Magazinrundschau

Herrenpassion

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
14.04.2015. Der Guardian analysiert die psychologische Kriegsführung Putins. Dichten sollte sich nicht nur die Mittelschicht leisten können, fordert die Lyrikerin Virág Erdős in Nepszabadsag. Der New Yorker erklärt, warum die erste Marsreise an einem Glas Nutella scheitern könnte. Le Monde diplomatique beschreibt die rücksichtslose Ausbeutung Russlands durch seine korrupte Elite. In Ceska pozice erklärt Filmemacher Štěpán Altrichter, warum gute Filme selten von satten Regisseuren gedreht werden. The Chronicle erklärt, warum Frauen demnächst die Welt regieren. In Medium erinnert sich Colin Robinson, wie er in den 70ern verbotene Bücher nach Tschechien schmuggelte. Al Ahram wird warm ums Herz mit Don Quichotte.

La vie des idees (Frankreich), 10.04.2015

Francois de Singly beleuchtet in einem Essay die zwei Quellen, aus denen sich der Individualitätsbegriff des modernen Menschen speise. Ausgangspunkt ist dabei eine These in dem von Emmanuel Lozerand herausgegebene Buch "Drôles d"individus - De la singularité individuelle dans le reste du monde", das ""Singly allerdings shr kritisch sieht: "Lozerand ist davon überzeugt, dass die Ursprünglichkeit der westlichen Individualitätsvorstellung nur ein Element eines allgemeineren Systems ist, mit der Funktion, dem Rest der Welt das Bild einer unanfechtbaren Überlegenheit aufzuzwingen, einschließlich des Rassismus. aber die westliche Individualismusgeschichte lässt sich auf diese Art nachträglich nicht als eine Art Komplott gegen den Rest der Welt rekonstruieren, das hieße beispielsweise alle internen Debatten der "Linken" über die Frage des Individualismus zu ignorieren. Liest man etwa Eugène Fournières "Essai sur l'individualisme" von 1908, so muss man mit Lozerands Vorstellung brechen, der Individualismus sei nur ein westliches Vorurteil. Denn diese Verteidigung eines "integralen Individualismus" als Ziel eines "integralen Sozialismus" nach Jaurès, der den Sozialismus als logischen und vollständigen Individualismus ansah, passt nicht in ein solches Schema."

Guardian (UK), 11.04.2015

Peter Pomerantsev hat sich durch die russische Enzyklopädie zur Psychologischen Kriegsführung gearbeitet und versteht jetzt, wie Desinformation und operative Täuschung in der Psychosphäre wirken. Sie behaupten nicht, sondern entziehen jeder Behauptung die Grundlage. Das musste auch Margo Gontar von der ukrainischen Organisation StopFake erleben, die vergeblich russische Täuschungsmanöver aufdecken wollte: "In solchen Momenten griff sie nach westlichen Medien, um wieder festen Boden unter den Füßen zu bekommen, aber auch hier wurde es rutschig. Immer wenn die BBC oder die Tagesschau eine Geschichte veröffentlichten, sahen sie sich in der Pflicht, die Kreml-Version der Ereignisse - Faschisten, westliche Verschwörung, etc. - als die andere Seite darzustellen, aus Gründen der Ausgewogenheit. Gonat begann sich zu fragen, ob ihre Suche nach Gewissheit sinnlos war: Wenn sich die Wahrheit ständig vor ihren Augen verschob, und es bei jeder Geschichte immer auch die andere Seite gibt, gab es dann überhaupt etwas von Bestand, an das man sich halten konnte? ... Was immer die Russen taten, war nicht einfach Propaganda, die jemanden zu beeinflussen versucht und dementsprechend entlarvt werden kann. Das war etwas ganz anderes: Es konnte nicht nur nicht widerlegt werden, es schien auch die Idee des Beweises an sich zu zerstäuben."

