Magazinrundschau

Economist: Samizdat oder saudische chick-lit?

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
07.08.2007. In der New York Times bereut Michael Ignatieff, den Irakkrieg befürwortet zu haben. Der New Yorker untersucht das exklusive Verhörprogramm der CIA. Al Hayat empfiehlt den arabischen Ländern, mehr auf den Menschen und weniger auf Gott, Blut und Boden zu setzen. Nach dem Überfall auf den Islamkritiker Ehsan Jami fragt sich Afshin Ellian in Elsevier, was Amsterdam von Teheran unterscheidet. In Europa fragt Adam Zagajewski, was es heute bedeutet, polnisch zu sein. In der Gazeta Wyborcza fürchtet Mykola Rjabtschuk eine Ostverschiebung der Ukraine. Magyar Hirlap beklagt den Untertanengeist in Ungarn. Der Spectator identifiziert digital versierte Senioren als wahre Trendsetter. Und Il Foglio liest Kontaktanzeigen.

Elsevier (Niederlande), 06.08.2007

"Woher kommen diese Straßenterroristen?!", empört sich der Publizist und Rechtsgelehrte Afshin Ellian im Elsevier-Blog. Seine Wut gilt drei Unbekannten, die den 22-jährigen Ehsan Jami, PvdA-Mitglied und Mitbegründer des niederländischen "Zentralrats der Ex-Muslime" (mehr hier), am Wochenende brutal zusammengeschlagen haben: "Das ist jetzt schon das dritte Mal, dass Jami von jungen Moslems misshandelt wurde. Warum ist er so eine leichte Beute für muslimische Schläger? Weil er keinen Geleitschutz bekommt. Und: Es ist bereits seit zwei Wochen bekannt, dass seine private Adresse und Telefonnummer auf einer islamistischen Webseite zirkulierten. Das hat mir Jami selbst gesagt. Meine Güte, was sind wir vergesslich: Wurde Theo van Gogh nicht auch hier in Holland ermordet?... Was sagst Du in so einem Moment? Wie erkläre ich das einem Zweiundzwanzigjährigen, der in einem europäischen Land aufgewachsen ist? Soll ich ihm sagen, herzlich Willkommen in Gaza, Teheran, Kairo - wo am helllichten Tag Andersdenkende ermordet werden und der Staat nichts tut?!"
Archiv: Elsevier

New Yorker (USA), 13.08.2007

Unter der Überschrift "Die finsteren Orte" untersucht Jane Mayer das geheime Verhörprogramm der CIA. Aufgerollt wird ihre Reportage am Fall des Al-Qaida-Führers Chalid Scheich Mohammed, der für die Ermordung des amerikanischen Journalisten Daniel Pearl in Pakistan verantwortlich gewesen sein soll. "Das Programm wurde außergewöhnlich 'abgeschottet', wie es in der Nomenklatur der Geheimdienste heißt. Es sieht vor, dass Außenstehende praktisch keinen Zugang zu den Gefangenen der CIA haben. Die vollkommene Isolierung dieser Häftlinge wurde dabei als unerlässlich für die nationale Sicherheit Amerikas bezeichnet. Dieser Punkt wurde vergangenen November vom Justizdepartment im Fall des in Baltimore ansässigen Majid Khan, den die CIA über drei Jahre lang festhielt, ausdrücklich betont. Khan, so die Regierung, habe der Zugang zu einem Anwalt besonders deshalb untersagt werden müssen, weil er die an ihm praktizierten 'alternativen Befragungsmethoden' hätte schildern können. Diese Methoden seien Staatsgeheimnis, argumentierte die Regierung, und ihre Offenlegung könne 'erwartungsgemäß extrem schweren Schaden verursachen'."

Steve Coll fragt nach der Übernahme des Wall Street Journal durch Rupert Murdoch nach dem Schicksal des Journalismus' der alten Schule. Sasha Frere-Jones porträtiert Lil Wayne aus New Orleans, nach Eigenaussage - und offenbar nicht ganz zu Unrecht - "the best rapper alive". Ausgesprochen erheiternd liest sich Oliver Sacks Beschreibung eines Ausflugs mit der amerikanischen Farngesellschaft, deren Mitglieder selbst mitten in New York mit Lupen in Pflasterritzen nach Farnen Ausschau halten. Zu lesen sind außerdem die Erzählung "Magda Mandela" von Hari Kunzru und Lyrik von Adam Zagajewski und Louise Glück.

