Efeu - Die Kulturrundschau

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Juli 2016

Praller Klangkamm

30.07.2016. Dennis Coopers Blog wurde von Google so nebenbei mal in die Mülltonne gesteckt. In der taz prangert Clemens Setz die "absolute Gleichgültigkeit" Googles gegenüber seinen Kunden an. Die NZZ blickt ins rätselhafte Auge der Renaissance. In Lens Culture erklärt der Fotograf Julián Barón García Fotografie und Zensur zu Alliierten. Die SZ erklärt, warum das Büro Zaha Hadid auch ohne Zaha Hadid bestens funktioniert. Von "respektabel" bis "katastrophal" lauten die vernichtenden Urteile zu Thomas Adès' Salzburger Veroperung von Luis Buñuels "Würgeengel".

Knurren und Murren

29.07.2016. In der NZZ outet sich die in Dalmatien geborene Autorin Jagoda Marinić als in der Wolle gefärbte Europäerin. Der Standard betrachtet Raimund Abrahams Haus mit zwei Horizonten. Die SZ reist ins olympiabereite Rio. Die Spex schwärmt beim Hören des Cello-Trios JaKönigJa von der Fülle in Zeiten der Krisen.

Irrwitzige Feinheit der Linien

28.07.2016. In London feiert der Guardian die mysteriösen Fotoporträts William Egglestons und die FAZ entdeckt die abstrakte Malerin Georgiana Houghton. Die Zeit fragt sich nach einem wiederaufgetauchten Hitlerfilm aus Bayreuth, wie sehr der Führer Wielands Neubayreuth beeinflusst hat. Die Filmkritiker loben die hakenschlagende Kompositionsidee von Miguel Gomes' "1001 Nacht". Die NZZ berichtet von der Triennale in Mailand.

Dekorative Nichtauseinandersetzung

27.07.2016. In Bayreuth hat Uwe Eric Laufenbergs "Parsifal"-Inszenierung die Kritiker schockiert: Völlig skandal- und islamkritikfrei, buh! Ein intellektuelles Klangabenteuer bescherte Berliner Zeitung und SZ immerhin Dirigent Hartmut Haenchen. Die FR dreht Löckchen auf Ai Weiweis Stinkefinger. Die NZZ tanzt Salsa zu Alexander Abreus Ballade über einen Reisepass.

Hier klatscht und stampft die Freude

26.07.2016. Rameaus Tanzoper "Les Indes galantes" findet in den Feuilletons geteilten Beifall: Die Musik swingt, aber Sidi Larbi Cherkaouis Münchner Inszenierung ist den Kritikern von Welt und FAZ zu graumäusig. Die SZ allerdings ist begeistert von der Aktualität des Stücks. Die Spex erlebt Bierzeltstimmung mit den Pet Shop Boys im Royal Opera House. In der Welt weigert sich Andrej Kurkow, den Terror zu verstehen. Kino-Zeit untersucht den Einfluss Chinas auf den Blockbuster.

Wie das pumpt und pocht und kracht und knallt

25.07.2016. Bayreuth braucht einen neuen geistigen Überbau, fordert die Welt. Derweil grübelt "Parsifal"-Dirigent Hartmut Haenchenin der SZ über Punkt und Keil bei Wagner. Im Herald & Post gibt Alan Moore Auskunft über seinen 1.200 Seiten langen neuen Comic "Jerusalem". Kunstbetrachter wollen keine Bespaßung, sondern geistige Tiefe, knurrt das Art Magazin in Richtung einiger Museen. In Fact erklärt der Komponist Cliff Martinez, warum er Soundtracks für Horrorfilme liebt: Nur da kann man Stockhausen, Penderecki oder Ligeti zitieren.

