Magazinrundschau

Abstrakte Modelle der Differenz

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
13.08.2019. In Lidove noviny erklärt der rumänische Schriftsteller Vlad Zografi, warum ein Physikstudium alle rationalistischen Illusionen beseitigt. Eurozine stellt eine dreiteilige Doku über rumänische Immigranten in Britannien vor. Der New Yorker versucht zu verstehen, was ein Rassist ist. La Regle du Jeu beschreibt den Bevölkerungsaustausch in Texas. Die New York Times lernt von dem Rohingya Futhu, dass es auch einen Genozid des Verstandes gibt. Und Le Monde diplomatique begreift, warum es in Tunesien so schwierig ist, das Erbrecht zu ändern.

Le Monde diplomatique (Deutschland / Frankreich), 08.08.2019

Morgen feiert Tunesien den Tag der Frau, aber wie Akram Bekkaid berichtet, wird wohl auch in diesem Jahr das bahnbrechendes Gesetz zur Gleichstellung der Frau im Erbrecht nicht durchkommen. Selbst im fortschrittlichen Maghreb-Land ist der Widerstand groß, auch hier soll die Frau nur die Hälfte dessen erben, was der Mann bekommt, wie es der Koran verlangt: "Viele Tunesier, die die Gleichstellung in Erbangelegenheiten eigentlich befürworten, weisen auf die Konsequenzen hin, die eine solche Reform nach sich ziehen würde. Und wenn man die islamischen Rechtsgelehrten (Ulema) nach den Gründen für diese krasse Ungleichheit fragt, erklären sie, dass der Islam zur Zeit seiner Entstehung dazu beigetragen habe, die Stellung der Frau zu verbessern, indem er ihnen unter anderem erlaubte, überhaupt zu erben. Das war damals unter der Bevölkerung der Arabischen Halbinsel nicht immer der Fall. Die Halbteilregel sei außerdem gerechtfertigt durch die Belastungen, vor allem finanzieller Art, die mit der gesellschaftlichen Rolle des Mannes einher gingen: Ein neues Erbrecht müsste an eine grundlegende Reform auch des Status des Mannes als 'Familienoberhaupt' gekoppelt werden - laut Gesetz ist der Mann dazu verpflichtet, für den Unterhalt der gesamten Familie zu sorgen. Es ist allerdings fraglich, ob die tunesischen Männer bereit sind, diese dominante Rolle aufzugeben, obwohl sie mit finanziellen Lasten und Verpflichtungen verbunden ist. Auch hier erweisen sich die alten patriarchalen Reflexe als überaus zählebig - und das gilt wie gesagt nicht nur für die Islamisten."

Weiteres: Loïc Ramirez beschreibt das Geflecht bewaffneter Gruppen aus Militärs, Paramilitärs, Guerillas und Narcos, die in Kolumbien auch nach dem Friedensschluss von Regierung und Farc noch immer aktiv sind. Adam Shatz erinnert an Edward Saids vor vierzig Jahren erschienene, einflussreiche Studie über den "Orientalismus", die eben diesen als "Diskurs der Mächtigen über die Machtlosen" beschrieb.

HVG (Ungarn), 28.07.2019

Institutionen wie der "Beauftragte für die Patriotisierung des nationalen Curriculums" oder das neue "Institut für die Erforschung des Ungarntums" stehen als Beispiele dafür, dass die Umgestaltung des kulturellen Kanons weitergeht, nachdem beinahe aller Posten in Medien, Bildung und Kultur mit Personen aus dem Umfeld der Regierungspartei besetzt wurden. Der junge Historiker Péter Csunderlik prangert die jüngeren Entwicklungen an und ruft zum Protest auf. "Wenn die orbanistischen 'Kulturkämpfer' kein Ergebnis aufweisen können, wollen sie wenigstens die Erinnerung an jene auslöschen, zu denen sie im Vergleich bedeutungslos sind. Wegen dieser Frustration greifen sie mit denselben Emotionen zur Axt wie der zum Romanschreiben unfähige Jack Torrance. Wenn der 'Beauftragte für die Patriotisierung des nationalen Curriculums' die Ausradierung von Péter Esterházy verlangt oder ein Regimehistoriker bei jeder Gelegenheit beleidigt vorträgt, dass er nicht zum Mitglied der Akademie gewählt wurde (jetzt vielleicht), weil die Mitglieder 'durch ein eigenartiges ethnisches Band verbunden seien', dann muss man nicht Wissenschaftler am 'Institut zur Erforschung des Ungarntums' sein, um diese Bemerkung zu verstehen. Wenn diese Personen als Stargäste in die Schulen unserer Kinder eingeladen werden, damit sie Schriftsteller des 20. Jahrhunderts verunglimpfen, dann sollten wir protestieren. Denn wenn wir Minderjährige von Pornografie fernhalten, dann müssen wir sie auch vor solchen Theorien beschützen."
Archiv: HVG