Pankaj Mishra bespricht die Studie "Indian Summer" des jungen britischen Historikers Alex von Tunzelmann, in dem er die letzten Tage der britischen Herrschaft in Indien nachzeichnet. Stephen Shapin stellt eine umfassende Biografie des englischen Philosophen und Soziologen Herbert Spencer vor ("Herbert Spencer and the Invention of Modern Life"). Nancy Franklin widmet sich Serien, die auf dem Frauensender Lifetime laufen. Und Anthony Lane sah im Kino das biografische Porträt von Jane Austen "Becoming Jane" von Julian Jarrold und die Komödie "2 Tage in Paris" von und mit Julie Delpy.

Nur im Print: Artikel über ein Syndrom, das Fragen über die Freiheit des Willens aufwirft, Fallschirmspringen und den italienischen Olivenölschwindel.
Archiv: New Yorker

Al Hayat (Libanon), 05.08.2007

Yasin al-Hajj Salih konstatiert eine Dominanz der Politik und der Religion in den arabischen Gesellschaften des 20. Jahrhunderts. Die Kultur als Produkt des Menschen trat dabei gegenüber den naturalistischen Vorstellungen des Nationalismus und des Islamismus zurück. Länder, denen die kulturellen Grundlagen abhanden kommen, drohen aber, in kleinere Teile zu zerfallen, die ebenfalls für sich beanspruchen könnten, 'natürlich' zu sein. Der Rückgriff auf solche naturgegebenen Formen der Gemeinschaft "macht es auf der einen Seite unmöglich, den Aufbau der Nation als einen bewussten, menschengemachten Prozess zu begreifen. Auf der anderen öffnet es Tür und Tor für wirklich 'natürliche' Formen der Politik, für eine Politik der Identität und des Blutes, der Politik in Gestalt von Familien, Clans und Konfessionen. Vielleicht liegt in dieser Annahme, dass sich die Staaten bereits von der Natur ableiten, der Ursprung für die Spannungen der modernen arabischen Staaten und der Kultur."

Den Erfolg der AKP bei den Wahlen in der Türkei wertet Sami Shurash vor allem als eine Niederlage der Kemalismus: "Die letzten Wahlen brachten der Partei einen großen Teil der Parlamentssitze ein. Es ist aber wahrscheinlich, dass dies nicht an den islamischen Positionen (der AKP) lag, sondern daran, dass ihre politische Vision näher an der Realität ist, dass diese Vision offener, ruhiger und vernunftgeleiteter ist als jene der säkularen, vom Chauvinismus und Militarismus befallenen Parteien, die dem Säkularismus mit ihrer extremen Politik Schaden zufügten und diese zu einem leeren Modell werden ließen. Es war also ganz natürlich, dass die Demokraten, die Kurden, die Armenier und die Alawiten sich vom türkischen Säkularismus abwendeten und sich um den moderaten türkischen Islam sammelten."
Archiv: Al Hayat

Economist (UK), 04.08.2007

Ein temporeicher Roman aus dem Saudi-Arabien von heute? Gibt es, ist verboten und lesenswert, stellt der Economist nach der Lektüre fest: "Samizdat oder saudische chick-lit? Tatsächlich beides. Rajaa Alsaneas Roman (deutscher Titel: "Die Girls von Riad"), der die Form eines gerüchteverliebten Internet-Blogs von vier obere-Mittelschicht-Mädchen in Saudi-Arabien hat, in dem es um die Nöte ihres Liebeslebens geht, wurde in Saudi Arabien bei seinem Erscheinen vor zwei Jahren offiziell verboten (kurzzeitig hatte die Autorin, die allerdings gerade in den USA Zahnmedizin studierte, sogar eine Klage am Hals). Das Buch wurde trotzdem gelesen, und zwar eifrig. Wenn man jetzt die englische Übersetzung liest, sieht man sofort warum." Es geht nämlich unter anderem um eine Frau, deren Verlobter sich, nachdem er Sex mit ihr hatte, von ihr wieder trennt - weil sie sich so offenherzig gezeigt hat.