Gedanken sind nicht frei von Gestimmtheit

23.07.2016. In der Welt erklärt der Schriftsteller Catalin Dorian Florescu die Beziehung zwischen Emigration, kognitiven Dissonanzen und der Macht des Erzählens. Jetzt schlägt der künftige Volksbühnen-Intendant Chris Dercon zurück, berichten Berliner Zeitung und Tagesspiegel. Die FAZ würde nach einem Besuch im Van Gogh Museum gern mal wieder anderes sehen, als dessen psychischen Krankheiten. Die SZ rezitiert mit Werner Herzog isländische Verse. 

Ein bisschen obendrauf und ein bisschen innen drin

22.07.2016. Im Art Magazin erklärt die amerikanische Künstlerin Amy Sillman, warum Bürsten und Mopps unverzichtbar für ihre Arbeit sind. Die SZ hört unseren deutschen Boy George, der sich als Wolfgang Tillmans entpuppt. Die taz hört aktuelle Techno-Alben. Die FAZ hörte in Bregenz Franco Faccios literarisch hochachtbare Hamlet-Oper, mit reichlich Brio. In der NZZ buchstabiert der polnische Dichter Tadeusz Dabrowski sein "Zürcher Alphabet". Auf Artechock fordert Rüdiger Suchsland wissenschaftlich aufbereite Editionen wichtiger Filme des Nationalsozialismus.

Das Ich hier, die Welt da

21.07.2016. Für Bruno Latour ist das Globale am Ende, lernt die FAZ in einer Karlsruher Ausstellung. Im Tagesspiegel erklärt der Filmregisseur Przemyslaw Wojcieszek, warum so viele junge Polen für Kaczynski gestimmt haben. Im Standard sucht Dieter Dorn das "secret play" hinter Becketts "Endspiel".Welt und NZZ denken über Architektur für den Stadtrand nach. Die SZ plant neue Einkaufszentren.

Live Faust, Die Jung

20.07.2016. In der NZZ reist Mathias Traxler mit acht Schrifstellern aus ganz Europa von München nach Graz. Im Perlentaucher sucht Charlotte Krafft neue Wege aus der Reflexions- und Ironiefalle in der jungen Literatur.  In der SZ erzählt Shermin Langhoff, warum sie in Berlin ein Exil Ensemble gründet. Der Tagesspiegel liest ein Buch des Anti-Diederichsen Jens Balzer über neuen Pop. Die FAZ bestaunt das Timbre Keith Jarretts.

Käfer 130 kollidiert

19.07.2016. In der FAZ sucht Clemens Setz einen neuen Job. SZ und NZZ sagen traurig Servus zum weltweit geschätzten Klangkörper des SWR Sinfonieorchesters. Die NZZ vertreibt sich die Zeit mit dem Betrachten von 500 Maikäfern. Die FAZ beugt sich über die zwei linken Füße Goethes. Christoph Hochhäusler kritisiert in seinem Blog das kleinbürgerliche Missionars-Klischee in Maren Ades "Toni Erdmann". Die Welt feiert den Dandy kongolesischer Art.

Klangschöne Doppelbegriffe

18.07.2016. Während Nuran David Calis "Gold - Der Film der Nibelungen" in Worms wüst und wüster wird, sehnt sich die SZ nach einem Digestif. In der FR wünscht sich Bachmannpreisträgerin Sharon Dodua Otoo mehr Mut im Umgang mit Sprache. Die FAZ bewundert die spieltechnische Intelligenz der Geigerin Alexandra Conunova. Die taz wärmt sich an der Dissidenz der DDR-Kunst.

Die Brutalität der Wirklichkeit

16.07.2016. Regimekritik ist doch auch nur eine Karrierestrategie? Versucht es selbst, antwortet Ai Weiwei in der NZZ seinen Kritikern. In der FR erzählt Parsifal-Regisseur Uwe Eric Laufenberg, wie man in Bayreuth probt. Das Ornament heißt jetzt kommunikative Architektur und ist kein Verbrechen mehr, weiß die NZZ. Die nachtkritik lässt sich von Chris Dercon seine brand erklären. In der Welt erzählt Bov Bjerg seinem Freund Klaus Ungerer, wie es sich anfühlt, plötzlich Bestsellerautor zu sein. Und: Die Literaturkritiker trauern um Peter Esterhazy.

