Efeu - Die Kulturrundschau

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

April 2019

Das hat Kraft, das zieht mit

30.04.2019. Laut Guardian stellen sich Stephen Fry, Marina Abramović und andere Kulturgrößen gegen einen Boykott des Eurovision Song Contest in Israel. Der Tagesspiegel blickt gutgelaunt der ersten Philharmoniker-Saison mit Kirill Petrenko entgegen. Die FAZ spürt bei der Uraufführung von Detlev Glanerts Oper "Oceane" das Meer im Menschen. Die SZ isst in Bargfeld noch eine letzte Wurst im Bangemann. Und TechCrunch spoilert: Die letzten Folgen von "Game of Thrones" sehen dank Videokompression ziemlich miserabel aus.

Studieren bringt nichts

29.04.2019. ZeitOnline lernt von den Gestaltern der neuen Helvetica alles über die Kurvenspannung des großen und kleinen O.  Der Standard berichtet vom Streit in Amsterdam um Daniel Libeskinds Entwurf für ein riesiges Holocaust-Mahnmal. Die SZ feiert mit Susanne Kennedys "Drei Schwestern" die Freiheit, auf ein Gesicht zu verzichten. Critic.de streift mit Toshio Matsumotos "Funeral Parade of Roses" durch die queere Szene Tokios. Und die taz besucht den kubanischen Künstler Kcho in Havanna.

Das identitätskrisen-gebeutelte hässliche Entlein

27.04.2019. Die taz feiert mit Theaster Gates im Martin Gropius Bau schwarze weibliche Identität mit Modefotografien aus Ebony und Jet. In der Welt erklärt Andrzej Wajdas Witwe, weshalb die PiS-Regierung zögert, den Ruhm ihres Mannes zu verunglimpfen. Die FAZ erinnert daran, wie der tschechische Schriftsteller Karel Capek schon 1920 den Roboter erfand. Die Literarische Welt tritt an, das literarische Erbe von Erika Mann zu verteidigen. Die SZ lernt von dem indischen Architekten Balkrishna Doshi sozialen Wohnungsbau. Und die taz raucht eine Shisha zu griechisch-osmanischem Rembetiko.

Der Dichtung hingegeben

26.04.2019. Monopol erklärt der AfD, warum sie Jean-Léon Gérômes Gemälde "Der Sklavenmarkt" nicht ganz verstanden hat. Der Tagesspiegel blickt das abgründige Biedermann-Gesicht des Schauspielers Rainer Bock. Die nachtkritik lernt in Eike Weinreichs Film "UnRuhezeiten" mehr über den Relevanzverlust des Theaters als ihr möglicherweise lieb ist. Der Standard rechnet vor, wieviel Prozent der Tantiemen für einen Spotify-Hit bei den Verwertern hängen bleibt. Die taz feiert die seltsam gondelnde Heimeligkeit von Krautrocker Michael Rother.

Das Theater ist Museum, Text-Friedhof

25.04.2019. Das Filmbulletin bewundert den Eros des Weltanfangs in Carlos Reygadas' Film "Nuestro Tiempo". Die taz wünschte sich, Stéphane Brizés Streikende in seinem Film "En guerre" würden nicht immer nur nach oben sehen. Die Zeit lässt sich im Lemberger Café Atlas vom Psychoanalytiker Jurko Prochasko den imperialen Eros des Westens erklären. Die nachtkritik schickt den Kanon zum Teufel. Hyperallergic besucht eine Ausstellung jemenitischer Künstler in Beirut.

Mimik ohne Scheu

24.04.2019. Die Feuilletons trauern um Hannelore Elsner, die große einsame Diva mit der betörenden Stimme. In der FAZ etwa erklärt ihr Bodo Kirchhoff noch einmal seine Liebe. Der Guardian lernt in der Tate Britain, wie man die eigene Museumskollektion aus weiblicher Perspektive gerade nicht befragt. Vice fragt, ob die Generation Z die musikalischen Genres aufhebt. Und in der taz spürt der amerikanische Comiczeichner Jason Lutes dem Berliner Flair in Seattle nach.

