Magazinrundschau
Wow, das ist ein Verb
Ein Blick in internationale Magazine. Jeden Dienstag Mittag
The Nation (USA), 27.01.2020

El Pais Semanal (Spanien), 21.01.2020

Cosmopolitan (USA), 21.01.2020

HVG (Ungarn), 16.01.2020

New Statesman (UK), 20.01.2020

Harper's Magazine (USA), 01.02.2020
In Brasilien erleben evangelikale Christen einen erheblichen Zulauf und das insbesondere aus dem Gang- und Drogendealer-Milieu, berichtet Alex Cuadros. Einerseits schwächt dies die kriminellen Strukturen und bietet vielen Kriminellen neuen Halt. Andererseits erlebt das Land durch den oft missionarischen Eifer derjenigen, die den Glauben neu für sich entdeckt haben, neue Gewaltexzesse: Einem Pastor etwa "geht es auch darum, junge Männer von afro-brasilianischen Glaubensrichtungen wie Candomblé und Umbanda zu 'befreien'. Deren Geister, sagte er, seien Manifestationen des Feindes. Mit seinen Denunziationen steht dieser Pastor keineswegs alleine da. Der Niedergang der afro-brasilianischen Glaubensrichtungen ist nicht nur das Ergebnis gewandelter Vorlieben. Einige Gangmitglieder sehnen sich danach, ihre Hingabe zu Gott zum Ausdruck zu bringen, sind aber so sehr an die Sprache der Gewalt gewohnt, dass sie dieses Gerede von einem Feind als Erklärung eines Heiligen Kriegs verstehen. In den letzten Jahren häuften sich die eskalierenden Angriffe sogenannter 'Narcopentecostais' auf afro-brasilianische Tempel. Auch Warnvideos wurden gepostet. Eines davon zeigt einen mit Jesus-T-Shirt bekleideten Mann, der heilige Halsketten zerreißt, während ein anderer einen Tempelpriester fragt: 'Weißt du etwa nicht, dass der Herr deinen Aberglaube hier nicht wünscht? ... Wenn ich dich hier noch einmal erwische oder du versuchst, diesen Scheiß hier wieder aufzubauen, dann bringe ich dich um.' Die Opfer solcher Angriffe fürchteten sich davor, mit mir zu sprechen, obwohl ich ihnen zusagte, ihre Namen nicht zu veröffentlichen."
New Yorker (USA), 27.01.2020

Außerdem: Raffi Khatchadourian stellt die erfolgreiche Sci-Fi-Autorin N.K. Jemisin vor. Ben Taub verfolgt die Versuche, einen irakischen Flüchtling zu retten, der in den USA angeklagt ist, für den IS getötet zu haben. Und Anthony Lane erinnert an das weltvorstellende Kino des Federico Fellini.
Times Literary Supplement (UK), 17.01.2020

