Magazinrundschau

Das Jahr ohne Sommer

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
23.07.2019. Das TLS taucht ein in die Farbenwelt der abstrakten Expressionistinnen. La vie des idees friert im Römischen Reich. Der New Yorker resümiert unser Automobilzeitalter. Eurozine erzählt, wie gut britische Anwälte mit der Unterdrückung der Presse verdienen. Der Guardian versteht die katholischen Philippiner nicht. The Atlantic dokumentiert den Einfluss Chinas auf deutsche Universitäten. In HVG würdigt Gaspar Miklos Tamas die ewig junge Agnes Heller.

Times Literary Supplement (UK), 22.07.2019

Joan Mitchell, Composition, 1962. Solomon R. Guggenheim Foundation, © Estate of Joan Mitchell


Jenni Quilter liest kritisch und hoch konzentriert Mary Gabriels Buch "Ninth Street Women" über die Malerinnen Lee Krasner, Elaine de Kooning, Grace Hartigan, Joan Mitchell und Helen Frankenthaler. Dass die fünf wahrscheinlich nicht glücklich gewesen wären über diesen Reigen weiblicher Künstler, geschenkt. Auch wird es Quilter beim Lesen manchmal unbehaglich, wie wenig die Frauen sich gegenseitig in der Öffentlichkeit unterstützt haben. Dafür kann Gabriel natürlich nichts, aber Quilter hätte sich gewünscht, dass die Autorin die Malerinnen der zweiten Generation wenigstens annähernd so ausführlich behandelt hätte wie Krasner und de Kooning. Joan Mitchell zum Beispiel galt mit ihrem abstrakten Expressionismus in New York schon als altmodisch, als sie nach Paris zog. "Als sie 1962 schließlich in Paris ausstellte, war das für viele eine Offenbarung. Hier war eine Künstlerin, deren Pinselführung so erkennbar war wie eine Stimme; man kann einen Mitchell in einer überfüllten Galerie aus 50 Fuß erkennen. Weit mehr als die anderen Malerinnen der zweiten Generation erforschte sie das rhythmisch Deutende gestischer Malerei. Einige Maler hoben den Unterschied zwischen Vorder- und Hintergrund auf, aber Mitchell spielte mit dieser Unterscheidung, indem sie weiße Farbe benutzte und einige Elemente nach vorne, andere nach hinten verlegte. Ihr Werk bekam eine Leichtigkeit - sowohl in den Farbtönen als auch emotional, die wie die Nachahmung einer Augenblickswahrnehmung wirkte. " Quilter fordert eine Neubewertung Mitchells, die sie an die Seite Mark Rothkos oder Clyfford Stills stellt.

Außerdem: Krishan Kumar denkt am Beispiel einiger Bücher der Historiker Christopher Bayly, Jürgen Osterhammel und Simon Reid-Henry darüber nach, was genau eigentlich eine gelungene Globalgeschichte auszeichnet. In gewisser Weise denkt auch Shashi Tharoor darüber nach, der hoffnungsfroh das Cricket-Match zwischen Pakistan und Indien beobachtet hat: Cricket, obwohl ursprünglich ein Spiel des britischen Kolonialherren, "hat einmal mehr in Erinnerung gerufen, was Inder und Pakistaner gemeinsam haben - Sprache, Küche, Musik, Kleidung, Unterhaltung und die meisten kulturellen Merkmale, einschließlich sportlicher Leidenschaft. Cricket unterstreicht das gemeinsame kulturelle Mosaik, das uns zusammenführt - ein Mosaik, das geopolitische Unterschiede überwindet. Diese kulturelle Grundlage geht unserer politischen Antipathie sowohl voraus als auch nach. Es ist das, was unsere Diaspora verbindet und warum sie die Gesellschaft des anderen in fremden Ländern trösten, wenn sie zum ersten Mal auswandern - sichtbar in Großbritannien. Cricket bestätigt, dass es mehr gibt, das uns verbindet als uns trennt."

