Magazinrundschau

Eine komplett anarchistische Perspektive

Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
27.02.2018. Europa ist ein Granatapfel, kein Pfirsich, erklärt der rumänische Kunsthistoriker Andrei Pleșu in Eurozine. In Brooklyn Rail kritisiert der französische Politologe Nedjib Sidi Moussa die "Muslim-Fabrik" der Linken. Der Guardian beschreibt den Faschismus für Hipster der italienischen CasaPound. The Atlantic erzählt, wie der amerikanische Großlobbyist Paul Manafort dem Putin-Kumpan Wiktor Janukowytsch ins Amt zurück verhalf. Der New Yorker erzählt, wie Pablo Escobar zum Volkshelden und Hollywoodliebling wurde. Wired erzählt, wie die russische Internet Research Agency den Wahlkampf von Trump unterstützte.

Eurozine (Österreich), 19.02.2018

Das moderne Europa ist das Ergebnis einer spektakulären Hybridisierung, schreibt der rumänische Kunsthistoriker Andrei Pleșu, es hat seine Kraft immer daraus gezogen, dass es Widersprüche und Krisen überwunden hat. Und es lässt sich nicht teilen in Nord und Süd oder Ost und West. Auch nicht in einen Kern und die Peripherie: "Europas erster harter Kern war der Mittelmeerraum. Er verlagerte sich erst von Athen nach Rom, bevor er in Konstantinopel weilte. Für eine Zeit lag der harte Kern in Aachen. Im siebzehnten Jahrhundert bildete Ludwig XVI. die europäische Avantgarde, im folgenden Jahrhundert war es England mit seiner Industriellen Revolution. 1815 war Europa im Wesentlichen gleichbedeutend mit der Heiligen Allianz, die Österreichs katholische Dynastie mit der protestantischen Preußens und der orthodoxen Russlands verband. Italien hatte seine großen Momente (die Renaissance), und die hatten auch Spanien und Holland. Und es bleibt abzuwarten, was der harte Kern nach der großen EU-Erweiterung sein wird, die zweihundert Millionen neue (Mittel-, Ost- und Südost-) Europäer geschaffen hat. Historisch betrachtet ähnelt Europa weniger einer Aprikose als einem Granatapfel. Oder, wie Pascal sagte, das Zentrum ist überall und die Peripherie nirgendwo. Es gibt ein lateinisches Europa und ein angelsächsisches, ein katholisches, ein jüdisches, ein protestantisches, ein orthodoxes, und jetzt gibt es auch, ob es und gefällt oder nicht, ein muslimisches Europa."

Die Juristin Grażyna Baranowska beleuchtet, wie Opfern historischer Verbrechen in der internationalen Rechtsprechung mehr und mehr ein Recht auf Wahrheit zugesprochen wird.
Archiv: Eurozine

Brooklyn Rail (USA), 07.02.2018

Der "Arbeiter" als Klassenbegriff verschwindet. Ersetzt worden ist er durch "der Muslim". Und "der Muslim" ist fest definiert: Er betet fünf mal täglich, sie trägt das Kopftuch, beide befolgen alle religiösen Gebote. Kurz: "der Muslim" ist immer konservativ und streng gläubig. Kulturmuslime oder gar Atheisten aus islamischen Ländern kommen in diesem Denken nicht vor, sie werden kurzerhand unter "der Muslim" subsumiert. Welche fatalen Auswirkungen das hat und inwiefern die Linke daran mitschuld ist, hat der französische Politologe Nedjib Sidi Moussa in seinem 2017 erschienenen Essay "La Fabrique du Musulman (The Muslim Factory)" beschrieben. Im Interview mit Felix Baum erklärt er, warum: "So haben zum Beispiel in den letzten Jahren einige Vertreter linker Organisationen an verschiedenen Veranstaltungen gegen 'Islamophobie' der Participation et spiritualité musulmanes (PSM) teilgenommen. PSM ist eine Gruppe, die mit der größten islamistischen Bewegung Marokkos, Al Adl wal Ihsane, verbunden ist. PSM demonstrierte in den französischen Straßen zusammen mit rechten homophoben Gruppen gegen die Schwulenehe. Das sollte jeden linken französischen Aktivisten stören. Die marokkanische demokratische Linke hat kürzlich verkündet, es könne keine Allianz mit Al Adl wal Ihsane geben. Was ist aus dem Internationalismus der Linken geworden?"
Archiv: Brooklyn Rail

