Efeu - Die Kulturrundschau

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Mai 2014

Die Abwesenden haben unrecht

31.05.2014. In der Welt erklärt Georgi Gospodinov, wie die Kultur des Schweigens Bulgarien zum unglücklichsten Land Europa macht. Lukas Bärfuss lernt dagegen in Abu Dhabi die Kultur des Verdachts kennen. Die FAZ ächzt über die Fadheit der Gegenwartskunst. Die taz beobachtet in Karlsruhe, wie Kunst mit der Technik verschwindet. Die SZ erlebte mit Krystian Zimerman einen Prometheus am Klavier. Und alle würdigen den recht späten Büchner-Preis für Jürgen Becker.

Postlinearer State of Mind

30.05.2014. Die Berlin Biennale führt diesmal in den Westen der Stadt und nicht jeder freut sich darüber: Die SZ sieht die Künstler domptiert, die Welt lernt immerhin, die Welt mit den Augen des 21. Jahrhunderts zu sehen. Die Berliner Zeitung sitzt in der Volksbühne stöhnend die Dauerselbstzerschmetterung Frank Castorfs in Ibsens "Baumeister Solness" ab. Für den Tagesspiegel ist der Abend dagegen ein wahrer Jungbrunnen. Die Jungle World interviewt die estnische Musikerin Maria Minerva.Und keine Filmkritikerin kann sich mit Angelina Jolies "Maleficent" anfreunden.

Ein formloses gelbes Grauen

28.05.2014. Die NZZ stellt nach einem Rundgang durch das Theater der Welt fest, dass auch Realität inszeniert werden muss. Außerdem tummelt sie sich in den Geschlossenen Gesellschaften der Londoner Hipster. Die Berliner Zeitung verfolgt baff das Konzert von Miley Cyrus in Köln. Der Tagesspiegel erkundet in Dahlem die großbürgerliche Villa voller Gemälde. Die Welt schreibt zum Tod von Helma Sanders-Brahms, die in im eigenen Land so wenig galt.

Nach der finalen Akustikexplosion

27.05.2014. Die Münchner Aufführung von Alois Zimmermanns Oper "Die Soldaten" versetzt die Kritiker in einen Rausch zwölftönender Klanglichkeit. Beim "Theater der Welt" vermisst die SZ über all dem kopfgesteuerte Diskurstheater etwas Temperament. Die Welt begibt sich in Kassel in das Experimentiertfeld aus Kunst und Natur. Der Tagesspiegel erlebt, wie Wim Wenders und Co. die Hausgeister der Moderne zum Sprechen bringen.Und der Guardian weiß, wer an britischen Schulen die Nachtigall stört.

Die Umwandlung von Unwissen in Kunst

26.05.2014. Zum Abschluss von Cannes sind alle einverstanden mit der Goldenen Palme für Nuri Bilge Ceylans "Winter Sleep". Die FAZ preist noch einmal besonders die kollektive Dokumentation "Eau Argentée, Syrie autoportrait" von Ossama Mohammed und Wiam Simav Bedirxan. Die SZ lernt in der Dresdener Ausstellung "Die Dinge des Lebens" Kunst ohne Fortschrittsgedanken zu betrachten. Die Berliner Zeitung erlebt das Festival Theater der Welt im Hotel Shabbyshabby.

Passivitätsgefährdete Kunstrezeption

24.05.2014. In der Welt trauert Will Self um eine Kultur des Romans, die auch in schwierigem Gelände ohne ökonomische Krückstöcke ihre Agilität bewahrte. In der taz entdeckt Sigrid Löffler dagegen einen ganz neuen literarischen Kontinent. Die SZ protestiert gegen Bomberjacken. In der Berliner Zeitung exploriert die Berlin Biennale das brügerliche Dahlem als einen Ort der Kunst. Nicht gut an kommt bei der FAZ Juli Zehs Merkel-Satire. Und alle resümieren etwas ermattet die Fimfestspiele von Cannes.

Stil als Widerstand

23.05.2014. In Cannes stürzt Xavier Dolans "Mommy" die Kritiker in heftigste Glückstaumel: Ist Dolan der neue Fassbinder?, fragt gar die SZ. In der taz spricht Juan Gaitán über die kommende Berlin Biennale und das hohl gewordene Zentrum der Stadt. Die NZZ porträtiert die südafrikanische HipHop-Band Ill Skillz. Die Presse sieht den Streit zwischen Burgtheater und Matthias Hartmann in eine üble Schlammschlacht ausarten. 

Ab jetzt schaut jedes Auge einzeln

22.05.2014. In Cannes lief unter anderem Jean-Luc Godards erster 3D-Film "Goodbye to Language" und hat critic.de das Schielen gelehrt. Die Welt feiert die kolossale Freiheit des Gerhard Richter. Die taz betrachtet die toten Kreisläufe des Politkünstlers Paul Chan. Der Freitag liest Arthur Schnitzlers "Traumnovelle" ganz neu im magazinigen Pop-Appeal. Und Charles Aznavour wird neunzig.