Eurozine (Österreich), 15.07.2019

Caroline Muscats Story zeigt auch auf, welche Praktiken zum künftigen Geschäftsmodell eines außerhalb der EU operierenden Großbritannien gehören könnten - aber eigentlich gehören sie ja schon jetzt dazu: Muscat ist eine Journalistin in Malta und versucht mit ihrem Internetmagazin The Shift News eine unabhängige Berichterstattung aufrechtzuerhalten - besonders nach der Ermordung der bekanntesten maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia. Sie erzählt, wie unabhängige Journalisten von meist in London basierten Anwaltskanzleien mit sogenannten "Slapp-Klagen" überzogen werden, Unterlassungsaufforderungen, die zwar meist nicht aussichtsreich sind, aber die Journalisten mit exorbitanten Rechtskosten bedrohen. Solch eine Klageandrohung hat Muscat von der Kanzlei Henley & Partners bekommen, die auf ihrer Website ganz offen damit angibt, dass sie reichen Leuten aus weniger glamourösen Ländern schickere Staatsbürgerschaften besorgen kann. "Der Brief enthielt eine klare Anweisung in Großbuchstaben, 'Nicht zur Veröffentlichung'. Er drohte mit einer Slapp-Klage, falls wir nicht eine Geschichte aus The Shift News entfernen, die wir über die Arbeit der Kanzlei in Grenada publiziert hatten. Es war unmöglich, dagegen anzugehen. Anwälte warnten mich, dass es keinen angemessenen Schutz dagegen gebe. Nach dem Mord an Caruana Galizia stellte sich heraus, dass auch gegen sie eine amerikanische Slapp-Klage in Höhe von 40 Millionen Euro angestrengt worden war. Zusätzlich zu den vierzig Verleumdungsklagen, die zuhause gegen sie liefen."

Der Putinismus hat nicht nur Stalin und Iwan den Schrecklichen wieder ins nationale Pantheon gehoben, er hat auch den militärisch-industriellen Komplex neu geschaffen, schreibt der russische Journalist Andrei Soldatov. Stalin hatte mit der "technischen Intelligentsia" jene Klasse von Ingenieuren geschaffen, die die spätere Sowjetunion dominierten,und Putin hat dieser Klasse durch Aufrüstung wieder einen Status gegeben. "Zunächst hat Putin die Vergrätztheit gegenüber dem Westen in die neue nationale Idee verwandelt. Was in den Neunzigern ein sicheres Zeichen für Verlierer war, wurde als das offizielle Narrativ anerkannt. Dann hat Putin die Rückkehr des militärisch-industriellen Komplexes im großen Maßstab bewerkstelligt und so Jobs für die technische Intelligentsia geschaffen... " Mit dem Ergebnis, "dass die Staatsquote in der russischen Wirtschaft immer weiter gestiegen ist. Im April 2019 gab die Antimonopolkommission des Staates zu, dass die Staatsquote bei 60 bis 70 Prozent liegt (im Jahr 2008 betrug sie noch zwischen 40 und 45 Proezent) und bereits negative Auswirkungen auf den Wettbewerb hat."
Archiv: Eurozine

The Atlantic (USA), 12.07.2019

China nimmt Einfluss, und das ganz besonders in Deutschland und hier besonders in Universitäten. Wie rhizomatische Netzwerke unter dem Waldboden nutzt China allein in Deutschland Hunderte Studenvereinigungen und andere Organisationen, um einerseits Wissen nach China zu transferieren und andererseits die Studenten bei der Stange zu halten. Denn "Assimilation" ist verpönt, schreibt Didi Kirsten Tatlow. Über allem steht die "Abteilung für die Einheitsfrontarbeit des ZK der KPCh ", die für die Partei die Beziehungen zu den nicht parteigebundenen Eliten überwacht - eine äußerst undurchsichtige Organisation. "Eine grobe Zählung ergibt 230 Studentengruppen, die mit der Einheitsfront verbunden sind. Die reale Zahl dürfte um einiges höher sein. Dazu gehören deutsch-chinesische Freundschaftsgruppen, Kultur- und Wirtschaftsvereine, chinesische Handelskammern und ein Verein für 'öffentliche Diplomatie', der offen seinen Einfluss auf deutsche und europäische Politiker preist. Hinzu kommen dann noch Studentenverbände und zwanzig Konfuziusinstitute, die beide mit den Zielen der Einheitsfront übereinstimmen."
Archiv: The Atlantic

