Magazinrundschau

Mit meiner Frau, nein

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
14.06.2011. In Himal erklärt Pervez Hoodbhoy, warum nicht mal Dschihadisten um Osama bin Laden trauerten. In Rue 89 erklärt Habibou Bangre, warum marokkanische Ehemänner beim Sex nur den halben Spaß haben. Dem Spectator vergeht in New York der Appetit. Der Rolling Stone porträtiert den einzigen Mann, der Rupert Murdoch wie einen Linken aussehen lässt. In Poetry spürt Clive James dem Klang von Eliots ABC Restaurants nach.

Himal (Nepal), 01.06.2011

Der Nuklearphysiker Pervez Hoodbhoy entwirrt die komplizierte Gemengelage innerhalb von Pakistan und zwischen Pakistan und den USA nach dem Tod Osama bin Ladens. Oh, und warum blieb der Held des Dschihad eigentlich so seltsam unbetrauert? "Scheffel saudischer Rials haben das bewirkt. Sunnitische Dschihadgruppen in Pakistan betrachten sich jetzt immer mehr als Prätorianergarde des saudischen Regimes, dass sie wiederum finanziert. Als ein radikalisierter Bin Laden sich mit Gewalt gegen sein Geburtsland Saudi-Arabien wandte, schuf er einen tiefen Graben zwischen Al Qaida und einigen pakistanischen Dschihadgruppen. Amir Rana, ein bekannter Terrorismusexperte, bemerkte, dass Publikationen der Jamat-ud-Dawa, eine Gruppe, deren Anhänger für den Anschlag auf Mumbai verantwortlich waren, jetzt Loblieder auf das saudische Königreich singen. Die JuD arbeitet aktiv daran, antisaudische Kampagnen von pro-schiitischen Elementen in Pakistan zu entschärfen, die Demonstrationen gegen die saudische Militärintervention in Bahrain veranstalteten."
Archiv: Himal

Le Monde diplomatique (Deutschland / Frankreich), 10.06.2011

Jean-Luc Racine schildert die wenig ermutigende Lage in Pakistan nach der Tötung Osama bin Ladens, die zu keinerlei Umdenken geführt habe: "Einige mutige Journalisten in Pakistan riskierten es, nach der US-Aktion von der pakistanischen Armee Rechenschaft zu fordern oder sogar offen zu schreiben, was viele denken: 'Wenn wir nichts gewusst haben, sind wir ein gescheiterter Staat, wenn wir aber Bescheid wussten, sind wir ein Schurkenstaat.' Obwohl einige Stimmen eine vollständige strategische Neuorientierung Pakistans forderten, ging es in der öffentlichen Debatte bald nur noch um die Frage der nationalen Souveränität. Die Regierung, führende Politiker der Opposition und die Medien verurteilten einstimmig den Übergriff der USA... Das Militär wiederum beklagte vor allem, dass die bloße Anwesenheit bin Ladens in einer Garnisonsstadt eine 'Verleumdungskampagne gegen Pakistan' ausgelöst habe. Und als ISI-Chef Pasha seinen Rücktritt anbot, lehnten der Staatspräsident ebenso wie der Ministerpräsident und das Parlament ab."

Im Jemen gehen die Proteste gegen den mittlerweile ausgereisten Präsidenten Ali Abdullah Saleh weiter. Laurent Bonnefoy und Marine Poirier liefern einen spannenden Hintergrundbericht zur Lage im Land, dessen Zersplitterung in Parteien, Clans, Religionen und Generationen sich bisher immer auch auf die Opposition übertrug. Doch dies könnte sich jetzt ändern, meinen die beiden Autoren. Die Solidarität werde zum zentralen Prinzip des Wandels: "Gleichzeitig hat sich auch ein neues Bild der Jugend herausgebildet: als politisch, aber nicht parteigebunden, pluralistisch und autonom. Anstelle der sektiererischen oder regionalistischen Symbole von früher dominieren heute auf den großen Plätzen die Nationalfarben und die Nationalhymne. Viele Beobachter fragen sich deshalb, ob die Einheit des Jemen, die viele schon am Zerfallen sahen, sich nicht im Gegenteil eher festigt."

