipendien-Aufenthalt in Deutschland eingetroffen. Zuvor aber liefert er letzte Notizen aus seiner Heimat, diese etwa vom 29. Juni: "Das Staatsfernsehen verbreitet seit einigen Tagen Geständnisse der bei den Unruhen Verhafteten. Diese Geständnisse sind in Wahrheit politische Selbstbezichtigungen und Denunziationen der Gesinnungsgenossen und Gefährten, die einer von Amerika gesteuerten samtenen Revolution beschuldigt werden. Niemand glaubt ihnen. Seit rund vierzig Jahren werden politische Gefangenen in diesem Land gezwungen, sich im Fernsehen zu verleugnen."

Weitere Artikel: Joseph Hanimann konnte einem ersten öffentlichen Auftritt des neuen französischen Kulturministers Frederic Mitterand offenbar einiges abgewinnen. Camilla Blechen porträtiert Wolfgang Holler, den neuen Leiter der Kunstsammlungen in Weimar. In der Glosse freut sich Dirk Schümer, dass der niederländische Autor Jeroen Brouwers das Literaturpreisbeschimpfungshandwerk fast so gut schon wie einst Thomas Bernhard beherrscht. Von einer Tagung in Oxford, bei der es um die "sozialpolitischen Folgen kognitiver Leistungssteigerung " (auf gut Deutsch: "Hirndoping") ging, berichtet Thomas Thiel. Klaus Englert begutachtet den jüngsten Coup des Stadtumbaus von Santa Cruz, der Hauptstadt von Teneriffa, durch die Architekten Herzog und de Meuron. Auch mit den jüngsten, eher utopischen Plänen der britischen Regierung zur Verbesserung des Schulsystems sieht Gina Thomas die alten Übel der "Ablehnung des Ausleseprinzips und der Verdummung des Lehrplanes" nicht beseitigt. Jürg Altwegg informiert über die jüngere Rezeption von Jonathan Littells "Wohlgesinnten in Israel (eine Tagung) und Griechenland (ein Literaturpreis). Jordan Mejias verabschiedet leidenschaftslos Lorin Maazel als Übergangschef der New Yorker Philharmoniker.

Auf der Filmseite schreibt Hans-Jörg Rother über die Filmreihe "Ausgerechnet Bulgarien!" im Berliner Arsenal. Michael Althen staunt sehr über den beim Filmfest in München gezeigten Film "L'enfer de Henri-Georges Clouzot" von Serge Bromberg und Ruxandra Medrea, in dem es um einen Film geht, den Henri-Georges Clouzot nie (zuende) drehte. Außerdem kann Althen in einem Kommentar gut verstehen, dass die Jury des Förderpreises des Deutschen Films keinen Regie- und Drehbuchkandidaten für preiswürdig hielt - und deshalb zum ersten Mal keine Preise in den Kategorien vergab.

Besprochen werden die Sammlung "Gotische Skulptur in Sachsen" in Chemnitz und Bücher, darunter Maeve Brennans Erzählungsband "Der Morgen nach dem großen Feuer" (mehr dazu in der Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).

SZ, 02.07.2009

Nur den Kopf schütteln kann der Münchner Komparatistik-Professor Robert Stockhammer über die Studienreform-Begeisterung des Verwaltungswissenschaftlers Wolfgang Seibel. Sein Begriff vom Studieren jedenfalls sei von den Bologna-Umsetzern in der Verwaltung nicht vorgesehen: "Dazu gehören beispielsweise intensive Seminardiskussionen, in denen mich, manchmal schon im ersten Semester, Studenten mit Ideen, Fragen oder Einwänden konfrontieren, die ich nicht mit Hinweis auf bestehende Forschung beantworten kann, selbst wenn ich diese ausnahmsweise gut kenne. Dazu gehören Besprechungen von Hausarbeiten, in denen sich die monatelange Auseinandersetzung ihrer Verfasser mit schwierigen literarischen Texten bis hinein in einzelne Sätze niedergeschlagen hat. Ich muss eine Rechtsschutzversicherung abschließen, denn aus dem Festhalten an diesen Voraussetzungen folgen mehrere Verstöße gegen die demnächst geltende Studienordnung."

Weitere Artikel: Amin Farzanefar stellt das jüngere iranische Kino vor und stellt fest, dass es sehr wohl auch "kritische 'Blockbuster'" gibt, "die massenkompatibel soziale Unzufriedenheit in Lachsalven ventilierten". Jens Bisky fragt sich im Rückblick auf zwanzig Jahre, was die Love Parade eigentlich war. Für ausgeschlossen hält es Gerhard Matzig, dass das Wettbewerbsergebnis fürs Berliner Stadtschloss/Humboldtforum juristisch wieder gekippt wird. Klaus Brill berichtet von einer Raubkunst-Tagung in Prag. Alexander Kissler war bei einer Münchner Gesprächsveranstaltung, bei der Erzbischof Reinhard Marx und der Schriftsteller Martin Mosebach über den Zusammenhang von Theologie und Ästhetik sprachen. Johan Schloemann gratuliert dem Autor Ferdinand Mount zum Siebzigsten.

Vorgestellt werden beim Münchner Filmfest laufende Filme wie Barbet Schroeders Japan-Krimi "Inju" und ein Dokumentarfilm über Henri-Georges Clouzots nie zu ende gedrehten Film "L'Enfer". Tobias Kniebe erklärt knapp, wie es zum Eklat um die erstmalige Nicht-Verleihung des Förderpreises für Regie und Drehbuch kam.

Besprochen werden die Uraufführung von Anne Teresa De Keersmaekers Choreografie "The Song" in Paris, die Ausstellung "Annäherungen an die Ferne" in der Österreichischen Nationalbibliothek, Anne Fontaines Komödie "Das Mädchen aus Monaco" und Bücher, darunter Jose Manuel Prietos Essay "Die kubanische Revolution und wie erkläre ich sie meinem Taxifahrer" (mehr dazu in der Bücherschau des Tages ab 14 Uhr).