Magazinrundschau

Stratosphärische Ängste

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
13.01.2009. Portfolio porträtiert Barney Frank, den Mann, der die Wall Street ins Schwitzen bringt. Im Guardian beklagt der Autor Andrew O'Hagan die Kraftlosigkeit der englischen Arbeiterklasse. In HVG empfiehlt der Sammler Gabor Pados: Kauft ungarische Kunst! Im Espresso sucht Umberto Eco die Einzelteile von Johannes dem Täufer zusammen. Der New Yorker lässt sich erklären, warum in amerikanischen Filmen keine Vierjährigen vorkommen. In La vie des idees fordert der senegalesische Historiker Mamadou Diouf eine Erneuerung des Universalismus. In der New York Times macht Steven Pinker einen Gen-Check.

Portfolio (USA), 01.02.2009

Andrew Rice porträtiert Barney Frank, den scharfzüngigen Vorsitzenden des Finanzausschusses des Repräsentantenhauses, der im Zentrum der Debatte steht, ob der Kongress "hat, was es braucht, um die Regeln der Finanzwelt neu zu schreiben". Frank ist nicht jedermanns Liebling. F.D. Roosevelt ist sein Held. Er ist Jude, schwul, "geht wie ein Pinguin, spricht in einem unverwechselbar zischenden Schnellfeuer-Patois" und zitiert gern Schumpeter, Hegel und den Komiker Henny Youngman. Außerdem ist er "berühmt für seinen beißenden Witz, sein vulkanisches Temperament und dafür, Argumente, die er dumm findet, lächerlich zu machen und Industriemanagern in der Öffentlichkeit wie privat Standpauken zu halten. Als ehemaliger Harvard-Doktorand ist seine einzige Erfahrung in Geschäften die, dass er als Jugendlicher in Bayonne, New Jersey am Fernfahrerrastplatz seines Vaters Benzin eingefüllt hat. Seine Verkündung einer neuen Ära von Regulierungen - und freche Entlassung vorsichtigerer Stimmen - hat geradezu stratosphärische Ängste in der Wall Street ausgelöst, was zu der Frage führte, ob Frank - oder eigentlich der Kongress - das angemessene Temperament und die Erfahrung hat, die Regeln der komplizierten Welt der Finanzen neu zu schreiben." Hier sein Brüllduell mit dem rechtskonservativen Bill O'Reilly von Fox.

Außerdem: Gary Weiss porträtiert den Mann, der das meiste Geld mit der Finanzkrise verdient hat: John Paulson, der in einer zwei-Jahres-Wette darauf gesetzt hat, "dass die Kalamitäten, die wir jetzt erleben, passieren würden". Weiss findet das unsympathisch und fragt: "Wenn er all das kommen sah, war es richtig von ihm, sein Wissen für sich zu behalten, still Handel treibend, während das Finanzsystem zusammenbrach?" Aber Paulson hat keinen Geheimfond betrieben, jeder hätte sich daran beteiligen können. Lloyd Grove schließlich porträtiert CBS- und Viacom-Boss Sumner Redstone als egomanischen, hinterhältigen und total übergeschnappten Mistkerl.
Archiv: Portfolio

Observator Cultural (Rumänien), 11.01.2009

Die neueste Ausgabe des Übersetzungsprojekts des Observator Cultural präsentiert Radu Cosasus Text "Ein Olivenzweig". Leider gibt es keine Biografie des Autors. Und auch im Netz finden sich - außer auf Rumänisch, versteht sich - kaum Informationen über Cosasu. Gefunden haben wir nur eine englische Seite, auf der rumänische Schriftsteller erklären, warum Cosasu einer der wichtigsten Schriftsteller nach dem Zweiten Weltkrieg ist.

Und hier der Anfang von Cosasus "Ein Olivenzweig": "Tinibalda hatte mir vorgeschlagen, auf den Königsstein zu steigen, um alles um uns zu vergessen. Ich liebte sie. Sie hatte sehr breite Hüften, aber sie scherte sich nicht darum. Sie scherte sich um gar nichts. Sie trug enge Kleider, die ihr nicht gerade schmeichelten, aß aber Jonathan-Äpfel, von denen es ihr verging, wie sie sagte?Was verging ihr? Sie ließ ihre Sätze in der Luft hängen. Ich war begeistert von ihrer Verachtung für Sätze. Sie glaubte an mein Talent. Verlangte ich Details, so erzählte sie bereitwillig und sagte mir, dass ich daran schon nicht sterben werde. Kein Mensch stirbt, nur, weil er mal hungern muss."