Prospect (UK), 20.02.2018

Sameer Rahim kommt, wenn auch aus einer anderen Richtung, zu einem ähnlichen Ergebnis wie Nedjib Sidi Moussa in Brooklyn Rail. Der Westen möchte bitte aufhören, Muslimen einen "moderaten" Islam vorzuschreiben. Der entwickle sich doch von ganz allein, glaubt er. Schließlich gebe es die unterschiedlichsten muslimischen Gesellschaften: "Es gibt zu viel Islam in den Studien über Muslime. Man sollte sich besser mehr auf die harten Themen konzentrieren: ökonomische Probleme, fehlgeschlagene Interventionen, Diktaturen, Ungleichheit, Klimawandel. All das trug zum Aufstieg des Islamischen Staates bei, Religion war kaum mehr als ein Anschubser. Entschärft man diese Probleme, gibt den Leuten verantwortliche Regierungen und die Chance auf einen Job, dann könnten gewalttätige religiöse Bewegungen, die vorgeben, Antworten bereit zu halten, ihre Anziehungskraft verlieren."

Außerdem: Lionel Shriver wehrt sich vehement gegen linke wie rechte Attacken auf die Meinungs- und Redefreiheit.
Archiv: Prospect

HVG (Ungarn), 14.02.2018

Im Interview mit Rita Szentgyörgyi spricht die Lyrikerin Krisztina Tóth u.a. über die Kompromisse, die man in Ungarn oft mit dem gegenwärtigen Regime schließen muss: "Viele treffen schmutzige Abmachungen, weil sie denken, dass sie nur ein Leben haben und in diesem einen Leben müssen sie die materiellen Zuwendungen maximieren. Doch zu diesem Leben gehört auch, was wir hinterlassen. Selbst kleinere Kompromisse dürfen nicht geschlossen werden, denn es ist sehr schwer, wieder zurück zu rudern. (...) Oder man manövriert zwischen Kompromissen, die zwangsläufig die Persönlichkeit beschädigen und erodieren. (...) In der zweiten Hälfte der achtziger Jahren, als ich erwachsen wurde, gab es ein gemeinsames Augenzwinkern, dass das System nicht mehr lange dauert. Die heutige Situation ist frustrierender. Wir wissen nicht, wann es zu Ende geht und welche Spuren und Wunden es an den Körpern, in den Seelen und in den Gehirnen hinterlässt."
Archiv: HVG

Guardian (UK), 22.02.2018

Tobias Jones rekapituliert den beängstigenden, hierzulande wenig beachteten Aufstieg der Neofaschisten in Italien, die vor allem durch den früheren Bandleader und Kneipenwirt Gianluca Iannone für den italienischen Mainstream anschlussfähig wurden. Ihr Name CasaPound ist Reverenz an den amerikanischen Schriftsteller und Duce-Bewunderer Ezra Pound und klingt eher nach einem Kulturinstitut als nach einem Schlägertrupp: "In einem Land, in dem Stil und Pose ganz oben stehen, war CasaPound Faschismus für Hipster. Es gab Berichte über Gewalt, aber die machten das Ganze vor allem für Männer, die sich ziellos, an den Rand gedrängt und in ihrer Männlichkeit bedroht fühlen, nur noch attraktiver. Sie kamen in Scharen, um ihre 15 Euro Mitgliedsbeitrag zu zahlen. Anfang der Nuller Jahre war es für Mainstream-Politiker kein Tabu mehr, in warmen Worten von Mussolini zu sprechen: Bewunderer des Duce waren Minister geworden und mehrere faschistische Splitterparteien gewannen an Stärke: Forza Nuova, Fronte Sociale Nazionale und verschiedene Skinhead-Gruppen. Aber während die meisten Faschisten aussahen wie Wiedergänger der dreißiger Jahre aussahen, konzentrierte sich CasaPound auf zeitgenössische Themen und dachte sich kreative Kampagnen aus: 2006 hängten sie 400 Schaufensterpuppen in ganz Rom auf, um gegen die Wohnungsnot zu protestieren. 2012 besetzten CasaPound-Anhänger die Büros der EU in Rom und warfen Kohlesäcke aus dem Fenster, um die Belange italienischer Bergarbeiter zu unterstützen. Einige ihrer Positionen überraschen auf den ersten Blick: Sie sind, natürlich, gegen Einwanderung, aber aus dem angeblich 'progressiven' Grund, dass die Ausbeutung der migrantischen Arbeiter eine Rückkehr zur Sklaverei bedeutet."