Weitere Artikel: Der Economist referiert die Stauffenberg-Cruise-Debatte, informiert über Kunst in Myanmar und über Bollywood-Stars mit Dreck am Stecken, bewundert das Verhandlungsgeschick von Rupert Murdoch und bespricht eine Studie von William Naphy über die protestantische Revolution. Einen Nachruf gibt es auf Ingmar Bergman, aber nicht auf Michelangelo Antonioni.
Archiv: Economist

Gazeta Wyborcza (Polen), 04.08.2007

Am 1. Januar 2008 treten Polen und die anderen Staaten Mittel-Osteuropas dem Schengen-Abkommen bei, so dass zwischen ihnen und Westeuropa die Grenzkontrollen wegfallen. Als Ukrainer verbindet der Dichter Mykola Rjabtschuk damit Ängste und Hoffnungen. "Zum ersten Mal seit Jahren besuchte ich die ukrainisch-slowakisch-ungarische Grenzstation Cop. Sie war erdrückend leer. Meine erste Vermutung war, dass alle Ukrainer, und vor allem Händler, aus unbekannten Gründen Cop verlassen hätten. Die nächste Vermutung war wirklichkeitsnäher: Ab dem nächsten Jahr treten unsere westlichen Nachbarn der Schengen-Zone bei und die alte Grenze in Cop wird aus diesem Grund ganz geschlossen. Ich wurde wütend - schon wieder wollen sie die Grenzen schließen und sich somit von diesem amorphen und politisch schizophrenen Gebilde im Osten, der Ukraine, abschotten. Jetzt erst werden wir mitkriegen, wie weit entfernt jenes Ausland ist, das uns bisher so nah erschien. Und wie nah das ist, was hinter unserer Ostgrenze beginnt und bis nach Semipalatinsk und Ulan-Ude reicht. Die einst in Moskau erschaffene, virtuelle Realität kann sich somit ein weiteres Mal materialisieren. Aber es stellte sich heraus, das diese Vermutung auch falsch war. ich fragte die Kassiererin, warum alle Telefonapparate von den Wänden verschwunden sind. Es wird renoviert."

Das niederschlesische Wroclaw boomt, und will sich unweit des historischen Zentrums eine City bauen - den Entwurf für das 400-Millionen-Euro-Projekt hat das spanische Konsortium "Grupo Pasa" vorgestellt, und auch weitere Investoren kündigen Hochhausbauten an. Agata Saraczynska erinnert dies an die 1920er Jahre, als in dem damals deutschen Breslau Architekten wie Max Berg, Hans Poelzig, Erich Mendelsohn oder Hans Scharoun der Stadt ein modernes Antlitz verliehen: "Auch wenn viele Banken, Hotels und Bürogebäude bisher entstanden sind, lassen sie sich nicht mit den damals realisierten Pionierbauten vergleichen. Nach 1989 entstand in der Stadt kein Objekt, das auf den Entwurf eines weltweit oder auch nur europäisch bekannten Architekten zurückgeht. Kein Gebäude ist stilprägend." Mit dem Bau des "Hilton" soll auch das erreicht werden.

Pawel Smolenski ist begeistert von der Reportagensammlung aus Oberschlesien, die seine Kollegin Aleksandra Klich veröffentlicht hat: "Bez mitow. Portrety ze Slaska" ("Ohne Mythen. Porträts aus Schlesien"). "Dieses Buch ist eine große Herausforderung und ein Abenteuer. Es erfordert viel Sensibilität und Mut. So wie alle Polen glauben, Experten in Politik und Medizin zu sein, wissen auch alle, was im Grenzland passiert ist, was jetzt vorgeht, und was passiert ist; was jemand gemeint hat, mit welchen Absichten. Alle glauben dabei, die einzig wahre Meinung zu vertreten, die dann aufständische Fahnen oder Besatzerplakate schmückt."
Archiv: Gazeta Wyborcza

Europa (Polen), 04.08.2007

Im Magazin der Tageszeitung Dziennik führt Agata Bielik-Robson ein lesenswertes Gespräch mit dem Schriftsteller Adam Zagajewski. Darin spricht er unter anderem von der großen Herausforderung, vor der Autoren jüngerer Generationen stehen: das Polnisch-Sein neu zu definieren. "So wie die französische Kultur durch den Spannungsbogen Montaigne-Pascal geprägt wird, führt die Neudefinition der polnischen Kultur auf die Auseinandersetzung zwischen Czeslaw Milosz und Witold Gombrowicz zurück. Es war ein großer Dialog. Die Frage ist nun, wie die Spannung erhalten werden kann. Kann die junge Generation jenes Gespräch weiterführen, das die polnische Kultur auf ein hohes Niveau gehoben hat?"

