Efeu - Die Kulturrundschau

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

November 2019

Wirr und fesselnd ist das Leben

30.11.2019. Mit Kleists "Hermannschlacht" am Wiener Burgtheater plante Martin Kusej den Skandal: Die verdrängte Sexualität von Burschenschaftlern reißt die TheaterkritikerInnen allerdings nicht aus den Stühlen. Die FR kann das Gerede von Identität nicht mehr hören, schon gar nicht in Bezug auf den sächsischen Juwelenraub. Artechock hat die Nase voll von den Populisten im deutschen Filmbetrieb, die immer den gleichen Film fördern. Die SZ schaut entsetzt aus den Plexiglas-Fenstern des berühmten Chelsea-Hotels und nimmt mit Henrike Naumann auf dem Obersalzberg Platz. Der Tagesspiegel macht es sich lieber in indischem Art Decó gemütlich.

Feuchtfröhlich kosmisch

29.11.2019. In Sachen Klimaschutz ist in der Kulturwelt noch einiges zu tun, stellen die Feuilletons bei ihrer Bestandsaufnahme fest. Die SZ lernt im Münchner NS-Dokumentationszentrum, wie man mit High Heels und zeitgenössischer Kunst deutsche Erinnerungskultur aufmischt. ZeitOnline stellt den besten Rapper Deutschlands vor: OG Keemo. Die NZZ erkennt, wie Algorithmen Kunst vom Dreck des Menschlichen befreien. Und die FAZ erfährt: Mit Raubkunst kann man in der Türkei auch Heroin bezahlen.

Mit den Augen spazieren gehen

28.11.2019. In der Zeit gibt der serbische Schriftsteller Bora Cosic Peter Handke Nachhilfe in serbischer Geschichte. Auch Geschichte der Gegenwart hat Handkes Texte noch einmal ausführlich gelesen.Der Tagesspiegel zieht eine Lehre aus dem Dresdner Juwelenraub: Jetzt wissen wir nämlich, wie sich die Menschen in ehemaligen Kolonien fühlen. ZeitOnline zieht mit Henning Gronkowski durch das Berliner Nachtleben und lernt, wie unattraktiv Penisse sind. Die SZ fiebert dem Turner Prize entgegen. Und die FAZ trifft den van Gogh von Bottrop.

Geballte Ladung ins Gesicht

27.11.2019. In der NZZ wartet Peter Handke auf seinen Sokrates. In der Zwischenzeit plaudert er mit René Scheu über Pilze. Die Filmkritiker ziehen sich mit Willem Dafoe und Robert Pattinson auf einen Leuchtturm zurück und balancieren auf der Klinge des Wahnsinns. taz und SZ suchen verzweifelt das Theater der Zukunft. Die NZZ springt mit Igor Lewits Beethoven der Apokalypse entgegen. Und der Juwelenraub hält die Feuilletons weiter in Atem: Dabei war es nicht der erste Angriff auf den Kronschatz, weiß die Welt.

Ratlos, verblüfft, verstört

26.11.2019. Die Feuilletons sind in heller Aufruhr über den Juwelenraub in Dresden: Das Heimatgefühl der Sachsen ist zerstört, meint die FAZ. Weil ein Dokument ihrer Ausbeutung gestohlen wurde?, fragt die Berliner Zeitung zurück. Die Opernkritiker ärgern sich über das Publikum, das Damian Szifrons und Daniel Barenboims "Samson und Dalila" ausbuhte. In der SZ sprechen Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian als neue Berlinale-Doppelspitze über ihre Pläne für das Filmfestival. Die taz recherchiert zum Fall Mauser.

Ich werde mich entschlossen verirren

25.11.2019. Schon wieder tolles Theater in München: SZ und Nachtkritik feiern Leonie Böhms Befreiung von Schillers Räuberinnen, die FAZ erlebt bei Bastian Kraft, wie Lulu gegen ihr tragisches Schicksal aufgebehrt. Die NZZ würde betrübt auf den Niedergang der ägyptischen Filmindustrie blicken, sofern in Kairos Misr-Studio überhaupt das Licht anginge. Das Berliner Festival "Right the Right" eröffnet der taz alternative Konzepte zu Urheberrecht und Überfluss-Kapitalismus. Und noch mehr Handke.

Die Goldene Nadel von Kärnten

23.11.2019. Die NZZ blickt in die abgründigen Welten der arte-povera-Künstlerin Marisa Merz. Der Standard blickt auf Objekte im Blitzlicht. In Dlf Kultur fürchtet der Schriftsteller Boualem Sansal, dass die Islamisten in Algerien die Wahlen gewinnen. Der Filmdienst staunt über die lebendige Farbigkeit alter Filmplakate. Die taz lässt sich Popkritiker Simon Reynolds nicht als alten weißen Mann vermiesen. Und Peter Handke ist sich laut Standard sicher: "Wenn da irgendwas bleiben wird, dann werden das meine Sachen sein."

