Magazinrundschau

Von pervers zu produktiv pervers

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
31.05.2022. In Granta erkundet Jason Allen-Paisant den Rhythmus von Port-au-Prince. Artforum erkundet mit Che Onejoon den Einfluss nordkoreanischer Kunst in Afrika. Ungarn ist heute die lustigste Baracke von Gazprom, seufzt Elet es Irodalom. In Eurozine beschreibt Rumena Filipova, wie Bulgarien seinen Platz zwischen Westeuropa und Russland sucht. Im New Statesman wünschte John Gray, jemand hätte einen Plan für das postglobale Zeitalter. Himal würdigt die Ästhetik des Exzesses in der Punjabi-Tradition des südostasiatischen Kinos.

Granta (UK), 01.05.2022

In Granta erzählt der britische Autor und Kulturwissenschaftler Jason Allen-Paisant, wie er 2018 das Leben in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince erkundete. Eine Stadt, die ihm vertraut schien und dann wieder sehr fremd. Zum Schlüssel wurde ihm der Rhythmus der Stadt, die Bewegungen im Raum, etwa wenn ein Mann mit einer Nähmaschine in einen Minibus steigt: "Dies ist ein anderes Land, und ich war noch nie so beeindruckt von der Choreografie der Bewegung wie in diesem Moment. Es ist alles normal - nichts könnte in diesem Moment und in diesem Raum normaler sein -, der Mann balanciert seine Nähmaschine für ein paar Minuten, bis er sein Ziel erreicht und dem Fahrer zuruft, der ihn aussteigen lässt. Er bezahlt und setzt seinen Weg fort. Ich möchte die Bedeutung dieser Choreografie für mich ausloten, wie sie mich zwingt, den Raum auf andere Weise zu lesen. Manch einer mag von Resilienz sprechen und davon, wie sie den Einsatz des Körpers bedingt, die Art und Weise, wie sich der Körper an den Raum und seine besonderen Zwänge anpasst. Ich kann es nicht genau sagen. Ohne es zu idealisieren, habe ich das Gefühl, dass diese Art des Balancierens es den Menschen ermöglicht, einander auf eine Art und Weise zu sehen, die präsenter und offener ist als die Art und Weise, wie die Menschen in Leeds, wo ich lebe, einander sehen. Das mag daran liegen, dass die Art und Weise, wie unsere Körper den Raum einnehmen, die Art von Selbst bestimmt, die wir sind oder für die wir uns halten: Sich in einer Choreografie zu bewegen bedeutet, sich der Präsenz anderer Körper bewusst zu sein. Die Art und Weise, wie sich der Verkehr in Port-au-Prince bewegt, scheint dies zu verdeutlichen. Es ist ein Fluss, in den man eintritt und aus dem man aussteigt; die Dinge halten nicht an: kein Anhalten, kein Zögern, kein Zweifeln; dafür ist hier kein Platz - es gibt einen Rhythmus, und alle Teilnehmer treten in diesen Rhythmus ein und nehmen sich gegenseitig wahr."
Archiv: Granta

New Statesman (UK), 30.05.2022

Ganz wie hundert Jahre zuvor markieren Krieg und Pandemie das Ende einer weltweiten Wirtschaftsordnung. Doch John Gray, der große Verächter von Neoliberalismus und Globalisisierung, kann sich darüber nicht freuen. Denn als ebenso hartgesottener Brexitbefürworter bemerkt er doch eine gewisse Planlosigkeit der britischen Eliten angesichts der drohenden Umwälzungen, an denen er nicht nur böswilligen Autokratien die Schuld gibt, sondern auch der Entfesselung der Finanzmärkte, durch die die Ungleichheiten in der Gesellschaft noch größer wurden: "In einer Zeit, in der sie diese am dringendsten braucht, fehlt es der britischen Politik an radikalen Ideen zur Rolle des Staates. Der harte Brexit macht nur dann Sinn, wenn er es dem Vereinigten Königreich ermöglicht, das europäische Regelwerk abzuschütteln, aber die Regierung hat wenig getan, um die mit dem Austritt gewonnene Freiheit zu nutzen." Und auch "Labour hat aus dem Wahldebakel von 2019 die falschen Lehren gezogen. Während traditionelle Labour-Wähler Jeremy Corbyns antiwestliche Politik ablehnten, war sein Wirtschaftsprogramm für viele von ihnen nicht unattraktiv. Labours Wandlung in eine Bastion der fiskalischen Orthodoxie wird sie nicht zurückgewinnen. Ebenso haben die Neo-Thatcheristen des freien Marktes die Unterstützung der traditionellen Labour-Wähler für den Brexit falsch verstanden. Die Menschen in Blyth Valley und Stoke-on-Trent haben nicht für den Austritt aus der EU gestimmt, damit die Regierung ein Programm der umfassenden Deregulierung und des uneingeschränkten Freihandels auflegen kann. Sie wollten Schutz vor globalen Märkten, die ihre Arbeitsplätze bedrohen, und bessere öffentliche Dienstleistungen."

