Magazinrundschau

Die Reinheit der Spiele

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
01.08.2017. Der Guardian schildert den Umgang des Islamischen Staats mit sechstausend Jesidinnen. Das New York Magazine schildert den Umgang amerikanischer Gamer mit weiblichen Spieledesignern. In La regle du jeu erklärt die Komikerin Océanerosemarie, warum sie den Satz "Ich bin Charlie Coulibaly" witzig findet. Wired geht auf Kuba ins Sneakernet. New Republic verliebt sich in Charlize Therons rasiermesserscharfe "Atomic Blonde". Die New York Times lernt, dass eine Einladung zum Tee bei der chinesischen Polizei nichts Gutes bedeutet.

Guardian (UK), 25.07.2017

Im Guardian arbeitet Cathy Otten in einem langen Report die Versklavung von mehr als sechstausend Jesidinnen durch den Islamischen Staat auf. In den Proklamationen des IS kam ihre Versklavung den Frauen zugute, schließlich stünden sie nach der Ermordung ihrer Ehemänner, Väter und Brüder ohne Schutz da. Tatsächlich aber diente das Versprechen von sexueller Beute vor allem der Rekrutierung neuer Kämpfer. Den Terror, der sich in Sindschar nach der Einnahme durch den IS abspielte, schildert Otten so: "Viele der Frauen und Kinder, die in Sindschar gefangen genommen wurden, hatten gesehen oder gehört, wie ihre männlichen Verwandten von eben den IS-Kämpfern getötet worden waren, die sie nun bewachten. In ihren Gefängnissen im Irak und Syrien, empfanden die Frauen 'Entsetzen, schon wenn sie Schritte in den Korridoren und Schlüssel in in den Türen hörten', heißt es in einem Report des UN-Kommissar für Syrien, der die Verbrechen gegen die Jesiden als Völkermord einstuft. 'Die ersten zwölf Stunden der Gefangenschaft bestanden aus stetig wachsendem Terror. Das Herausgreifen der Mädchen war von lauten Schreien begleitet, während sie gewaltsam aus dem Raum gezerrt wurden, die Mütter und andere Frauen, die sie festzuhalten versuchten, wurden von den Wachen brutal geschlagen. Jesidische Frauen und Mädchen begannen sich selbst zu zerkratzen, um sich für mögliche Käufer unattraktiv zu machen.' Am Anfang waren die Frauen und Mädchen noch in vorbereitete Unterkünfte im Irak gebracht worden, wo sie IS-Kämpfern ausgehändigt wurden, die sich am Angriff auf Sindschar beteiligt hatten. Um nicht vergewaltigt zu werden, töteten sich mehrere Mädchen, sie schnitten sich ihre Pulsadern oder ihre Kehlen auf, erhängten sich und stürzten sich vom Dach der Gebäude."
Archiv: Guardian

New York Magazine (USA), 24.07.2017

Noreen Malone erzählt am Beispiel der 29-jährigen Videospiele-Designerin Zoë Quinn, wie die Spieleindustrie immer männlicher wurde und was das für weibliche Spieler und Spieleerfinder bedeutet. In Quinns Fall - die über Jahre von ekelerregenden Hassmails verfolgt wurde, nachdem ihr Ex sie öffentlich der Untreue beschuldigt hatte - kommt eine Misogynie zum Vorschein, die einem religiösen Fundamentalisten alle Ehre machen würde: "Für Beobachter ist es schwer zu verstehen, warum eine demografisch bevorzugte Gruppe junger Menschen das Gefühl hat, sie müsse ihre Community gegen Eindringlinge wie Quinn schützen oder gegen die paar weiblichen Gamer vor ihr, die über Geschlechterrollen in Videospielen sprachen. Aber jede Andeutung von Diversität, jeder Hinweis von Journalisten und Entwicklern, das dies vielleicht wertvoll sei, löst feindselige Reaktionen aus. Junge Männer auf 4chan und anderen Webseiten 'überwachen die Reinheit der Spiele - die Grenzen dessen, was ein echtes Spiel ist und was nicht', erzählt die Spieledesignerin Anita Sarkeesian."