Außerdem eruiert Alain Gresh, wie sich der arabische Frühling auf Palästina auswirkt, da PLO und Hamas mit Hosni Mubarak in Ägypten und Baschar al-Assad in Syrien jeweils ihre stärksten Unterstützer verloren haben. Und es gibt einen Text von Alexander Smoltzcyk über Bahrain als Vorabdruck aus dem Buch "Die arabische Revolution".

Prospect (UK), 25.05.2011

Fast zehn Jahre nach dem 11. September lässt Adam Kirsch die seitdem erschienene amerikanische Literatur zum Thema - von Don DeLillos "Falling Man" bis John Updikes "Terrorist" - Revue passieren und zeigt sich mit keinem der Bücher zufrieden. Schuld, meint er, sei die typisch "amerikanische Direktheit" in der Herangehensweise. Einige Autorinnen und Autoren widersprechen gleich unter dem Artikel, Siri Hustvedt etwa, und auch Stephen Merrill Block, der eine viel einfachere Erklärung hat: "Um die Tragödie vom 11. September zu verstehen, brauchen wir keine Fiktion. Die Medienberichterstattung von den Ereignissen war auf zuvor unerhörte Weise umfassend und intim; an jenem Tag sahen wir alle die Türme und die Körper fallen... Wenn Autoren das geteilte öffentliche Trauma in ihren fiktionalen Werken zu reimaginieren versuchen, kann einem das schnell etwas pervers vorkommen, als wollten sie den Vorrang ihres eigenen Intellekts im Angesicht einer Tragödie behaupten, die wir alle gemeinsam erlebten."
Archiv: Prospect

Rue89 (Frankreich), 12.06.2011

Habibou Bangre spricht mit der marokkanischen Sexualwissenschaftlerin Amal Chabach, die in ihrem neuen Buch feststellt, dass marokkanische Paare, auch wegen der besseren Bildung der Frauen, immer mehr die gegenseitige Lust und den Spaß am Sex suchen. Die Sache hat allerdings ihre Grenzen: "Arabische Männer lehnen den Cunnilungus im allgemeinen ab. Das Geschlecht berühren? Naja, zur Not. Aber Cunnilingus auf keinen Fall! Jüngere sind aber offener. Was die Fellatio angeht, so geschieht sie nicht im Rahmen der Ehe. Außerhalb der Ehe kann sich der Mann das aber erlauben (lacht). Es ist ein bisschen zwiespältig, aber so erzählen sie es mir. Sie sagen klar: 'Mit meiner Frau, nein, das geht nicht. Meine Frau ist meine Frau.' Der Madonna-Komplex."
Archiv: Rue89
Stichwörter: Rue89

Magyar Narancs (Ungarn), 02.06.2011

Die liberale Wochenzeitung Magyar Narancs freut sich über die Festnahme von Ratko Mladic und vor allem, dass damit Serbien eine zweite Chance erhält: "Der nationalistische Abschaum, der von den schmutzigen Wellen des Krieges in die staatlichen Schlüsselpositionen katapultiert wurde, war vor acht Jahren noch stark genug, um den Ministerpräsidenten Zoran Djindjic, der Slobodan Milosevic nach den Haag überwiesen hatte, zu ermorden oder sich zumindest über die Ermordung zu freuen. Und bislang schien er auch stark genug, Serbien als Geisel festzuhalten, indem er die Sünden, die im Namen der Serben und unter Beteiligung des serbischen Staates begangen wurden, bestritt. Doch während eine Festnahme Mladics im Jahr 2001 möglicherweise noch zu einem Staatsstreich geführt hätte, haben jetzt nur wenige tausend Menschen dagegen protestiert. Und im Prozess gegen Mladic wird sich jene Ideologie, in deren Namen diese schrecklichen Taten verübt wurden, in ihrem vollen Ausmaß zeigen, während der Nationalheld als kaltblütiger Massenmörder entlarvt wird. Welche Kräfte sich dagegen auch stemmen mögen, und wie stark auch die Massen der serbischen Bürger oder Teile der serbischen Politik dazu neigen zu vergessen, zu verdrängen oder die Opfer zu beschuldigen - all dies kann nun weder bestritten noch verschwiegen werden."