Vor den Wahlen blickt auch Thomas Jones in der London Review of Books auf Italiens sich in Auflösung befindliche Parteienlandschaft.
Archiv: Guardian

The Atlantic (USA), 01.03.2018

Diese epischen Recherchen in Atlantic oder im New Yorker lesen sich manchmal ein bisschen trocken. Deutsche Journalisten würden eine solche Geschichte um einiges mehr ölen und seifen, damit sie beim Publikum besser flutscht. Aber Franklin Foers Porträt des Großlobbyisten Paul Manafort, der jetzt im Zentrum der Untersuchungen von FBI-Ermittler Robert Mueller steht, böte Stoff für fünf Staffeln einer realistischeren, darum nicht weniger abgründigen "House of Cards"-Serie. Der Artikel erzählt die Geschichte des Lobbyismus seit Ronald Reagan und die Geschichte vom Fall eines skrupellosen PR-Beraters, der zuletzt Putins Kumpan Wiktor Janukowytsch wieder ins Amt verhalf und nach deren Sturz unbedingt bei Donald Trump ankommen wollte, um wieder Geld und Einfluss zu gewinnen. Und die Geschichte bestätigt alle Befürchtungen über die Zersetzung westlicher Politik durch russische Milliarden: "Manafort war zugegen, als ein russischer Anwalt und Lobbyist im Sommer 2016 im Trump Tower vorbeikam , um Donald Trump jr. belastendes Material über Hillary Clinton anzubieten. Im selben Sommer verwässerte Trumps Wahlkampfteam unter Manafort erfolgreich die Unterstützung der Republikaner für die prowestliche ukrainische Regierung, die nach Janukowytsch ins Amt gekommen war, sehr zum Gefallen Putins und in heftigem Widerspruch zur bisherigen Linie der Grand Old Party. Die Klageschrift des Justizministeriums gegen Paul Manafort - ihm wird vorgeworfen, dass er sich nicht als ausländischer Agent registrierte und dass er Geld im Ausland versteckte - porträtiert ihn als gierigen und verzweifelten Mann, einen Mann des Schwarzgelds und der finsteren Machenschaften. Im Nachhinein liegt es auf der Hand, dass Robert Mueller Manaforts Umgang mit Geld in der Ukraine zum Ansatzpunkt seiner Untersuchung machte."
Archiv: The Atlantic

