Reporterin Charlotte Wiedemann
berichtet von ihrem Besuch bei der
Bundeswehr in Mali, wo sie nicht nur Einblicke in die Bürokratie von Camp Castor bekam, sondern auch lernte, die Welt aus den Fenstern eines Militärfahrzeugs wahrzunehmen: "In einem solchen Gefährt, hochrädrig und tonnenschwer, wird alles draußen zur potenziellen Gefahr, alles hat Unschuld und
Anmut nur auf Vorbehalt; die Teichrosen mit weißen Blüten auf langgereckten Hälsen, die zierlichen Wasservögel. In den Reisfeldern stehen Vogelscheuchen, bekleidet mit zerrissenen Bubus; wem drohen sie? Die Route der Patrouille führt entlang von Bezeichnungen, die den Menschen, die hier leben, unbekannt sind. Das Militär legt seine eigene Kartografie
über fremde Erde, macht daraus ein Gebiet, das sich erfassen und kontrollieren lässt. Point X und Point Y sind codiert mit ihrem jeweiligen Grad an Gefährlichkeit."
Comic und Film waren von Anfang an die Medien des demokratischen Kapitalismus,
schreibt Georg Seeßlen in einer kurzen Geschichte der niederen Kultur, und beide tragen das Wild-Anarchische wie das Disziplinierende in sich: "Eine vielleicht nicht allzu verwegene These: Die kapitalistisch-demokratische Moderne benötigt noch vor den Inhalten die Wahrnehmungstechniken von Comic und von Film zur Einübung der notwendigen Dynamik. Comics und Filme entsprechen nicht nur der zweiten Industrialisierung, dem Fordismus, sie schaffen auch eine ästhetische Grundlage dafür.
Donald Duck und
Laurel & Hardy bekommen nicht nur Prügel, wie
Theodor W. Adorno missmutig anmerkt, damit sich das Publikum
an die eigene Prügel gewöhnt, sie lernen auch, sich im Tempo der neuen Zeit zu bewegen, oder zeigen, wie man dabei scheitern kann, um sogleich wieder aufzustehen und weiterzumachen. Comics und Filme waren auch deshalb so notwendig, weil sich die bürgerliche Kunst der technischen und ökonomischen Modernisierung der Lebenswelt weitgehend entzog. Sie erstarrte, zum Beispiel in der Abstraktion, auf grandiose Weise, sie löste sich von Konventionen und Traditionen, aber der Teil von ihr, der den Blick auf Fabriken und Maschinen, auf Verkehr und Massen, auf Kaufhäuser und Straßenszenen,
auf Proletariat und Entwurzelte richtete, wurde vom klassischen bürgerlichen Publikum hochnäsig abgewertet."
Weiteres: Tigrane Yegavian blickt auf die Protestbewegung in
Armenien, die den charismatischen
Nikol Paschinjan an die Regierung gebracht hat. Jean-Arnault Dérens und Laurent Geslin erzählen vom großen
Exodus aus dem westlichen Balkan. Und mehrere Texte befassen sich mit Donald Trump, seiner Sanktionspolitik und dem Gipfeltreffen mit Kim Jong Un.