Abgedruckt wird auch die Berliner Rede Imre Kertesz', die im Rahmen des Konferenz "Perspektive Europa" gehalten wurde. Darin geht es um das totalitäre Erbe Europas (hier die englische Übersetzung).
Archiv: Europa

Spectator (UK), 03.08.2007

Amelia Torode, digitale Chefdenkerin des Spectators, identifziert die Alten als die wahren technischen Trendsetter. "Meine Schwiegereltern halten sich nicht für technophil, aber sie waren die ersten Leute, die ich kenne, die sich Skype installierten. Gleich darauf schafften sie sich eine Webcam an, da sie sich mit ihren drei jungen Enkelkindern in Paris gerne per Video unterhalten wollten. Nachdem ich meine Freunde über ihre Erfahrungen mit den eigenen Eltern ausgefragt hatte, merkte ich, dass digital erfahrene Großeltern die Norm werden, während wir Urban Young Professionals mit Webcams und dergleichen nichts am Hut haben."
Archiv: Spectator

Magyar Hirlap (Ungarn), 31.07.2007

Angehörige der deutschen und ungarischen Minderheit wurden nach Kriegsende mit Hilfe der Benes-Dekrete in der Tschechoslowakei zu Staatsfeinden erklärt. Sie wurden ausgebürgert und enteignet. Es sei eine Schande, dass die Opfer bis heute nicht entschädigt wurden, schreibt Janos Havasi. "Die mit dem so genannten Bevölkerungsaustausch vertriebenen Ungarn sollten aufgrund der gültigen Abkommen vom ungarischen Staat entschädigt werden. Seit der Wende schweigen alle Regierungen dazu, dass Ungarn im Pariser Friedensvertrag von 1947 und in späteren bilateralen Abkommen gegenüber Jugoslawien und der Tschechoslowakei zugesichert hatte, die von den Genossen dieser Nachbarländer vertriebenen Ungarn selbst zu entschädigen... Was kann ein Bürger tun, wenn ihm der Staat sein Vermögen nicht zurückgibt? Wenn eine Privatperson das ihr anvertraute Geld nicht im Sinne des Eigentümers verwendet, dann ist das Veruntreuung. Wenn der Staat das Gleiche tut, dann ist das Verfassungsbruch."

In den osteuropäischen Ländern gibt es zwar keine Zensur mehr, aber die Mentalität lebe in den Köpfen weiter, schreibt die Zeitung im Leitartikel. "Die Zensurbehörde wurde zwar längst aufgelöst, aber Zensur existiert immer noch: Sie hat die Seelen der Menschen infiziert und spukt in den Köpfen weiter. Die Strukturen, durch die die Zensur damals funktionierte, wirken nun wirtschaftlich oder politisch motiviert jenseits der Institutionen weiter... Vor einigen Wochen wurde 400 Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen ungarischen Rundfunks zum Teil aus 'politischen, ideellen' Gründen gekündigt: auch eine Form von Zensur. Das Phänomen ist leider nicht nur in unserem Land, sondern in der ganzen Region zu beobachten. Die Zensur kann in allen Ländern des ehemaligen Ostblocks in verborgener Form weiterleben, weil es immer noch genug Menschen mit Untertanengeist gibt, die sich ihr unterwerfen."
Archiv: Magyar Hirlap

Foglio (Italien), 04.08.2007

Edoardo Camurri amüsiert sich bei den von David Rose herausgegebenen Kontaktanzeigen der London Review of Books so sehr, dass er hier gleich ein neues Genre das Licht der Welt erblicken sieht. Sein Favorit ist ein Engländer. "Allele, anatta, arrear, arrere, bedded, bettee, breere, caccap, ceesse, cobbob, desse, dolool, doodad, effere, emmele, emmene, ennean, essede, feyffe, gaggee, giggit, googol, gregge, hammam, hummum, hubbub, jettee, kokoon, lessee, lesses, mammal, mammee, mossoo, mutuum, nerrer, ossous, pazazz, pepper, perree, pippin, powwow, reeder, reefer, reeffe, refeff, retree, seasse, secess, seesen, sensse, sessle, settee, sissoo, tattee, tattoo, tedded, teerer, teeter, testee, tethee, tetter, tittee, treete, unnung, veerer, weeded, zaarra. Wörter mit sechs Buchstaben, in denen ein Buchstabe jeweils einmal, ein anderer zweimal und ein dritter dreimal vorkommt. Oh Gott, ich brauche eine Frau. Einundvierzig Jahre, Postfach 4290."