Coolness, die auch Schutz sucht

22.11.2019. Lensculture wirft mit der Fotografin Letícia Lampert einen Blick in die Wohnungen der Nachbarn. The Intercept nimmt den Brief des Nobelpreiskomitees an Handke-kritische Autoren-Organisationen im Kosovo und in Bosnien auseinander. Zeit online freut sich über die selbstbewusste erotische Präsenz von Jennifer Lopez in "Hustlers". Die NZZ staunt über Kanban, das japanische Prinzip des Perfektionismus. Die SZ hört wehmütig Schubert-Aufnahmen der kürzlich verstorbenen Pianistin Dina Ugorskaja.

Neues Muster der Liebe

21.11.2019. In der Zeit steht Peter Handke da und kann nicht anders. Und Deutschland ist schuld am Jugoslawienkrieg. Die Filmkritiker bewundern Cate Blanchett in ihrem großen Solo als Architektin Bernadette. Die FAZ wandert durch Christian Boltanskis Gedächtnisräume. Hyperallergic stellt die letzte lebende surrealistische Malerin vor: Sylvia Fein, die gestern hundert Jahre alt wurde. Die taz erinnert sich an das wilde Istanbuler Nachtleben der Neunziger.

Wohnort eines unerklärlichen Einzellers

20.11.2019. Als Kathedrale des Gewesenen feiert die Welt Erich Korngolds Oper "Die tote" Stadt", die Simon Stone und Kirill Petrenko in einer umjubelten Inszenierung  in München auf die Bühne brachten. Der SZ eröffnen sich in einer großen Ausstellung im Düsseldorfer Kunstpalast die stilistischen Gräben der DDR-Kunst. Die taz kann dem Museum der Moderne auch Gutes abgegewinnen. Der Guardian stöbert in Disneys Giftschrank. Und Prishtina Insight berichtet, wie die Schwedische Akademie den Nobelpreis für Peter Handke gegenüber den Bosniern rechtfertigt.

Die energetische Form eines Körpers

19.11.2019. Die New York Times fragt, ob man Gauguin noch zeigen darf. Der Guardian blickt mit Steve McQueen in die Zukunft von 76.000 Drittklässlern. Die taz feiert München als neues Theaterparadies. Der Tagesspiegel porträtiert die Choreografin Kat Válastur. Die FAS erinnert sich mit Mario Adorf an die wilden italienischen Jahre. Die SZ lauscht den Rumba-Rhythmen des kongolesischen Freiheitsrausches.

In all dem Hauchen, Knacken, Summen

18.11.2019. Sind wir im Innersten von Musik verlassen, fragt die Berliner Zeitung erschüttert nach Chaya Czernowins Oper "Heart Chamber". In der NZZ beklagt Salman Rushdie die Tragödie des nationalistischen Indiens. In der FAS bekundet Yasmina Reza ihre Abneigung gegen Eindeutigkeiten. Die SZ staunt über die Erotik, die Marsden Hartley bayrischen Alpen und preußischem Militarismus abgewinnen konnte.

Niemand hatte etwas gewagt

16.11.2019. Olga Tokarczuk öffnet den Westeuropäern den Blick für Osteuropa, freut sich der polnische Schriftsteller Artur Becker in der NZZ. Jungle World schaut betreten zu, wenn PJ Harvey die Burka überzieht und durch Krisengebiete in aller Welt reist. Verstört ist auch der Guardian, der mit Anselm Kiefer in London in Europas Leichenhalle blickt. In der taz leidet Salman Rushdie an der Krankheit Trump. Und die FAZ stellt klar: Tel Aviv war nie die weiße Bauhausstadt.

In die Herzkammer der Liebe

15.11.2019. Die Revolution geht weiter, der Arabische Frühling ist noch lange nicht vorbei, ruft der libanesische Theatermacher Rabih Mroué im Interview mit der SZ. Und die Komponistin Chaya Czernowin erzählt, welche Rolle die Liebe in ihrer neuen Oper "Heart Chamber" spielt. Die taz berichtet über eine Debatte zu Künstlicher Intelligenz in der Musik. Epd Film untersucht die Zensurschleuse für chinesische Filme. Zeit online meditiert über den Antisemitismus von Patricia Highsmith. Die FAZ besucht Ausstellungen von Lucia Moholy und László Moholy-Nagy. Die NZZ lernt in Dhaka, wie man eine schwimmende Schule baut. Und Handke.

Es gibt kein Objekt mehr

14.11.2019. Die Filmkritiker feiern Wang Xiaoshuais "Bis dann, mein Sohn". In Monopol erklärt der Künstler Christian Boltanski die Schönheit im Menschsein. Die NYRB staunt über den Versuch, Robert Walser zu tanzen. Das Museum der Moderne muss nicht 450 Millionen Euro kosten, ruft verzweifelt die FAZ: Baut es einfach ein paar Meter weiter. Die SZ freut sich über die Sudan Archives der Geigerin Brittney Denise.

