Im Kino

Nicht-Entheiratungs-Komödie

Die Filmkolumne. Von Ekkehard Knörer
12.11.2008. Hochkarätig besetzt - mit Uma Thurman, Colin Firth, Sam Shepard und Isabella Rossellini - ist die Screwball-Komödie "Zufällig verheiratet", in der es um eine Ehe geht, die mehr hält als sie verspricht. Die Musik-Doku "Screaming Masterpiece" entführt nach Island, ins Land von Björk und des hochmusikalischen Hoch-Goden Hilmar Örn Hilmarsson, und alles, was sie zeigt, ist interessant.

Komödien, das ist trivial, wollen gut ausgehen. Sie enden darum klassischerweise mit dem Glück, das die Ehe verspricht. Auf dem Weg zum Eheversprechen lauern, weil die Komödie nicht von Anfang an - und schon gar gut - ausgehen darf, Hindernisse der Liebe: Missverständnisse, in den Weg gelegte Dritte und Vierte, Verwechslungen hin, Verwechslungen her, Gewinn, Verlust und Wiedergewinn von Gewissheit. Zu Screwball-Zeiten hat Hollywood aus den schlichten Erfordernissen des Wegs der Komödie durchs Rauhe zu den Sternen so witzige wie anspruchsvolle Versuchsanordnungen gebaut. Sie behandeln im Rahmen des Komödiengangs ins keineswegs immer eindeutige Glück die Frage, wie es zwei Menschen, die sich nicht nicht lieben können, miteinander aushalten und auch wieder nicht. Der Philosoph Stanley Cavell hat diese Komödien, die er Wiederverheiratungskomödien nennt, in seiner ins Deutsche skandalöserweise noch immer nicht übersetzten Studie "Pursuits of Happiness" auf unüberbietbar subtile Weise untersucht.

Als Variation der Muster in dieser Tradition versteht sich der von Hauptdarstellerin Uma Thurman mitproduzierte Film "Zufällig verheiratet" unter Regie des Schauspieler-Regisseurs Griffin Dunne (bekannt geworden als Protagonist von Martin Scorseses brillanter Komödie "Die Zeit nach Mitternacht"). Der Film stellt eine Radio-Ehe- und Liebesberaterin (Uma Thurman als Dr. Emma Lloyd) ins Zentrum und eine aus Rache gefälschte Ehe an seinen Beginn. Emma Lloyd nämlich trägt mit ihren Tipps die Schuld am Auseinandergehen der Beziehung des Feuerwehrmanns Patrick Sullivan (Jeffrey Dean Morgan). Sullivan lebt in Astoria, Queens, in einem sonst vor allem von Indern bewohnten Haus. Der Junge eines indischen Nachbarn, mit dem Sullivan wie mit all den anderen Inderinnen und Indern der Nachbarschaft befreundet ist, erweist sich als begabter Computer-Hacker-Inder, der da, wo sonst nur Priester und/oder Standesamt ihren Segen geben, als Komplize Sullivans zur Rache im Virtuellen schreitet und vollendete Ehe-Tatsachen nun ausgerechnet zwischen Sullivan und Emma Lloyd schafft.


"Zufällig" ist diese Ehe also doch eher nicht. Komplizierend kommt hinzu, dass Emma Lloyd selbst gerade unmittelbar davor steht, mit dem Verleger Richard Bratton (Colin Firth) in den Stand der Ehe zu treten. Beide gehören sie in die allerbeste New Yorker (um genauer zu sein: Manhattaner) Gesellschaft und was sich mit Emmas Weg nach Queens abzeichnet und anbahnt - die Liebe des Radiostars zum Feuerwehrmann -, taugte, wenn sie denn taugte, nicht zuletzt als Komödie über New Yorker Klassenverhältnisse. In Queens stolpert Emma auf der Suche nach dem ihr voll und ganz unbekannten Ehemann in dessen eher proletarische Stammkneipe. Spielt ganz ordentlich Billard. Betrinkt sich. Stößt sich betrunken den Kopf. Wird von Sullivan nach Hause getragen. Kehrt am nächsten Tag verwirrten Herzens in ihr richtiges Leben zurück, das nun irgendwie verkehrt auszusehen beginnt.

Zwischen Queens und Manhattan, zwischen bester und nicht so guter Gesellschaft geht es in der Folge vorhersehbar hin und her. Klischees werden nicht ausgelassen, sondern gesucht. Als Emmas Vater kommt recht überflüssigerweise Sam Shepard ins Spiel. Ebenfalls ins Spiel kommt Isabella Rossellini als Deutsche (!), deren deutscher Ehemann Karl Bollenbecker (Keir Dullea) reich und mächtig ist und den Verlag von Emmas Zukünftigem zu retten verspricht. Es liegen zwischen allen Beteiligten unentwegt komödientypische Verwechslungen vor. Karl Bollenbecker ist glücklich, dass er sich mit Patrick Sullivan, den er eben aus Verwechslungskomödiengründen für Emmas Verlobten hält, über die Bundesliga, Jürgen Klinsmann (!) und Lukas Podolski (!!) unterhalten kann. (Habe ich das richtig verstanden, dass Karl Bollenbecker der Eigentümer von Bayern München ist?)