Ceska pozice (Tschechien), 21.07.2019

Die wirklichen Gefahren, die der westlichen Gesellschaft drohen, sind weder der Faschismus noch ein Rückfall in die 1930er Jahre, sondern die Zermürbung und Aushöhlung der Demokratie, meint der britische Historiker und Faschismusforscher Roger Griffin im Gespräch mit Přemysl Houda. Der Faschismus werde nicht zurückkehren, dafür sei unsere Zeit zu antifaschistisch geprägt. "Orbán und zum Beispiel auch Putin haben ein Rezept entdeckt, wie man ohne einen totalitären Staat die Macht erobern und behalten kann. Wahlen stören sie nicht, sie sind sogar froh darum, weil sie ihnen Legitimität verleihen. Wahlen abzuschaffen, ist das Letzte, was sie wollen. (…) Orbán hat ein geniales Modell erfunden. Er verletzt die Regeln der Europäischen Union und tritt ihren Geist mit Füßen, und trotzdem erhält er weiterhin Geld von ihr. Ist das nicht fabelhaft? Das sollte uns viel eher interessieren als eine zweifelhafte faschistische Bedrohung."
Archiv: Ceska pozice

Guardian (UK), 18.07.2019

Dass Religion nicht vor Barbarei schützt, lernt man aufs Neue aus dieser Reportage von den Philippinen. In dem streng katholischen Land regiert Präsident Duterte, berüchtigt für das wahllose Abschlachten angeblicher Drogenhändler, mit einer Zustimmungsrate von rund achtzig Prozent. Nur wenige lehnen sich offen gegen das Morden auf, darunter eine kleine Gruppe Katholiken. Einer von ihnen, Jun, ist im Gespräch mit dem Reporter Adam Willis überzeugt, "das Töten würde aufhören", würde die Kirche die Morde geschlossen verurteilen. Als Leser ist man sich da nicht so sicher, denn Duterte konnte öffentlich Papst und Gott verhöhnen, ohne dass ihm das geschadet hätte: "Das selbe Land, das überall auf den Straßen mit Ornamenten des Glaubens geschmückt ist, unterstützt auch mehrheitlich einen frauenfeindlichen und mörderischen Demagogen. ... Als wolle er die Grenzen seiner Blasphemie bis zum letzten austesten, hat Duterte jedes katholische Dogma, eins immer heiliger als das vorherige, verflucht. Während einer Rede 2016 in Laos sagte er den Filipinos eine Zukunft voraus, in der die katholische Kirche irrelevant wäre, und signalisierte seinen Landsleuten eine 'iglesia ni Duterte' (eine 'Kirche des Duterte'). Im vergangenen Jahr verspottete er an Allerheiligen die katholischen Heiligen als Heuchler und Irre und pries sich selbst als geeignetes Objekt der Anbetung an: 'Santo Rodrigo'. Im vergangenen Oktober zielte er noch höher, nannte Gott selbst einen 'Hurensohn' und fragte: 'Wer ist dieser dumme Gott?'"