Guardian (UK), 10.01.2009

Nicholas Wroe hat sich mit dem Schriftsteller, Schauspieler, Regisseur (mehr), Mediziner, Philosophen (mehr), Fotografen und Bildhauer Jonathan Miller unterhalten, der demnächst Puccinis "La Boheme" an der English National Opera inszenieren wird. "Miller ist bekannt dafür, Opern zu aktualisieren. Das tut er vor allem deshalb, sagt er, weil die Komponisten ihre Werke in der Regel rückdatiert haben. 'Ich glaube einfach nicht an diese Welt Mitte des 19. Jahrhunderts, die Puccini gar nicht kannte. Die Komponisten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts haben ihre Werke fast ohne Ausnahme in der Vergangenheit angesiedelt, so dass es eine seltsame Unstimmigkeit zwischen der Musik und der Zeit gibt, in der sie spielt. Die historische Darstellung ist immer Kitsch, das ist der Grund, warum der 'Troubadour' wirklich alle Hilfe von den Marx Brothers braucht, die er kriegen kann.'"

In einer George Orwell Memorial Lecture denkt der schottische Schriftsteller Andrew O'Hagan über England nach - über den Snobismus und die Nutzlosigkeit der Oberschicht, den Orwell 1941 in "England, Your England" beschrieben hat, und die Kraftlosigkeit seiner Arbeiterklasse. "Es gibt eine Aversion in England gegen organisierten oder persönlichen Widerstand, eine beängstigende Tendenz zum Kompromiss. Es hat immer gute Gründe zum Kämpfen gegeben, aber in der modernen Zeit gab es selten die Willenskraft, für sie zu kämpfen. Vielleicht lieben wir deshalb die Erinnerung an die Weltkriege so sehr: sie zeigen uns, wie wir am wenigsten sind, ein Zeugnis unseres Charakters, wie er sein könnte. Die alten Kriege zeigen uns, wie es war, einer gewaltigen eindringenden Macht zu widerstehen. Das ist keine Haltung, die den Engländern leicht fällt. Normalerweise kennen die Engländer nur ein Wort gegenüber der Autorität: 'Ja'. Orwell wäre nicht überrascht, solche Kräfte am Werk zu sehen, aber er wäre wohl schockiert über das Ausmaß, in dem den Engländern die politische Entschlossenheit fehlt, das zu ändern. Die populistische Mode in England ist schweigende Gelähmtheit. No to change."

Außerdem: Andrew Anthony beschreibt ausführlich die Auswirkungen der Rushdie-Affäre auf die britische Kultur. Unzufrieden mit dem Film "Valkyrie" zeichnet Justin Cartwright den intellektuellen Hintergrund Stauffenbergs. Zu lesen gibt es einen vielversprechenden Auszug aus Edmund Whites Rimbaud-Biografie. Besprochen werden unter anderem Stephen Bakers Buch "The Numerati: How They'll Get My Number and Yours", Bruce Riedels Buch "The Search for Al Qaeda: Its Leadership, Ideology, and Future", Susan Sontags frühe Tagebücher und Sarah Abrevaya Steins Geschichte des Handels mit Straußenfedern.
Archiv: Guardian

Polityka (Polen), 09.01.2009

2009 jährt sich der 20. Jahrestag des demokratischen Umbruchs in Polen. Alles begann an einem Runden Tisch. Marek Henzler stellt die Politiker vor, die dabei waren und erzählt, was aus ihnen wurde. Ein kleines who's who der polnischen politischen Zeitgeschichte. "Am Runden Tisch und in den Arbeitsgruppen saßen unter anderem drei spätere Präsidenten Polens (Lech Walesa, Aleksander Kwasniewski und Lech Kaczynski), fünf zukünftige Premiers (Czeslaw Kiszczak - der aber keine Regierung bilden konnte -, Tadeusz Mazowiecki, Leszek Miller, Jan Olszewski und Jaroslaw Kaczynski), vier Vizepremiers (Jan Janowski, Grzegorz Kolodko, Aleksander Luczak und Kazimierz Olesiak), sechs Marschälle und Vizemarschälle in Sejm und Senat (Mikolaj Kozakiewicz, Jacek Kurczewski, Zbigniew Romaszewski, Andrzej Stelmachowski, Jozef Slisz und Andrzej Wielowieyski), über 25 Minister und doppelt so viele Vizeminister, etwa 100 Abgeordnete und Senatoren, einige Präsidenten der Höchsten Gerichte und Tribunale, Botschafter, aber auch Chefredakteure neuer oder neu aufgelegter Zeitungen."
Archiv: Polityka