New Yorker (USA), 05.03.2018

Für das neue Heft des New Yorker spürt Jon Lee Anderson dem profitablen Nachleben des Drogenbarons Pablo Escobar in Kolumbien nach: "In den letzten Jahren hat Hollywood seine Geschichte in einer ganzen Reihe von Filmen verarbeitet ('Escobar: Paradise Lost', 'The Infiltrator' etc.). Am ehesten verantwortlich für den Touristenboom in Medellin ist die Netflix-Serie 'Narcos', in der der Brasilianer Wagner Moura Escobar als Psychopathen und sorgenden Familienvater spielt, als einen lateinamerikanischen Tony Soprano. 2016 forderte Pablos älterer Bruder Roberto Netflix im Namen seiner Firma Escobar, Inc. zu Schadensersatzzahlungen wegen der Vermarktung der Familiengeschichte auf … Niemand bezweifelt, dass Pablo Ecobar ein Mörder, Folterer und Kidnapper war. Aber in Medellin liebten ihn viele und auch im Ausland erfreut er sich wachsender Beliebtheit. Auf seinem Zenit war er der meistgesuchte Verbrecher der Welt. Er kontrollierte 80 Prozent des Kokainhandels mit den USA und verfügte über ein Vermögen von ca. 3 Milliarden Dollar. In vieler Hinsicht ist er weiterhin Kolumbiens bekanntester Bürger, ein charismatischer Geschäftsmann mit unbegrenztem Ehrgeiz, der mit seinem Robin-Hood-Image bezauberte, obwohl er Tausende tötete, um die Regierung zu stürzen. Ganz Kolumbien ist mit seinem Erbe befasst, verstanden als Unterhaltung oder als abschreckendes Beispiel."

Außerdem: Mike Spies erklärt uns Floridas fatale Schusswaffen-Politik. John McPhee macht sich auf die Suche nach den wilden Bären von New Jersey. Tad Friend porträtiert der Serienautor Donald Glover. Peter Schjeldahl besucht die Triennale des New Museums in New York. Hua Hsu hört Musik von Meghan Remy.
Archiv: New Yorker

Cinema Scope (USA), 27.02.2018

Mit "Laissez Bronzez les Cadavres" hat das für seine extravaganten Inszenierungen bekannte, den Bild- und Stil-Fundus des italienischen und französischen Genrefilms der 60er und 70er mit dem Gestus der Avantgarde kombinierende Regie-Duo Hélène Cattet & Bruno Forzani einen Roman des Neo-Polar-Meisters Jean-Patrick Manchette auf die Leinwand gebracht. Und dies einmal mehr auf klassischem Filmmaterial, auf Super16mm - sehr zur Freude von Christoph Huber, der sich mit den beiden Filmemachern zu einem großen Gespräch zusammengesetzt hat. "Im Gegensatz zu den eher konservativen Polizeifilmen" aus der italienischen Produktion der 70er, bot sich den beiden hier "eine komplett anarchistische Perspektive", sagt Forzani. "Wenn die Frau dem Cop sagt: 'Ich will, dass Du stirbst!', dann hat uns das an die Situation der Sheriffs im Italowestern erinnert. Amerikanische Western neigen dazu, die Perspektive von Recht und Ordnung einzunehmen, wohingegen im Spaghettiwestern jede Figur Gut und Böse, Moral und Unmoral in sich vereint. ... Wenn man auf klassischem Film dreht, dann entsteht etwas Magisches. Ich denke, das kommt daher, dass man dem filmischen Universum Glaubhaftigkeit verleiht. Man schafft etwas Materielles. Digital gedreht, wäre 'Laissez...' bloß Karneval. Wir nutzten sogar Techniscope, um die Atmosphäre eines Italowesterns zu erzielen. Als wir uns ans Storyboard machten, wollten wir Pastiche-Charakter allerdings vermeiden. Was hätte das auch für einen Sinn, das finale Duell so zu drehen wie Sergio Leone, wo er es so doch schon vollkommen perfekt gemacht hat? Stattdessen ging es uns um eine fiebrige Qualität." Der Trailer vermittelt davon einen ersten Eindruck:



Außerdem: Michael Sicinski spricht mit Blake Williams über dessen experimentellen Langfilm "Prototype", in dem es darum geht, wie ein verheerender Sturm um 1900 die Entwicklung von Kino und Fernsehen befeuert. Chuck Stephens freut sich über die Wiederentdeckung eines Buchs von Stan Brakhage. Und Jonathan Rosenbaum macht auf globale Entdeckungen aus der Welt der DVDs und BluRays aufmerksam.
Archiv: Cinema Scope