Die Großzügigkeit der Kurve

21.05.2014. Muss jetzt die Rockgeschichte umgeschrieben werden? "Stairway to Heaven" steht unter Plagiatsverdacht: Nicht Jimmy Page soll das berühmte Gitarrenriff erfunden haben, sondern Randy California. Die SZ besichtigt die als Museum für Archäologie neueröffnete Kaufhaus Schocken in Chemnitz. In Cannes verzaubert "Still the Water" von Naomi Kawase die Kritiker. Und Jens Christian Grøndahl rät in der NZZ seinen Schriftstellerkollegen, sich vom Zeitgeschehen fernzuhalten.

Offensiver Idiotismus

20.05.2014. Der deutsche Kunst-Export boomt: Basel berauscht sich an Gerhard Richter, New York ist hin und weg von Schlingensief, Polke und Co. In Cannes ziehen die Kritiker eine eher ernüchterte Halbzeitbilanz. Anhand seiner Kostüme versuchen Ausstellungsbesucher in Berlin das Rätsel David Bowie zu ergründen. Und der Kurier hat sich alle acht Konzerte angesehen, die Kraftwerk in Wien gegeben hat.

Bei Künstlern nennt man das: Handschrift

19.05.2014. In Cannes kristallisiert sich mit Nuri Bilge Ceylans "Winter Sleep" ein erster Favorit heraus. In Zürich löst Willy Decker mit Monteverdis "Il Ritorno d'Ulisse in Patria" Begeisterung aus. Zehn Schriftsteller denken in Gedichtform über die europäische Identität nach. Rosemarie Trockel bedauert im Tages-Anzeiger ihren hohen Marktwert. Und Joachim Lottmann rät im Standard zu Kokain.

Keine Kante ist zu viel

17.05.2014. In Cannes scheiden sich an der Übersetzung von schrecklichen Ereignissen in Genre-Gerüste die Kritikergeister. Die rekonstruierten Bauhaus-Meisterhäuser in Dessau rufen Begeisterung hervor. Die SZ stellt die Super-Bürger der aktivistischen Kunst vor. Aaron Schuman erläutert in lensculture, was Fotografie mit dem Schreiben zu tun hat. Die taz feiert den vor hundert Jahren geborenen Free-Jazz-Pionier Sun Ra und seine Science-Fiction-Befreiungsesoterik. Und alle trauern um den Theaterschauspieler Rolf Boysen.

Ausrufezeichen in schlanker Typografie

16.05.2014. Nach dem Pflichtprogramm des Eröffnungsfilms stöbern die Kritiker in Cannes erste Lieblinge auf. Der Tagesspiegel bedauert die Rekonstruktion zerstörter Bauhaus-Häuser in begehbare Archiskulpturen. Die NZZ freut sich, dass moderne Beethoven-Aufführungen ganz ohne Holzhammer auskommen. Und die taz macht sich Sorgen, ob David Bowie aus dem Museum, in das man ihn gesteckt hat, jemals wieder herauskommt.

Kontextverschiebung und Anti-Essenzialismus

15.05.2014. Das Grace-Kelly-Biopic, mit dem gestern Cannes eröffnete, fällt bei der Kritik einhellig durch. Die Welt betrachtet peinlich berührt den Einfluss des preußischen Militarismus auf das Werk des amerikanischen Kubisten Marsden Hartley. Dem Freitag geht Conchita Wursts Aufstieg aus dem Trash-TV zur Verkörperung europäischer Werte zu schnell. Und die Berliner Zeitung wird beim Berliner Theatertreffen Zeuge der "Letzten Zeugen" der Shoah.

Monströses Behagen

14.05.2014. Die Feuilletons atmen auf: Jörg Albrecht konnte gestern Abu Dhabi verlassen. Ansonsten geht es eher düster zu. Colson Whitehead erklärt im Freitag, warum ihm auf unsere Gegenwart nur Zombies einfallen. Die Filmkritiker ergötzen sich an der Monsterromantik in "Godzilla". Und alle nehmen Abschied von H.R. Giger, dessen Verschmelzung von organischen und industriellen Formen stilbildend für die Ästhetik unserer Alpträume geworden ist.

Selbst die Verlierer sind gut

13.05.2014. Zum Auftakt der Wiener Festwochen beschert Romeo Castellucci dem Publikum mit seiner Inszenierung von Glucks "Orfeo" und einer Euridice im Wachkoma eine existenzielle Erfahrung. Die Welt erkennt im neuen "Godzilla" die Nolanisierung des Actionkinos. Der Grafiker Hans Hillmann, dessen Plakate den europäischen Autorenfilm prägten, ist gestorben. Der seit zwei Wochen in Abu Dhabi festgesetzte Schriftsteller Jörg Albrecht vertreibt sich derweil seine Zeit mit Interviews.