Eurozine (Österreich), 27.07.2017

Der Kulturkampf in Russland nimmt immer schärfere Züge an, berichtet Boris Falikow, die Trennung von Kirche und Staat gilt immer weniger. Falikow sollte als Gutachter in einem Prozess gegen eine Tannhäuser-Inszenierung aufklären, gegen die der Metropolit von Nowosibirsk geklagt hatte, natürlich wegen Verletzung religiöser Gefühle: "Alle Anklagen basierten auf Hörensagen, überraschten mich aber nicht. Es war nicht der erste Fall von Kulturkampf im heutigen Russland und es wird nicht der letzte sein. All diese Fälle folgen mehr oder weniger dem gleichen Muster. Konservative Gläubige wollen religiöse Symbole monopolisieren und beharren darauf, dass ihr Gebrauch durch moderne Künstler nichts anderes als Profanierung sei. Trotzdem überraschte mich die Frage, die mir der Staatsanwalt stellte, als ich in den Zeugenstand trat. Er fragte, ob ich an Gott glaube. Der Anwalt der Verteidigung erhob Einspruch gegen eine solch persönliche Frage. Aber das konnte den Ankläger nicht aufhalten, er versprach mir alle Höllenfeuer, wenn ich es wagen sollte, solch eine frevelhafte Opernaufführung zu verteidigen."
Archiv: Eurozine

La regle du jeu (Frankreich), 01.08.2017

Am Sonntag schrieb Nick Cohen in seiner Observer-Kolumne über Anne Marie Waters, eine Kritikerin des Kopftuchs, die ins Ukip-Lager abgedriftet ist (wo man sie fürchtet, weil man sich mit den Muslimen nicht anlegen will, unser Resümee). Ergänzend dazu sei Charlotte Lebretons Porträt der Komikerin Océanerosemarie empfohlen, das zeigt, dass im rotbraunen Sumpfgelände zwischen ganz links und ganz rechts auch Platz ist für Feministinnen aus dem postkolonialen Lager. Océanerosemarie (alias Océane Michel), die gerade eine harmlose lesbische Liebeskomödie ins Kino brachte, bekannte nicht nur mehrfach, dass sie "nicht Charlie" sei, sie solidarisierte sich auch mit dem "Collectif contre l'islamophobie en France" (CCIF), zu dem mehrere islamistische Figuren gehören. Und sie steht den "Indigènes de la République" nahe, einer postkolonialistischen Partei, die den anti-säkularen Diskurs auf die Spitze treibt: "Seitdem hat sie an mehreren Ereignissen im Umkreis der Indigènes teilgenommen, vor allem der 2017 gestarteten Online-Sendung 'Paroles d'Honneur', die von dem verschwörungstheoretischen rechtsextremen 'Cercle Des Volontaires' unterstützt wird. Die Lust, subversiv zu sein und den ewigen 'Herrschenden' eins auszuwischen, lassen sie sogar den 'Antizionismus' des ehemaligen Humoristen Dieudonné unterstützen, der zu einem Propagandawerkzeug der Iraner und Komplizen des Antisemiten Soral geworden ist. Als sie bei Canal Plus auf den Franko-Kameruner und seinen Satz 'ich fühle mich als Charlie Coulibaly' angesprochen wird, erklärt sie ohne Zögern: 'Er ist an diese Grenze gegangen um zu sagen 'wenn ihr (Charlie Hebdo, d.Red.) eure Witze macht, ist es Humor, und bei uns ist es gleich Verteidigung des Terrorismus'. Das ist doch nicht uninteressant."
Archiv: La regle du jeu