Weiteres: Adriano Sofri verabschiedet erstaunlicherweise Ingmar Bergman und nicht Michelangelo Antonioni. Ugo Bertone porträtiert hier und hier große Zeitungsdynastien. Rolla Scolari erlebt eine Beduinenhochzeit in der israelischen Negev-Wüste.
Archiv: Foglio

New Republic (USA), 02.08.2007

Solche Auseinandersetzungen kennen wir bisher nur aus amerikanischen Medien und Blogs. Ein amerikanischer Gefreiter namens Scott Thomas Beauchamp hat mehrere tagebuchähnliche Artikel für die New Repbulic online über ziemlich abscheuliche Details aus dem Alltag des Irakkriegs verfasst. Mehrere Blogs und Zeitungen stellten die Wahrhaftigkeit seiner Artikel in Frage. Die New Republic antwortet jetzt mit einem "Statement on Scott Thomas Beauchamp", mit dem sämtliche Vorwürfe der Kritiker Punkt für Punkt entkräftet werden sollen: "Für diesen Prozess nahm die New Republic Kontakt mit Dutzenden von Menschen auf. Redakteure und Mitarbeiter sprachen viele Male mit Beauchamp selbst. Wir sprachen auch mit Soldaten im Dienst und außer Dienst, Experten für Gerichtsmedizin und Journalistenkollegen, die seit langer Zeit über den Krieg berichten: Vor allem aber sprachen wir mit fünf anderen Kameraden aus Beauchamps Einheit, die seine Anekdoten sämtlich bestätigten."
Archiv: New Republic

Al Ahram Weekly (Ägypten), 02.08.2007

Der an der Columbia University in New York als Professor für Iranische Studien lehrende Hamid Dabashi sieht Zack Snyders Comicverfilmung "300" nicht als Ode auf den Westen, sondern als subversives Porträt einer verwahrlosten Kultur. "So funktioniert ein illusionäres Empire. Diese Soldaten, die zu Killermaschinen trainiert und um den halben Globus geschickt werden, um Menschen im Irak oder in Afghanistan zu verstümmeln und zu ermorden, tun das nicht aus ideologischer Überzeugung, politischer Haltung, moralischem Prinzip oder einem zivilisatorischen Gefühl der Überlegenheit heraus, sondern weil sie mit diesen verspielten Comicheften, Videospielen und Filmen gefüttert wurden. Das reicht so weit, dass sie in Afghanistan und dem Irak nicht mehr menschliche Wesen sehen, die sie abschießen, sondern Comicstrips, Videobilder, Sonntagsmatinee-Doublefeatures - die wahnhafte Vorstellung einer sonst tödlich realen Welt." (Immerhin erhebt diese Kultur Kritiker in Professorenrang, die im Iran wahrscheinlich im Gefängnis landen würden.)
Archiv: Al Ahram Weekly

Outlook India (Indien), 13.08.2007

Shyam Benegal erweist Ingmar Bergman die letzte Ehre. "Bergman kreierte Traumlandschaften auf Zelluloid. Die Charaktere sind keine Fantasiegestalten, sie sind alle sehr real und verwurzelt, aber immer mit existenziellen Fragen beschäftigt. Er schätzte Luis Bunuel, Akira Kurosawa and Federico Fellini. In seiner Autobiografie 'Laterna Magica' schrieb Bergman, dass ein Film 'nicht ein Dokument, sondern ein Traum' sei. Er bewunderte Tarkowski, weil er fühlte, dass 'er sich natürlich in einem Raum voller Träume bewegt'. Bergman glaubte, dass er selbst nur ein paar Mal in diesen Raum 'hineingekrochen' sei. Von Antonioni hielt er nicht viel. Er meinte, dass Antonioni ebenfalls in diesen Raum der Träume hinein wollte, aber 'an seiner Langweiligkeit erstickte'."
Archiv: Outlook India