The Atlantic (USA), 21.01.2020

Guardian (UK), 11.01.2020
William Gibson zählt zu den zentralen Autoren der literarischen Science-Fiction der 80er, dessen Romane zumindest den 90ern das entscheidende Vokabular bereitstellten, um die aufkommende Digitalisierung zu begreifen. Seinen neuen Roman "Agency" musste er unter dem Eindruck der globalpolitischen Verschiebungen der jüngsten Jahre allerdings über weite Strecken neu schreiben, um glaubwürdig zu bleiben, gesteht er im großen Guardian-Gespräch. Früher war er da gelassener: ''Neuromancer' konnte ich tatsächlich nur deshalb schreiben, weil ich von Computern keinen blassen Schimmer hatte. Ich wusste buchstäblich nichts. Was ich allerdings tat: Ich dekonstruierte die Poetik der Sprache jener Leute, die bereits in dem Feld tätig waren. Ich stand da in Seattle in einer Hotelbar auf einer Science-Fiction-Tagung und hörte diesen Leuten zu, den allerersten Programmierern, die über ihre Arbeit sprachen. Ich hatte keine Ahnung, über was die da sprachen, aber es war das erste Mal, dass ich hörte, wie das Wort 'interface' als Verb verwendet wurde. Ich war entzückt. Wow, das ist ein Verb. Poetisch betrachtet war das wunderbar. ... Aus diesen Steinen baute ich eine Welt. Entsprechend gibt es in 'Neuromancer' einige Dinge, die überhaupt keinen Sinn ergeben. Was macht Case, als sich die Lage im Cyberspace zuspitzt? Er verlangt nach einem Modem. ... Ich wusste nicht, was ein Modem ist, aber ich hatte das Wort gerade aufgeschnappt. Und ich dachte, wow, das ist sexy. Das klingt einfach nach richtig schlechten Nachrichten. Ich hatte niemanden, der es gegenlesen konnte. Und googeln konnte ich das auch nicht.' Tatsächlich räumt Gibson später ein: 'Ich denke, Google hat mein Schreiben durchaus verändert. Mir ist heutzutage klar, dass jeder, der sich wirklich in den Text stürzt, alles bei Google nachschlagen wird - oder zumindest alles, was ins Auge sticht. Das fügt dem Ganzen eine neue Ebene der Verantwortung hinzu. Ich kann heutzutage nicht mehr so beliebig schreiben.' Er muss sich davon überzeugen, dass das erfundene Zeug auch definitiv und wasserdicht erfunden ist, und das echte, ergoogelbare Zeug akkurat."
Elet es Irodalom (Ungarn), 17.01.2020

New York Times (USA), 15.01.2020

Seit dem 1. Januar 2020 muss, wer in Deutschland einen Personalausweis beantragt, seine Fingerabdrücke abgeben und speichern lassen. Das mussten früher nur Kriminelle. Protest hat sich dagegen nicht geregt. Ob die Praxis der massenhaften Gesichtserkennung, wie Clearview sie praktiziert (die NYT hat das gerade aufgedeckt, unsere Resümees) irgendjemanden aufregt, kann man wohl auch bezweifeln. Die Bürger machen ja sogar mit bei der gegenseitigen Überwachung, lernen wir aus John Herrmans Artikel über die Überwachungskameras von Ring, die Privatleute in Türklingeln oder -spione eingebauen. "Sie zeichnen alles, was vor ihrer Linse passiert, auf Videos auf, die man umstandslos mit der Polizei oder der Öffentlichkeit teilen kann. ... In einem Video, das bei Ring TV unter dem Titel 'Nachbar rettet Frau vor eisigen Temperaturen' veröffentlicht wurde, klingelt eine frierende Frau im T-Shirt an der Tür. Sie hat sich aus ihrem Haus ausgesperrt, sagt sie, und hofft, dass jemand ihren Mann anrufen könnte. Eine Stimme aus der Klingel fragt, wer sie sei; die frierende Frau sagt: 'Ich wohne auf der anderen Straßenseite.' In dem Video wird die Tür nicht geöffnet und der Ehemann nicht angerufen. Stattdessen informiert der Ring-Eigentümer die örtlichen Behörden. Die Frau bleibt draußen auf der Treppe und stampft mit den Füßen, um sich warm zu halten, bis die Polizei eintrifft. Das ist eine seltsame Interaktion für Menschen, die als Nachbarn beschrieben werden. Es ist eine Vision amerikanischer Entfremdung, bei der menschliche Interaktionen zuerst durch Überwachungskameras und dann durch die Strafverfolgung vermittelt werden. Oder vielleicht gibt es eine einfachere Antwort: Niemand war zu Hause." Die Kameras kann man übers Handy bedienen.
Außerdem: Michael Forsythe, Kyra Gurney, Scilla Alecci und Ben Hallman erzählen, wie amerikanische Firmen Afrikas reichster Frau, Isabel dos Santos, Tochter von Angolas ehemaligen Präsidenten José Eduardo dos Santos, dabei halfen, den Reichtum ihres Landes für sich auszubeuten.