Chronicle (USA), 16.01.2009

Zensur werde immer mehr zu einer Sache von Privatunternehmen. Dagegen wird wenig unternommen. Und das liegt auch daran, dass es nur wenige Dinge gibt, von denen wir zugleich so stark abhängen und so wenig wissen wie Google, schreibt Harry Lewis, Fellow am berühmten Berkman Center for Internet and Society in Harvard und Mitautor von "Blown to Bits - Your Life, Liberty, and Happiness After the Digital Explosion": "Welche Inhalte Ihnen durch Internetfilter angezeigt werden, liegt in der Entscheidung eines Unternehmens. Googles Geschäft besteht darin den Leuten die Information zu bringen, die sie wünschen. Wie die Firma entscheidet, ob ein bestimmtes Suchergebnis an Platz 1 oder 100.000 steht (der unerheblich, weil zu weit hinten ist), ist Teil des Geheimrezeptes von Google. Wir haben keinerlei Kontrolle darüber, wie uns Suchmaschinen informieren."
Archiv: Chronicle

Al Ahram Weekly (Ägypten), 08.01.2009

Nicht die Palästinenser oder die Hamas sind die Angreifer in Gaza, sondern die Israelis, die seit 60 Jahren illegal palästinensisches Land besetzen; und darum kann der Angriff der Israelis auch keine Selbstverteidigung sein, schreibt der Völkerrechtler Curtis Doebbler, Juraprofessor an der An-Najah National Universität in Nablus. Er verdächtigt die Fatah, Israel in die Hände gespielt zu haben: "Abbas war wütend. Man wird nie wissen, was er alles getan hat, aber die Tatsache, dass er mit Repräsentanten der USA, Europas und Israels diniert hat, während Gaza brannte, offenbar nonchalant gegenüber dem Horror, dem seine Landsleute ausgesetzt waren, ist aufschlussreich."

Während die Welt immer hässlicher und gemeiner wird, entwickelt Nehad Selaiha eine Schwäche für realitätsfremde Theaterstücke, zum Beispiel Murad Munirs Musicalversion von Alfred Farags Stück "Al-Tabrizi und sein Diener Quffah". "Farag schöpfte, bewusst oder unbewusst, aus einer langen Bühnentradition von ausgekochten, clownesken, mit beiden Füßen auf der Erde stehenden weisen Dienern und törichten, verträumten und närrischen Herren - eine Tradition, die bis zu den Römern zurückreicht, und von Shakespeare und Cervantes aufgegriffen wurde bis zu Brechts Herrn Puntila und einem Diener Matti, Yusuf Idris bahnbrechenem "El Farafeer" und Milan Kunderas unvergesslichem "Jacques und sein Herr" (...) Mit Konfettiregen und künstlichem Schneegestöber, einem in der Luft aufgehängten Brautbett und dem mit viel Gold und Gaze geschmückten Palast, ganz zu schweigen von dem weißen Pferd, das am Schluss Ali und die Prinzessin in Sicherheit bringt, erschien 'Si Ali' wie eine heitere Weihnachtsparodie, die der Realität die Zunge herausstreckt." Das Stück wurde übrigens 1986 in deutscher Übersetzung in München aufgeführt, informiert uns Selaiha noch.
Archiv: Al Ahram Weekly