Die Schandtat der Saison

12.05.2014. In der Debatte um die konfliktscheue deutsche Gegenwartsliteratur erweisen sich die Diskutanten als konfliktscheu, stellt die taz fest. Die FR nimmt Michael Thalheimers Ibsen-Inszenierung "Nora", die SZ das Amsterdamer "Anne Frank"-Musical gegen Kritik in Schutz. Der Deutsche Filmpreis belegt für die FAZ einmal mehr seine Tendenz zur halbkünstlerischen Mitte. Slate.fr erklärt, wie Paris in die künstlerische Provinz absinken konnte. Und fast niemand ist Conchita Wurst.

Installationen statt Inszenierungen

10.05.2014. In seinem Monopol-Blog lernt Jerry Saltz von Ed Ruscha, Bellinis "Heiligen Franziskus in Ekstase" ganz neu zu betrachten. Techcrunch erklärt, wie man seine Bilder digital signieren kann. Alles Virtuosennummern beim Berliner Theatertreffen, stöhnt der Tagesspiegel. Die NZZ sah in Abu Dhabi den  Schriftsteller Jörg Albrecht in Fußfesseln vor dem Staatsanwalt stehen. Die SZ meditiert über den guten Stuhl.

Mit einem freundlichen Elektroschock

09.05.2014. Dürfen Jean Genets "Neger" noch "Neger" heißen? Und dürfen sie von weißen Schauspielern gespielt werden? Großer Krach bei den Wiener Festwochen. Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine ruiniert das Prinzip des Pop, befürchtet der Freitag vor dem Eurovision Song Contest. Die Welt feiert Michael Jacksons Wiederauferstehung in acht Liedern. Orson Welles' "Othello" wurde hingegen kaputtrestauriert, beklagt Le Monde. Die FAZ gibt sich derweil in Paris der liebevollen Innigkeit von Ariane Mnouchkines "Macbeth" hin.

Haut an Haut, Fleisch an Fleisch

08.05.2014. Liao Yiwu erklärt in der NZZ, was ihn von Ai Weiwei unterscheidet. Die Paris Review sucht nach den Ursachen für das erstaunliche Revival von Stefan Zweig. Die SZ benennt den Vorsprung des Dokumentarfilms gegenüber dem Spielfilm. Das Zeitmagazin begleitet das triumphale Gastspiel der Schaubühne in Paris. Günter Grass beklagt das Aussterben schwieriger Literatur. Und alle trauern um Maria Lassnig.

Warum das Lebensende am Höhepunkt?

07.05.2014. Maria Lassnig ist tot. Der Standard und Die Presse trauern um Österreichs große Künstlerin, die in die Malerei Spannungsfarben, Schmerzfarben und Krebsangstfarben eingeführt hat. Die NZZ sichtet die Sammlung des Louvre Abu Dhabi in Paris. Als Therapeutikum gegen deutschen Humor empfiehlt Zeit Online Benjamin Heisenbergs Psychoanalyse-Komödie "Über-Ich und Du".

Unwirkliche Wirklichkeit

06.05.2014. Die Huffpo.fr fragt, welches Bild die Afrikaner selbst von ihrem Kino haben. Die NZZ feiert den Schriftsteller Georgi Gospodinov, der die bulgarische Literatur "hart ins Rampenlicht" rücke. Die SZ besichtigt Emre Arolats unterirdische Moschee in Istanbul. In der taz begreift Ulf Erdmann Ziegler die Ausstellung als Essay. Die Welt berichtet, dass Wuppertals Oper alle festangestellten Sänger und Dramaturgen entlassen hat.

Sechs Wörter für Freude

05.05.2014. Am Wochenende begann der Berliner Theatertreffen: Auf dem "Selbstvergewisserungsaltar des Kulturbetriebs" wurden Osttheater, Kunstanstrengung und postmodernes Ego-Hopping zum Opfer gebracht, wie die Zeitungen schreiben. Im Standard erklärt Amos Oz das Glück zu einer christlichen Fiktion. Als rundum misanthrop genießt die Berliner Zeitung die Musik der Band The Body. Die Welt feiert den Impressionisten und Genussmenschen Max Slevogt. Die Presse huldigt Oskar Kokoschka, mit Betonung auf der ersten Silbe.

Ich kann nicht atmen

03.05.2014. In der taz erkennt Amos Oz erste Anzeichen einer modernen Weltlichkeit unter Israels Ultraorthodoxen. In der NZZ kann sich Terezia Mora einen Frieden in Stummheit nicht vorstellen. Die FAZ beobachtet bei der Berliner Ausstellung "Kunst in Peking", wie Diplomatie in Feigheit umschlägt. Der Tagesspiegel freut sich indes über den erfolgreichen Export des Berliner Stils. Und die Welt feiert das Album "Everyday Robots" des Hippiekinds Damon Albarn.

Das Niveau der Einbauküche

02.05.2014. Die NZZ sorgt sich um die Zukunft der afghanischen Kulturschaffenden nach dem Abzug der Nato-Truppen. Ai Weiwei wickelt seine Berichterstatter um den Finger, meint der Freitag. Die Schauspielerin Bibiana Beglau kritisiert das Verhältnis zwischen Theater und Kritik. Der Arte-Film über die Spiegel-Affäre spaltet die Kritiker. Einigkeit herrscht hingegen in der Trauer um Bob Hoskins.