Efeu - Die Kulturrundschau

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Juli 2014

Ohh!

31.07.2014. Nicht mal in Gaza denken die Menschen pausenlos an den Krieg, es gibt auch Träume, lernt die NZZ aus einem Kurzgeschichtenband von Atef Abu Seif. Der SZ eröffnet sich in Kairo Literatur als Raum des Vorpolitischen. Die Berliner Zeitung tanzt zu Clint Eastwoods "Jersey Boys" und bestaunt Christopher Walkens zitternde Unterlippe. Salzburg hat in diesem Jahr kein Glück: Auch Georg Schmiedleitners Inszenierung von Karl Kraus' "Die letzten Tage der Menschheit" zündet nicht. Die FAZ bewundert das Unscheinbare an Louis de Funes.

Überschuss an Leidenschaft

30.07.2014. Die Filmkritik geht vor Dominik Grafs Schiller-Liebesfilm "Die geliebten Schwestern" in die Knie. In Salzburg dagegen spaltet Marc-André Dalbavies Oper über die in Auschwitz ermordete Malerin Charlotte Salomon die Musikkritik. Hollywood rückt richtig Kohle raus, um Kodak und das analoge Filmmaterial zu retten, meldet The Verge. Daniel Ris erklärt in der NZZ, was "art but fair" ist. Die SZ bewundert den manischen Tausendsassa Hans Hollein.

Hochkultur sowieso

29.07.2014. Altmodisch, harmlos, ohne Relevanz, ohne doppelten Boden - der Salzburger "Don Giovanni" von  Sven-Eric Bechtolf lässt die Kritik gähnen. Die NZZ bringt Karl-Markus Gauß ein Ständchen. Im Tagesspiegel meint Kriegsfotograf Christoph Bangert: Wer seine Bilder nicht sehen will, ist feige. Die taz blättert durch einen Bildband vom Metal-Festival in Wacken.

Rühr mich nicht an, Baumgarten!

28.07.2014. Die Welt feiert die Fotografie als Gegenstand und Körper. Die Jungle World fragt, ob Kritik heute eigentlich noch was anderes kennt als Top oder Flop. Die FAZ besucht das Filmfestival in Ruanda. Die taz meditiert über die Kunst, das Leben und die Werbebotschaft von Friedrich Liechtenstein. Die weiße Haut einiger Japanerinnen inspiriert Leopold Federmair im Blog Begleitschreiben zu einem Lob der Helligkeit. Musik- und Theaterkritiker schwitzen gepflegt in Bayreuth, Salzburg und Avignon.

Stets sublim statt subversiv

26.07.2014. Die FAZ feiert den Maler Georg Bernhard Müller vom Siel, der erst im Wahnsinn zum Avantgardemaler wurde. Thomas Hettche warnt in der NZZ vor dem enzyklopädischen Anspruch der Literatur im digitalen Zeitalter. In der SZ erzählt der Theatermacher Christoph Nix vom Glück, in der Provinz arbeiten zu können. Sterben will die taz - vor Staunen und Verzückung über die erhabene Tanzmusik von FKA Twigs.

Im Falschen steckt viel Wahrheit

25.07.2014. Die NZZ tanzt zum Kling-Klong kongolesischer Likembes. SZ und Freitag verlieben sich in die tröstliche Ironie Friedrich Liechtensteins. Die FAZ betrachtet die Jungswelt von Gursky, Rauch und Wall. Die Welt lässt sich von Diao Yinans Film Noir "Feuerwerk am helllichten Tag" in den harschen Alltag Chinas versetzen. Mehr Krallen hätte sich die Presse von HK Grubers Oper "Geschichten aus dem Wiener Wald" gewünscht.

Odile wird zum Otto

24.07.2014. Risikofonds statt deutsches Förderkino, fordert Regisseur Eckhart Schmidt im Freitag, dann kommt auch das Publikum. Beuys-Witwe Eva ist not amused, dass eine Fettecke ihres verstorbenen Mannes zum Schnapsbrennen benutzt wurde, meldet die Presse. Tim Parks möchte in der NYRB klarstellen: Knausgards "Mein Kampf" ist kein Bestseller. Der Tagesspiegel erlebt in Avignon ein Wunderland des Theaterzaubers. Presse und Standard amüsieren sich mit einem "Schwanensee" aus Südafrika.

Keine Bauchgeschichte

23.07.2014. Wege in die Abstraktion lernt die NZZ beim Besuch des neuen Museums für Pierre Soulages in Rodez. Die Welt erstarrt beim extensiven Bodenturnen von Tristan und Isolde in Jossi Wielers Stuttgarter Inszenierung. In Wacken grüßt sie den Teufel mit der Pommesgabel. Die FAZ sagt es Rolando Villazón ganz deutlich: Er ist kein lyrischer Belmonte-Tenor. Die SZ kritisiert den BGH in Sachen Suhrkamp. Die taz tanzt zu AKB 48.