Wired (USA), 26.07.2017

Zwar gibt es Internet in Kuba - doch das Netz unterliegt starker Zensur, starker Überwachung und ist, da es nur wenige WLAN-Hotspots gibt, überdies auch noch extrem langsam, erfahren wir von Antonio García Martínez. Doch die Bevölkerung Kubas wäre nicht sie selbst, würde sie nicht auch auf diesem Gebiet das Problem mit diversen kecken Improvisationen lösen. Eine davon, die sich als Geschäftsmodell mittlerweile etabliert hat: "El Paquete Semanal", das "wöchentliche Paket" also. Dabei handelt es sich um eine mobile Festplatten mit einem Terrabyte Fassungsvermögen. "Es ist das Internet, runtergekocht auf seine reinste, konsumierbarste, am wenigsten interaktive Form: Content. 'Paqueteros' genannte Medienschmuggler bündeln diese Sammlung von Videos, Liedern, Fotos und Textdateien aus der Außenwelt. Dann reist sie von Hand zu Hand über die Insel, sickert dabei im Nu binnen eines Tages von Havanna aus bis in die entferntesten Ecken und bildet damit etwas, was im Techie-Sprech als 'Sneakernet' bekannt ist: Ein Netzwerk, das Daten zu Fuß, per Bus, auf Pferderücken oder auf irgendeine andere, gewiefte Art transportiert. Seltsamerweise funktioniert es. Kubaner sprechen genauso smart wie jeder Netflix-Amerikaner über populäre Serien wie 'House of Cards' und 'Black Mirror'." Doch was hält die kubanische Regierung davon? "War sie zu Beginn noch feindlich eingestellt, haben die Regierung und die Paqueteros einen für beide Seiten passablen Kompromiss gefunden. Die einen erklären sich einverstanden, auf jegliche politischen und religiösen Inhalte zu verzichten, während die anderen den Inhalt zwar überprüfen, aber im wesentlichen eine uncharakteristische Laissez-faire-Haltung einnehmen."
Archiv: Wired

New Republic (USA), 27.07.2017



Josephine Livingstone ist hin und weg von Charlize Therons eiskalter superblonder britischer Agentin Lorraine Broughton und dem Achtziger-Jahre-Styling von David Leitchs in Berlin spielendem Spionagethriller "Atomic Blonde": "Eines Abends besucht Broughton eine mondäne Cocktailbar, um die Raubtiere des KGB zu beobachten. Hier begegnet sie Delphine (Sofia Boutella), einer rehäugigen französischen Agentin, die Broughtons Geliebte spielt. Lorraine Broughton kommt durch die Eingangstür, lässt ihren Mantel in die Hand des Türstehers fallen und kreuzt durch den Raum wie ein ausgehungerter Hai. Ihr Outfit und Haar - hier viel abgemilderter als in anderen Szenen - ist fast identisch mit Michelle Pfeiffers schwarzem Pailletten-Look in 'Scarface', in der Szene, in der sie beim Abendessen ausflippt. Wie Pfeiffers Elvira Hanckock benutzt Broughton ihre Ponyfransen als Schild und ihren strengen Mund als Rasierklinge. Es ist ein perfektes Stück Kostümreferenz, die durch Broughtons allgegenwärtige Zigarette vervollständigt wird."

Außerdem unterhält sich Livingston mit dem pulitzerpreisgekrönten Autor Viet Thanh Nguyen über den Vietnamkrieg. Und Rachel Syme schreibt über die neue HBO-Serie der Duplass-Brüder, die ausschließlich im titelgebenden "Room 104" spielt.
Archiv: New Republic

New Yorker (USA), 14.08.2017

In der aktuellen Ausgabe des New Yorker folgt Judith Thurman den Wegen des Erzählens in Rachel Cusks Prosa über Ehe und Mutterschaft: "Die Kritik hat Cusks jüngste Bücher 'Outline' und 'Transit', beides Teile einer Trilogie, als Neuerfindung des Romans gefeiert, was sie auch sind, insofern als Fiktion und Oral History hier verschmelzen. Sämtliche Erzähler in diesen Texten haben eine einzigartige Version, ein und derselben Erfahrung erlitten und überlebt, und die Ereignisse, die sie wiedergeben, ergeben keine Offenbarung. Die Textstruktur, ein Mosaik aus lauter Fragmenten, spiegelt die instabile Natur der Erinnerung. Es macht Sinn, daran zu erinnern, dass die beiden Texte kurz vor und nach der Vergabe des Literaturnobelpreises an Swetlana Alexijewitsch entstanden sind. Alexijewitsch interviewt Frauen und Männer zu ihren Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg, in Tschernobyl und im Gulag und destilliert ihre Aussagen zu einer, wie die Akademie es nannte 'Geschichte der Gefühle'. Cusk wurde dafür kritisiert, in ihren Texten Politik und Soziales zu vernachlässigen und stattdessen das Familienleben zur zentralen Katastrophe zu erheben. Doch ihre erfundene Oral History passt ausgezeichnet zu der Art und Weise, wie Menschen miteinander umgehen und einander schikanieren."