Weiteres: Mit besonderem Augenmerk auf dem Unheimlichen erkundet Robert Macfarlane weiter die englische Landschaft in der Literatur. Oliver Burkeman porträtiert den NYT-Kolumnisten David Brooks, den keine Seite für einen echten Konservativen hält, weil er so ein freundliches Auftreten hat.
Archiv: Guardian

Nepszabadsag (Ungarn), 11.04.2015

Zum Tag der ungarischen Dichtung (am Geburtstag des Dichters Attila József, am 11. April) sprach Sándor Zsigmond Papp in der Wochenendausgabe von Népszabadság mit jungen Dichtern, so auch mit der Lyrikerin Virág Erdős über die Situation der Dichtung und der Dichter im gegenwärtigen Ungarn. In Zeiten, in denen mehr als die Hälfte der Gesellschaft kaum ein Auskommen hat, sind die Dichter keine Ausnahme. Selbst bei populären Autoren wie Erdős ist die Wortkunst kaum eine Einnahmequelle. "Für viele ist das Dichten eine "Herrenpassion". Es können auch wichtige Werke in glücklichen, zufriedenen, finanziell ausgeglichenen Lebenssituationen entstehen. Aber vielen ist der materielle Status weniger wichtig, in der Relation zur unbegrenzten künstlerischen Freiheit und einer geistig gänzlichen Unabhängigkeit. (...) Es gibt nur dann ein Problem, wenn nicht mehr die "schwierige finanzielle Situation" sondern - wie heute - der totale Existenzverlust jene bedroht, die aufgrund ihres Talents problemlos die Unterstützung der Gesellschaft verdienen würden. (...) Immer mehr Dichter können sich heute das Gedichteschreiben einfach nicht erlauben. Das ist gefährlich, denn so bleibt die Dichtung ausschließlich ein "Mittelschichtenbusiness" und das Bild, das sie von der ungarischen Wirklichkeit vermittelt, wird - trotz größten Wohlwollens - falsch sein."

Hier ein Gedicht von Erdös aus der NZZ zur Volksabstimmung vom 25. September 2011 in der Budapester Josefstadt, die Obdachlose aus dem öffentlichen Raum verbannen und das Durchwühlen von Mülltonnen verbieten wollte
Archiv: Nepszabadsag

Merkur (Deutschland), 01.04.2015

Nicht ohne selbst in lustvolles Wortgeklingel zu verfallen wendet sich Claus Pias im Merkur (hier als PDF-Dokument) jener großen Zeit der "Theorie" zu, die bereits Ulrich Raulff in "Wiedersehen mit den Siebzigern" und Philipp Felsch in "Der lange Sommer der Theorie" thematisierten. Sein Gegenstand ist Friedrich Kittler, den er historisieren will, um sein Altern aufzuhalten. Es gehe darum, die Situation zu rekonstruieren, in der er, der heute die Diskurse locker regiert, noch provokativ war. Zum Thema Theorie sagt Pias: ""Theorie", so scheint es bald zwanzig Jahre nach ihrem langsamen Abklingen, ist der Sammelbegriff einer in den sechziger Jahren begonnenen Hegemoniebestrebung differenztheoretischer Modelle. Was "Theorie" war, mag einleuchten, wenn man sich etwa daran erinnert, dass die berühmten, stilprägenden Reihen des Suhrkamp Verlags einfach nur "Theorie I" und "Theorie II" hießen oder dass Helmut Schelsky mehr oder minder wörtlich forderte, die Universität Bielefeld "auf Theorie zu bauen". Für Kittler war "Theorie" die Stoßrichtung gegen das Telos hermeneutischen "Verstehens" als Seelenwanderung sinnhafter Substanz zwischen dem hermeneutischen Objekt und dem verstehenden Subjekt. Der Erfolg dieses Vorstoßes ist eine vollzogene Ablösung, die "Theorie" als Differenz zum hermeneutischen Primat der Identität installiert hat." Alle Theorie-Taliban, die das nicht verstanden haben, setzen sich nochmal hin und lernen, "Die Ordnung der Dinge" zu rezitieren.
Archiv: Merkur

New Yorker (USA), 20.04.2015

Der New Yorker präsentiert ein Reisespecial. Tom Kizzia schreibt über Langzeit-Missionen im All und die Frage, warum Frauen die bessere Mars-Crew stellen (sie benötigen weniger Kalorien!) Der Knackpunkt zukünftiger Missionen, wie Tests zeigen, betrifft übrigens nicht unbedingt die Zusammensetzung der Teams, sondern offensichtlich das Essen: "Eine Moskauer Studie von 1999 besteht zwar darauf, dass der Nationalitätenmix problematischer sei als der Geschlechtermix. Aber Internationalität auf Raumstationen ist inzwischen üblich, allein wegen der Vielzahl an beteiligten Nationen … Der einzige internationale Konflikt im Hi-Seas-Testdome der Nasa drehte sich um die Zubereitung einer aserbaidschanischen Teigspeise … Und am Ende einer viermonatigen Studie machte der Nutella-Fall die Runde. Ein Crew-Mitglied hatte egoistischerweise die monatliche Nutella-Ration der Gruppe aufgegessen."