Times Literary Supplement (UK), 09.08.2019

Ohne erkennbaren Anlass, aber sehr einleuchtend führt Patrick Wilcken durch das strukturalistische Denken des Anthropologen Claude Lévi-Strauss, erklärt seine Theorien zum Mythos, zur sinnlichen Abstraktion und zum Totemismus. Von den ersten Versuchen des 20. Jahrhunderts, Totem und Tabu rational zu erklären, hielt Lévi-Strauss nicht viel: "Totemismus als Institution zu betrachten, hielt Lévi-Strauss für eine Illusion. Stattdessen betrachtete er ihn als einen Aspekt und ein Mittel des logischen Denkens. Auf der einen Seite gab es menschliche Verwandtschaften, auf der anderen Seite konzeptuelle Unterschiede zwischen Pflanzen und Tieren. Verwandte Stämme wählten kontrastierende Totems - Seeadler/Fischadler oder Lachs/Bär zum Beispiel -, um abstrakte Modelle der Differenz zu entwerfen. Diese wurden als Mittel genutzt, um über die soziologische Verwandtschaft zwischen der eigenen und der anderen Gruppe nachzudenken. Die Aufgabe des Anthropologen war, die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Sets von Unterschieden zu finden. 'Natürliche Arten wurden nicht gewählt', lautete Lévi-Strauss berühmte Formel, 'weil sie gut zum Essen waren, sondern gut zum Denken'."

Lidove noviny (Tschechien), 11.08.2019

Radim Kopáč unterhält sich mit dem (hierzulande noch zu entdeckenden) rumänischen Schriftsteller Vlad Zografi, der zugleich studierter Physiker ist. "Ich hätte lieber Philosophie studiert, aber damals bedeutete Philosophie Marxismus. Viele meiner Generationsgefährten wählten naturwissenschaftliche Fächer, um sich dem ideologischen Druck zu entziehen und wenigstens auf intellektueller Ebene vom Kommunismus unabhängig zu sein. (…) Das Studium der Quantenphysik und die Vertrautheit mit den Gödelschen Theoremen haben mich paradoxerweise von rationalistischen Illusionen befreit und bestätigt, was ich schon ahnte: dass sich die Welt mittels der Wissenschaft nichts vollends begreifen lässt." Über das heutige Rumänien meint Zografi, der neben seiner Tätigkeit als Prosaautor, Dramatiker und Essayist auch Ionesco ins Rumänische übersetzt hat: "Einige leben gut, die meisten schlecht. Viele Rumänen sind in den Westen ausgewandert, womöglich über neun Millionen. Nach den Syrern haben wir offenbar die größte Anzahl von Emigranten - und dafür haben wir noch nicht einmal einen Krieg benötigt. Es ist die Folge der Korruption, die sich in der Gesellschaft wie ein Krebs ausbreitet und von stupiden, habgierigen und gänzlich verantwortungslosen Politikern gezüchtet wird, die unfähig zu längerfristigen Perspektiven sind." Das einzig Gute sei das Gefühl der Freiheit, das er nach wie vor sehr stark empfinde.
Archiv: Lidove noviny