Außerdem: Adam Gopnik fragt, was Meditation wirklich leisten kann. Larissa MacFarquhar überlegt, wann ein Kind von seinen Eltern getrennt werden sollte. Anthony Lane sah im Kino Kathryn Bigelows "Detroit" and "Whose Streets?", eine Doku über Ferguson, Missouri, nach der Erschießung von Michael Brown durch einen Polizisten. Und Don DeLillo steuert eine Kurzgeschichte bei - über das Jucken am Morgen, am Mittag und am Abend.
Archiv: New Yorker

Vanity Fair (USA), 31.07.2017

New York Times und Washington Post überbieten sich seit Donald Trumps Einzug ins Weiße Haus mit journalistischen Coups. Auf zwanzig Seiten stilisiert James Warren die alte Rivalität zwischen den beiden zum letzten großen Zeitungskrieg, an anderer Stelle vergleicht er die Chefredakteure Dean Baquet und Marty Baron eigentlich treffender mit den Weltkriegsgenerälen Patton und Montgomery, die sich den berühmten Wettlauf um die Einnahme von Messina lieferten. Klar wird, dass es beiden Zeitungen ohne Trump viel schlechter ginge, und dass ihre Rivalität nur in Washington ausgetragen werden kann, weil die Washington Post kaum noch andere Korrespondenten hat: "Um es in den Worten Elisabeth Bumillers zu sagen: Ihr Arbeitsleben ist heute intensiver als nach dem 11. September, als sie aus dem Weißen Haus und aus Afghanistan berichtete. Sie leitet heute das Washingtoner Büro der New York Times. 'Es gibt eine neue Unerbittlichkeit', sagt sie. Es gibt den Kampf um die Schlagzeilen, das unablässige Verlangen der Kabelanbieter nach 'Breaking News' und natürlich das Verhalten des Präsidenten selbst: die provozierenden und empörenden Tweets, die Angriffe auf die Presse und die Fülle von falschen Behauptungen, die die Sunday Times am 25. Juni auf einer ganzen Seite unter dem Titel 'Trumps Lügen' auflistete." Die Frage ist nur, ob sie damit etwas bewegen, so Warren: "Man hatte gehofft, dass die ganze Menge an deprimierenden Stories im letzten Jahr etwas bewirken würden. Trumps Umfragewerte waren zwar laut Gallup zuletzt mit 38 Prozent erbärmlich niedrig, aber unter seinen Anhängern sind sie kaum gefallen."

Auch sonst leidet New York Times, erzählt Joe Pompeo in einer zweiten Geschichte. Dabei kann sie auf 130.000 neue Abonnenten blicken. Doch die Redakteure sind müde: Nach Jahren der Umstrukturierung und Schrumpfung soll jetzt auch noch die redaktionsübergreifende Korrektur abgeschafft werden.
Archiv: Vanity Fair

Tablet (USA), 31.07.2017

Mit leichter Hand hingeworfen und doch überraschend und informativ liest sich David Mikics' Gesprächsporträt über den Computerwissenschaftler (und das Unabomben-Opfer) David Gelernter, der in Deutschland berühmt wurde, als ihn Frank Schirrmacher als einen der Vordenker der "Dritten Kultur" lancierte - Gelernter traf perfekt das von Schirrmacher ersehnte Profil eines Avantgardisten, der im Herzen erzkonservativ ist: Er gibt es selber gerne zu, rät zu Internetzensur und Wahrung der Sitten und betont, dass Kinder lieber richtig Mathe lernen sollen, statt gleich mit dem Coden anzufangen: "Sie müssen sich zum Coden hocharbeiten. In Amerika will man sich heutzutage zu nichts mehr hocharbeiten." Und er unterstützt Donald Trump, in dessen wissenschaftlichem Beraterstab er gerne mitwirken würde: "Es ist schwierig für mich nachzuvollziehen, dass Gelernter mit seiner Neigung zu altmodischer Höflichkeit, die einst Amerika regierte, irgendetwas an Trump respektabel finden kann. Aber Gelernter ist ein geborener Ikonoklast, und es gibt kaum eine bessere Methode, in der akademischen Welt als schwarzes Schaf zu erscheinen, als zu sagen, dass der Präsident doch alles in allem gar nicht so übel sei."