Außerdem gibt es Beiträge über den Goldrausch in Peru (hier) und das Volk der Tlingit in Alaska (hier). James Verini sendet einen packenden Bericht über eine Piratenattacke im Indischen Ozean. Jill Lepore widmet sich der Bedeutung der Magna Carta. Anlässlich einer Ausstellung im Moma porträtiert Peter Schjeldahl den Künstler Jacob Lawrence und seine "Migration Series" und Anthony Lane widmet seine Filmkolumne heute nur einem Film: Olivier Assayas" "Clouds of Sils Maria".
Archiv: New Yorker

Rue89 (Frankreich), 11.04.2015

Müssen wir Angst vor künstlicher Intelligenz haben? Darüber unterhält sich Pierre Haski in einem langen Gespräch mit dem Straßburger Cyberanthropologen Michel Nachez. Science-fiction-Autoren seien jedenfalls nicht mehr die Einzigen, die eine Katastrophe zwischen uns und den Maschinen voraussagen, Warnungen kommen inzwischen auch etwa von Bill Gates, Stephen Hawking oder Technopropheten wie Ray Kurzweil. Nachez findet das nicht übertrieben: "Man sagt uns, dass 2050, das liegt schon sehr nah, aufgrund des Moorschen Gesetzes … die Maschine derartig leistungsfähig sein wird, dass sie ein Bewusstsein zeigt. Kurzweil sagt, es werde ein Punkt der technologischen Singularität sein, d.h. der Moment, in dem Bewusstsein in den Maschinen zutage tritt. Das ist beunruhigend ... da es ein globales Bewusstsein ist. Denn bei der Maschine handelt es sich nicht um eine irgendwo in einem Labor, sondern alles ist im Netz."
Archiv: Rue89

Le Monde diplomatique (Deutschland / Frankreich), 10.04.2015

In einem aus der New Left Review übernommenen Text macht Tony Wood sehr deutlich, dass Wladimir Putin nicht nur den undemokratische Charakter von Jelzins Herrschaft übernommen und gesteigert hat, sondern auch die rücksichtslose Ausbeutung Russlands durch eine korrupte Elite: "Soziale Ungleichheit ist ein konstantes Merkmal der Putin-Ära. Die in den 1990er Jahren entstandenen Einkommens- und Vermögensunterschiede haben sich in den nuller Jahren verstetigt und weiter vertieft. Das Wirtschaftsmodell ist dabei das gleiche geblieben, nur haben unter Putin andere Personengruppen profitiert." Und: "Die Oligarchen der Jelzin-Ära haben nicht nur Staatseigentum erbeutet, sondern auch weite Bereiche des Staatsapparats privatisiert, was damals "Übernahme des Staats" genannt wurde. Unter Putin lief es umgekehrt, weil sich Staatsfunktionäre reihenweise private Unternehmen aneigneten, sodass man von einer "Übernahme der Wirtschaft" sprechen könnte. Beide Prozesse bedeuteten eine Verlagerung der Gleichgewichte zwischen verschiedenen Fraktionen derselben Elite." Bei einem pauschalen Steuersatz von 13 Prozent übrigens.

Für reinsten Neokolonialismus hält Stefan Mey die digitale Landreform, bei der neue Top Level Domains nach Branchen vergeben werden, die dann parzelliert und verpachtet werden können. Gerade einmal 1,5 Prozent der Bewerbungen kamen aus Lateinamerika, 0,8 Prozent aus Afrika: "Obwohl noch längst nicht alle Endungen vergeben sind, lässt sich schon eine weitere Schieflage absehen: die Dominanz von Oligopolen. Das finanziell gut ausgestattete US-Start-up Donuts hat mit ursprünglich 307 Bewerbungen in verschiedenen Sprachen etwa siebenmal so viel eingereicht, wie aus ganz Afrika und Lateinamerika kamen. Bis jetzt sind Donuts bereits 212 Endungen zugesprochen. Unter anderem gehören .reisen, .reise, .schule und .gmbh zum Imperium. Auch Amazon und Google mischen mit. Der Suchgigant ist mit 101 Anträgen der drittgrößte Bewerber, und er ist der große Unbekannte in der jungen digitalen Landreform. Noch völlig offen ist die Frage, ob Google alle neuen Endungen in Zukunft gleich behandeln oder die eigenen im Algorithmus bevorzugen wird." Google hat 45 Endungen sicher.

