Magazinrundschau
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Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag ab 10 Uhr.
26.11.2013. Prospect erzählt, wie das FBI undercover bei Jean-Paul Sartre und Albert Camus in die Schule ging. Im New Yorker beklagt der Großgalerist David Zwirner das Florieren seiner Branche. In The Nation befasst sich David Rieff mit Margarete von Trottas in den USA sehr heiß diskutierten Film über Hannah Arendt. Atlantic schickt uns als Spielfiguren in die neue Arbeitswelt. In den Blättern geißelt András Bruck die Diktatur der Unehrlichkeit in Ungarn. In Le Point verteidigt Bernhard-Henri Levy die Steuern gegen das gemeine bretonische Volk. Das TLS feiert die Furchtlosigkeit der italienischen Autorin Elena Ferrante. Aeon kämpft mit rosa Nashörnern gegen Halluzinationen.
Prospect (UK), 19.11.2013

Außerdem philosophiert AC Grayling über Dimensionen und Definitionen der Armut und Charlotte McCann steht für die Skater im Gewölbe unter der Londoner Southbank ein, die dort einer weiteren Erschließung des Gebiets weichen sollen. Hier eine Kampagnenseite auf Facebook und eine automatisierte Bildstrecke auf flickr.
New Yorker (USA), 02.12.2013

Weitere Artikel: Kelefa Sanneh beleuchtet anhand der Frage "Wer braucht schon Hits?" die Bestseller-Industrie des Buchmarkts. Und David Denby sah im Kino den zweiten Teil der "Tribute von Panem"-Verfilmung "Catching Fire" von Francis Lawrence und Alec Gibneys Dokumentation "The Armstrong Lie" über den Doping-Radprofi Lance Armstrong.
The Atlantic (USA), 01.12.2013

Der kanadische Theoretiker und Politiker Michael Ignatieff bricht eine Lanze für Machiavellis politisches Traktat "Der Fürst", das seit seinem Erscheinen vor fünfhundert Jahren ein anhaltender Skandal ist: "Machiavelli glaubte nicht, dass sich Politiker grämen sollten, wenn sie sich die Hände schmutzig gemacht haben. Seiner Meinung nach verdienten sie kein Lob für moralische Skrupel oder Gewissensbisse. Er hätte es mit den Sopranos gehalten: Manchmal tut man, was man tun muss. Aber 'Der Fürst' hätte nicht solange überlebt, wenn es nur eine Apologie des Gangstertums wäre. Bei Gangstern ist unnötige Grausamkeit effizient, während sie in der Politik, das verstand Machivelli sehr gut, schlimmer ist als ein Verbrechen. Nämlich ein Fehler."
Foreign Policy (USA), 19.11.2013

Blätter f. dt. u. int. Politik (Deutschland), 01.11.2013

Nepszabadsag (Ungarn), 23.11.2013

Ervin Tamás empört sich über die Besetzung des Direktorenpostens des Budapester Theaters Vígszínház, die nach der neuen Ausschreibung auf 18 Monate beschränkt werden soll: "Wir möchten Béla Hamvas glauben, der sagte: 'Wen ich belüge, der verachtet mich weniger, als ich den verachte, der sich von mir belügen lässt.'"
Elet es Irodalom (Ungarn), 25.11.2013