Ungarische Indikative

15.07.2016. Der Schriftsteller Peter Esterhazy ist gestorben. In der NZZ erinnert Zsuzsanna Gahse an seine deutsche wie an seine ungarische Biografie. Im Blog Freitext denkt Gunther Geltlinger über Homosexualität und Schreiben nach. Im Interview mit Artechock erklärt Klaus Lemke den Film zu den neuen Gladiatorenspielen. Die taz hört Postpunk.

Die Pose triumphiert

14.07.2016. Wie in Flandern erstmals Geld und Kunst ins Bett gingen, lernt das Art Magazin in Gent. Der Freitag liest neue Heimatromane. Im Blog Resonanzboden sucht Lorant Deutsch nach Spuren des Sturms auf die Bastille. Die nachtkritik berauscht sich in Avignon an den singenden Brüdern Karamasow. Die Filmkritiker sind im Kinoglück mit Maren Ades "Toni Erdmann".

Das Wort außerhalb eurer Sphäre

13.07.2016. Im Tagesspiegel erklärt sich Philipp Ruch vom Zentrum für politische Schönheit schuldig: Beihilfe zum Suizid ist eine Straftat. Die NZZ fragt, wann und warum aus Hugo Balls vor hundert Jahren veröffentlichtem Dada-Manifest die Aggression verschwand. Die Nachtkritik erlebt in Avignon mit den "Karamazovs" die ungerechte Übermacht der Felswand. Auf Zeit Online beobachtet Clemens Setz, wie Keith Jarrett sein Publikum zum Verschwinden zu bringen versucht. Und Jonathan Rosenbaum über Agnes Varda.

Duftet es ins Hirn hinauf?

12.07.2016. Der New Yorker lernt bei den Herrenschneidern der Savile Row, dass allerhöchste Kunst niemals kopiert werden kann. The Conversation probiert bereits eine elektronische Zweithaut. Die SZ fragt, wie kommod politischer Aktivismus innerhalb des Kunstbetriebs sein darf, ohne Karrierismus zu werden. Die NZZ feiert Ann Cottens Versschmiedekunst.

Ein Übermaß an Licht

11.07.2016. Die Welt erlebt an der Pariser Oper William Forsyths sensationelles Comeback. Die FAZ erinnert sich in der Berliner Berenice-Abbott-Schau an Visionen einer großartigen Zukunft. Als Dialektik der Aufklärung aus postkolonialer Sicht feiert der Tagesspiegel die Kunst des großen William Kentridge, der in Berlin eine seiner Drawing Lessons gab. Etwas unlocker findet die taz den neuen Anbau des Kunstmuseum Basel.

Von Siebenbürgen bis zum Mond

09.07.2016. Die NZZ beklagt die Flut öder Handybilder und plädiert für die Imaginationskraft der Sprache. Das Monopol-Magazin staunt, was Andreas Slominski in den Deichtorhallen alles aus Dixi-Klos herausholt. Die FAZ bewundert in Marbach Sibylle Lewitscharoffs kunstvoll inszenierte Notizbücher. Die SZ ergründet die Verbindungen zwischen John Coltrane und  drastischem Metal. Die taz lauscht Sharon Dodua Otoos Klagenfurt-Text und verabschiedet den Begriff "Migrantenliteratur". taz und critic.de sprechen mit Maren Ade über Cannes. Ganz beglückt sind die Feuilletons von Frank Gehrys Barenboim-Said-Akademie in Berlin.

Kann das Auge hören?

08.07.2016. Der Guardian bewundert in einer Londoner Fotoausstellung den schwarzen Dandy. Die FAZ aktiviert alle ihre Hirne, um mit Behzod Abduraimovs Interpretation von Prokofjews drittem Klavierkonzert mithalten zu können. Die Filmkritiker schwärmen von Sean Bakers mit dem Iphone gefilmten, farbintensiven Film "Tangerine LA". Die NZZ sieht die Musik in den Bauten des Schweizer Architekten André M. Studer.