Eurozine (Österreich), 05.08.2019

In einem sehr lesenswerten Beitrag zeigt Diana Georgescu, wie die dreiteilige Doku "The Romanians are Coming", mit der der britische Channel 4 2015 darstellen wollte, wie es rumänischen Immigranten in Britannien ergeht, alte Vorurteile weiterschreibt: "Der Film folgt den Protagonisten auf ihrem Weg aus rumänischen Slums bis nach London und weiter durch Britannien, wo sie versuchen, ihre Familien aus der Armut zu befreien. Die Serie zeigt die Hauptfiguren dabei, wie sie Steuergelder und das britische Gesundheitssystem für ihre Familien nutzen (und manchmal auch ausnutzen). Die zweite Folge, die eigentlich der Immigration der Mittelklasse gewidmet sein sollte, zeigt eine Krankenschwester aus Constanta, die als Pflegerin in einem Altersheim in Sheffield endet. Der Fokus liegt auf Menschen ohne Ausbildung, unvermittelbaren, leicht ausbeutbaren Arbeitskräften, die auf der Straße oder in überbelegten Wohnungen hausen. Um der Authentizität willen wirkt ein junger Roma, Alex, mit gebrochenem Englisch als Erzähler, für viele britische Journalisten ein ausreichender Beleg dafür, dass die Geschichte komplett aus Immigrantenperspektive erzählt wird. Alex wurde nicht zuletzt deswegen ausgewählt, weil seine Stimme Angstmacher wie Farage in Frage stellt. Er zwingt den Zuschauer, sich gegen die Stimmungsmache von Politikern zu stellen und nennt Statistiken über steuerzahlende Rumänen in Arbeit. In welchem Umfang Alex die Stimmen und Meinungen der Produzenten wiedergibt, wurde allerdings nie untersucht. Mit der Behauptung, sie ließen die Immigranten 'für sich selbst sprechen' geben die Produzenten die Verantwortung für die Perspektive auf rumänische Immigration gleichsam ab. Ein unvermeidlicher Vorgang bei der Vermittlung der 'Wahrheit hinter den Schlagzeilen'. Mit dem Fokus auf Migration fängt die Dokumentation die Spaltung Europas ein - zwischen dem alten und dem neuen, post-1989-Europa."

Dazu passt ein anderer Artikel des Magazins, in dem der rumänische Historiker Lucian Boia über rumänische Identität im Wandel nachdenkt: "Nach der sogenannten Latinisten-Theorie sind die Rumänen direkte Nachfahren der Römer, die Anfang des zweiten Jahrhunderts vor Christus Dakien eroberten. Die dakische Komponente wurde in dieser Sichtweise komplett aus der Geschichte entfernt. Die Vorstellung von der 'latinischen Reinheit' des rumänischen Volkes, die die Trennung zwischen Nationalgesellschaft und slawischer Welt unterstreicht und Hand in Hand geht mit der Neigung, den Westen als politisches und kulturelles Vorbild anzuerkennen, wurde Mitte des 19. Jahrhundert infrage gestellt."
Archiv: Eurozine

New Yorker (USA), 19.08.2019

Mit leicht hochgezogener Augenbraue stellt Kelefa Sanneh zwei Bücher vor, die sich mit der Frage beschäftigen, was ein Rassist ist. Die weiße Trainerin für Diversität am Arbeitsplatz, Robin DiAngelo, erklärt in "White Fragility: Why It's So Hard for White People to Talk About Racism" alle weiße Identität für an sich rassistisch. Sie selbst bemüht sich nach eigener Aussage "weniger weiß" zu sein, wie Sanneh mit mildem Spott zur Kenntnis nimmt. Etwas gehaltvoller findet er das Buch des schwarzen Historikers Ibram X. Kendi, "How to Be an Antiracist". Aber auch hier stolpert er, denn Kendi hält schlichtweg jede Form der Kritik an Afroamerikanern für rassistisch. Danach ist Barack Obama ebenso Rassist wie ein stolzer Sklavenhalter, wenn er - wie 2008 - den Zerfall schwarzer Familien beklagt und dafür die geringen Aufstiegsmöglichkeiten für Afroamerikaner verantwortlich macht, aber auch die Mitverantwortung der afroamerikanischen Community für die Zustände anspricht. Wenn das Wort "rassistisch" dann auch noch "ständig im Lichte neuer Politikforschung neu kalibriert werden muss, dann verliert es die emotionale Resonanz, die ihm überhaupt erst Macht verleiht", meint Sanneh. "Verbrechen stellt für Kendi ein konzeptionelles Problem dar. Wie die meisten Menschen wissen, sind Afroamerikaner sowohl bei den Opfern als auch bei den Tätern von Gewaltverbrechen in Amerika stark überrepräsentiert, was ein deutlicher Beweis für die hartnäckige Rassenungleichheit des Landes ist. Aber Kendis Ansatz verbietet es, von Kriminalität als einem besonderen 'Problem' in schwarzen Stadtvierteln zu sprechen; er meint, dass weiße Stadtviertel ihre eigenen Gefahren haben, einschließlich krimineller Bankiers (sie 'könnten deine Lebensersparnisse stehlen') und Verkehrsunfälle in Vororten".