Ceska pozice (Tschechien), 11.04.2015

Zuzana Lizcová unterhält sich mit dem jungen tschechisch-deutschen Regisseur Štěpán Altrichter über dessen Film "Schmitke", in dem ein deutscher Ingenieur ins tschechische Erzgebirge reist, um eine Windkraftanlage zu reparieren, und dort seltsame Dinge erlebt. "Meine Erfahrung ist", sagt Altrichter, der abwechselnd in Prag und Berlin lebt, "dass sich Ostdeutsche und Tschechen in vielen Dingen näher sind als Ost- und Westdeutsche. Hinter dem eisernen Vorhang hatte man einfach eine andere Art zu denken, ist man anders aufgewachsen. Unsere tschechische Kultur beruht vielleicht auf etwas anderen Werten, aber es gibt doch mehr Gemeinsamkeiten." Nach Altrichter sind äußerliche Widerstände der Kunst förderlich, deshalb kämen die besten Filme derzeit auch aus dem Iran. "Es erklärt auch, warum der tschechische Film der 60er- und 70er-Jahre so gut ist. Filmemachen war zu der Zeit schwierig, und das ist immer ein Antrieb. (…) Der ungarische Regisseur István Szabó, der seine besten Filme ebenfalls vor 1989 gedreht hat, sagte einmal etwas Interessantes zu mir: Für ihn ist es ein Problem, dass die Zensur, die vor 1989 von außen Druck ausübte, in Westeuropa heute im Kopf des Künstlers stattfindet. Man zensiert sich selbst, um Erfolg zu haben, um Geld zu kriegen. Das ist das Schreckliche am kapitalistischen System, dass sich jeder ständig verkaufen muss. Es macht die Filme letztlich uninteressant." Dem deutschen Filmbetrieb stellt Altrichter ein vernichtendes Zeugnis aus: "Eine unglaublich dekadente Situation. Massenhaft Fonds mit massenhaft Geld, aber das wird so hanebüchen verteilt, dass zum Beispiel junge Filmemacher überhaupt nichts davon haben. (…) Alles, was nicht gerade den aktuellen politischen Diskurs abbildet, hat es enorm schwer. Es ist das Gegenteil von dem, wie Filme in Tschechien oder in Frankreich begriffen werden. Dass etwas gut ist, wenn es verrückt und neu ist, das sehen die Deutschen gar nicht."
Archiv: Ceska pozice

Chronicle (USA), 30.03.2015

Ziemlich deprimierende Nachrichten bringt der Neurologe Melvin Konner den Männern. Frauen sehen nicht nur manchmal ziemlich klasse aus, sie werden nicht nur älter als Männer, sie sind einfach "den Männern nicht gleich. Sie sind in vielen Hinsichten überlegen und besonders in Aspekten, die in Zukunft zählen werden. Es ist nicht nur eine Frage von Kultur oder Erziehung. Es ist eine Sache der Chromosome, Gene, Hormone und Nervenbahnen. Es liegt nicht nur daran, wie Erfahrung Frauen prägt, sondern in strukturellen Differenzen in Körper und Hirn." Es handelt sich bei dem Text um einen Auszug aus einem Buch, dass bei W.W. Norton erschienen ist.
Archiv: Chronicle

Medium (USA), 09.04.2015

Packend wie ein Thriller und komisch wie eine Farce schildert Colin Robinson, wie er als junger Kommunist Ende der siebziger Jahre im Auftrag von Exil-Dissidenten verbotene Bücher und Zeitschriften von London in die Tschechoslowakei schmuggelte: "Unser erstes Rendezvous sollte auf dem Prager Wenzelsplatz stattfinden, vor der Kathedrale, abends um halb zehn. Dort sollten wir einen großen Mann mit Lederjacke treffen, der von einem kleineren Mann mit Bart und karierter Mütze begleitet würde. Wir sollten sie mit der Bemerkung ansprechen, der Ärmelkanal sei während der Überfahrt stümisch gewesen. Wenn der große Mann antwortet, dass das zu dieser Jahreszeit häufig der Fall sei, sollten wir ihm zwei mit einem großen "W" gekennzeichnete Reisetaschen aushändigen. Diese Passwörter erschienen mir so abgedroschen, dass sie aus dem Drehbuch von "Night Train to Munich" hätten stammen können. Falls daraus Rückschlüsse auf die Organisation unserer Reise zu ziehen waren, dann würde der Kanal nicht der einzige stürmische Abschnitt werden. Vielleicht, beruhigte ich mich, klangen diese Phrasen für einen Tschechen origineller."