Johanna Thomas-Corr rechnet es Amy Odell hoch an, dass sie in ihrer Biografie unermüdlich, wenn auch vergeblich nach menschlichen Zügen der Vogue-Chefin Anna Wintour sucht, die das Modemagazin seit 1988 mit nie gesehener eisener Disziplin führt: Odell zeichnet sie zu gleichen Teilen als kreatives Genie und kalkulierenden Apparatschik. Während Vintour durchaus Trends folgt ('Ich würde gern was über Asiaten machen, die sind jetzt überall', sagte sie 1994 zu Kollegen), steht das Magazin fest zu ihrer eher konservativen Ästhetik: 'Englische Gartenparty' voller 'Sonne, Lächeln, Glück'. Sie bevorzugt junge weiße Frauen aus gutem Hause, Frauen der Gesellschaft oder Prinzessinnen mit Ivy-League-Abschluss."
Archiv: New Statesman

Elet es Irodalom (Ungarn), 31.05.2022

Für Zoltán Kovács, den Chefredakteur von Élet és Irodalom, wurde Ungarn in den vergangenen Jahren durch die immer enger werdenden Nähe des ungarischen Ministerpräsidenten Orbán zum russischen Präsidenten zur lustigsten Baracke von Gazprom, was allerdings nunmehr zu einer vollkommenen Isolation Ungarns führte, schreibt er in einem Kommentar: "Unsere Position wäre sicherlich einfacher und unsere Einstufung durch die anderen wesentlich besser, wenn die vergangene Dekade nicht zu einem bedingungslosen Anschluss an Russland geführt hätte, sondern eine Regierungsabsicht ersichtlich gewesen wäre, dass man sich unabhängig machen will. Die Haltung der Orban-Regierung zum Krieg in der Ukraine irritiert jedes Land in der EU. Die bedingungslose Nähe zu Putin kann nicht mehr einfach mit der Lage am Energiemarkt begründet werden, die EU wird früher oder später anfangen, ohne Ungarn Lösungen für die Probleme zu finden. (…) Egal, wie stark er sich redet, seine Verbündeten sind weg, selbst seine ehemaligen besten Freunde sprechen nicht mehr mit ihm, die Visegrád-Länder sind auseinandergebrochen."