Malerei ohne Malen

23.04.2019. In der FAZ huldigt Durs Grünbein dem Literaturwissenschaftler George Steiner, der das Gedicht stets über seiner Auslegung gelten ließ. Der Standard erklärt, warum noch vor den Kunstwerken die Dornenkrone aus Notre Dame gerettet wurde. ZeitOnline feiert die queere Ballroom-Serie "Pose" als ganz und gar unzynische Seifenoper der großen Gefühle.  In der taz erklärt Gerhard Schweppenhäuser, warum das Bauhaus mit seinem egalitär anmutenden Design elitäre Distinktionsmerkmale schuf.

Demoliert die Hack- und Rangordnung

20.04.2019. Die NZZ wird in der Genter Aufführung von Milo Raus "Orest in Mosul" Zeugin einer Unmöglichkeit. Diors Maria Grazia Chiuri erklärt in der Weltkunst ihren Standpunkt zwischen Dior, Galliano und Slimane. Die taz bewundert Sergey Dvortsevoys Kino-Sensualismus. Im Tagesspiegel sucht die ehemalige Charlie-Hebdo-Mitarbeiterin Catherine Meurisse Blattgrün und Sanftheit. Friedhelm Greis sammelt in seinem Sudelblog Texte der Weltbühne zum Bauhaus. Die Jungle World hört 31 Vibratoren der Tödlichen Doris.

Gigantische Halluzination des Kinos

18.04.2019. Die NZZ versinkt mit Julian Schnabels van-Gogh-Film in einer berauschenden Farbenorgie. Die SZ lässt sich von den Farben der Bundesgartenschau in Heilbronn nicht beeindrucken und fragt streng: Was ist mit dem Klimawandel? Die Zeit feiert den Schauspieler Rainer Bock, dessen blasse Kasernenhaut es ihr angetan hat. Kann man Künstler vom Werk trennen? Nicht im Pop, meint die Jungle World mit Blick auf Michael Jackson, wo der Künstler das Kunstwerk ist. In der Kunst schon eher, denkt sich die FR mit Blick auf eine Ausstellung über Brücke-Maler in der NS-Zeit.

Glücklicher, produktiver, ausgeschlafener

17.04.2019. Die SZ steht in Münchens Alter Pinakothek vor Caravaggio und der Frage, woher im Barock der Kult der Härte rührte. Die FAZ freut sich über die schöne Botschaft, die Milo Rau aus den Trümmern von Mossul nach Gent bringt. Die NZZ beklagt das Schließen der Bibliotheken in der Türkei. Die taz  schwelgt in der calvinistischen Strenge von Paul Schraders Film "First Reformed". Und ZeitOnline hält fest, dass der weiße, heterosexuelle Gitarrenrockheld in der Statistik des globalen Pop keine Rolle mehr spielt.

Wahre Schönheit liegt im Insekt

16.04.2019. In der NZZ erkundet Gabriel Zimmer die innere Verbindung von Dichtern und Spitzensportlern. Die SZ folgt dem Bauhaus auf der Seidenstraße nach Krefeld. In der taz fragt der Filmverleiher Jakob Kijas, wer Jugendlichen heute eigentlich noch Cinephilie vermittelt. Die taz erinnert auch an die vor fünf Jahren getötete Fotografin Anja Niedringhaus. Der Standard erkennt in Peter Doig den Gauguin der Gegenwart. Außerdem trauern die Feuilltons um die Schauspielerin und Bergman-Ikone Bibi Andersson.

Nur du allein verstehst die Texte

15.04.2019. Die NZZ freut sich, dass Frank Castorf jetzt auch in Zürich einen echten Salonschreck hergibt. Was ist gewonnen, fragen Tagesspiegel und SZ, wenn "Othello" bei Michael Thalheimer weder schwarz noch weiß ist, sondern blutrot.  In der Berliner Zeitung bemüht sich Ines Geipel um Verständnis für die Erfahrungswuchten, mit denen der Osten klarkommen muss. In der Jungle World erkennt Jayrôme C. Robinet nach einer Geschlechtsumwandlung, dass auch Männer unter dem Patriarchat leiden. Und die taz möchte lieber keinen Kulturschuppen geschenkt bekommen.