Times Literary Supplement (UK), 31.12.2008

Jane Yager stellt neue deutsche Romane vor: Uwe Tellkamps "Der Turm", Marcel Beyers "Kaltenburg", Ingo Schulzes "Adam und Evelyn" und "Hundert Tage" des Schweizers Lukas Bärfuss. Sie schließt: "'Geschichte aus einem versunkenen Land' ist der Untertitel von Tellkamps 'Turm'. Die Beschreibung der Geschichte und Geografie eines Verlusts war lange eine Stärke der deutschen Literatur. Tellkamp, Beyer und Schulze haben die DDR mit lobenswerter Tiefe und Komplexität untersucht. Bärfuss' Buch unterdessen zeigt in eine vielversprechende neue Richtung für die deutsche Literatur. Die nächste Schriftstellergeneration wäre gut beraten, wenn einige ihrer besten Autoren seinem Beispiel folgen und ihre beachtlichen Fähigkeiten auf den Blick nach draußen konzentrieren würden, auf die Verluste, die von deutschen Autoren nur selten aufgezeichnet werden."

HVG (Ungarn), 12.01.2009

"Die zeitgenössische ungarische Kunst ist gar keine schlechte Investition", meint der ehemalige Unternehmer und Kunstsammler Gabor Pados im Interview. "Dass man sie nicht verkaufen könne, ist ein Mythos. Es kommen immer mehr Rückmeldungen und hochrangige Auszeichnungen..., immer mehr Künstler haben im Westen einen bedeutenden Käuferkreis. Zeitgenössische Kunst aus Ungarn könnte vor allem in jenen Kreisen verkauft werden, die die eigenartige osteuropäische - stellenweise absurde und groteske - Sicht- und Ausdrucksweise schätzen. [...] Mit ungarischen Werken sieht es allerdings anders aus als mit der russischen Kunst. Wenn das Bildnis Stalins auf einem Werk aus 2008 erscheint, kann damit jeder auf der Welt etwas anfangen. Das Porträt Rakosis oder Kadars hat hingegen nur für uns eine gewisse Bedeutung. Mit solchen Werken also, die mit dem sozialistischen Realismus spaßen, haben wir auf dem internationalen Markt nichts zu suchen, aber mit Werken, die die ungarische Realität und die globalen Vorgänge reflektieren."
Archiv: HVG

Economist (UK), 09.01.2009

In einem längeren Artikel wird erst George W. Bush noch einmal für seine wissenschaftsfeindliche Haltung gescholten, dann werden die von Barack Obama bereits berufenen hochkarätigen WissenschaftsberaterInnen - der nobelpreisgekrönte Physiker Stephen Chu, die Marinebiologin Jane Lubchenco, der Physiker John Holdren, die Genforscher Harold Varmus (auch er ist ein Nobelpreisträger) und Eric Lander (mehr hier) - vorgestellt. Was das alles bedeutet, fasst der Economist so zusammen: "Diese Berufungen bedeuten einen Wandel in der politischen Haltung gegenüber wissenschaftlichem Rat. Als Obama seine Auswahl vorstellte, sagte er, dass die Förderung der Naturwissenschaften nicht nur eine Sache finanzieller Ressourcen ist (wenngleich er versprochen hat, das Budget für Grundlagenforschung in den nächsten zehn Jahren zu verdoppeln), sondern dass es auch um die Förderung der Forschungsfreiheit und die Beachtung wissenschaftlicher Erkenntnisse geht, 'ganz besonders dann, wenn sie unbequem sind'. Bemerkungen wie diese haben Begeisterung ausgelöst bei vielen Wissenschaftlern, ganz besonders bei denen, die in den letzten Jahren wenig durchgedrungen sind."

Besprochen werden unter anderem das Buch "Finanzlords" (Verlagsseite) über die - in Teilen offenbar nicht sonderlich zurechnungsfähigen - Zentralbankchefs der zwanziger Jahre und ein gelehrter Band über "Schneetouristen" - hier die Website zum Buch mit einem Auszug (ah, und wieder ein Economist-Überschriften-Kalauer der schärferen Art, versteckt in der Statusanzeige unten: "Snow job").
Archiv: Economist