Außerdem: Wendell Steavenson verfolgt die Aufs und Abs der französischen Küche in den letzten Jahrzehnten.
Archiv: Guardian

HVG (Ungarn), 20.07.2019

Auf den Tod der Philosophin Ágnes Heller am Wochenende in einem Badeort am Balaton / Plattensee konnten die Wochenzeitschriften in ihren Printausgaben noch nicht reagieren. Im Internet wird die bedeutende Philosophin dagegen schon ausgiebig gewürdigt. So auch bei HVG, wo der Philosoph Gáspár Miklós Tamás den Nachruf schrieb. "Ágnes Heller ist in die Nacht hineingeschwommen. Sie starb wie ein romantisches junges Mädchen in einem Schumann-Lied. (...) Trotz ihrer millionenfachen nervenden Fehler und Irrtümer, ist sie Teil unseres Lebens und des ihrer Leser und Hörer in Ungarn, in Europa, in Amerika, in Asien. Ihre scharfe Stimme, ihr jugendliches Lachen sitzt in unseren Ohren, ihre zähe, unzerbrechliche Persönlichkeit in unseren Erinnerungen. Man hatte den Eindruck, dass sie ewig leben wird - doch sie zeigte es allen und dem Schicksal und wartete den Abstieg und das späte Altern nicht ab. Das lange Leiden austricksend starb sie, dieser kerngesunde, neunzigjährige Backfisch. Und sie wird alle damit in den Wahnsinn treiben, wenn sich herausstellen wird: sie ist unsterblich. (...) Der Tod passt überhaupt nicht zu ihr, wie auch das Altern nicht zu ihr passte. Jetzt, da sie nicht mehr unter uns ist - was unglaublich ist - ist sie von denselben Emotionen umgeben wie in ihren jüngeren Jahren: von Liebe, Ärger, Polemik, Inspiration. Ich sage nicht, dass sie in Frieden ruhen soll, denn sie wird es sowieso nicht."
Archiv: HVG

La vie des idees (Frankreich), 19.07.2019

Der Klimawandel hat das Römische Reich kaputtgemacht, berichtet Gabrielle Frija nach Lektüre von Kyle Harpers Studie "The Fate of Rome - Climate, Disease, and the End of an Empire", die jetzt in französischer Übersetzung vorliegt. "'Das Jahr ohne Sommer' 536, das das kälteste Jahrzehnt in der Geschichte Europas seit 2.000 Jahren einleitete, hatte dramatische Auswirkungen auf die Ernten, die darauf folgende Pest hat vielleicht die Hälfte der Bevölkerung in den betroffenen Regionen dahingerafft. Tatsächlich beginnt diese schwere Pandemie genau in jenem kalten Jahrzehnt zwischen 530 und 540 (auch wenn der Konnex zwischen diesem klimatischen Phänomen und und der Ausbreitung der Pest nicht geklärt ist)." Frija feiert Harpers Studie als eine neue und verheißungsvolle Verbindung der Geschichtsschreibung und Klimaarchäologie, die mit neuesten naturwissenschaftlichen Methoden arbeitet.

New Yorker (USA), 29.07.2019

In der aktuellen Ausgabe des New Yorker überlegt Nathan Heller, ob das Automobilzeitalter nur ein einziger schrecklicher Fehler war: "Jede Technologie hat ihre Kosten, aber es gibt Gründe, sogar die vermeintlichen Vorteile des Autos anzuzweifeln. Freie Männer und Frauen haben sich als so katastrophale Fahrer erwiesen, dass Autohersteller sie durch Computer zu ersetzen trachten. Wenn der Mensch der Zukunft auf unser Leben mit dem Auto zurückblicken wird, wird er es als Schritt in die richtige Richtung betrachten oder als Fehlschritt? … Dan Alberts Buch 'Are We There Yet?: The American Automobile Past, Present, and Driverless' stellt fest, dass elektrisch und benzinbetriebene Autos im späten 19. Jahrhundert gleichauf waren. Benzin war sogar lange Zeit zweite Wahl. Und Samuel I. Schwartz schlägt in seinem Buch 'No One at the Wheel: Driverless Cars on the Road of the Future' vor, dass wir uns von der Idee, Autos zu besitzen, zugunsten der Vorstellung von einer geteilten Ressource verabschieden. Er favorisiert 'eine Preisgestaltung, die den privaten PKW im städtischen Raum unattraktiv macht', ohne dass Menschen in ländlichen Gebieten davon betroffen wären. Städte könnten dazu beitragen, indem sie Parkraum rar und teuer machen. Schwartz ist Fan autonom fahrender Busse und setzt sich dafür ein, dass Autofahrer für Staus, die sie verursachen, zahlen müssen. Dabei bekommt er Unterstützung von Uber. Doch mit vorschnellen Schulterschlüssen mit dem privaten Sektor ist er seit einem Treffen mit Verkehrsinnovatoren vorsichtig: 'Es war erschreckend, wie wenig die Leute über den öffentlichen Verkehr wussten und wie verliebt sie in gadgets waren. Als ich dran war, Lösungen anzubieten, schlug ich vor, für Wege von weniger als einer Meile, und die meisten Wege in der Stadt sind nicht länger, Schuhe zu benutzen, die gibt es schon seit 1600 vor Christus.'"

