Efeu - Die Kulturrundschau

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Februar 2018

Ein violetter Mantel um akzelerierte Körper

28.02.2018. Die SZ erinnert daran, wie uns die industrielle Moderne vor hundert Jahren die Industrienormen DIN-A4 und 08/15 bescherte. Außerdem begegnet sie den Bildhauerinnen der Berliner Moderne im Georg Kolbe Museum. Die NZZ schmilzt in Frankfurt zu den zartsüßen Trompetenterzen von Giacomo Meyerbeers "Vasco da Gama". Die taz plaudert mit Italo-Rockerin Gianna Nannini. Und die FAZ erkundet die kathartischen Klanggerüste des Cloud Rap.

In einem Puppentheater der Gedanken

27.02.2018. Der Guardian erlebt in der Tate Britain vor den Bildern Lucian Freuds den Schock der Wirklichkeit. Die SZ bewundert die knochigen Leiber des Egon Schiele. In der Berliner Zeitung spricht Hans Neuenfels über Salome und ihre Radikalität ohne Zukunft.  Die NZZ schürft nach literarischen Nuggets. Und in der FR  berichtet der Regisseur Klaus Gietinger von den immer tristeren Arbeitsbedingungen bei den Öffentlich-Rechtlichen. 

Passgenau im Diskurskorridor

26.02.2018. Der Goldene Bär für  Adina Pintilies tabulosen Entblößungsfilm "Touch Me Not" spaltet die Kritik: Die Entscheidung  steht der Berlinale gut zu Gesicht, finden taz und Tagesspiegel. Bitter, finden FAZ, FR und NZZ. Echtes altmodisches Analog-Theater  genießt  die SZ mit Claus Peymanns Stuttgarter "König Lear".  Die taz erlebt in der Frankfurter Basquiat-Schau das New York der Achtziger Jahre kurz vor dem Platzen .

Ach dieses Nödelsensibelchen!

24.02.2018. Erinnert an die schlechtesten Castorf-Jahre, stöhnen die Kritiker einstimmig über Albert Serras Rokoko-Stück "Liberté" an der Volksbühne. In der FAZ fordert der baskische Schriftsteller Fernando Aramburu die Aufklärung des ETA-Terrors. Die Zeit erkundet die verschiedenen Modernen der Sowjetarchitektur in Minsk. SZ und Freitag läuten mit Ryan Cooglers Film "Black Panther" eine mentalitätsgeschichtliche Zeitenwende ein. Und die FAZ entstaubt mit Dirigent Andris Nelsons beschwingt das Klangmobiliar des Leipziger Gewandhausorchesters.

In verführerische Arrangements gegossen

23.02.2018. Die SZ lernt beim Schauspieler Thomas Schmauser den Wert eines Berufsinformationszentrum erkennen. In der NZZ fordert Hans Magnus Enzensberger energisch die Einführung von Hemd Studies an den geisteswissenschaftlichen Fakultäten. Die taz besucht eine Tagung über die Geschichte widerständiger Musik in totalitären europäischen Staaten. Die NZZ steigt hinab in das "gemeingefährliche Universum" der Künstlerin Manon.

Sicher liegt das an seinen Nazieltern

22.02.2018. Die FAZ bewundert in der Berliner Ausstellung "Nautilus" die extreme Mathematik der Natur. Die Zeit begegnet in Frankfurt dem Mash-up-Künstler Rubens und dem Humanisten Basquiat. Der Standard sieht eine Verquickung von Interessen, wenn das Mumok dem Berliner Sammler Alexander Schröder eine Ausstellung widmet. Und in der Berliner Zeitung hält Regisseur Ersan Mondtag den Machtmissbrauch am Theater auch für eine Generationenfrage.

