Magazinrundschau

Dünn ist Macht

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
07.03.2023. Der New Yorker porträtiert die russischen Journalisten, die aus dem Exil in Riga heraus ihre eigentlich unmögliche Arbeit machen. Wired ahnt, dass für den Boom der E-Autos leider der Grund der Ozeane zerstört werden wird. Die LRB stellt den Schurken Bola Tinubu vor, der künftig Nigeria regieren wird. Der Merkur beschreibt den neuen Nationalismus, der von Giorgia Meloni, Marine Le Pen und Alice Weidel so adrett wie aggressiv in Europa etabliert wird. Und das New York Magazine sieht dabei zu, wie Hollywood und Instagram mit Ozempic abnehmen: Body-Positivity war gestern.

New Yorker (USA), 13.03.2023

Masha Gessen porträtiert russische Journalisten im Exil in Riga, die trotz ihrer Kremlkritischen Haltung skeptisch betrachtet werden. Immerhin hat Lettland - anders als viele Nachbarländer - den Redaktionen von TV Rain (Doschd), Meduza und natürlich der Novaja Gazeta großzügig Aufnahme geboten: "Der Medientheoretiker Jay Rosen schreibt, dass der Journalismus seine Autorität aus dem Anspruch zieht, am Ort des Geschehens zu sein, wo der Leser oder Zuschauer nicht ist: 'Voraussetzungen für die Berichterstattung ist eine gemeinsame Welt, ein Geflecht gemeinsamer Annahmen, das Reporter und Rezipienten verbindet', erklärt Rosen. 'Wenn das auseinanderbricht, ist auch die Möglichkeit von Journalismus dahin'. Aber genau das, was TV Rain in die Lage versetzt, mit Russen in Russland zu sprechen, macht es auch außerhalb Russlands verdächtig. Galina Timtschenko, die 2014 das Internetportal Meduza ins Leben rief, leistete Pionierarbeit mit dem Modell der Berichterstattung aus dem Exil. Die technischen und redaktionellen Mitarbeiter von Meduza arbeiteten von Riga aus, während die Journalisten aus Russland berichteten. Auf diese Weise konnte der Kreml, auch wenn einzelne Journalisten manchmal mit Einschüchterungen und Drohungen konfrontiert waren, die Publikation selbst nicht verfolgen... Aber Meduza hat immer noch einen Weg, aus Russland zu berichten: Meduza beauftragt vier oder fünf verschiedene Personen vor Ort mit der diskreten Beschaffung von Informationen; Autoren und Redakteure in Riga fügen dann die Geschichte zusammen. 'All unsere Quellen und all unsere Journalisten sind jetzt anonym', sagte Timtschenko. Die Meduza-Leser in Russland müssen virtuelle private Netzwerke (VPN) nutzen, um die Zensur des Kremls zu umgehen. Sie lesen das Medium, um sich über den Krieg in der Ukraine zu informieren, aber auch um praktische Informationen zu erhalten. Nach Beginn der Einberufung im Herbst veröffentlichte Meduza eine Reihe von Beiträgen in der Art von 'Wie man nicht im Krieg landet' und 'Was passiert, wenn man sich nicht bei der Rekrutierungsstelle meldet'... Andere Journalisten im Exil äußerten sich ähnlich. 'Unser kurzfristiges Ziel ist es, dass diejenigen, die im Land sind und gegen den Krieg sind, nicht den Verstand verlieren', sagte mir Denis Kamaljagin, Herausgeber von Pskowskaja Gubernija, einer seit langem umkämpften unabhängigen Regionalzeitung. Kamaljagin, der aus Russland floh, nachdem die Polizei sein Büro und seine Wohnung durchsucht hatte, überraschte mich mit der Aussage, er verstehe die Letten, die russische Journalisten als Bedrohung ihrer Sicherheit ansähen. 'Soll Lettland begeistert sein, dass wir hierher kommen und die russische Geheimpolizei mitbringen, vor der wir fliehen?', sagte er. 'Was ist, wenn sie hier anfangen, uns zu töten?'"
Archiv: New Yorker
Stichwörter: Gessen, Masha

