Efeu - Die Kulturrundschau

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

April 2014

Zugriff statt Besitz

30.04.2014. In der Presse erklärt Edmund de Waal, was genau "komplett Gegenkultur" ist. Der Tagesspiegel meldet, dass bei den "Chinese Contemporary Art Awards" Ai Weiweis Name und Gesicht überpinselt wurden. In der Zeit ermuntert Tim Renner die Buchbranche, den als Digitalisierung bekannten Formatwechsel tatkräftig selbst zu gestalten. Berliner Zeitung und taz feiern die folkhafte Schlichtheit der Marisssa Nadler. Und die taz lernt von einem indischen Film, was im Kino mal möglich war.

Marmor unter dem Inkarnat

29.04.2014. Im Suhrkamp Blog denkt Durs Grünbein über Cyrano de Bergerac nach, der "weltraumerobernde Mensch an sich". Der Standard verlernt mit der Musikerin Fatima Al Qadiri zwischen Kopie und Original zu unterscheiden. Der Guardian erzählt, wie die Fotografin Jane Bown ihre unwilligen Opfer in dunklen Hintergassen stellte. Die Welt bewundert die Frigidität Veroneses. Die FAZ erkennt im neuen Gebäude des BND ein unfreiwilliges Bild des großen Datensammlungswahnsinns.

Bittere Ursuppe

28.04.2014. Die Presse begibt sich beim Donaufestival in einen Gottesdienst der tieferen Frequenzen. Im Standard wirbt György Dalos für die Literatur 0steuropas. Die SZ mokiert sich über  die FAZ, die nach vierzig Jahren die Rezeptionsgeschichte von Lenz' "Deutschstunde" umschreiben will. Die Welt mokiert sich über die Zeit, die einen Literaturbegriff noch aus den Fünfzigern pflegt. Die Welt ist total enttäuscht von den Pixies: Truck Stop von heute.

Steinbruch der Assoziationen

26.04.2014. Die FAZ ist schockiert über Siegfried Lenz' "Deutschstunde": Hier wird die Biografie des jüngst als Nazisympathisant enttarnten Emil Nolde schöngeschrieben!  Die NZZ würdigt den polnischen Dichter Tadeusz Różewicz, für den nur Ethik, nicht Ästhetik zählte. Martin Wuttkes "Trompe l'Amour" hat nach Meinung fast aller Kritiker einen entscheidenden Fehler: Es ist zu kurz. Die SZ stellt uns das japanische Popphänomen Hatsune Miku vor.

Die Wahrheit des Fakti­schen

25.04.2014. In der Presse sucht Schauspieler Lucas Gregorowicz das Killer-Gen in Parzival. Die FAZ sucht den Humor in deutschen Filmkomödien. Die Feuilletons feiern die innovativen Bauten des verstorbenen Architekten Hans Hollein. Der Standard spottet über das privilegierte Leiden junger weißer Popmusiker. Und der Guardian behauptet: Grau ist das neue Schwarz.

Voodoo-Funk

24.04.2014. Die taz lässt sich von Comic-Künstler Joe Saccho an der Somme aus dem Feldlager, in die Schützengräben, auf das Schlachtfeld und wieder zurück führen. In der NZZ sieht Yasmina Khadra keinen Bedarf für europäische Hilfe in Algerien. DJ Samy Ben Redjeb erzählt in der SZ, wie er afrikanische Popmusik vor dem Flammentod rettet. Cicero lernt von der Kunst, wie man die Techniken der Forensik nutzt. Die Feuilletons trauern um den österreichischen Regisseur Michael Glawogger, der in Afrika an Malaria starb.

Ich auf den Thron?

23.04.2014. Die nachtkritik erlebt beim Twittern im Theater einen Gleichzeitigkeitsoverkill und rettet sich zu Brecht. Die SZ berichtet vom Filmfestival in Istanbul. In der NZZ erklärt Aleksandar Hemon, warum Kunst die Welt nicht verändert. Der Standard erinnert uns: Es ist Kusszeit!

Stratege des Chaos

22.04.2014. Die taz bewundert eine Biografie über Kraftwerk. Die französische Mezzo-Sopranistin Sophie Koch erklärt in der Presse, warum Octavian im Rosenkavalier jung, aber nicht dumm ist. Der Standard feiert den verschlagenen Schatzwächter Henri Langlois. "Gabo lebt!", ruft Salman Rushdie in der New York Times. Und Atlantic erklärt, warum die Mode der 30er heute noch modern ist.