Slate (USA), 23.02.2018

Schäbige bis schamlose Clickbait-Artikelschwemmen, Razzien, zahlreiche gefeuerte Redakteure und ein Newsroom, der von Angst und Intrigen geprägt ist: Mit der einst stolzen Marke Newsweek geht es deutlich bergab. Will Oremus hat die Gründe dafür recherchiert und bei Mitarbeitern nachgeforscht: Ein Lehrstück darüber, wie solider Journalismus zugrunde gerichtet wird. Vor einigen Jahren hat die bis dahin unauffällige Firma International Business Times das Nachrichtenmagazin aufgekauft und sich lange Zeit als eine Perle im Portfolio geleistet, während schlüpfrigere Marken für Traffic und Umsatz sorgten. "Doch dann, im März 2017, kam es zum Disaster: Ein großes Update in Googles Suchalgorithmus. Damit abgestraft werden sollten Seiten von inhaltlich schlechter Qualität, werbereiche Seiten und 'private Blog-Netzwerke', die von vielen als Traffic-Betrüger eingeschätzt werden. IBT Media traf dies hart. Der organisch über Suchmaschinen generierte Traffic der Flaggschiffe des Hauses sank um 50 Prozent. ... Weniger später wurde der Druck bei Newsweek, den Traffic zu steigern, erhöht, behaupten zahlreiche Quellen. Einer der früheren Angestellten drückte es so aus: 'IBT verdiente nicht mehr länger die Brötchen, also musste Newsweek das jetzt übernehmen.' Binnen weniger Wochen versetzte die Firma sieben Reporter und Redakteure von IBT zu Newsweek, mit dem Auftrag, Breaking News auf ähnlich klickattraktive, dauerfeuer-artige Weise zu fabrizieren, wie sie dies zuvor bei IBT verinnerlicht hatten. ... Die Mitarbeiter wurden darüber in Kenntnis gesetzt, welcher Autor Klicks und Views in welcher Höhe erzielt, was zur angespannten Arbeitskultur beitrug. Im Hinblick auf verfehlte Ziele erklärte ein Redakteur: "Uns wurde gesagt, dass wir darauf achten sollten, dass unsere Autoren nicht in die 'rote Zone' geraten, wenn sie uns am Herzen liegen.'"
Archiv: Slate

Wired (USA), 20.02.2018

Mit dem 37-seitigen Report des Ermittlers Robert Mueller tritt immer mehr zutage, in welchem Umfang russische Interessensgruppen die politische Stimmung und den Wahlkampf in den USA im Jahr 2016 von langer Hand manipuliert haben. Garrett M. Graff fasst die bisherigen Ergebnisse zusammen - Aufwand und Umfang der Operationen sind wirklich atemberaubend: Drei Jahre lang habe man die Lage in den USA und wie sie sich in den sozialen Medien darstellt, genau untersucht, um schließlich innerhalb der USA selbst mit eingeschleusten Mitarbeitern und gezielten Kampagnen an strategisch wichtigen Orten mittels tausender gefälschter Online-Profile an der Stimmung zu drehen: "Das große Ziel hinter all diesem Aufwand - den gefälschten Facebook-Gruppen, den falschen Twitter-Postings, den Undercover-Identitäten, den Online-Anzeigen - lag auf der Hand: Die 'Internet Research Agency' (IRA) instruierte ihre Spezialisten, 'jede Möglichkeit zu nutzen, um Hillary und den Rest zu kritisieren - mit Ausnahme von Sanders und Trump, die wir unterstützen.' Das Team kaperte und verstärkte relevante Hashtags wie #Trump2016, #TrumpTrain, #MAGA und #Hillary4Prison und griff aktuelle Ereignisse auf, um noch mehr Nutzerkonten wie 'Trumpsters United' zu gründen, um mit Leuten zu kommunizieren, die Muellers Bericht als 'ahnungslose Mitglieder, Freiwillige und Unterstützer der Trump-Kamapagne auf lokaler Gemeindeebene' und als 'Graswurzel-Gruppen, die den damaligen Kandidaten Trump unterstützen' bezeichnet. ... Die gut besetzte und teure Aktion - bis zum Herbst fielen monatlich 1,25 Millionen Dollar an - genoss bei der IRA höchste Priorität. ... Im Laufe des Sommers 2016, zwei Jahre nach der ersten Recherche-Reise, mit der das Projekt seinen Anfang nahm, hob die IRA ihre Einflusskampagne auf ein neues Level, als sie politische Veranstaltungen innerhalb der USA organisierte und koordinierte - unter dem Anschein, selbst Graswurzel-Aktivisten zu sein."
Archiv: Wired