Wired (USA), 28.02.2023

Der Umstieg vom Verbrennermotor zum elektronischen Antrieb kommt mit seinen eigenen ökologischen Kosten, schreibt Vince Beiser. Überall werden Metalle gesucht, um die Akkus zu produzieren: "Benötigt werden atemberaubende Mengen natürlicher Ressourcen. Um ausreichend elektrische Fahrzeuge zu produzieren, um ihre fossile Stoffe verbrennenden Gegenstücke zu ersetzen, braucht es Milliarden Tonnen von Kobalt, Lithium, Kupfer und andere Metalle. Um diesen explodierenden Bedarf abzudecken, durchforsten Bergbaufirmen, Autohersteller und Regierungen den Planeten nach potenziellen Minen oder bauen bereits bestehende aus - von den Wüsten in Chile bis zu den Regenwäldern Indonesiens. Die möglicherweise reichhaltigste Quelle von allen - der Ozeanboden - bleibt indessen unerschlossen. Der Geologische Dienst der USA schätzt, dass in einer einzigen Region des Pazifiks 21 Milliarden Tonnen polymetallischer Knoten liegen und damit mehr Metalle (wie Nickel und Kobalt) als in allen anderen Vorräten auf dem Festland." Der Abbau ist derzeit noch untersagt, doch The Metals Company ist drauf und dran, das internationale Gesetz zu beugen, wenn nicht zu brechen - und will 2024 mit dem Abbau beginnen: "Dieser Ausblick führte zu einem Aufschrei des Entsetzens. Umweltschutzorganisationen, Wissenschaftler und sogar einige Unternehmen, die im Markt für Batterie-Metalle auftreten, fürchten die potenziell verheerenden Folgen, die ein Abbau am Meeresboden nach sich ziehen könnte. Die Ozeane beherbergen einen großen Teil der Biodiversität der Welt, steuern einen ansehnlichen Brocken zur Ernährung der Menschheit bei und sind zugleich einer der größten Kohlendioxidspeicher der Welt. Keiner kann absehen, wie sich ein solch beispielloser Eingriff auf die vielen Lebensformen auswirken würde, die in der Tiefsee leben, aber auch auf das Leben im Meer weiter oben oder auf den Ozean selbst. Das Europäische Parlament und Länder wie Deutschland, Chile, Spanien und viele Inselnationen im Pazifik haben sich Dutzenden Organisationen angeschlossen, um sich zumindest für einen zeitweises Moratorium über den Tiefsee-Bergbau auszusprechen. Firmen wie BMW, Microsoft, Google, Volovo und Volkswagen haben sich dazu verpflichtet, keine Tiefsee-Metalle zu kaufen, solange deren Umwelteinfluss nicht besser durchdrungen werden."
Archiv: Wired

London Review of Books (UK), 01.03.2023

Nach der unverhohlen fingierten Wahl von Bola Ahmed Tinubu zum neuen Präsidenten von Nigeria macht sich Adewale Maja-Pearce wenig Hoffnung für die Zukunft des Landes, das jetzt von einem Schurken regiert werde, wie Maja-Pearce erklärt: "Tinubu behauptet, ein Nachfahre des erfolgreichsten einheimischen Sklavenhändlers im Lagos des 19. Jahrhunderts zu sein, nach dem ein prominenter Platz in der Innenstadt benannt ist (es sagt etwas über unser verzerrtes Geschichtsbewusstsein aus, dass noch niemand vorgeschlagen hat, ihn umzubenennen). Er behauptet auch, siebzig Jahre alt zu sein, und doch feierte sein erstes Kind, Folasade, vor zwei Jahren ihren sechzigsten Geburtstag mit dem ganzen Trara eines selbstbewussten Yoruba-Chiefs (Heute behauptet sie, 46 Jahre alt zu sein; ihre Wikipedia-Seite wurde seither mindestens dreimal geändert) ... Wir wissen allerdings, dass er eine Menge Geld hat, das meiste davon aus seiner Zeit als Gouverneur des Bundesstaates Lagos. Zu seinem Vermögen gehört ein fabelhaftes Immobilienportfolio - er dürfte nach der Bundesregierung der größte Grundbesitzer des Landes sein -, aber auch der Anteil von zehn Prozent an allen Steuereinnahmen von Lagos, die von einem Unternehmen, Alpha Beta Consulting, erhoben werden, das bei seinem Amtsantritt 1999 registriert wurde. Obwohl er 2007 nach den obligatorischen zwei Amtszeiten aus dem Amt schied, hat ihm das Unternehmen im Jahr 2021 schätzungsweise 176 Millionen Dollar eingebracht."
Stichwörter: Nigeria, Innenstadt