Außerdem jetzt online: Sean Coopers witzige und lange Reportage über einen Content-Marketing-Kongress aus dem Mai-Heft.
Archiv: Tablet

The Baffler (USA), 01.08.2017

Donald Trump und Bernie Sanders haben etwas gemeinsam, meint der Historiker James Livingston: Beide sind "Erben einer linkshegelianischen Tradition, die - unter der Schirmherrschaft von Karl Marx -  den Zwang zu arbeiten zum zeitlosen Element der menschlichen Natur bestimmte". Kurz: beide wollen Vollzeitjobs für alle. "Fuck work", setzt Livingston dagegen. Eine Idee, wie das praktisch vonstatten gehen soll, offenbart er nicht, aber dass die Linke immer noch auf Vollzeitjobs und eine "protestantische Arbeitsethik setzt, geht über seinen Horizont: "Jeder Walmart mit 300 oder mehr Mitarbeitern kostet den Steuerzahler jährlich ungefähr eine Million Dollar, denn die Löhne für die Angestellten reichen nicht für Lebensmittel und Krankenversicherung. Ohne staatliche Zuzahlungen wären mindestens die Hälfte der Arbeitskräfte offiziell arm... Es gibt keine Vollzeitjobs mehr, und wenn doch, dann kann man nicht von ihnen leben (geschweige denn, dass sie irgendwie charakterbildend wären)." Warum fordert die Linke dann noch Vollzeitjobs? "Warum das Egoideal des bourgeoisen Individuums wieder einsetzen, statt wie Weber und Freud zu fragen, ob das in unserer gegenwärtigen Verfasstheit sinnvoll ist."

Außerdem: Einen kleinen culture clash erlebte Michelle García bei einer Veranstaltung im New Yorker Moma mit dem Filmregisseur Alejandro Jodorowsky, der erst die Fragen von Klaus Biesenbach beantworten und dann Tarot-Karten fürs Publikum lesen sollte: "Dabei stieß die Weltsicht eines Kurator-als-Celebrity-Lakaien mit der eines Künstlers zusammen, der mit einer crowd-sourcing-Kampagne für seinen Film 'Endless Poetry' Hollywoods geldbesoffene 'Kolonialisierung' des Filmemachens angeprangert hatte, die, wie er sagte, die Öffentlichkeit zu 'Sklaven der Ökonomie' macht."
Archiv: The Baffler

New York Times (USA), 30.07.2017

In der aktuellen Ausgabe des Magazins erkundet Alex W. Palmer die Situation von Chinas Menschenrechtsanwälten, die heute dramatischer ist denn je: "Anwälte wie Liang Xiaojun befassen sich mit Meinungsfreiheit, Arbeitsrecht, religiöser Freiheit, Rechten von Homosexuellen und Transgender. Ihr gemeinsamer Gegner heißt in jedem Fall: Angst … Der Druck auf sie wird langsam erhöht. Zunächst werden sie zum 'Tee' bei der Polizei eingeladen. Woran arbeiten sie gerade, fragt der Officer. Und ihre Kollegen? Wie kommen ihre Kinder mit dem neuen Lehrer zurecht? Das genügt oft, um den Anwalt zum Umdenken zu bewegen. Wer weitermacht, auf den wird der Druck erhöht. Besuche des Justizamtes, Nachrichten vom Aufpasser der Regierung ('Sehen Sie sich vor, was Sie heute auf dem Meeting sagen'), die sowohl einschüchternd wirken als auch als Erinnerung daran dienen, dass man beobachtet wird. Der Druck kann erschreckend persönlich werden. Zwischen Druck und Entspannung wechselnd, kann ein Aufpasser sein 'Objekt' die eine Woche zum Essen einladen, die nächste zum Verhör. Häufig werden Euphemismen verwendet. Es heißt, man hat mit jemandem 'gesprochen' anstatt er wurde 'bedroht', jemand wird 'erzogen', nicht 'diszipliniert'. Angst vor Gewalt und Verhaftung werden alltäglich."

Außerdem: Sam Anderson und der Fotograf Luca Locatelli klettern durch die uralten Marmorbrüche Norditaliens. Und Alex French stellt fest, dass Hollywood inzwischen aus jedem x-beliebigen Smartphone-Game einen Film (und viel Geld) machen kann, Plot hin oder her.
Archiv: New York Times