La vie des idees (Frankreich), 23.02.2018

Jules Naudet unterhält sich mit dem Politikwissenschaftler Christophe Jaffrelot über die systematische Korruption innerhalb Indiens politischer Klasse, die nach der Marktliberalisierung 1991 noch ordentlich zulegte. Dafür sorgten vor allem Privatisierungen und die Öffnung für ausländische Unternehmen, die sich mit ihrem Geld direkt an hochgestellte Beamte und Politiker wandten. "Dennoch muss man auch andere Aspekte berücksichtigen. Die Korruption zeigt sich auch in der Unterbewertung von Land für den Bau von Produktionsbetrieben. Tatsächlich ist Boden in Indien ein erhebliches Problem geworden. Außerdem sind da noch die späteren Steuersenkungen oder -rabatte. Das sind die Aspekte, die man für das Verständnis des Ausmaßes des Phänomens hinzuzählen muss. Man nimmt heute an, dass die schwarze Wirtschaft, die Schattenwirtschaft, in Indien eine ebensolche Bedeutung hat wie die anscheinend weiße, oder zumindest 'graue', zulässige Wirtschaft."
Stichwörter: Indien

New York Times (USA), 25.02.2018

In der aktuellen Ausgabe des New York Times Magazines erzählt Charles Duhigg die Geschichte des britischen Preisvergleichsportals Foundem.com und seines Kampfes gegen die Google-Suchmaschine und erklärt den Sinn kartellrechtlicher Bemühungen gegen den Monopolisten: "Bei Kartellklagen geht es nicht nur um Kosten und Fairness. Es geht nicht darum, ob wir den Monopolisten lieben oder nicht. Vor einem Jahrhundert hatten die Menschen Sympathien für einen Riesen wie Standard Oil und in den 1990ern mochten sie Microsoft genauso, wie sie heute Google mögen. Kartellgesetze drehen sich um den Fortschritt, darum, wie Technologien wachsen, nicht um eine Gerechtigkeit, die Erfolg in die Schranken weist. Sie sind ein Instrument der Gesellschaft, um Start-ups zu helfen, sich gegen einen Monopolisten durchzusetzen. Wenn so ein Start-up gedeiht und selbst zum Monopolisten wird, beginnt der Zyklus von vorn. Wenn Microsoft Google vor 20 Jahren zerschmettert hätte, hätte es niemand gemerkt. Wir würden heute Bing benutzen, ohne zu ahnen, dass es einmal eine bessere Alternative gegeben hat. Stattdessen können wir uns freuen, dass eine abenteuerliche wettbewerbsrechtliche Klage das verhindert konnte und Kartellanwälte das Gedeihen von Google garantierten. Anders gesagt, wenn du Technik liebst, davon überzeugt bist, dass wissenschaftlicher Fortschritt etwas Gutes ist und du stets die neuesten Geräte kaufst, solltest du vielleicht die Kartellanwälte in deine Gebete einschließen. Es gibt keine bessere Methode, den Markt konstruktiv und kreativ zu halten, als ein Rechtssystem, das einschreitet, wenn ein Unternehmen, egal wie sehr es geliebt wird, so groß wird, dass es den Himmel verdunkelt. Wenn wir Google lieben, sollten wir hoffen, dass die Regierung es verklagt. Denn wer weiß, welche wunderbaren neuen Erfindungen in seinem Schatten auf uns warten."

Außerdem: Marcella Valdes erinnert an die Aktualität des peruanischen Schriftstellers Mario Vargas Llosa. Und Willa Paskin porträtiert die Theater-Schauspielerin Laurie Metcalf, bekannt vor allem aus der Sitcom "Roseanne".
Archiv: New York Times