Eurozine (Österreich), 30.05.2022

Bulgariens neue Regierung hat den russischen Angriff auf die Ukraine verurteilt und trägt auch die internationalen Sanktionen mit, aber eigentlich wäre dem Land eine neutrale Position lieber, schreibt die Politikwissenschaflerin Rumena Filipova. Ihrer Ansicht nach hat Bulgarien seinen Platz in Europa noch immer nicht gefunden: "Westeuropa wird sowohl als eine utopische, überlegene Art der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Organisation begriffen, die es nachzuahmen gilt, als auch als ein feindliches, exklusives und fernes Gebilde, das die Staaten an seiner Peripherie nicht wertzuschätzen weiß. Bulgariens ideeller Ausschluss aus der europäischen Kultur findet seine Entsprechung im Begriff des Balkans, dem Synonym für Rückständigkeit, Konflikt, Tribalismus und Widerstand gegen die Moderne. Nachdem Bulgarien dem Osmanischen Reich zugeschlagen worden war, blieb es am Rande der großen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Transformation in Westeuropa. Reformation, Aufklärung, Industrielle und Französische Revolution trugen dort zur Entfaltung von Liberalismus, Rechtsstaat und freier Marktwirtschaft als den zentralen europäischen Werten bei. Oberflächlich betrachtet waren diese 'importierten' Werte nie Bestandteil der nationalen bulgarischen Identität. Die Bulgaren eiferten ihnen nach, um gegenüber dem Westen aufzuholen, aber sie waren nicht Teil einer eigenen historischen Entwicklung. Auf der anderen Seite spielte Russland eine wichtige Rolle bei der Bildung kultureller Sensibilitäten und emotionaler Bindungen. Religiöse, ethnische und sprachliche Ähnlichkeiten, verbunden mit historischer Dankbarkeit (Bulgariens Befreiung von osmanischer Herrschaft verdankte sich russischer Unterstützung), machten Russland zu einem wichtigen Akteur bei der Wiederherstellung moderner bulgarischer Staatlichkeit. Im allgemeinen Bewusstsein spielt Moskau die Rolle eines Befreiers und Beschützers, nicht nur in osmanischer Zeit, sondern auch während des Kalten Krieges."
Archiv: Eurozine

Artforum (USA), 23.05.2022

Zoé Samudzi stellt eine sehr interessante Monografie des südkoreanischen Künstlers Che Onejoon vor, "International Friendship: The Gifts from Africa", das die Präsenz des nordkoreanischen Mansudae Kunststudios in Afrika dokumentiert: "Die Fotografien von Che, die auf Reisen in den Senegal, nach Namibia, in die Demokratische Republik Kongo, nach Botswana, Gabun und Simbabwe entstanden sind, dokumentieren das ästhetische Erbe der Süd-Süd-Beziehungen aus der Zeit des Kalten Krieges, die von einer gemeinsamen Opposition gegen den westlichen Kapitalismus genährt wurden. Das Mansudae Art Studio, das 1959 von Kim Il Sung, dem Gründer Nordkoreas, als Propagandaorgan für das eigene Land gegründet wurde, ist mit rund viertausend Mitarbeitern die vielleicht größte Kunstfabrik der Welt. Das Studio besteht aus vierzehn Sparten, die nach Kunstform geordnet sind, darunter Ölmalerei, Holzschnitte, Keramik und natürlich Bronzeskulpturen." In Namibia zum Beispiel gab Sam Nujoma, erster Präsident nach der Unabhängigkeit und enger Freund Kim Il Sungs, Nordkorea ein Monopol auf die Errichtung von Regierungsgebäuden - "was viel Kritik auslöste, angesichts der astronomischen Kosten für die Beauftragung eines ausländischen Studios anstelle eines einheimischen oder regionalen Talents. Im Rahmen des Mansudae-Überseeprojekts wurde auch das 28 Millionen Dollar teure State House, die Residenz des namibischen Präsidenten, gegen Ende von Nujomas Amtszeit im Jahr 2002 gebaut. Seine Statue steht an der Stelle, an der sich zuvor das von Deutschland erbaute Reiterdenkmal befand, das an deutsche Zivilisten und Soldaten erinnern sollte, die während des Herero-Krieges von 1904-07 starben. In dem Krieg, einem Völkermord, wurden über 70 Prozent der Ovaherero und 50 Prozent der Nama von den deutschen Streitkräften getötet. Dieses Denkmal markiert somit eine Verdrängung der eurokolonialen Erinnerung durch eine antikoloniale staatliche Ikonografie, die durch die Genozid-Statue am südlichen Ende des Museums-Gedenkstätten-Komplexes ergänzt wird. Die Statue befindet sich vor Alta Feste, der Festung, die einst das Hauptquartier der deutschen Streitkräfte war. Sie stellt einen Mann und eine Frau dar, die sich mit zerbrochenen Fesseln und erhobenen Fäusten auf einem Sockel umarmen, dessen Vorder- und Rückseite Reliefs von abgemagerten Überlebenden des Völkermords und zwei bewaffnete Schutztruppensoldaten zeigen, die drei Eingeborene aufhängen. Obwohl die namibische Regierung die Ovaherero- und Nama-Gemeinschaften seit langem von den Verhandlungen mit Deutschland über die Anerkennung des Völkermordes und die Wiedergutmachung ausgeschlossen hat, steht auf dem Sockel in erhabenen schwarzen Buchstaben 'Ihr Blut tränkt unsere Freiheit', womit die Identität und Zukunft aller Namibier in den toten Ovaherero und Nama verankert wird."
Archiv: Artforum