Jene, die spätestens seit 2001 einen religiös-kulturellen Weltkrieg zwischen den arabischen Ländern und dem Westen erwartet hatten, müssen nun erkennen, dass die Araber uns ziemlich ähnlich sind: Sie nutzen das Internet, sprechen Fremdsprachen und sind unzufrieden mit ihren Regierungen. Allmählich verliert auch jenes hartnäckige Interpretationsmuster an Glaubwürdigkeit, das die Ereignisse der arabischen Welt ausschließlich mit dem Islam erklären will, meint die Entwicklungsberaterin und außenpolitische Expertin Agnes Rajacic: "Auch wenn die alten Erklärungsmuster noch existieren, ist es doch unmöglich zu verkennen, dass es der Staat war, der in diesen Ländern blutige Auseinandersetzungen schürte und seine eigenen Bürger ermordete; und dass mehrere Millionen Frauen und Männer in ihrer Sehnsucht nach Freiheit Jahrzehnte alte Diktaturen stürzten. Die kulturellen Irrtümer des Westens bezüglich der arabischen Welt werden nach und nach widerlegt. Auch die Theorie Huntingtons können wir begraben: ein 'Krieg der Kulturen' wird nicht stattfinden."
Archiv: Magyar Narancs

Spectator (UK), 04.06.2011

New York geht vor die Hunde, meint Brendan O'Neill, und Schuld daran ist Bürgermeister Bloomberg, der die Stadt in eine Art Gesundheitsdiktatur verwandelt. Erst wurde das Rauchen auch in Parks verboten. Dann wurden Restaurants verpflichtet, die Kalorienzahl ihrer Speisen in derselben Schriftgröße zu annoncieren wie die Speisen selbst (Lust auf einen Brownie, 1500 Kalorien?). Und jetzt sollen Sozialhilfeempfänger mit ihren Essensmarken keine Softdrinks mehr kaufen dürfen. "Die meisten Anstöße dazu kamen von Thomas Farley, der sowohl von Blomberg als auch den linken Medien als ein bewundernswert dünner joggender Aficionado unterstützt wird, der an die Macht des Knuffs glaubt, die Bürgerschaft rundzuerneuern. Er ist ein 'Supermann' wie die NYT kürzlich schwärmte, mit 'Beinen wie ein Grashüpfer' (würg), weil er 'sieben Tage die Woche trainiert, sein Gemüse liebt und nie eine Zigarette geraucht hat' (langweilig). Dieser flauschige Fan-Artikel wurde mit einem Bild von Farley illustriert, der ein Workout von nicht so dünnen schwarzen New Yorkern anführt, auf Grashüpferbeinen, die so sicher ein Zeichen seiner Überlegenheit sind, wie es seine weiße Haut vor 100 Jahren war."
Archiv: Spectator
Stichwörter: O'Neill, Brendan, Zigarette

Le Monde (Frankreich), 12.06.2011

Tahar Ben Jelloun verliert selten die Fassung. Sein Kommentar zum Foltertod des 13-jährigen syrischen Jungen Hamzah lässt allerdings an Drastik nichts zu wünschen übrig: "Diese Täter sind Ratten, nicht einmal Wölfe, einfach nur blutige bedröhnte Ratten. Ihre Nächte werden von Kindergespenstern bevölkert sein. Leicht wie Schmetterlinge werden sie an erleuchtete Fensterscheiben stoßen. Denn ich bin sicher, dass die Mörder gut schlafen werden. Ihre kriminelle Brutalität wird nur neue Foltersitzungen und Tote bringen. Sie wurden im stinkenden Sumpf der Baath-Partei gezüchtet, der totalitären Ideologie dieses Regimes."
Archiv: Le Monde
Stichwörter: Ben Jelloun, Tahar

Rolling Stone (USA), 09.06.2011

Tim Dickinson porträtiert sehr ausführlich den Bösesten der Bösen, den einzigen Mann, der wahrscheinlich noch böser ist als Rupert Murdoch, nämlich Roger Ailes, der Fox News mit rechten Verschwörungstheorien und gnadenlosen Kampagnen für den rechten Rand der Republikaner so profitabel machte, dass Murdoch auf seine Gewinne nicht verzichten kann. Ailes ist so böse, dass ihn sogar Murdochs Familie hasst. Kein Wunder: "Im Jahr 2005 landete Ailes einen eiskalten Coup innerhalb der Company und schaffte es, Murdochs Sohn Lachlan, den gesalbten Nachfolger von News Corp. abzusetzen. Ailes übernahm nicht nur Lachlans Aufgaben und wurde Chef von Fox Television. Er beanspruchte sogar Lachlans Büro im achten Stock." Dickinson beschreibt einige der finstersten Machenschaften Ailes', etwa die "muslimischen Gerüchte" über Obama, und konstatiert am Ende, dass die Republikanische Partei heute genauso abhängig ist von Ailes wie Murdoch.
Archiv: Rolling Stone