Die Kluft zwischen Nobilität und Niederlage

19.04.2014. In allen Feuilletons herrscht Trauer um den großen Magier Gabriel Garcia Marquez, der die hispanische Literatur von der Tyrannei der Vergangenheit befreite, wie Paul Berman in The New Republic schreibt. Enrique Krauze wollte ihm trotzdem nie die Freundschaft zu Fidel Castro verzeihen. Die Welt beklagt, dass nicht einmal mehr Regisseure Fatih Akin und Christian Petzold nach Cannes geladen werden. Als Geniestreich feiert die NZZ Demis Volpis Stuttgarter Ballett "Aftermath". Die SZ freut sich, dass Frauen nicht mehr nur auf der Leinwald gute Figur machen, sondern auch als potente player.

Ätzende Großartigkeit

17.04.2014. Die NZZ lernt in Pawel Pawlikowskis Film "Ida" etwas über Leben und Überleben. Der Rest der Feuilletons schwingt sich halb gelangweilt durch "Spider-Man 2". Niamh Ní Mhaoileoin macht sich in The Millions Gedanken über die Frage, was das E-Mail-Zeitalter für Biografen von Autoren verändert. Das New York Magazine feiert Sigmar Polke und wünscht sich nur eins: dass die Ausstellung im Moma größer wäre.

Zwerchfell-Attacken

16.04.2014. Der Freitag beobachtet den rauschenden Erfolg des Underdogs Mike Kelley bei der großen Retro in Los Angeles. Die NZZ beobachtet die Entstehung eines japanisch-schweizerischen Kettengedichts. Mit fliegenden Brathähnchen im "Freischütz" gewinnt Regisseur Viestur Kairish keinen Blumentopf bei der Kritik. Die SZ hört, wie Alexander Melnikov Schumann auf einem Érard explodieren lässt.

Von Utopien bin ich geheilt

15.04.2014. Der Tagesspiegel lernt auf dem Monte Verità, wie negativ das Wort "Utopie" für Schriftsteller mit osteuropäischer Biografie besetzt ist. Die Presse wundert sich, wie gemütlich es sich Musiker heute in Berlin machen. Die HuffPo.fr erzählt, dass amerikanisch-muslimische Schauspieler im Netz für eine eigene Filmproduktionsgesellschaft Geld sammeln, um nicht immer nur Bösewichter spielen zu müssen. In der SZ erklärt der Möbeldesigner Konstantin Grcic, warum er nur ein punktuelles Ausbrechen in die Zukunft interessant findet.

Durch die szenische Schönheitswaschmaschine gedreht

14.04.2014. Furchtbares Wochenende! Die Kritiker mussten in Salzburg eine missratene "Arabella", in Berlin einen umstrittenen "Tannhäuser" und in Baden-Baden eine zu laute "Manon Lescaut" durchhalten. Die Presse meldet, dass Claus Peymann möglicherweise doch wieder Chef der Burg werden will. Die Welt erfährt von Fania Oz-Salzberger, dass man areligiös und trotzdem jüdisch sein kann. Die taz lernt, dass das Internet auch den Denkern der Popmusik das Gehirn erweicht.

Kussbereit

12.04.2014. NZZ und SZ flanieren über die Mailänder Möbelmesse. In der Zeit meint Svenja Leiber: Wer mit Literatur Geld verdienen will, passt sich an. Die Welt erlebt eine Achterbahn der Gefühle mit Reibe, Schöpflöffel, Trichter und Fleischwolf bei der großen Mona-Hatoum-Retrospektive in Doha. Tagesspiegel und Berliner Zeitung sehen "Sacre du Printemps" nach Strawinsky von She She Pop. Die NZZ feiert den Rhabarber.

Überwältigende Pfundnotenorgie

11.04.2014. Ukrainische Künstler haben es geahnt: Im Wiener Künstlerhaus kann man's sehen, schreibt die Presse. Die Welt begibt sich auf die Spuren eines filmhistorischen Fakes im Internet: Ist Kinderstar Loni Nest aus dem Stummfilmklassiker "Golem" wirklich erst jetzt gestorben? Die Feuilletons sind ganz begeistert von Jan Delays Wende zum Rock. In der SZ erklärt Karl Ove Knausgård seinen Kampf für abgeschlossen. Die FAZ feiert und vergisst Christian Jost.

Nicht zu lösendes Mysterium

10.04.2014. Die Manifesta-Biennale könnte in Russland etwas verändern, lockt in der SZ der Direktor der russischen Eremitage Michail Piotrowski. Der Standard feiert das freie Spiel des amerikanischen Synthesizerpioniers Charles Cohen. In der Zeit erklärt Harold Bloom, warum Shakespeare besser ist als Goethe, Cervantes, Rabelais oder Moliere. Die FAZ stellt die Fernsehdoku "24 Stunden Jerusalem" vor.