Elet es Irodalom (Ungarn), 03.08.2007

Der ungarische Schriftsteller Peter Esterhazy schreibt zum Tod des großen Theatermacher George Tabori und feiert den in Budapest geborenen Tabori, der in London, Sofia, Istanbul, New York, Los Angeles, Berlin und Wien zu Hause war, als Weltbürger: "Die elegante Definition von Henry James trifft auf ihn: man ist ein Weltbürger, wenn einem alle Brauchtümer der Menschheit als gleichermaßen derb erscheinen... Ein Weltbürger ist nicht ohne Saft und Kraft: Tabori war ein bisschen Amerikaner, ein bisschen Engländer, ein bisschen Ungar, ein bisschen Jude, er war vielleicht am wenigsten ein Deutscher, und gerade in der Fremde entfaltete sich seine Kunst, er wurde zum großen Mann des zeitgenössischen deutschen Theaters... Wenn er mich nur anschaute, wurde ich sofort ein bisschen begabter. Sein Unernst und seine Leichtigkeit gründeten auf der natürlichen menschlichen Bosheit und zeigten doch das Gute im Menschen, durch seinen Glauben an die Unschuld des Menschen ist er ein großes Vorbild für die Nachwelt. Tabori war nicht naiv, sondern rein. Er wühlte im Schmutz - in uns - herum und doch blieb er rein.?

Espresso (Italien), 03.08.2007

In seiner Bustina di Minerva gesteht Umberto Eco wohl unter Einfluss der südlichen Hitzewelle aufkommende Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Welt, die ihn ausgerechnet bei der Lektüre des Espresso überfallen. "Ich lese Serras Satire und amüsiere mich wie verrückt, aber wenn ich dann die anderen Seiten lese, kommen mir alle Aritkel wie Erfindungen Serras vor. Ich habe dann den Eindruck, dieses Magazin berichtet über eine surreale Welt. Derzeit ist es sicherlich möglich, dass wir (1) tatsächlich in einer Welt leben, in der manche die Peilung verloren haben oder ich (2) die ersten Anzeichen einer Altersdemenz entwickle. Mich tröstet allerdings, immer wieder festzustellen, dass es den anderen genauso geht."
Archiv: Espresso
Stichwörter: Eco, Umberto, Satire, Hitzewellen

New York Times (USA), 05.08.2007

Der Historiker Michael Ignatieff hat Harvard verlassen, um in die kanadische Politik zu gehen. In einem bemerkenswerten Essay für das New York Times Magazine zeigt er, dass er das Denken dennoch nicht verlernt hat, im Gegenteil: Er unterzieht sich einer schmerzhaften Selbstbefragung über den Irrtum des Irakkriegs, den er seinerzeit selbst befürwortete, und schärft sich die Notwendigkeit des Realitätssinns ein, der den Politiker vom Intellektuellen unterscheidet: "Als Lektion für die Zukunft nehme ich mit, dass ich mich weniger von Leuten beeinflussen lasse, die ich bewundere, wie zum Beispiel Iraker im Exil, und dass ich mich weniger von meinen Gefühlen leiten lasse. Ich war 1992 im Nordirak. Ich sah, was Saddam Hussein den Kurden angetan hatte. Seit diesem Augenblick glaubte ich, dass er gehen muss. Meine Überzeugungen hatten die Autorität persönlichen Erlebens, aber gerade deshalb verhinderten meine Gefühle harte Fragen wie diese: Können die Kurden, Sunniten und Schiiten friedvoll zusammenhalten, was Saddam Hussein durch Schrecken in Bann hielt?"

Außerdem im Sonntagsmagazin: Emily Bazelon berichtet ausführlich von neuen Forschungen über Autistinnen, deren Symptomatik sich gravierend von der männlicher Autisten unterscheidet. Für die Sunday Book Review liest Walter Kirn einen Band mit literarischen Essays J.M. Coetzees (die sich unter anderem mit Sebald und Benjamin befassen). Außerdem empfiehlt Claire Messud den Roman "The Septembers of Shiraz" (erstes Kapitel) von Dalia Sofer, die Geschichte einer jüdischen Familie in Teheran kurz nach der Revolution von 1979.
Archiv: New York Times