Ein einzelnes Männerknie

21.02.2018. In der FAZ  ruft der Dramatiker Ayad Akhtar Muslime auf, ins Theater zu gehen. Im Standard glaubt Regisseur Stefan Bachmann an radikales, anarchisches, erotisches Theater ohne Machtmissbrauch. Die NZZ lernt vom Fotografen Balthasar Burkhard, wie menschliche Körper zu Landschaften werden. Navid Kermani pocht in der ebenfalls in der NZZ darauf, dass Europa von den Unterschieden lebt, nicht von der Gleichheit. Die SZ meint: Uniforme und belanglose Städte brauchen nicht weniger moderne Architektur, sondern mehr:.

Liebevoll verpackte Verzweiflungsdrops

20.02.2018. Eleganter italienischer Razionalismo war uns versprochen worden, bekommen haben wir ein hüftsteifes Aktenregal klagt die FAZ vor der neuen Ostfassade des Humboldt-Forums. Auf Zeit online fragt sich Jackie Thoma anlässlich des schwarzen Superheldenfilms "Black Panther": Muss eine Identifikationsfigur aussehen wie man selbst? Die SZ hört Musik aus dem Ostkongo. Die NZZ wirft einen Blick auf die Opernszene in Finnland.

Verteilungskampf im kulturellen Gewand

19.02.2018. Berliner Zeitung und nachtkritik bewundern die hochkreative Selbstverschwendung des Castorf-Ensembles in Hamburg, wo drei Einakter von Eugene O'Neill gegeben wurden. Einige Altherrenwitze werden da gern verziehen. Darkroom und Dancefloor passen gut zusammen, erkennt die taz am Sound der Band Fischerspooner. Jeder kann den Kunstkanon in Frage stellen, auch Moralapostel, erinnert die NZZ.

Vorzugsweise auf Abwegen

17.02.2018. Die FAZ bringt eine  Vorabdruck aus Martin Mosebachs neuem Buch "21" - er schildert sehr detailreich ein IS-Video, das die Enthauptung koptischer Christen zeigt. In der NZZ singt Felix Philipp Ingold ein Loblied aufs nomadische Lesen. In der Nachtkritik schildert Regisseur Sebastian Hartmann, der gerade in Moskau inszeniert hat, die Beklemmung in der russischen Kulturszene. Die taz porträtiert die kosovarische Choreografin Teuta Krasniqi.

Eine anarchische Enzyklopädie

16.02.2018. Zeit online kritisiert die stiefmütterliche Behandlung der klassischen Musik durch Streamingdienste. Die FAZ lässt sich von Jean-Michel Basquiat in unvorhergesehene Tiefen führen. Die nachtkritik wird in den Münchner Kammerspielen angebaggert. Die SZ befindet kühl: Tabubruch im Kino ist passé. Das Zeit-Magazin sieht pink auf der New York Fashion Week.

Abhängen? Sicher nicht

15.02.2018. Heute abend eröffnet die Berlinale und die Kritiker sind schon prächtig am Streiten: Zuviel Filme? Zu wenig Zukunft? Berliner Zeitung, taz, Tagesspiegel, NZZ, SZ und Perlentaucher vermissen eine echte Einladung zum Diskurs. Die Zeit wirft dagegen den Kritikern Herrschaftsfantasien vor. In der FAZ möchte Regisseur Christian Petzold lieber über die Nachfolge von Berlinale-Chef Dieter Kosslick reden als über Dieter Kosslick. Außerdem: Der Standard ist froh, dass Man Ray in Paris die Malerei aufgab. Auf Zeit online erzählt der israelische Choreograf Nir de Volff, wie seine israelisch-deutsche Hybrid-Tanztheater-Sprache syrische Tänzer in Bewegung setzte.

Hier flammt kurz Wut auf

14.02.2018. In der FAZ fürchtet Horst Bredekamp den Opportunismus von Künstlern, die Museen säubern, um den Zeitgeist zu bedienen. Das ZeitMagazin will nicht mehr jugendlich sein, sondern so lässig wie Frauen, die im  Reformhaus einkaufen. Die taz erkundet in der ifa-Galerie die Phänomenologie aufgebrachter Menschenmengen. Einhellig gefeiert wird Guillermo del Toros Film "The Shape of Water". Vergeblich suchen die Feuilltons jedoch nach dem subersiven Funken im Superhelden-Blockbuster "Black Panther".