József Mélyi feiert die Ausstellung "Fragmente" des Malers und Bildhauers István Geller in der Budapester Galerie 2B. Sie zeigt Fragmente einer Stadt: "Alles hier ist: Fossilien, Grundrissfragmente, enigmatische Zeichen. Den Bildern und den feinen Reliefs fehlt eine Sache: Die Lebendigkeit der Geschichte."
Point (Frankreich), 21.11.2013
Superpathetisch und très républicain wird BHL angesichts der Demos in der Bretagne, wo gegen Steuern - also gegen den in Frankreich alles steuernden (und eventuell gegen die Wand fahrenden) Zentralstaat - protestiert wird: "Der Souverän selbst, das souveräne Volk, so wie es nach Jahrhunderten die philosophische Reflexion definierte, wird sich in den trüben Wassern einer Gesellschaft auflösen, in der der Mensch des Menschen Wolf wird, wie Hobbes sie fürchtete und mit ihm fast das gesamte moderne politische Denken. Was ist Populismus? Der Pöbel, der sich an die Stelle des Vokes setzt."
Slate.fr (Frankreich), 25.11.2013
Louise Tourret stellt Olivier Peyons Dokumentarfilm "Comment j'ai détesté les maths" (Ich verabscheue Mathe) über Macht und Elend der Mathematik vor. Einerseits ist es populär, mit mathematischer Ignoranz zu kokettieren: "Wie es Cédric Villlani (der 2010 mit der Fields-Mdeaille ausgezeichnet wurde) sagt: 'Es gibt soviele Leute, die behaupten, sie seien die letzten in Mathe gewesen, dass man sich fragt, wie es so viele letzte geben kann." Andererseits beschwört der Film angesichts der Finanzkrise die Verantwortung der Mathematiker: "Früher konnte man Mathe in aller Ruhe verabscheuen. Heute müssen wir verstehen, welche Risiken damit verbunden sind."
Times Literary Supplement (UK), 22.11.2013

Carmine Di Biase verehrt in aller Ausführlichkeit den Schriftsteller und Partisanen Italo Calvino, von dem gleich mehrere Bände mit Interviews und Briefen auf Englisch erschienen sind: "Nicht auf das Ego kam es ihm an, sondern auf das, was man für andere tut. Das war für Calvino ein moralischer Imperativ. Er glaubte ganz ernsthaft daran, wie er 1979 in einem Interview erklärte, dass man nicht mit dem Recht zu Sein geboren wird: man muss es sich verdienen durch 'quel che si fa', das heißt, durch 'das, was man tut'."
New Republic (USA), 09.12.2013

Außerdem: Jason Farago entdeckt in Thomas Ostermeiers Inszenierung von Ibsens "Volksfeind", die es von Berlin nach Brooklyn geschafft hat, interpretatorische Parallelen zum NSA-Skandal: "Was Ibsen so modern und 'Ein Volksfeind' für die Snowden-Affäre so passend macht, ist das Verständnis, dass Whistleblower entgegen des happy-Hacker-Images von schlechten Hollywood-Filmen wie 'The Fifth Estate' viel mehr tun als geheimes Wissen aufzudecken. Der Whistelblower bei Ibsen klagt nicht nur ein einzelnes Verbrechen an, sondern ein politisches und wirtschaftliches System in seiner offen liegenden Gänze."
Hier der Trailer der Schaubühne:
MicroMega (Italien), 15.11.2013
Micromega gehört zu den Medien, die die deutsche Austeritätspolitik Woche für Woche attackieren. Bitter liest sich die Anklage Barbara Spinellis, die die Deutschen an das Kriegsende erinnert: "Es folgte die Weitsicht der Sieger. Im Jahre 1953 haben 65 Staaten in einen Schuldenschnitt für die deutschen Kriegsschulden eingewilligt (darunter Italien und Griechenland, die heutigen Testländer der Zinskompression) und haben somit den Deutschen ihr außerordentliches Wirtschaftswunder der folgenden Jahrzehnte ermöglicht. Aber die Ursachen dieses Wirtschaftswunders sind heute vergessen, und dieses Vergessen erklärt, warum die deutsche Führung in Europa heute ohne weitblickende Solidarität und Verantwortungssinn auskommt."
Aeon (UK), 13.11.2013

Wired (USA), 21.12.2013

The Nation (USA), 09.12.2013

In der New York Review of Books hatte zuvor Mark Lilla kein gutes Haar an dem Film gelassen: "Verständlich ist Trottas Zurückhaltung, in die Einzelheiten des Eichmann-Prozesses zu gehen, oder auch das vorwegzunehmen, was wir heute wissen, denn das hätte die Integrität des Films verletzt. Doch etwas anderes wird vielleicht beschädigt, wenn eine Geschichte den Mut einer Denkerin feiert, eine Position zu verteidigen, von der wir heute wissen, dass sie nicht zu halten ist - wie Arendt, wenn sie noch am Leben wäre, zugeben müsste."
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