Polityka (Polen), 10.06.2011

Adam Szostkiewicz stellt das Krakauer Museum Emaillefabrik des Oskar Schindler vor, das in den ersten sechs Monaten nach seiner Eröffnung 2010 von 114.000 Menschen besucht wurde. Vor der Eröffnung hatte es allerdings erbitterte Diskussionen gegeben: "Manche konnten nicht begreifen, dass es im besetzten Krakau einen Deutschen gab, der sich Polen und Juden gegenüber wie ein Mensch verhielt. Hinzu kommt, dass dieser Deutsche Mitglied der NSDAP, Agent der Abwehr und Fabrikant mit guten Beziehungen zu der Naziregierung von Krakau war. Jemand, der so denkt, ist nicht in der Lage, sich für die Idee zu erwärmen, in Krakau ein Museum zu eröffnen, in dem Schindler eine positive Gestalt, ein guter Deutscher, ein Held sein würde. Vielleicht hatte sich Schindler mit seinen Juden für den Fall von Hitlers Niederlage absichern wollen? Doch es gewann eine andere Denkart die Oberhand."

Außerdem: In der letzten Woche resümierte Adam Krzeminski den Stand der deutsch-polnischen Beziehungen 20 Jahre nach Abschluss des deutsch-polnischen Vertrages.
Archiv: Polityka

Poetry (USA), 01.05.2011

Der australische Dichter Clive James denkt in einem schwungvollen Essay darüber nach, wann die Dichter anfingen, Produkte beim Namen zu nennen. Ernest Dowson, inspiriert von französischen Künstlern, tat es zuerst, Pound, Eliot, Betjeman oder Larkin folgten, verführt von der billigen readymade-Poesie der Reklamesprüche. Aber nur Markennamen aufzählen reicht natürlich nicht, es muss etwas hinzukommen: "In Eliots Gedichten gab es nicht nur 'sawdust restaurants with oyster shells', sondern ABC Restaurants mit 'weeping multitudes'. Eliot kümmerte es nicht, dass ABC Restaurants eines Tages vielleicht nicht mehr existieren würden ... Er setzte nicht auf ihre Haltbarkeit. Er setzte auf eine sichere Sache: ihren Klang. Das Geräusch, das die Initialen machten, war genauso wichtig für ihn wie das Bild, das sie heraufbeschwören."
Archiv: Poetry

London Review of Books (UK), 16.06.2011

Recht befremdet und bezaubert schreibt Sam Thompson über "Embassytown", den neuen Roman des britischen Science-Fiction-Autors China Mieville. Embassytown ist ein entlegener Planet, auf dem Menschen und "Eingeborene" leben, die ein recht eigenartiges Verhältnis zu Sprache haben. "Jeder Eingeborene hat zwei Münder, seine Rede ist ein Duett zweier Münder, aber das ist noch nicht das Seltsamste an diesen Aliens. Statt eines Zeichensystems, in dem die Zeichen willkürlich mit dem Bezeichneten verbunden sind, ist ihre Sprache eine direkte Manifestation ihres Bewusstseins. Irgendwie entsteht ein innerer Bezug zwischen jedem Wort und dem Ding, das es bezeichnet. Sie sprechen tatsächlch die Sprache Adams vor dem Sündenfall, in welcher Wörter randvoll mit Sinn und die Dinge ohne alle Zweideutigkeit benannt sind. Diese Aliens sind als lebende Widersprüche zu jeder Theorie der Sprache absolut buchstabengläubig und unfähig zur Lüge."