Sehr lesenswert ist außerdem Flore Vasseurs Porträt von Laura Poitras, die von einer Köchin in San Francisco zur wichtigsten politischen Regisseurin der USA und Vertrauten von Edward Snowden wurde.
Archiv: Medium

Al Ahram Weekly (Ägypten), 09.04.2015

Allen politischen Rückschlägen zum Trotz wird in Ägypten immer noch Theater gespielt. Sogar in der Provinz, berichtet Nehad Selaiha, die für eine Don-Quichotte-Produktion nach Zaqaziq fuhr. Kaum Geld, aber viel Talent und Originalität sorgten für eine beeindruckende Vorstellung, schreibt sie. Gegeben wurde der "Don Quijote" von Yves Jamiaque nach Cervantes. Regisseur Amr Qabil "zeichnet den Helden, deutlich jünger als in Cervantes Buch, als durch und durch sympathische Figur. Er ist eher ein visionärer Künstler oder romantischer Dichter, der die Herrlichkeit der Fantasie der wirklichen Welt vorzieht, als ein Ritter in schimmernder Rüstung. Seie Adapation legt nahe, dass Individuen Recht haben können, während die Gesellschaft im Unrecht ist und desillusionierend. In so einer Situation erscheinen Idealismus und edle Ziele dem Lebensklugen als verrückt, sie werden unabweisbar besiegt und als nutzlos verworfen durch die alltägliche Realität. Kein Wunder, dass Don Quichotte in Qabils Version einen Grad an tragischer Würde gewinnt, der unsere Herzen gewinnt, während wir schallend über seine Missgeschicke lachen."

Außerdem: Rania Khallaf berichtet von einer Reise zu einem Künstlerworkshop nach Marrakesch, zu dem sie mit Künstlern aus Tunesien, Algerien, Irak, Italien und Kurdistan sowie jungen Künstlern aus Marokko reiste, um sich mit Frauenkörpern zu beschäftigen.
Archiv: Al Ahram Weekly

New York Times (USA), 13.04.2015

Auch die New York Times verabschiedet sich von Günter Grass. Stephen Kinzers Nachruf lässt bereits die Kommentar-Wellen hochschlagen, weil er nicht die literarischen Großtaten des Schriftstellers in den Vordergrund stellt, sondern seine Biografie: "Auch wenn Grass erst 1944 gegen Ende des Krieges zur SS kam und nie beschuldigt wurde, an Greueltaten teilgenommen zu haben, bewirkte der Umstand, dass er wichtige Details seiner Biografie verschwiegen hatte, während er doch dauernd andere für ihre Feigheit beschimpfte, einen Aufschrei der Wut … Grass" Verteidiger argumentierten, sein politischer Einfluss habe dazu beigetragen, dass das Nachkriegsdeutschland seine nationalsozialistische Vergangenheit erkannt und gebüßt habe, wäre er mit seiner Biografie ehrlich gewesen, hätte er diese Rolle vielleicht nicht spielen können. Mit seinem schwarzen Haar, dem Walrossbart, der Bifokalbrille und der Pfeife war Grass fast die Karikatur des Nachkriegsintellektuellen."

Und im Magazin liefert Rachel Kaadzi Ghansah ein Porträt der großen amerikanischen Schriftstellerin Toni Morrison, 84, und fragt, ob Morrisons Vorstellungen von einer weithin akzeptierten, einem breiten Publikum zugänglichen Literatur afroamerikanischer Autoren sich erfüllt haben: "Diese höchst berechtigte Revolution steht immer noch aus. Während der letzten Dekade ist der gerechte Angriff auf die existierende Hegemonie in der amerikanischen Literatur ins Blickfeld geraten. Die Meinung der alten Garde, dass Farbige nicht lesen und ihre Texte nichts wert seien, wurde widerlegt durch die Workshops der "Voices of Our Nation Arts Foundation" und der "Asian-American Writers". Schwieriger zu realisieren aber ist, was Morrison in ihrer Funktion als Lektorin (1970 bei Random House, die Red.) herausfand: Was passiert nach dem Workshop? Wie verändert man das Establishment? Eine ganze Industrie?"

Außerdem: Auf der Technologieseite berichtet Nicole Perlroth, wie China das Netz mit Malware infiziert, um Besucher von in China verbotenen Webseiten auszuspionieren.
Archiv: New York Times