Himal (Nepal), 24.05.2022

Nahal Sheikh wirft einen sehr interessanten Blick auf die Punjabi-Tradition im südostasiatischen Kino. Als Ausgangspunkt dient ihr dabei Saad Khans Dokumentarfilm "Showgirls of Pakistan" (Trailer) über die Geschichte des "mujra", einer Variante des Kathak-Tanzes, der im vorkolonialen Indien noch als höfisch galt, im Zuge der Kolonialisierung aber zu einem Zerstreuungsangebot für plebejische Schichten umgedeutet wurde. "Während es dem Film gelingt, die von Konflikten gezeichnete, aber doch mitreißende Menschlichkeit der Tänzerinnen zu fassen zu kriegen, erinnert er uns auch daran, die übergeordnete Popkultur der pakistanischen Arbeiterklasse freizulegen, als Variante davon insbesondere die Punjabi-Subkultur. Sie ist laut, bunt und intensiv, also alles, was nicht 'dezent' oder 'angemessen' ist. ... Diese Ästhetik entspringt dem Lollywood der 70er und 80er, also der Filmproduktion in Lahore, und zählt mit zum Goldenen Zeitalter des Kinos dieses Landes. Diesen spezifischen Filmstil kennt man vor allem für seine pulsierende Energie, doch viele wissen nicht, dass er auch eine mächtige Widerstandsform während Pakistans repressivster Diktatur unter Muhammad Zia-ul-Haq in den Jahren 1978 bis 1988 darstellte. Die Filme griffen die 'perversen' Stereotype der Punjabi-Kultur auf und spielten unbekümmert damit, um gesellschaftlichen und politischen Anstrengungen der Arbeiterklasse dieser Zeit zum Ausdruck zu bringen. Auf diese Weise transformierten diese Filme diese Grellheit von pervers zu produktiv pervers. ... Sie griffen diese 'negativen' Elemente auf und unterstrichen sie visuell mit Nachdruck oder eigneten sie sich neu an statt sie verleugnen. Sie stellten einen schockierenden Kontrast zur Geschichte der Unterschlagung dar, der die punjabische Kultur über Jahrhunderte ausgeliefert war. Diese Kinoästhetik wurde zum Ausdrucksmittel dafür, was die pakistanische Arbeiterklasse unter der extremen gesellschaftlichen und politischen Unterdrückung unter Zia erdulden musste. Durch Bilder, Text und Sound begünstigten die Filme eine 'Ästhetik des Exzesses', die die Realität der Arbeiterklasse widerspiegelte." Als ein Beispiel dient Nahal Sheikh der Film "Heer Ranjha", der in voller Länge auf Youtube steht:

Archiv: Himal

HVG (Ungarn), 30.05.2022

Der renommierte ungarische Schauspieler János Gálvölgyi spricht im Interview mit István Balla leicht ironisierend darüber, wie sich Ungarn seiner Meinung nach dem nunmehr vierten Sieg von Viktor Orbán mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit verändert hat, wobei er starke Parallelen zu Entwicklungen von vor fünfzig Jahren sieht. "Man könnte dieses Land in leiser Apathie beobachtet, so wie wir es vor fünfzig Jahren taten: So ist es halt. (...) Inzwischen sind wieder Wahlen vorbei und wir sind dahin zurückgekehrt, wo meine Generation hineingeboren wurde: Der Hass ist zu Ende! (...) Es gibt nur noch eine Partei und aller vier Jahren geben wir unsere Stimme für den einen oder anderen Kandidaten von der 'Patriotischen Volksfront - Einheitsliste' ab. Da gibt es Bedarf. Darüber darf man sich nicht streiten. Ich weiß zwar nicht, weil ich in Mathe immer dumm war, wie viele Drittel dies aus dem Zwei-Drittel sind, doch es ist der größere Teil des Landes. Sie wollen dies und sie fühlen sich darin wohl. Ich hatte im Frühling Torheiten gehört, dass es eine Wechselstimmung gäbe. Aber wo? Unter welcher Hausnummer. Ich habe sie nicht finden können."
Archiv: HVG