Merkur (Deutschland), 01.03.2023

Kann man Giorgia Meloni als Rechtsextremistin klassifizieren, wenn sie, zumal als italienische Ministerpräsidentin, nicht grundsätzlich in aggressiver Opposition zum demokratischen Staat steht? Die Historikerin Claudia Gatzka plädiert dafür, statt mit dem Vokabular von Extremismus, Radikalismus oder Populismus auf den ideologischen Kern der europäischen Rechten zu rekurrieren, um ihren Aufstieg zu begreifen: Den Nationalismus. "Nationalismus trat häufig als Befreiungsnationalismus auf, der sich gegen ein Imperium oder gegen ein Besatzungsregime richtete und sämtliche politischen Strömungen erfassen konnte - zu Beginn des 19. Jahrhunderts gegen das Napoleonische Empire, aber auch in den 1940er Jahren gegen das kriegerisch expandierende 'Dritte Reich'. Dieser Nationalismus drängt auf nationale Einheit und nationale Autonomie. Nationalisierung meint hier die Schaffung oder Wiederherstellung und die Integration des eigenen Nationalstaats. Der programmatische Nationalismus hingegen, mit dem sich die Zeitgeschichte primär zu befassen hat, drängt auf eine Nationalisierung auf Basis des Nationalstaates beziehungsweise auf eine Abwehr von Denationalisierungsprozessen etwa in Phasen der Globalisierung. Er gründet auf der Vorstellung einer bedrohten Einheit und Autonomie der Nation, wie sie um 1900 im Kontext der ersten kapitalistischen Globalisierung entstand, die durch massenhafte Migrationsbewegungen und hohe grenzüberschreitende Arbeitsmobilität gekennzeichnet war. Nationalisten, die sich nun politisch zu organisieren begannen, nachdem sie vorher im liberalen und konservativen Lager integriert gewesen waren, schrieben sich die Rettung und die Stärkung der Nation auf die Fahnen, samt ihrer Sprache. Deshalb sagten sie im Deutschen eher 'Volk' statt 'Nation' und nannten sich bis 1945 'völkisch' statt 'nationalistisch', auch um der schlechten Presse zu entgehen. In dieser Tradition standen die Faschisten und die Nazis nach 1918, und in dieser Tradition stehen Giorgia Meloni, Marine Le Pen oder Alice Weidel heute, ganz gleich ob sie ihren Nationalismus internalisiert oder zu Machtzwecken angeeignet haben."

Außerdem hält Georg Vobruba einige Grundsätze zum Verschwöärungsdenken fest.
Archiv: Merkur

La vie des idees (Frankreich), 28.02.2023

Die Konzentration der Medien nimmt in Frankreich absurde Ausmaße an. Was nicht im Besitz der Rüstungsgruppe Dassault ist, gehört dem LVHM-Milliardär Bernard Arnault oder seinem Schwiegersohn Xaviel Niel. Nikos Smyrnaios warnt in einem etwas akademischen Artikel vor der Monopolisierung von Medienkonzernen in Frankreich. Dies verzerre den politischen Wettbewerb und höhlt demokratische Prinzipien aus: "Der Idealtypus eines pluralistischen und demokratischen öffentlichen Raums beinhaltet die möglichst gleichmäßige Verteilung des Zugangs zu Kommunikationsmitteln, die eine öffentliche Meinungsäußerung ermöglichen, in der gesamten Gesellschaft. Die Konzentration des Medienbesitzes verschärft jedoch die Ungleichheiten bei der Verteilung der Kommunikationsressourcen zugunsten einiger weniger gesellschaftlicher Gruppen oder Geschäftsleute, die diese mit beträchtlichen materiellen Ressourcen kumulieren, was ihnen einen unverhältnismäßigen Vorteil im politischen Wettbewerb verschafft. In dieser Hinsicht stellt die Medienkonzentration eine Bedrohung für die Demokratie dar. Bernard Arnault, Eigentümer von Les Échos, Le Parisien und Radio Classique, ist einer der drei reichsten Männer der Welt und mit einem geschätzten Vermögen von 149 Milliarden Euro im Jahr 2022 der reichste Mann Frankreichs. Seine Zeitungen waren zudem mit mehr als 15 Millionen Euro für 2021 die ersten Empfänger von staatlicher Presseförderung. Man kann davon ausgehen, dass eine solche Konzentration von wirtschaftlicher und medialer Macht eine Verzerrung des öffentlichen Raums darstellt, da sie diesem Geschäftsmann, der bereits mit außergewöhnlichen Mitteln ausgestattet ist, unverhältnismäßig große kommunikative Ressourcen bietet, um die Interessen seines Unternehmens, in diesem Fall der LVMH-Gruppe, zu fördern und seine politischen Ideen und die kollektiven Interessen seiner eigenen sozialen Klasse zu verteidigen. Die Medienkonzentration macht somit weitreichende Einflussnahmen möglich, die gleichermaßen industriellen Strategien, finanziellen Interessen und politischen und ideologischen Zielen gehorchen. Die Propagierung der Kandidatur von Éric Zemmour für die Präsidentschaftswahlen 2022 durch die Medien von Vincent Bolloré ist ein deutliches Beispiel dafür."