Den Neinsager muss man betäuben

13.04.2019. Die KritikerInnen streiten weiter über Emil Nolde: Die Ausstellung ist ein Prozess, meint die FAZ, alles "Tugendhysterie", Luther war viel schlimmer, sagt der Historiker Michael Wolffsohn im Dlf. Noldes Kunst und Hass kann man künftig nicht mehr sauber trennen, findet indes die SZ. In der Literarischen Welt erzählt Wolf Wondratschek, wie er kiffend dichtet. In der taz erklärt Milo Rau, weshalb er seinen "Orest" ausgerechnet in Mossul uraufführte. Im Standard will Martin Kusej aus dem Burgtheater einen "Hort der Opposition" machen. Ebenfalls in der taz spricht Julian Henriques über die befreiende Wirkung von jamaikanischen Soundsystems.

Das Ich will likes

12.04.2019. Die staunende SZ erlebt in Basel, wie Picasso und Braque den Kubismus schufen. Die taz lernt in Berlin, wie sehr Emil Nolde versuchte, von den Nazis akzeptiert zu werden. Die Schriftstellerin Lydia Mischkulnig stellt sich in der NZZ schaudernd eine neue Literaturkultur des Ichs vor. Die SZ versinkt auf der Mailänder Möbelmesse in vulgärer Retro-Postmoderne. Die FAZ hört eine perfide Manon.

Echo von komplexen Energieströmen

11.04.2019. Die NZZ lernt von Jean Nouvel in Katar, wie man 7000 Tonnen Beton leicht und filigran zu einer Wüstenrose verbaut. In der Spex prangert der iranisch-kurdische Dichter Behrouz Boochani das australische Internierungslager für Flüchtlinge auf Manus Island an, wo er seit Jahren festsitzt. Die FAZ verbringt einen herrlichen Abend bei der Uraufführung von  Alexander Wustins dreißig Jahre alter Zwölfton-Oper "Der verliebte Teufel" in Moskau. Auf Zeit online ermuntert Annett Gröschner zur Wiederentdeckung der Malerin Annemirl Bauer.

Mehr Klirr-Klirr als Bling-Bling

10.04.2019. DlfKultur erkundet mit dem Fotografen Roger Melis die vielen Facetten der DDR-Gesellschaft. Der Tagesspiegel trauert um den Schauspieler Seymor Cassel, der der modernen Gesellschaft sein zerfurchtes Gesicht gab. Die SZ rätselt noch immer, welche rote Linie Kirill Serebrennikow eigentlich überschritten hatte. Der Standard empfiehlt Spellling gegen musikalische Gleichförmigkeit. Und der Guardian gönnt sich für 800 Dollar einen Haarschnitt in den Hudson Yards.

Eigentlich lernt niemand etwas

09.04.2019. Die SZ erlebt in einer Choreografie von Constanza Macras, wie die Gentrifizieriung ihre eigenen Kinder frisst. Auf dem Festival Foto Wien stellt sich die taz schon mal auf die Härten des Landlebens ein. Die NZZ kann auch die Bauten des indischen Architekten Balkrishna Doshi empfehlen, die 200.000 Familien im Geiste der Gemeinschaft aufnehmen. Der Freitag überlegt, wie man den Billig-Konsum in der Mode aufhalten kann, ohne in die Elitismus-Falle zu tappen. Und ZeitOnline besucht das Kino Weltspiegel in Finsterwalde.

Nicht einfühlend, nicht emotional oder bekenntnishaft

08.04.2019. Die Berliner Kritiker suchen mit Heiner Müllers "Umsiedlerin" im Deutschen Theater Anregungen für eine Bodenreform. Der SZ stockt der Atem, wenn Ingo Metzmacher in Paris mit der "Lady Macbeth von Mzensk" das Requiem auf die Liebe und Menschlichkeit anstimmen lässt. Die NZZ rätselt über den weiblichen Blick in der Fotografie. Und im Standard wünscht sich Max Goldt einen Journalismus, der sich auch sprachlich mal wieder in die Höhe wagt.