Espresso (Italien), 09.01.2009

Die Faszination für bizarre Reliquien ist beileibe keine christliche Marotte, betont Umberto Eco in seiner Bustina di Minerva. Jede Religion konserviert Fundstücke aus ihrer Geschichte, und auch Atheisten bestaunten schließlich die Mumie von Lenin oder den Cadillac von Elvis Presley. Allerdings hat die Kirche, das muss auch Eco zugeben, eine unerreichte Verfeinerung des Reliquienwesens erreicht. "Wir wissen zum Beispiel, dass der Kopf von Johannes dem Täufer in der Kirche San Silvestro in Capite in Rom ruht, währen eine frühere Überlieferung ihn in der Kathedrale von Amiens verortete. Aber dem in Rom verwahrten Kopf fehlt der Unterkiefer, der in der Kathedrale San Lorenzo in Viterbo aufbewahrt wird. Der Teller, auf dem der Kopf von Johannes lag, befindet sich in Genua, in der Schatzkammer der dortigen San Lorenzo-Kathedrale, zusammen mit der Asche des Heiligen. Ein Teil dieser Asche findet sich aber auch in der antiken Kirche der Benediktinermönche in Loano, während man einen Daumen im Dommuseum vom Florenz besichtigen kann. Von den Zähnen liegt einer in der Kathedrale von Ragusa und ein anderer, zusammen mit einer Haarsträhne, in Monza. Von den restlichen dreißig Stück weiß man nichts."
Archiv: Espresso

New Yorker (USA), 19.01.2009

Tad Friend porträtiert einen Marketingfachmann für Hollywoodfilme und liefert damit tiefe Einblicke in eine genauestens austarierte Werbemaschinerie. Eine deren Grundfragen lautet, wie ein Trailer aussehen muss, damit er "einen Babysitter wert" ist, die Leute also für einen Film überhaupt aus dem Haus gehen. Zentral sind dabei die genauen Kenntnissen geschlechts- und altersgruppenspezifischer Genre-Vorlieben. "Solche Überlegungen sind etwa für eine große Rolle verantwortlich, wie sie im neuesten 'Indiana Jones' für Shia LaBeouf geschrieben wurde (um neben den alternden Fans von Harrison Ford auch jugendliche Zuschauer anzuziehen). Sie sind auch dafür verantwortlich, dass Kinder vom Säuglingsalter bis zum Alter von Macauley Culkin in 'Kevin allein zu Haus' auf der Leinwand praktisch nicht vorkommen (Erstere höchstens, um im Trailer den Star vollzuspucken). Warum einen Vierjährigen einsetzen, wenn ein Zehnjähriger Altersgenossen dazu bringt, ihn 'zuortbar' zu finden und Vier- bis Neunjährige dazu, zu ihm aufzuschauen? 'Wenn wir keine auf Marktgängigkeit basierenden Entscheidungen träfen, würde John Malkovich in jedem Film mitspielen', erklärt der Marketingmann eines Topstudios. 'Toller Schauspieler, aber keiner, den man halbnackt neben Angelina Jolie in den Federn liegen sehen will.'"

Außerdem: Anthony Lane verreißt Steven Soderberghs zweiteilige Guevara-Filmbiografie "Che" ("It's like 'Butch Cassidy and the Sundance Kid,' shorn of all glamour and fun") Zu lesen sind weiter die Erzählung "Soldier?s Joy" von Antonya Nelson und Lyrik von Nathalie Anderson und Franz Wright.
Archiv: New Yorker

Point (Frankreich), 08.01.2009

Man müsse die Palästinenser vom "düsteren Einfluss" der Hamas befreien, meint Bernard-Henri Levy in seinen Bloc-notes. Angesichts des von jeher ausdrücklich gegen die israelische Zivilbevölkerung gerichteten Raketenbeschusses durch die Hamas erstaunt ihn weniger die "Brutalität" Israels als dessen lange Zurückhaltung. "Hoffen wir, dass die Kämpfe schnell enden und die Kommentatoren wieder zu Verstand kommen. Sie werden feststellen, dass Israel viele Fehler gemacht hat (verpasste Gelegenheiten, lange Verweigerung der nationalen Forderungen der Palästinenser, Unilateralismus), dass aber die schlimmsten Feinde der Palästinenser diese extremistischen Führer sind, die niemals den Frieden oder einen Staat wollten und für ihr Volk niemals einen anderen Status vorgesehen haben als den eines Instruments und einer Geisel."
Archiv: Point
Stichwörter: Hamas, Levy, Bernard-Henri