Außerdem: Alex Ross würdigt den Komponisten Erich Wolfgang Korngold. Carrie Battan hört Schlafzimmerpop von Clairo. Und Anthony Lane sah im Kino "After the wedding" von Bart Freundlich.
Archiv: New Yorker

La regle du jeu (Frankreich), 11.08.2019

Der Attentäter von El Paso verfocht die rechtsextreme, übrigens zuerst in Frankreich ausgedachte Verschwörungstheorie des "Bevölkerungsaustauschs". Welch eine bittere Ironie der Geschichte, schreibt David Isaac Haziza, wenn man die Geschichte des Staates Texas betrachtet. Hier hatten zunächst die Spanier die Ureinwohner "ausgetauscht", nach deren Wort für "Freundschaft" Texas bis heute benannt ist. Dann ließen die Spanier zu, dass ein paar versprengte Siedler aus dem Norden hinzuzogen, meist Protestanten. Aber die wurden immer mehr. Und "da sich eine Mehrheit der Texaner den Vereinigten Staaten anschließen wollte und der Expansionismus der letzteren so auf seine Kosten kam, annektierte man 1844 die ephemere Republik von Texas, aus der im folgenden Jahr ein neuer Bundesstaat wurde. Zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko, das sich von seinem Nachbarstaat verraten sah..., war der Krieg unvermeidlich, und dies um so mehr als die Vereinigten Staaten darin das Mittel erblickten, sich weitere mexikanische Territorien einzuverleiben, etwa das vielversprechende Kalifornien."
Archiv: La regle du jeu

London Review of Books (UK), 12.08.2019

Die LRB hat Stimmen gesammelt zum kalamitösen Zustand der britischen Demokratie. Die AutorInnen von Mary Beard bis David Runciman übertreffen sich an düsteren Szenarien, niemand weiß einen Ausweg. Der Historiker Neal Ascherson etwa umreißt seine Prognose für den Herbst: "Wir werden recht bald in eine Sackgasse gelangen, das Toben obszöner Karikaturen erleben, eine weitere Meuterei bei den Tories und schließlich den fiesesten, schmutzigsten Wahlkampf in hundert Jahren."

Die Philosophin Lorna Finlayson sieht Britannien in einer noch übleren Sackgasse: "Die meisten Menschen wollen nur noch, dass die Brexit-Frage so oder so geklärt wird, damit sie nichts mehr davon hören müssen. Das aber ist das einzige, was mit Sicherheit nicht passieren wird. Wenn Britannien die EU verlässt, werden die Rufe nach einer Rückkehr anhaltend und betäubend sein. Wenn wir drin bleiben, werden die Gespenster des Brexits niemals ausgetrieben werden, und die Dolchstoß-Legende, die Brexiteers schon jetzt lancieren, wird unaufhörlich dazu verwendet werden, um zu spalten und unterhalten."

Cosmopolitan (USA), 07.08.2019

Um manche Jobs kann man seine Mitmenschen wirklich nicht beneiden: Andrea Stanley hat eine aus guten Gründen anonym bleibende Polizistin besucht, die sich undercover durch Onlineforen und -Communities wühlt, in denen Männer sich in ihrer vermeintlich verletzten Ehre gegenseitig ideologisieren, anstacheln und in detailliert ausgemalten Gewaltfantasien gegenüber Frauen und Minderheiten solange übertrumpfen, bis einer von ihnen tatsächlich zur Tat schreitet und ein Massaker anrichtet. Die Frau - Stanley nennt sie K - wertet plattformübergreifend Profile aus, dokumentiert Chatverläufe und kundschaftet nach außen hin abgeschottete Zusammenhänge aus - bis sie sich sicher ist, dass einer der beobachteten Leute so radikalisiert ist, dass eine Tat unmittelbar bevorsteht, um dann ihre Vorgesetzten zu alarmieren. Einige Anschläge konnten so bereits verhindert werden. "K hat derzeit mehr als 1000 Männer im Fokus. Sie nennt sie 'ihre Liste'. Sie befinden sich genau hier, in einer Tabelle - zahlreiche Seiten voller Gesichter, helle Augen und speckige Wangen, dunkle Augen und tief sitzende Pickel, alte Haut, neue Haut. Ein Typ wohnt keine Meile weit von ihr entfernt. 'Ich kenne ihre Onlinenamen, ihre echten Namen, ihre falschen Namen und weiß auch, wenn sie ihre Namen ändern', sagt sie. ... Ihre genauen Methoden kann ich nicht offenlegen, aber ich will es mal so sagen: Wer auch immer im Netz offen seinen Hass auf Frauen artikuliert, hat sie im Netz wahrscheinlich schon mal angefunkt - ob es um Motorräder ging oder um Familienangelegenheiten. In dieser Hinsicht sind die Männer verletzbar, weil sie den Drang haben, sich selbst auszustellen. Das Internet ist ihr Megafon, die beste Art, ihre Schüler zu erreichen."
Archiv: Cosmopolitan