Unter der Treppe eines Nonnenklosters

13.02.2018. Die taz erkundet im Sprengel Museum die bildhauerische Fotografie Rineke Dijkstras. Außerdem freut sie sich an der unbekümmerten Freude mittelalterlicher Literatur an fluiden Geschlechterbildern. Die SZ verbeugt sich vor dem Heldentenor Andreas Schager. Die NZZ bewundert, wie sich die New York Public Library in ein soziales Netzwerk verwandelt hat. Der Standard sorgt sich um Lawrence Weiners Mahnmal am alten Flakturm im Esterhazypark. In der Welt empfiehlt der französische Kritikerpapst Serge Toubiana der Berlinale einen Leiter mit Leidenschaft für alle Kinos, keinen Funktionär

Die Kartoffeln, die schmecken immer

12.02.2018. #MeToo erreicht jetzt doch noch die Berlinale, ist Standard und Neuer Osnabrücker Zeitung zu entnehmen. taz und Nachtkritik lernen von She She Pop oratorischer "Fabel von der Entmietung" ins richtige Summen miteinzustimmen.  Die NZZ erzählt, wie indigniert Paris auf den gigantischen Tulpenstrauß reagiert, den ihm Jeff Koons überreichen will. Die Jungle World grübelt über den Trend zur Antiästhetik. Und Jaroslav Rudiš erklärt, wo man zu Hause ist.

Trotzdem lieben sie diese Monster

10.02.2018. In der taz erzählt Michael Verhoeven, wie sein Vietnam-Kriegsfilm "Ok" 1970 die Berlinale sprengte. In der FAZ entdeckt Durs Grünbein erstaunliche Parallelen zwischen Ernst Jünger und J.R.R. Tolkien. Die FR erkundet in Frankfurt das Werk des tschechischen Avantgarde-Fotografen Jaromir Funke. Die Berliner Zeitung ahnt den nächsten kleinen Volksbühnen-Skandal. Und die NZZ verfällt der sinnlichen Materialität des Klaviers.

Do fiese Zömmelöm!

09.02.2018. Der Tagesspiegel bewundert in Leipzig die Instagram-Kunst junger Frauen. In der nachtkritik ermuntert Esther Slevogt die Theater, sich stärker der Demokratisierung der Öffentlichkeit durch das Internet zu öffnen. Die NZZ nimmt Platz in einem Designklassiker, dem  Altorfer-Liegestuhl. Die FR quält sich durch "Fifty Shades of Grey". Und: Die Shortlist für den Leipziger Buchpreis ist raus.

Körperformeln für delikate Gefühle

08.02.2018. Kunst ist nie Anfang, lernt die Welt in einer großen Rubens-Schau im Städel. In der NYRB denkt Chris Ware am Beispiel von Philip Gustons Nixon-Zeichnungen über politische Kunst nach. In der nachtkritik kann Regisseur Tim Tonndorf, der sich an das Gebrülle von Claus Peymann erinnert, das Gerede vom erregbaren Theatergenie nicht mehr hören. Bei Tell ärgert sich Sieglinde Geisel über die Blasenhuberei in der Gomringer-Debatte. Die NMZ erinnert an die Radikalität der Neuen Musik in den Sechzigern.