Spectator (UK), 10.01.2009

Rod Liddle fürchtet, dass die evangelikalen Christen sich jetzt auch in England festsetzen. Und dass in ihrem Gefolge die christlichen Zionisten mitkommen, die er besonders absurd findet. "Diese Clowns vom Battalion Deborah würden außerdem gerne eine neue Botschaft in Jerusalem bauen und tatsächlich einen 'dritten' Tempel, um sich auf SEIN Kommen vorzubereiten. In der Vergangenheit wurden derlei Gruppen von der Knesset für ihre ungebrochene Unterstützung Israels in Ehren gehalten, in letzter Zeit beginnen selbst die Falken in Israel sie eher lächerlich und gefährlich zu finden. Und auch peinlich - im vergangenen Jahr erschien das Battalion Deborahs, die Covenant Alliances und andere vor der Knesset. Sie hatten einen Brief dabei, in dem sie um Vergebung für christlichen Antisemitismus baten und sich darum bewarben, die Füße der anwesenden Israelis zu küssen. Die meisten Abgeordneten verschwanden unangenehm berührt und die Evangelikalen blieben mit den üblichen politischen Randfiguren zurück. All diese Gruppen glaubten, der Tag der Abrechnung sei um Mitternacht, den 1. Januar im Jahr 2000 gekommen. Alles, was sie geboten bekamen, war dann aber Andy Stewart und ein Konzert im Millennium Dome."
Archiv: Spectator

La vie des idees (Frankreich), 09.01.2009

In einem Interview spricht der aus dem Senegal stammende und in New York lehrende Historiker Mamadou Diouf, der zahlreiche Studien zur Politik- und Kulturgeschichte Afrikas veröffentlicht hat, über postkoloniale Demokratisierungsprozesse des Kontinents und eine notwendige Erneuerung der wissenschaftlichen Forschung. So sollten die unterschiedlichen geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen in einen Dialog treten und zu "wechselseitigen Vergleichen" beitragen, vor allem aber nicht länger in einem europäischen Universalismus gefangen bleiben. "Das Universale sollte sich, glaube ich, durch Addition bilden, nicht durch Gewalt oder den Erfolg, den man mit moralischen, religiösen oder technischen Begriffen misst. In allen nicht-westlichen Gesellschaften wurden der Universalismus und die Moderne von einer Sache begleitet: von Gewalt. Aus diesem Grund werden dieser Universalismus und diese Moderne in Frage gestellt, ihrem Wesen nach - nicht als Praxis. Europa macht heute eine Übergangsphase durch und es findet keinen klaren Umgang damit."

Vorgestellt wird außerdem eine Kulturgeschichte des Theaters, die sich mit der Entstehung des europäischen "Theatermarkts" in den Hauptstädten beschäftigt: "Theatres en capitales. Naissance de la societe du spectacle a Paris, Berlin, Londres et Vienne, 1860-1914" (Albin Miche) von Christophe Charle.
Stichwörter: Universalismus, Senegal

New York Times (USA), 11.01.2009

Eine großartige Zukunft sieht der Psychologe Steven Pinker - im Heft mit auf die Augenfarbe abgestimmer Krawatte abgebildet - durch die neuen Genom-Firmen eröffnet, die "zum Preis eines Flachbild-Fernsehers" einen persönlichen Gen-Check anbieten: Für 399 Dollar gibt es von 23andMe einen Gen-Sampler, inklusive Krankheitsrisiken und Vorfahren-Analyse, für 99.500 Dollar bietet Knome die komplette DNA-Sequenz. "Alle Eltern mit mehr als einem Kind wissen, dass Babys mit ausgeprägten Persönlichkeiten auf die Welt kommen. Aber was kann man darüber sagen, wie das Baby so wurde? Bis vor kurzem ahnten wir die Spuren in der Familie, doch selbst hierbei verschmolzen genetische Tendenzen mit familiären Traditionen. Zumindest theoretisch können persönliche Genomanalysen eine präzisere Erklärung bieten. Wir könnten in der Lage sein, tatsächlich die Gene zu finden, die eine Person dazu neigen lässt, garstig oder nett zu sein, ein Denker oder ein Macher zu sein, eine trübe Tasse oder ein sonniges Gemüt."
Archiv: New York Times
Stichwörter: Pink, Pinker, Steven, Krawatte