Außerdem: Héctor Tobar erzählt, wie er einmal Nachbar des King-Attentäters Earl Ray war. Jill Lepore widmet Herman Melville zum 200. Geburtstag ein bewunderndes Porträt. Joan Acocella erinnert an Natalia Ginzburg, einen weiblichen Literatur-Star unter Männern. Carrie Battan hört Musik von Ed Sheeran und friends. Anthony Lane sah im Kino Jon Favreaus  "König der Löwen".
Archiv: New Yorker

Novinky.cz (Tschechien), 17.07.2019

Auf dem Karlsbader Filmfestival traf Zbyněk Vlasák den slowakischen Filmregisseur Juraj Jakubisko, der sich in den 60er-Jahren einen Ruf als "slowakischer Fellini" erworben hatte. Jakubisko erzählt dazu: "Als ich 1968 mit meinem Film 'Zbehovia a pútnici' zum ersten Mal auf dem Festival in Venedig war, schrieben die Kritiker, ich hätte einen ähnlichen Blick, besäße allerdings nicht Fellinis 'Zauberkoffer'. Federico lud mich damals auf sein Boot im Hafen ein. Er servierte mir Langusten. Ich hatte so etwas nie zuvor gegessen, aber als Filmregisseur tut man so, als sei's das tägliche Brot. Es gab ein Gewitter und ich fragte Federico, was denn passiere, wenn die Wellen zu hoch werden, ob wir dann untergehen und wo er denn seinen Zauberkoffer habe, der uns rettet. Und er lachte und meinte, so etwas hätte er nicht. Wir wurden schnell Freunde, und ich habe sogar einige Zeit bei ihm gewohnt. Erst später habe ich begriffen, dass sein Zauberkoffer das Filmstudio Cinecittà war, wo man ihm auf Wunsch Schnee machen konnte, einen Sonnenuntergang oder -aufgang, was immer er wollte. Als ich ihm erklärte, dass ich für Tisícročná včela einen Sonnenaufgang in den Bergen am Abend und rückwärts filmen musste, weil ich die Schauspieler vom Nationaltheater nicht um drei Uhr morgens dorthin scheuchen konnte, hat er laut gelacht."
Archiv: Novinky.cz

Spectator (UK), 20.07.2019

Gesetze gegen Hate Speech? Bloß nicht, denkt sich die amerikanische Autorin Lionel Shriver und empfiehlt den Briten (ebenso wie den Franzosen), sich ein Beispiel am amerikanischen Supreme Court zu nehmen, der - in Gestalt von Richter Samuel Alito verkündete, dass die Meinungsfreiheit in ihrer stolzesten Form die Freiheit verteidigt, eine Meinung zu verkünden, "die wir hassen". Und: "Jetzt, da sich jedermanns Anspruch auf 15 Minuten Ruhm über Jahre erstreckt, hat das digitale Zeitalter uns gezeigt, dass die Ergüsse unserer Mitmenschen schrecklich sind. Das Geschrei des Internets enthüllt die deprimierende Verbreitung von Unwissenheit, Neid, Bitterkeit, Groll, Bosheit, Vorurteilen und Dummheit in unserer Mitte. Widerwillig denke ich, dass ich lieber über all das Gift da draußen Bescheid wissen möchte, als die Welt in wahnhafter Unschuld zu durchstreifen".
Archiv: Spectator