Eine Watte von Verständnis

07.02.2018. Die Manchester Art Gallery rudert zurück: Das Abhängen der Nymphen war zwar ganz richtig, aber nur eine Kunstaktion. In Deadline reagiert Quentin Tarantino zerknirscht auf Uma Thurmans Berichte von den Dreharbeiten zu "Kill Bill". Als Gesamtkunstwerk aus Klängen, Bildern und Bewegungen feiert die NZZ Marina Abramovics und Sidi Larbi Cherkaouis Inszenierung von Debussys "Pelléas et Mélisande" in Antwerpen. In der NZZ erzählt Thomas Hürlimann außerdem von seiner Jugend im Kloster. Und die taz wirft mit Frank-Burkhard Habel einen Blick auf die Kinoproduktion der DDR.

Chauvinisten, Despoten und Choleriker

06.02.2018. Die SZ sieht das Ende der Regie-Despoten an den Bühnen kommen. Aus den Security-Leuten bei Popkonzerten ist schließlich auch eine seriöse Terrorabwehr geworden. Die taz porträtiert den Designer William Fan, der in Berlin gegen die Vergesslichkeit der Mode arbeitet. Die FAZ klärt auf: Im Kino geht es nicht um Glauben, sondern um die Aufhebung des Unglaubens. Und zum Tod von Stefan Moses bedankt sich die Welt noch einmal für den Sympathiezauber, den er beim Fotografieren über die Nachkriegsdeutschen legte.

Ich bin groß

05.02.2018. In Düsseldorf hatte Matthias Hartmanns Version von David Bowies Musical "Lazarus" Premiere, doch alle sprechen nur über das abstoßende Gebaren des Regisseurs, das die SchauspielerInnen des Burgtheaters in ihrem Offenen Brief angeprangert hatten. Sogar die FAZ fordert jetzt ein Ende der männlichen Macht an den Theatern. In der NY Times erzählt Uma Thurman, wie Quentin Tarantino ihr beinahe das Genick gebrochen hätte.  Der Tagesspiegel beginnt schon die Kulturrevolution zu fürchten. Die Jungle World stellt klar, dass Mode niemals identisch ist. Die NZZ fragt: Bin ich blöd, wenn ich mich im Museum langweile?

Denken Sie an Ihre Lust

03.02.2018. Der Freitag plaudert mit Simon Strauß über engagierte Literatur und autonome Ästhetik. In der Welt singt der polnische Schriftsteller Szczepan Twardoch ein Liebeslied auf Warschau. Die Welt hört den neuen Justin Timberlake und erkennt den Mann im Wald als Baum und Berg. Der Standard bewundert vier kotzende Maikäfer in Thomas Vinterbergs "Suff". In der NZZ erklärt Elisabeth Kübler, warum die Kunst Pierre Klossowskis nicht frauenfeindlich ist: Man muss nur Johann Jakob Bachofen lesen.

Amoralische Postmoderne

02.02.2018. Moral schlägt Kunst: Die Manchester Art Gallery hängt ein präraffaelitisches Bild mit nackten Nymphen ab. Die National Gallery in Washington sagt eine Retrospektive des rüden Chuck Close ab. Die Kunstkritiker fragen: Soll Kunst nur noch das Justemilieu stützen? Der Tagesspiegel möchte dem der sexuellen Belästigung beschuldigten Schauspieler James Franco lieber nicht bei der post-ironischen Selbstbespiegelung zusehen. Die nachtkritik fragt sich, ob wir es mit dem Klimaschutz nicht übertreiben, wenn er am Ende die Theater aus der Innenstadt verdrängt.

Jeder eine Ausnahme

01.02.2018. Mit dem Künstler gerät heute auch seine Kunst unter Verdacht: Bilder müssen jetzt zum Gesinnungstest, kritisiert die Zeit. Kunstwerke haben ihre eigene Wahrheit, sekundiert in der FAZ der Frankfurter Museumsdirektor Philipp Demandt. Die Trennung von Kunst und Künstler ist intellektuell lähmend, meint dagegen der Filmkritiker A.O. Scott in der New York Times. Dass auch Frauen frauenverachtende Kunst machen, zeigt die Rapperin Ewa, die zuschlägt, "wenn die Cracknutte muckt".