Novinky.cz (Tschechien), 03.03.2023

Zum Tod des slowakischen Filmemachers Juraj Jakubisko, der für seine frühen Filme auch der "tschechoslowakische Fellini" genannt wurde, schreibt Petr Fischer in seinem Nachruf: "Es ist, als hätte Jakubisko einen Sinn für die Persistenz der Zeitlosigkeit gehabt, die andauert, auch wenn die große Historie über unsere Körper und Sinne hinwegwalzt und sich irgendwohin bewegt, wohin wir noch nicht sehen können. Die Beugung der Zeit und des Geschichtsraums erschafft ein einziges großes Kontinuum, ein gemeinsames Theatrum Mundi, das das Feld der Imagination öffnet, bis in zauberische Dimensionen, die Jakubiskos Filmen das vielleicht schon etwas abgedroschene, aber dennoch treffende Etikett des magischen Realismus verleihen … Bei Jakubisko bricht der Film nahezu selbstmörderisch in sich zusammen, stürzt ins Chaos, aus dem jedoch am Ende irgendwie eine starke Erfahrung und das Bewusstsein jener zeitlosen Dauer entstehen, von der die Rede war. Der manisch-depressive Wirbel der Historie, der die Menschen wie durch den Fleischwolf dreht, ihnen aber zugleich ein wirkliches Leben schenkt, weil sie nur so, im Rahmen der Geschichte, etwas über das Leben erfahren, zeugt vom Mut des Regisseurs, in die Unterströme zu greifen, ins persönliche und kollektive Unterbewusstsein, aus dem wir uns als Menschen nähren, um vielleicht irgendwann über uns hinauszuwachsen. Das ist Jakubiskos Hoffnung: der Glaube an ein Leben, das sich immer wieder selbst überlebt."
Archiv: Novinky.cz
Stichwörter: Jakubisko, Juraj

Elet es Irodalom (Ungarn), 06.03.2023

Mit dem Vertrag von Trianon lassen sich in Ungarn noch immer sämtliche politischen und historischen Affekte triggern. Mit dem Friedensvertrag nach dem Ersten Weltkrieg musste Ungarn Zweidrittel seines Gebiets sowie einen großen Teil seiner Bevölkerung abtreten. Ungarns früherer Außenminister Péter Balázs glaubt nicht, dass sich das Trauma auswächst: "Trianon ist der Fokuspunkt einer Verantwortung ablehnenden ungarischen Tradition: Unsere Geschichte wurde vom Unglück gelenkt, die Lösungen erwarten wir von außen, obwohl es unsere Aufgabe wäre, die Fehler und Irrungen unserer Vorfahren aufzuzeigen, so wie es beispielsweise die Deutschen konsequent taten - mit einem wesentlich schwereren Erbe. Es ist wichtig, dass die aufwachsende neue Generation statt Legenden die heutige Wirklichkeit der Nachbarstaaten kennt ... Wir dürfen im Wiederholen von hundertjährigen Verletzungen, sowie im ewigen Anklagen von anderen nicht steckenbleiben, vor allem nicht so, wie es die Tagespolitik tut, weil ihr das Aufreißen der Wunden Erfolge verschafft. Wir haben mit jedem unserer Nachbarn etwas aufzuarbeiten und zu besprechen, damit wir uns endlich zusammen Richtung einer gemeinsamen Zukunft wenden können."
Stichwörter: Trianon-Vertrag