Absenztheater

09.04.2014. Pitchfork erliegt dem billigen Charme der Musik von Todd Terje. Die taz sieht ein libanesisches Theaterstück ohne Menschen, nur mit den technischen Spuren ihrer Existenz. In der NZZ erzählt Alain Claude Sulzer von einer Reise nach Finnland, auf der sich niemand für seine Meinung zur Zuwanderungsabstimmung interessierte. FAZ und SZ frönen ihrer Legobegeisterung.

Brasilia des Nordens

08.04.2014. Die FAZ freut sich über das frisch renovierte, elegante Bikini-Haus in Westberlin. Die Presse fragt, warum deutsche Kritiker Ai Weiwei mit den Worten der chinesischen Propaganda kritisieren müssen. Zeit.de beklagt den Mangel an Ironie bei Arnold Schwarzenegger. Und Jakob Hein schreibt in der FR einen Brief an seinen Vater.

Entschieden modern

07.04.2014. Die nachtkritik lernt von Herbert Fritsch und Moliere, dass virtouses Entertainment auch nachdenklich sein kann. Die taz betrachtet die Fotografien Francesca Woodmans aus feministischer Perspektive. Außerdem fühlt sie sich von Sisyphus in Ketten gelegt. Die NZZ bewundert die Eleganz Coco Chanels. Im Standard erzählt der Videofilmer Charles Atlas von den 80ern in New York. Die NYT trauert um Mickey Rooney, die NZZ um Peter Liechti.

Text, Text, Text

05.04.2014. Die SZ quittiert Aalborgs Musikhaus mit einem kräftigen "Høj, Høj, Høj!". In der NZZ erstellt Uli Sigg eine Typologie der Kunstsammler. Auf ein geteiltes Echo stößt Alex Rigola mit seiner Bühnenversion von Roberto Bolaños Monumentalroman "2666". Der Standard zelebriert dagegen die filmischen Mysterienspiele des Alejandro Jodorowsky. Sibylle Lewitscharoffs Literaturreligion kann die taz dagegen weniger abgewinnen.

Derart monochrome Darstellung

04.04.2014. Die Welt feiert Teodor Currentzis' "Figaro"-Einspielung: Niemandes Mozart ist zur Zeit so federleicht. Die Diskussion über das Politische in Ai Weiweis Kunst geht weiter.  Harold Pinters Stück "Der Hausmeister" in der Regie von Andrea Beth stößt bei Gerhard Stadelmaier erwartungsgemäß auf Begeisterung, die Nachtkritik ist skeptischer. In der taz erklärt Alexander Kluge, warum er keine Lust hat, sich mit der Apokalypse zu befassen. Außerdem: Andreas Schlüter im Bode-Museum.

Vage Hoffnung auf die nächste Oase

03.04.2014. Heute eröffnet die große Ai Weiwei-Ausstellung im Gropius-Bau, in der sich der Künstler mit seiner Situation in China auseinandersetzt. Die Kritik ist skeptisch bis vernichtend. Abraham Poincheval lässt sich unterdessen laut Le Monde in die Haut eines Bären einnähen. Die Zeit erinnert an Georg Herwegh: "Germania, mir graut vor dir!". Tages-Anzeiger und NZZ trauern um Urs Widmer. Der Tagi porträtiert den Comic-Avantgardisten Eric Lambé.

Mein Glück mit Duras

02.04.2014. Der Tagesspiegel erliegt Lars von Triers Exorzismus in eigener Sache. Wolfgang Schneider wüsste gern, warum Martin Mosebach in seinem Roman "Blutbuchenfest" der Bosnienkrieg mit Angriffen der Muslime auf Kroaten beginnt. Pierre Assouline feiert in seinem Blog den Reiz der Stimme von Marguerite Duras. Die NZZ staunt im Tanzquartier Wien: Hier wird man herausgefordert! Von niederländischen Designer Marcel Wanders lernt sie: Nichts ist so schnell veraltet wie das Neue.

Das Rosa mit dem Schwarz

01.04.2014. Die Berliner Zeitung erliegt dem Emo-Shooting-Theater von Jette Steckel und Sartre. Die SZ fordert Künstler auf: Zeigt doch mal politische Courage. Die Welt bewundert eine kleine Choreografie der Ausdrucksfreude in den Fotos von Wols. Außerdem schwenkt sie die Fahnen für den 1. FC Union. Die HuffPo behauptet: Mozart ist Belgier.