Magyar Narancs (Ungarn), 09.08.2019

In einem Interview mit Anita Marko spricht der Schriftsteller Pál Závada anlässlich seines neu erschienen Romans über Kompromisse und Gleichgültigkeit gegenüber der Macht und wehrt sich gegen Angriffe aus dem Regierungslager. "Wir können es erneut aufzählen, damit klarer als sonnenklar wird, was hier läuft, doch all das löst kaum noch Entrüstung aus. Ende des letzten Jahres gab es eine Demonstrationswelle, ein wenig Hoffnung schimmerte auf - dass wir sie abebben ließen, dass erneut Gleichgültigkeit herrscht, das ist unsere gemeinsame Schande. In der Zwischenzeit werden die Räume immer enger. Viele von uns wurden letztes Jahr (…) wiederholt verunglimpft, unter anderem wurde gefragt, was wir im Literaturmuseum täten. Was wohl? Wir versuchten unsere Arbeit zu tun, verabschiedeten trauernd Imre Kertész und Péter Eszterházy. Und auch jetzt stellen die Verluste das größte Problem für unsere Literatur dar, dass János Térey starb, davor Dezső Tandori."
Archiv: Magyar Narancs

New York Times (USA), 13.08.2019

In einem Beitrag für die aktuelle Ausgabe des Magazins erzählt Sarah A. Topol die ergreifende Geschichte des jungen Lehrers Futhu, der als Angehöriger der Minderheit der Rohingya aus seiner Heimat Myanmar, wo er schwer misshandelt wurde, nach Bangladesch flüchten musste: "Ich verbrachte insgesamt einen Monat in den Camps in Bangladesch und hörte mir Geschichten über Vergewaltigung und Zerstörung an, doch auf eines war ich nicht vorbereitet: den Genozid des Verstandes. Ein Volk kann Massenmord überleben, die Überlebenden können neu anfangen. Aber was geschieht, wenn einem Volk seine Identität genommen wird und es immer wieder ausgelöscht wird, wenn ihm über Generationen immer wieder eingebläut wird, dass es nicht existiert, und sogar die Schlausten aufgeben zu denken, zu schreiben und zu lehren? Genau darauf zielte die burmesische Regierung ab … Als ich das Camp verließ, gab ich Futhu ein Notizbuch als Geschenk, für den Fall, dass er seine Inspiration zurück gewänne. Er sagte mir, dass ihn in Myanmar der Tod erwarte. Später schrieb er über Whatsapp, dass er wieder Tagebuch schreibe und davon träume, für einen Computer zu sparen. Einige Wochen später erzählte er von seinem Engagement in einem Projekt gegen Erdrutsche und einem für eine neue Schule, wo er Burmesisch, Englisch und Mathe lehren würde  … Dezember war die Schule fertig, aber es fehlte an Geld für die Instandhaltung und die Lehrer, weil die Flüchtlinge keine Arbeit haben. Das Projekt gegen Erdrutsche ging voran, Futhu schickte Bilder von Bäumen und Pflanzen. Er schrieb über einen Traum mit seinem Vater, wie sie vor dem burmesischen Militär davonrannten  oder über das Leben sprachen, und wie sehr ihn der Verlust seiner gesammelten Geschichten schmerze. Er fragte stets nach diesem Artikel, er wollte wissen, was die Amerikaner über die Rohingya dachten."

Außerdem: Matt Flegenheimer beschreibt die gegenseitige Abneigung zwischen den New Yorkern und ihrem Bürgermeister Bill di Blasio. Und im Interview entlockt David Marchese Nicolas Cages philosophische Gedanken zur Aura des Schauspielers. Auf der Meinungsseite kommentiert ein hoffnungsloser Mohammed Hanif den Kaschmir-Konflikt.
Archiv: New York Times