HVG (Ungarn), 02.03.2023

Dora Matalin porträtiert die Schauspielerin und Drehbuchautorin Nóra Rainer-Micsinyei, die noch über Frauenrollen im ungarischen Film promovierte, bevor die Regierung die Budapester Universität für Schauspiel- und Filmkunst (SZFE) komplett umgestaltete: "Ich bin Schauspielerin und was mich in meiner Doktorarbeit interessierte, war, welche Rollen heutzutage Schauspielerinnen angeboten werden, welche Eigenschaften der zeitgenössische ungarische Film ihnen gibt und wie er sie zeigt. Was hervorsticht ist, dass in den Filmen nur selten unabhängige, in Führungspositionen arbeitende, auch finanziell erfolgreiche Frauen erscheinen, deren Konflikte nicht in erster Linie um Paarbeziehungen oder mit Männern entstehen. Darüber hinaus fehlen Protagonistinnen aus der LGBTQ-Community ganz ... Ich trauere keinem Casting nach, zu dem ich nicht eingeladen werde, weil ich eine bestimmte Meinung über die gegenwärtige Regierung habe und die auch kundtue. Es würde in mir einen größeren Konflikt verursachen, wenn ich meine Meinung verheimlichen müsste, damit ich bestimmte Aufgaben erhalte."
Archiv: HVG
Stichwörter: Ungarischer Film, Lgbtq

New York Magazine (USA), 01.03.2023

Eben war noch Body-Positivity das große Ding, jetzt tanzt Lizzo auf einmal allein in Übergröße: Hollwood und Instagram sind im Schlankheitswahn, seit die neue Wunderdroge Ozempic als Diätpille die Runde macht. Eigentlich soll das Medikament bei Diabetes den Appetit zügeln, aber inzwischen sind alle Dämme gebrochen. Mit besten Kontakten in die Mode- und Filmwelt und Lust an deftigem Klatsch erzählt Matthias Schreier zum Beispiel von einer New Yorker Schauspielerin, die er Allison nennt: "Es stellt sich heraus, dass sie etwa zehn Pfund abgenommen hat und darüber glücklich ist. 'Jemand hat mir einmal gesagt, ich hätte eine Größe-Null-Persönlichkeit, er dachte, ich sei dünner als ich tatsächlich war', erzählt sie mir. 'Wir reden nicht darüber, aber jeder weiß es. Dünn ist Macht.' ... Für viele Ozempic-Schlucker gibt es Nebenwirkungen. Übelkeit, Erbrechen, Durchfall und Verstopfung sind die häufigsten. 'Ich habe gehört, dass alle Schwulen bei der CAA es nehmen und sich das Hirn ausscheißen', sagt Allison. 'Aber nein, das war nicht meine Erfahrung. Es ist ein bisschen so, wie eine kleine Dosis Amphetamin, ohne das Crack-Gefühl.' Sie hat sich daran gewöhnt. 'Am Anfang gab es definitiv Momente, in denen ich Nebenwirkungen wie Müdigkeit spürte', sagt sie. 'Aber das war nur vorübergehend, und je höher meine Dosis wurde, desto mehr habe ich die Vorteile gespürt.' Sie sei einfach nicht mehr so hungrig und dadurch weniger ängstlich. In stressigen Zeiten, in denen sie ihre Ernährung nicht so gut kontrollieren könne oder täglich ins Fitnessstudio gehen, nehme Ozempic ihr die Aufgabe fast ganz ab. Vor Ozempic hat sie sich bei Dreharbeiten in ihrem Hotel verkrochen und Saft geschluckt, um in ihre Kostüme zu passen. Jetzt, sagt sie, kann sie eineinhalb Mahlzeiten am Tag essen und ist abends etwas hungrig, aber das ist nicht schlimm: 'Man kann einen Tee mit Magnesium trinken und vielleicht eine Xanax nehmen und einschlafen." Ein Nachteil könnte sein, dass man sofort zunimmt, wenn man die Einnahme stoppt, aber bei Kosten von 1000 Dollar im Monat, geschäftlich für den dänischen Konzern Novo Nordisk ein Volltreffer: "Da inswischen 70 Prozent der AmerikanerInnen übergewichtig oder klinisch fettleibig, die möglichen gewinnen sind riesig. Die Firma jubelte letztes Jahr gegenüber Investoren, sie hoffe 'Marktführer bei Fettleibigleit zu bleiben und die Vekäufe zu verdoppen', was einen Umsatz von 3,5 Milliarden brächte."