Barock rockt

22.07.2014. Die Fackel des Autorenkinos leuchtet wie eh und je - derzeit in China, wo Diao Yinan sie hochhält, versichern Tagesspiegel und FAZ. Die NZZ erinnert an Georg Trakl. Die Welt freut sich über die strukturelle Semantik in den Reisefotos von Schriftstellern. Die Berliner Zeitung erliegt den Neurosen von La Roux. FAZ und SZ feiern den Bariton Christian Gerhaher in Monteverdis "L'Orfeo".

Die Apotheose des Lemmy

21.07.2014. Die Welt erliegt den nackten Reizen der Kunstsammlung Wilhelms I. von Württemberg. In der NZZ erzählt Alberto Nessi, wie er zum Schriftsteller wurde. Die FAZ hört in Salzburg eine "Ouverture spirituelle" mit zartesten Echowirkungen. Erschlagen schleppten sich die Theaterkritiker aus "Kriemhilds Rache" bei den Wormser Nibelungen-Festspielen.

Ein angemessen hedonistisches Bild

19.07.2014. Wie unter einer Teflonschicht fühlt sich die FAZ in Gregor Schneiders verhüllter Synagoge. Was ist bloß aus dem guten alten Berlin der 90er geworden, seufzt die SZ. Annett Gröschner reist da für die Welt lieber nach Klütz, in den Geburtsort Uwe Johnsons. Die taz macht jetzt Schmuck in 3D.Und die NZZ erlebt beim Festival d'Avignon transsexuelle Kulturminister, die von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen hüpfen.

Hinwendung zur Oberfläche des Alltags

18.07.2014. Die NZZ wünschte sich, das zum Museum umgebaute Kaufhaus Schocken in Chemnitz erzählte die Geschichte seiner Gründer. Außerdem erliegt sie in Venedig dem Charme vierer "filatrici di pomodori". In der FAZ beklagt Gerhard Stadelmaier die doppelte Fluchtbewegung des Schaugewerbes. Die Jungle World tanzt den Rohmer zu Yé-yé-Pop. Die SZ feiert ein großes, dunkel grollendes Meisterwerk von Mastodon. Und alle trauern um Johnny Winter.

Was Amazon richtig macht

17.07.2014. Der Freitag erinnert an den linken Pop-Diskurs zur Loveparade. Die Berliner Zeitung betrachtet mit spitzen Fingern ein Billigprodukt der Berliner Philharmoniker. Der taz fliegt das Blau, Braun, Grau, Pink, Gelb, Orange, Rot, Violett von Otto Pienes um die Ohren. Absolut modern findet der Guardian Rihannas Anglerhut. Und in der Zeit hören 17 Autoren das Wörtchen Amazon und kneifen ganz fest die Augen zu.

Es groovt absolut fantastisch!

16.07.2014. Die NZZ beklagt mit Linda Przybyszewski den Niedergang der amerikanischen Damenmode. Die London Review of Books bewundert Fassbinder im Bayern-München-T-Shirt. In der FR erklärt Matti Rönka, wie man als Autor in Finnland überlebt. Die taz sucht Dieter.

Wie abstürzende Brieftauben

15.07.2014. Ein schwarzer Tag für die Kultur: Die Feuilletons trauern um Gert Voss, Nadine Gordimer und Lorin Maazel. Die taz erzittert beim brachialen Energy-Playing der Free Jazzer Mette Rasmussen und Chris Corsano. Die FAZ würdigt Berlins Frauen-Bohème.

Gelitten, geliebt, gesungen

14.07.2014. Warum erklären die Verlage nicht öffentlich, warum sie sich im Streit mit Amazon befinden, fragt fassungslos der amerikanische Verleger Dennis Johnson in seinem Blog. Die NZZ fürchtet um das Londoner Stadtbild, das 230 neue Hochhäuser völlig verändern werden.  Mit dem Tod Tommy Ramones sind die Pioniere und Entdecker in der Musik bald Geschichte, klagt die SZ. Die Berliner Zeitung hat nach dem Festival Foreign Affairs die Nase voll von "Grenzen" sprengenden Theatermachern.

Galerien des Leidens und Mitleidens

12.07.2014. Die Welt versucht mit der Weltliteraturformel das Aussterben des guten, alten Lesers zu verhindern. Außerdem hat sie Angst vor positiver Diskriminierung im britischen Film. Die taz sucht im Maxim-Gorki-Theater nach Identität und im Jüdischen Museum nach Berlin-hebräischer Literatur. Und die NZZ hat Angst vor Museen mit Wellnessbereich.

Schöngeist und Ekel zugleich

11.07.2014. Die Feuilletons huldigen geschlossen dem Musiker Morrissey, ach ja, sein neues Album mit weltverneinenden Klageliedern erwähnen sie auch. Die Welt tanzt im Berghain zu der vom Elektropop-Duo Neon Neon musikalisch untermalten Forderung nach einem "Palast der Flüchtlinge". Pierre Assouline verkündet in seinem Blog: Der neue Roman von Martin Amis sorgt schon vor seinem Erscheinen für Ärger. Und Diane Kruger lobt im SZ-Interview den neuen Anspruch des Fernsehens.