Neben dem Deutschen-Klischee wird auch das Indien-Klischee ausgespielt. Sullivan packt die ganze Manhattan-Gesellschaft und verfrachtet sie mitten hinein in ein indisches Fest. "Zufällig verheiratet" wechselt dabei unversehens das Register und wird zum Bollywood-Film, Tanz- und Gesangseinlage inklusive. Was auf dem Papier gewiss interessant klang, in der Ausführung aber so unmotiviert daherkommt, dass es einfach nicht funktioniert. Leider gilt das auch für mehr oder wenig alle anderen Aspekte des Films, dessen größtes Problem noch dazu in seiner Hauptdarstellerin liegt. Uma Thurman, die allzu rasch von der toughen Screwball-Heldin zur aufgelösten Wirren mutiert, grimassiert zum Erbarmen und tut in wirklich jeder Szene des Guten zu viel. Dazu passt die musikalische Überinstrumentierung durch Andrea Guerra. Auf verlorenem Posten stehen all die hochkarätigen Stars in den Kulissen und verziehen, anders als Uma Thurman, dazu immerhin keine Miene. Es ist ein Jammer, denn eine vom Zufall zur vollen Absicht sich wendende Komödie der Nicht-Entheiratung hat in der Screwball-Tradition sehr wohl noch gefehlt.

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Wichtiger, als alles richtig, ist es in eher mittelinteressanten Genres vielleicht, erst einmal nichts falsch zu machen. Dies, kann man wohl sagen, gelingt Ari Alexander Ergis Magnusson bereits 2005 entstandene Dokumentation der isländischen Musikszene, die in unseren Kinos den Titel "Screaming Masterpiece" und im Original den Namen "Gargandi Snilld" trägt. Was nicht fehlen darf, fehlt entsprechend auch nicht: Björk, die in ihrem Wohnzimmer (sieht jedenfalls so aus) Rede und Antwort steht und in Konzertszenen aus New York ebenso zu sehen ist wie, wirklich interessant, in einem Auftritt mit ihrer Band Tappi Tikarrass von 1981 (da ist sie fünfzehn oder sechzehn - andererseits: ihre erste Platte hat sie mit elf veröffentlicht). Dieser Auftritt wiederum ist ein Auszug aus dem bis anhin bekanntesten Dokumentarfilm über die isländische Musik, dem 1981 entstandenen und von Islands berühmtestem Filmemacher Fridrik Thor Fridriksson gedrehten "Rokk I Reykjavik".

Hier ist der Ausschnitt bei YouTube:


Auch nicht fehlen dürfen, versteht sich, die Postrock-Sphäriker Sigur Ros, die Elektro-Experimentalisten Mum oder das Produzenten-Komponisten-Label-Master Mind Johann Johannsson. Der Punk der späten Siebziger, frühen Achtziger wird in Dokumentarmaterial eindrucksvoll eingespielt. Dass es daneben auch einen Rapper gibt, der alle Bewegungen und Gesten westlicher und/oder östlicher Küsten beherrscht, wird deutlich. Der Film mischt Auftritte im Konzert mit Gesprächen vor der Dokumentarkamera. Manche der Musiker philosophieren über den musikalisch exterritorialen Niemandsland-Status Islands, der nicht nur ödes Epigonentum, sondern auch die wildesten Mischungen möglich macht. Aber auch Rückbindungen an Musik-Traditionen der Insel werden gesucht und in der erstaunlichen Figur Hilmar Örn Hilmarssons auch gefunden, der nicht nur sehr erfolgreich Filmmusik macht (Europäischer Filmpreis für Fridrikssons Film "Children of Nature") und mehrfach mit den legendären anglo-amerikanischen Industrial-Rockern von Psychic TV gearbeitet hat, sondern außerdem noch der Hoch-Gode, soll heißen: der oberste Vertreter der als offizielle Glaubensgemeinschaft anerkannten heidnischen Religion Islands ist, die Odin, Thor und Freia verehrt.


Wie alle guten Dokumentarfilme macht "Screaming Masterpiece" klar, dass sein Gegenstand - und sei es: noch einmal - viel interessanter ist als man vorher gedacht hätte. Die exzentrische Lage Islands bringt viel Exzentrisches hervor und erobert damit bei Gelegenheit auch mal die Welt. Jeder, auch das wird hier deutlich, kennt jeden und die Grenzen zwischen den Bands sind, wie in vielen überschaubaren Szenen, eher fließend. Aufgrund beträchtlichen Personalmangels haben viele Bewohner Islands mehrere, auf den ersten Blick nicht sehr nahe beieinanderliegende Berufe und/oder Funktionen. Da ist der berühmte Filmmusiker und Hoch-Gode Hilmarsson keine Ausnahme. Island ist ein Labor, das zeigt "Screaming Masterpiece", in dem reichlich mad scientists zugange sind, und was hier brodelnd aus den Studios und aus dem Untergrund kommt, ist des Hinhörens wert.

Zufällig verheiratet. Großbritannien / USA 2008 - Originaltitel: The Accidental Husband - Regie: Griffin Dunne - Darsteller: Uma Thurman, Colin Firth, Jeffrey Dean Morgan, Sam Shepard, Isabella Rossellini, Lindsay Sloane

Screaming Masterpiece. Island / Dänemark / Niederlande 2005 - Originaltitel: Gargandi Snilld - Regie: Ari Alexander Ergis Magnusson - Darsteller: Björk, Sigur Ros, Damon Albarn, Dagur Kari, Hilmar Örn Hilmarsson, Steindor Andersen