Vanity Fair (USA), 23.05.2022

Die Newsletter-Plattform Substack wird fünf Jahre alt und hat zumindest in Amerika die Öffentlichkeit mitgeprägt: Salman Rushdie hat einen Newsletter, Patti Smith kommuniziert mit ihren Fans, prominente und sehr meinungsstarke Journalisten wie Bari Weiss, Andrew Sullivan oder Glenn Greenwald haben lukrative Nischen außerhalb der großen Medien gefunden. Es gibt auch eine Historikerin, die durch Substack berühmt wurde, Heather Cox Richardson, sozusagen die Hedwig Richter der USA. Joe Pompeo erzählt die Erfolgsgeschichte von Substack, inklusive der für amerikanische Reportagen typischen Details aus den völlig platten Biografien der Gründer. Aber Substack kriegt jetzt Probleme, so Pompeo mit frommem Augenaufschlag. Anders als bei Twitter oder Facebook dürfen sich Corona-Leugner hier noch äußern. Und schlimmer noch: Es gab Witze gegen die Transcommunity. Die Guidelines von Substack sind noch musk-haft libertär und offen. Wie lange wird sich Substack so viel Desinformation leisten können, fragt Pompeo. Die Antwort Hamish McKenzies, eines der Mitbegründer: "Facebook und Twitter und andere, die bei der Moderation von Inhalten eine härtere Gangart einlegen, stehen unter stärkeren Zwängen, denn sie sind Verstärkungsmaschinen, so sind ihre Systeme aufgebaut. Sie liefern Newsfeeds, die nach Inhalten sortiert sind, die sehr ansprechend sind. Das fördert die Produktion solcher polarisierender Inhalte. Sie sind die weltweit leistungsfähigsten Maschinen zur Verbreitung von Desinformation, und daher ist die Last des Handelns für sie viel größer."
Archiv: Vanity Fair

New York Times (USA), 29.05.2022

Moises Velasquez-Manoff verfolgt im New York Times Magazine den anwachsenden Trend der Impfgegnerschaft. Dazu tragen auch verzerrte Informationen bei, wie er von Kolina Koltai erfährt, die die Thematik an der University of Washington erforscht: Eine wahre Aussage wird aufgegriffen aus dem Zusammenhang gerissen, erklärt sie. "Eine dieser Wahrheiten ist, dass Impfungen gelegentlich furchtbare Reaktionen auslösen. Jene 'unerwünschten Ereignisse', wie sie euphemistisch genannt werden, sind äußerst selten. Auch wenn der Zusammenhang nicht vollständig belegt ist, gibt es Hinweise darauf, dass eins von einer Million Kinder, das beispielsweise die Dreifachimpfung gegen Mumps, Masern und Röteln erhält, Enzephalitis entwickelt, eine potenziell gefährliche Entzündung des Gehirns. Zwischen drei und vier von einer Million Geimpfter gegen die Grippe werden von einer Lähmung namens Guillain-Barré befallen. Peter Hotez (Dekan der National School of Tropical Medicine am Baylor College of Medicine) weist allerdings darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit von einem Blitz getroffen zu werden - 1 zu 500000, laut dem Center for Disease Control - größer ist, als von einer dieser Nebenwirkungen betroffen zu sein. Außerdem sind diese Erscheinungen behandelbar. Wichtiger aber ist, dass die Krankheiten selbst sehr viel wahrscheinlicher zu jenen Nebenwirkungen führen als die Impfungen. Die Grippe kann Guillain-Barré und zahlreiche andere Krankheiten auslösen. Eine Masern-Infektion führt in einem von 1000 Fällen zu Enzephalitis, übersteigt also um ein Vielfaches das entsprechende Risiko der Masern-Impfung. Das gilt ebenso für die Covid-19 Impfung: Die Gerinnungsstörung und Herzentzündung im Zusammenhang mit einer Covid-19 Impfung, treten genauso, sogar sehr viel häufiger, bei einer tatsächlichen Covid-19 Infektion auf."
Archiv: New York Times