Erlösung ist nicht mehr vorgesehen

07.07.2016. Die taz lässt sich beim Festival Cinema Ri­trovato von einer regennassen Straße in Moskau in einen klaustrophobischen Fischerhaushalt treiben. In der SZ lässt Stellan Skarsgard die Hosen runter. Der Freitag amüsiert sich über das Celebrity Death Match um die Volksbühne. Die Welt dreht den Techno-Parsifal hoch.

Rätselhafte Inseln der Anarchie

06.07.2016. Das Blog der NYRB ergründet die psychologischen Porträts Marcel Sternbergers. Die SZ gerät kurz hinter Castrop-Rauxel in ein Pandämonium der unsichtbaren Ansprache. Der Tagesspiegel sieht die Volksbühne in allergrößter Gefahr, und zwar der Provinzialisierung. Und alle trauern um Abbas Kiarostami, der uns ein Kino voller Licht und Luft schenkte, wie die taz schreibt.

Bedeckung der Gewölbe

05.07.2016. Abbas Kiarostami ist tot. Slate rühmt den großen iranischen Regisseur, der die Weltkarte des Kinos neu zeichnete. Die FAZ erlebt im Centre Pompidou, wie sich Frankreich in Pierre Paulins weichen Lungerwelten neu erfand. Die SZ erfreut sich an den Errungenschaften der modernen Tragwerkslehre. Einfach überwältigend findet die Welt, wie John Neumeier und Kent Nagano Messiaens "Turangalila" in Hamburg auf die Bühne brachten. Der Tagesspiegel beobachtet befremdet, wie sich das Team Castorf in der Volksbühne verschanzt.

Denken im offenen Raum

04.07.2016. Die in Berlin lebende Britin Sharon Dodua Otoo hat mit einem Text über ein renitentes Ei den Bachmann-Wettbewerb gewonnen. Hochverdient, finden die Kritiker von Berliner Zeitung bis Welt. Die taz sah die übrigen Ichs in Klagenfurt eher ziellos vor sich hin stromern. Als einen der bedeutendsten europäischen Lyriker des 20. Jahrhunderts würdigt die FR den verstorbenen Yves Bonnefoy. Und alle trauern um Michael Cimino, der mit seinem obsessiven Realismus selbst New Hollywood Jahrzehnte voraus war.

Neue Wirklichkeitsdrastik

02.07.2016. Schade, dass britische Künstler beim Brexit Komplizen einer desinteressierten Elite waren, bedauert der Künstler Liam Gillick in der FAZ. In der NZZ entschlüsselt und widerlegt Adolf Muschg kühl die Argumente der Brexit-Gegner. In eine ganz fremde Welt treten die Kunstkritiker, die in Berlin das spanische Sigle de Oro bewundern. Ich bin nicht schuld, ruft in der SZ Christian Thielemann zum Abgang Andris Nelsons' aus Bayreuth. Die Welt glaubt ihm kein Wort. Und 25 internationale Kulturschaffende fragen die Mitarbeiter der Volksbühne, warum sie Chris Dercon so höhnisch abkanzeln.

Hierarchien der Wahrnehmung

01.07.2016. Andris Nelsons hat den Bayreuthern ihren Parsifal vor die Füße geschmissen und ist nach Riga abgerauscht. SZ und Welt sind sich einig: Daran ist nur der große Einmischer Christian Thielemann schuld. Die SZ porträtiert die Bloggerin Stefanie Sargnagel nach ihrem Auftritt in Klagenfurt. Slowenien wäre ein gutes Gastland für die Frankfurter Buchmesse, verkündet die FAZ. Müde Männer in der Kunst zeigen Frankfurt (Baselitz), Berlin (Spanische Malerei des 17. Jahrhunderts) und Thun (Eduardo Arroyo). Muntere Frauen in der Musik hört die Jungle World.