Temporäres Verschwinden des Selbst

10.07.2014. Die taz folgt auf einem Hackertreffen Tweets von in der NS-Zeit verbotenen Autoren. Außerdem fordert sie eine Subkultur-Steuer für Berlin-Kreuzberg. Die FAZ ist sich nicht sicher, ob sie beim Kunstberater Helge Achenbach Nachhilfe in Akquise nehmen sollte. Und im Freitag fürchten sich deutsche Hiphopper vor einer Festanstellung.

Kalorienreiche Partituren

09.07.2014. Die FAZ hört in Bad Kissingen, wie Wilhelm Killmayer das Heideröslein metzelt. Die Welt erinnert daran, wie Roland Klick 1970 vom Jungen Deutschen Film in Cannes gemobbt wurde. Die taz runzelt die Stirn über ahumane Urformen in Metz. Die NZZ besucht Andrea Camilleri. Joachim Kalka sucht in der Stuttgarter Zeitung nach dem deutschen Argot.

Alphatiere und Peitschenknaller

08.07.2014. Die taz feiert eine Selbstverbrennung beim filmhistorischen Festival Ritrovato. Taz, Welt und Berliner Zeitung schunkeln mit Dolly Parton. Tex Rubinowitz beschreibt in der Welt seine beinhart stalinistische Schreibschule. So toll wie 1789 war 1968 nun wahrlich nicht, schnaubt die FAZ nach einem "Prinz Friedrich von Homburg" in Avignon, der der nachtkritik neue ästhetische Perspektiven eröffnete. Das waren Zeiten, als Künstler andere Künstler durchsetzten, seufzt die Welt in der Willi-Baumeister-Retrospektive.

Das gottähnlichste Geschöpf

07.07.2014. Die Jury der Zeitungskritiker ist sich einig: Dieser Bachmann-Wettbewerb war ausgesprochen mau. In Le Monde solidarisiert sich Thomas Ostermeier mit den streikenden Intermittents in Avignon. Die Welt fühlte in Aix schon die ersten Erschütterungen der Revolution. In der SZ kritisiert der russische Regisseur Alexander Rodnyansky das offzielle neue Fluchverbot im Film: Fluchen ist Teil der russischen Kultur. Die NZZ bestaunt eine hinreißend selbstbewusste Eva in Guillaume de Marcillats "Disput von Kirchenlehrern über die Unbefleckte Empfängnis".

Dreh-, Hampel- und Schaukelbewegungen

05.07.2014. In Klagenfurt ist die Stimmung bestens. Nur ein Siegertext ist noch nicht gefunden. Wir verlinken auf Berichte, Videos und Tweets. In der Welt lotet Karl Ove Knausgård die Pathologie des Ruhms aus. Beim Berliner Festival "Foreign Affairs" beeindruckte die Berliner Zeitung vor allem Marta Górnickas Chorinstallation "Magnificat". Linkiesta feiert Wislawa Szymborska. Die taz erkundet die türkische Kunstszene. Und wir bringen den wahrscheinlichen Sommerhit 2014.

Das Moderne, Rasante

04.07.2014. Die NZZ würde gern mal lachen in Klagenfurt. Die Welt feiert das neue Album von La Roux. Tagesspiegel und Berliner Zeitung porträtieren die Künstlerin Corinne Wasmuth. Die taz vermisst die Anarchisten auf einer CD mit Liedern zum Spanischen Bürgerkrieg. Der Guardian tanzt den Madison.

Problemfilm is over

03.07.2014. Alle feiern Monty Python in London, nur der Welt ist's zu viel Hochglanz. Freitag und Welt klagen: Die Deutschen können keine Integrationskomödien - nicht mal importieren. Die FAZ fragt: War Alfred Andersch wirklich Deserteur? Und die Zeit feiert auf den Männermodewochen den Spornosexual.

Das Stück der Stunde

02.07.2014. Der Standard beobachtet Verweigerungstaktiken in der Kunsthalle Wien. Die FAZ fragt angesichts der Geldmaschine Art Basel: Warum sollen wir hier über Kunst reden? Kathrin Passig singt in Volltext ein Loblied auf die automatische Literaturkritik. Der Tagesspiegel erlebt in Errol Morris' Interviewfilm mit Donald Rumsfeld, wie man Verantwortung in einem Meer aus Worten auflöst. Hermann Beil erklärt im Standard, warum Schnitzler immer noch aktuell ist. Um Gluck wieder aktuell zu machen, bräuchte man allerdings eine Callas, meinen Welt und Presse.

Ein bisschen erschlagen

01.07.2014. FAZ und FR feiern hingebungsvoll die hinterlistige Jahrmarkts- und Filmmusik von Peter Eötvös' neuer Oper "Der goldene Drache" in Frankfurt. Der Perlentaucher bekommt beim Münchner Filmfest von Aleksei German eine Portion Stechapfeltee verabreicht. Die NZZ lernt im Wiener MAK, wie man eine Küche integral auf der Schulter trägt. Und The New Republic begutachtet die Mordopfer in den Krimis von J.K. Rowling: Alles Angehörige des Literaturbetriebs.