Mausoleum für die Moderne

06.04.2019. Die Architekturkritiker pilgern zum neuen Bauhaus-Museum in Weimar: Die einen finden ein Bekenntnis zur heutigen Moderne, die anderen einen Luftschutzbunker. Die SZ rechnet gleich ganz mit dem Bauhaus-Jubiläum ab: Wo bleiben die neuen Ideen, wo überhaupt das radikal Neue - also all das, wofür das Bauhaus stand? Und etwas mehr Geschichtsbewusstsein hätte auch nicht geschadet, ätzt die FAZ. Im Filmdienst denkt Silvia Bahl anlässlich eines Animationsfilms über die Colonial Dignidad über das Wesen des animierten Dokumentarfilms nach. Die Welt fragt: Führt bei vergessenen Autorinnen nur ein mondänes Leben zur Wiederentdeckung?

Körperspannung halten

05.04.2019. Die taz besucht das neue Bauhaus-Museum in Weimar. Die NZZ feiert die malerischen Kampftaktiken der Schweizer Künstlerin Miriam Cahn, die in diesem Jahr gleich mit fünf Ausstellungen europaweit gewürdigt wird. Die neuen Leiter der Berlinale, Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian versichern den Berlinern: Blockbuster neben einem Experimentalfilm sind gar kein Problem. Die Red Bull Music Academy, ein Mäzen für randständige Musiker, stellt ihren Dienst ein. Was wird nun aus ihrem Online-Archiv, fragt sich Quietus.

Dieses verblüffende Ganz-nah-Dran

04.04.2019. Die nachtkritik betrachtet ratlos die Yuppie-Karikaturen von Maja Zade an der Berliner Schaubühne. Die Zeit fragt, warum eigentlich Vorwürfe sexueller Gewalt gegen Pop-Musiker oft kein Jota an deren Beliebtheit ändern. Der Komponist Frederic Rzewski erzählt im Van Magazine einen Witz. Die Berliner Zeitung freut sich über die Wiederentdeckung der Malerin Lotte Laserstein.

Wetterleuchten der Gedanken

03.04.2019. Die taz lässt sich von Jean-Luc Godard sein "Bildbuch" um Augen, Hirn und Ohren hauen. Die Berliner Zeitung lässt sich von Mai-Phuong Kollath ein vietnamesisches Leben in Deutschland erzählen. Im Standard flüchtet der Schriftsteller Michael Stavaric vor dem Gejammer der Buchbranche in den Knast. Die NZZ erkennt in Mark Rothko den Rembrandt der Moderne. Und wie der Tagesspiegel berichtet, sinkt mit dem Stern des saudischen Herrschers Mohammed bin Salman auch prompt der Wert seiner Kunstsammlung: Der "Salvator Mundi" ist weg. 

Der Puls im Innern

02.04.2019. Die Jelinek-Verfilmung "Kinder der Toten" des Nature Theater of Oklahoma lässt Clemens Setz im Standard vor Glück taumeln. Die SZ lernt im Neuen Frankfurt, das Alte, Erstarrte hinter sich zu lassen. Die FR erlebt in Franz Schrekers Oper "Der ferne Klang" Nerven aus Stahl. Die NZZ sucht den Eingang ins Schweizer Zollfreilager. Die taz bewundert die Musikalität in den Bildern Jack Whittens.  Und das CrimeMag huldigt der komischen Literatur des Chester Himes.

Überhaupt das Mikrodetail

01.04.2019. Die SZ erlebt im Hotel House in Porto Recanati, wie der Traum der architektonischen Vernunft ein Ungeheuer gebar. Die FAZ entdeckt im katalonischen Nationalmuseum in Barcelona einen unbekannten Alten Meister: El Bermejo. Im Standard überlegen Johanna Adorjan und Feridun Zaimoglu, ob Karl Ove Knausgard eine Frau sein könnte. Und ZeitOnline hört aus Marvin Gayes erstmalig veröffentlichtem Album "You're the Man" die Koksreste herausrieseln.