Weitere Artikel: Mahmood Mamdani berichtet in einer kurzen Notiz, dass der Geist des Tahrir-Platzes auch in Uganda spürbar wird: Wegen des strikten Versammlungsverbots hat man dort die Protestform des politischen "Spaziergangs zur Arbeit" entwickelt und die Regierung damit mit der schwierigen Aufgabe konfroniert, zwischen politischem und anderem Gehen zu unterscheiden. Stephen Sedley verteidigt angesichts der Gewissenlosigkeit von Presse und Fernsehen die sogenannte Super-Injunction, jenes englischen Rechtsinsituts, das die öffentliche Nennung eines möglichen Moral- oder Rechtsbrechers strikt zu untersagen ermöglicht - und er kritisiert die rechtlich erlaubte Nennung des Namens im Parlament als Bruch der ungeschriebenen Verfassung. Zwei Bücher über die Russen in Afghanistan stellt Tariq Ali vor. Michael Wood hat Carlos Sauras Film "Cria cuervos" wiedergesehen

Point (Frankreich), 09.06.2011

Bernard Henri Levy war auch in den neunziger Jahren einer der wortmächtigsten Intellektuellen, zur Zeit des Bosnienkriegs, der in der westlichen Öffentlicheit zunächst nur laue Reaktionen auslöste. Nach der Auslieferung Mladics, so schreibt er, habe sich auch Serbien befreit - "von dem Nichtgesagten in seiner Öffentlichkeit, von einer bösen inneren Stimme, die es verrückt machte. Nach dem Sturz Milosvecs war sie das letzte Symptom einer Vergangenheit, die nicht vegehen will und, mehr noch als wirtschaftliche und finanzielle Gründe, das letzte Hindernis auf dem Weg nach Europa. Und jetzt? Nun ja, zuerst muss Bosnien zu einem Teil jenes Europas werden, dessen herzzerreißendstes Symbol es war, dann Serbien."
Archiv: Point

Elet es Irodalom (Ungarn), 10.06.2011

Der niederländische Philosoph und Schriftsteller Rob Riemen ist besorgt um die kulturellen und geistigen Werte Europas und hat daher 1994 das so genannte Nexus Instituut gegründet, das den europäischen kulturellen Diskurs pflegen und den Geist des Humanismus bewahren will; denn in letzter Zeit rückten die wirtschaftlichen, technischen und politischen Entwicklungen immer mehr in den Vordergrund, während der Humanismus, der Geist Europas in Vergessenheit gerate. Julia Varadi sprach mit Rob Riemen und bat ihn um ein Resümee: "Wir, die lediglich das Denken unterstützen, bringen nichts ein und erzielen keine konkreten Ergebnisse. Sicher ist aber auch, dass die materielle Welt ohne uns nichts erreichen kann. Diese beiden Segmente der Welt müssen einander versorgen: Sie uns mit Geld, wir sie mit geistiger Munition. Das ist der - fast schon triviale - Lauf der Dinge."
Stichwörter: Geld, Humanismus

New York Times (USA), 12.06.2011

Der britische Autor James Campbell las einige französische Romane, die ihn in seiner Jugend in Übersetzungen prägten, heute im Original neu und ist entsetzt darüber, wie viele Freiheiten sich die Übersetzer damals nahmen und wie falsch sein Bild der Autoren häufig war. "Übersetzer nehmen sich heute weniger Freiheiten. Der Romancier und Kritiker Tim Parks hat jüngst über die Standardisierung und Verflachung fremdsprachlicher Texte geschrieben, die in einer Art internationalem 'Translatoresisch' zu ihm zu sprechen schienen. Holländische, italienische, albanische Autoren klingen heute alle gleich, behauptet Parks. Aber als ich die von mir vor langer Zeit geliebten Bücher wieder zu Hand nahm, war ich bestürzt, etwas zum ersten Mal zu lesen, von dem ich glaubte, es zu kennen, und ich hatte das Gefühl ein Stück von mir selbst zu verlieren."

Außerdem liest Lydia Davis mit großer Freude John Ashberys Neuübersetzung von Rimbauds "Illuminationen". (Hier ein Link zur Poetry Foundation, wo Ashbery einen kleinen Text zu seiner Rimbaud-Übersetzung veröffentlicht hat.) Und Cullen Murphy bespricht ein Buch von Christopher B. Krebs über die Bedeutung von Tacitus' "Germania" für Deutschland.

Im Sonntagsmagazin interviewt John Bowe den brasilianischen Fotografen Sebastiao Salgado, der einige beeindruckende Fotos in Nordalaska aufgenommen hat. Einige davon zeigt die Times hier.
Archiv: New York Times