Magyar Narancs (Ungarn), 20.06.2019

Im Gespräch mit der Lyrikerin Orsolya Karafiáth kritisiert die Schriftstellerin und Lyrikerin Krisztina Tóth  die Tendenzen und Auswirkungen der Vermarktung im Literaturbetrieb. "Einerseits hat sich ergeben, dass ich erneut ein Kleinkind erziehe und so bleibt mir sehr wenig Privatzeit, die ich mit Schreiben verbringen kann. Andererseits mag ich die gegenwärtig modische Art des Buchmachens nicht, wenn irgendwelche Marketingleute bei den Verlagen verkaufsattraktive Themen aufwerfen und dazu einen Autor suchen. Wir sollten daran glauben, dass Schriftsteller eigene Ideen haben, sie diese auch entwickeln können, sie sollen also in Ruhe gelassen werden! Wir sollten Literatur nicht als Mittel zum Zweck betrachten! Als ich mich vor zwei Jahren dabei ertappte, dass ich mit meinen eigenen Arbeiten wegen der ganzen anderen Aufgaben nicht vorankam, sagte ich: Stop! Heutzutage werden keine Schriftsteller erwartet, sondern formbare junge Wesen, die nach Marktaspekten entwickelt werden können. (…) Ich kann und will diese Tendenz nicht bedienen, bei der der Text eigentlich zweitrangig ist und sich alles zu einer Kampagne auftürmt. Ich mag den Zirkus nicht."
Archiv: Magyar Narancs

New York Times (USA), 21.07.2019

In einem Beitrag für die aktuelle Ausgabe des Magazins zeigt Jason Zengerle die Veränderungen bei der inneren Sicherheit und im Department of Homeland Security auf, die Trumps Einwanderungspolitik soweit bewirkt hat: "Dieser Artikel basiert auf Interviews mit mehr als 20 aktuellen oder früheren Regierungsoffiziellen. Die meisten von ihnen bestanden auf Anonymität, um offen sprechen zu können, aus Angst vor Vergeltung. Das Heimatschutzministerium beantwortete eine Liste mit detaillierten Fragen nicht. Hogan Gidley, Pressesekretär im Weißen Haus antwortete auf Anfrage betreffend die Spaltung des Ministeriums: 'Das sind nur weitere falsche Vorstellungen wütender Bürokraten, die sich gegen das entschiedene Handeln des Präsidenten für ein vernünftiges Einwanderungskonzept stellen, das dem amerikanischen Volk dient.' Die Geschichte der Offiziellen ist die eines Ministeriums, das mit irrationalen Forderungen und hanebüchenen Ideen konfrontiert wird, indem sie als Speerspitze der präsidialen Politik mit der höchsten Priorität fungiert. Während der letzten zweieinhalb Jahre, ob es sich um das Einreiseverbot handelt, Familientrennung oder neuerdings die humanitäre Krise an der Grenze - befindet sich das Ministerium für Heimatschutz im Zentrum der größten politischen Kontroversen und moralischen Dilemmata der Trump-Regierung … Die personelle Fluktuation im D.H.S. hat Trumps engstem Berater Stephen Miller zu einem Ministerium mit lauter Millers verholfen. Ungeachtet der Kompromisse, die John F. Kelly und die ehemalige Ministerin für Innere Sicherheit, Kirstjen Nielsen, mit Millers Extrempolitik eingingen, bot das D.H.S. unter ihnen doch immerhin eine Art Gegengewicht oder Bremse auf dem Weg zur härtesten Einwanderungspolitik in der jüngeren Geschichte der USA. Dieses Hindernis fehlt jetzt."


Außerdem: David Marchese erkundigt sich bei Graydon Carter, Ex-Chefredakteur der Vanity Fair, über die Macht der Blattmacher. Und Claudia Rankine berichtet, wie schwer es ist, als Schwarze weiße Privilegien zu hinterfragen.
Archiv: New York Times