Die Geschmeidigkeit der Gelenke

13.11.2019. Zum Start der Plattform Disney+ fragt ZeitOnline, was die drohenden Streaming-Wars für das Kino bedeuten. FAZ und SZ erleben Martin Scorsese melancholisches Mafia-Epos "The Irishman" bereits als Eingeständnis, dass das Kino längst seine Macht abgegeben hat. Die Berliner Zeitung lässt sich von Regula Lüscher und Martin Maleschka die Schönheit des Alexanderplatz erklären. Die NZZ denkt in der Fondation Beyeler über Kunst von Frauen nach.

Konto, Konto, Kontostand

12.11.2019. Die NZZ und Nachtkritik begeistern sich für Nicolas Stemanns postdramatisch verschärfte Märchenfassung "Schneewitchen Beauty Queen" in Zürich. Die taz berichtet von Protesten in Tirana gegen den Abriss des Nationaltheaters und erkundet bei der Duisburger Filmwoche das Leben in einer Eisenbahner-Siedlung. Die SZ will sich und anderen Feministinnen auch weiterhin die Bilder Paul Gauguins zumuten. Und im TLS verrät Mick Herron, woran man bei John Le Carré den Verräter erkennt

Federleicht oder peitschenscharf

11.11.2019. Die FAZ huldigt dem Pariser Kunstkritiker und Anarchisten Félix Fénéon. Die SZ erzählt, wie entschlossen die Biennale von Karatchi eine beteiligte Künstlerin gegen Angriffe nicht verteidigte. The Intercept zerpflückt Suhrkamps Handreichung in der Causa Peter Handke. Die Die NZZ erkennt beim Dissidenten Handke einen Hauch von Tragik. Und alle gratulieren Hans Magnus Enzensberger, der heute neunzig wird.

Moos an der Fassade

09.11.2019. In der taz erinnert sich der französische Künstler Thierry Noir an die Berliner Krankheit, für die er die Mauer verantwortlich macht. Zeit online empfiehlt nach Sichtung von Nick Broomfields Filmdoku über Leonard Cohen und Marianne Ihlen ein paar Glückskekse. Wie man gut altert, lernt die SZ von den Bauten des portugiesischen Architekten Eduardo Souto de Moura. Die FAZ bestaunt im Ledermuseum hochhackige Schuhe aus 2000 Jahren. Und: Peter Handke ist noch Österreicher, informiert uns der Standard.

Wie weh und gut das alles zugleich tut

08.11.2019. Die FAZ staunt in Paris über die Modernität El Grecos, seinen Umgang mit Farben und Stoffen. Die Berliner Zeitung fragt, wie man künftig von der Neuen Nationalgalerie auf die Philharmonie gucken soll: Durch das Museum der Moderne hindurch? Zeit online feiert FKA Twigs' neues Album "Magdalene" als Monument der Schmerz-Poesie. Die SZ begeistert sich für afrikanisches Modedesign. Die Kärnter Behörden rätseln, ob Peter Handke überhaupt noch österreichischer Staatsbürger ist, berichtet der Standard.

Raum der Gegenmoderne

07.11.2019. Im Perlentaucher beschreibt der bosnische Germanist Vahidin Preljević den Tag, als Peter Handke in Belgrad gleich drei Auszeichnungen von serbischen Nationalisten erhielt. The Intercept findet einen jugoslawischen Handke-Pass. Die SZ hält die Zwielichtigkeit der Ich-Figuren Handkes dagegen. Die New York Times erklärt, warum die Mona Lisa aus dem Louvre muss. Der Tagesspiegel staunt über den heterosexuelle Liebeskummerfuror von FKA Twigs. Die SZ scheut vor einer Nora als reflektiertem Luxus-Vögelchen. Und: Dieser Joker hat nichts mit Donald Trump zu tun, versichert in der Welt Slavoj Zizek, nachdem jetzt auch er Todd Phillips Film gesehen hat.

Freie Zufälligkeit der Fleckenexistenz

06.11.2019. Die Kunst stirbt in Russland, ruft Viktor Jerofejew in der Welt, die reale Willkür triumphiert. In der taz beharrt Arthur Jafa auf dem Unterschied von schwarzer und weißer Kunst.  Die FR feiert Lotte de Beers dunklen "Don Carlos" in Stuttgart. FAZ und Tagesspiegel blicken etwas ratlos in das Handke-Dossier, das der Suhrkamp Verlag zur Verteidigung seines Autors zusammengestellt hat. Die NZZ macht es sich in Patrik Künzlers Limbic Chair bequem.

Flach aufs Gesicht

05.11.2019. In der New York Times hält Martin Scorsese den Ärger der Marvel-Fans aus und erklärt den Franchise-Film zum Totengräber des Kinos. Die taz besingt das britische Theaterkollektiv Forced Entertainment. Die FAZ berichtet von der Moskau Biennale, auf der Geld und Grobheit den Ton angeben. Zeit Online erklärt der Modewelt, dass Diversität mehr ist als nur ein Trend. Und Elfriede Jelinek springt Peter Handke zur Seite: Wenn alle in eine Richtung rennen, müssen die Künstler als einzige in die andre.

Erdolcht, vergiftet, ertrunken, erhängt

04.11.2019. In seiner Dankesrede für den Büchnerpreis erklärte Lukas Bärfuss: "Die Nazis und ihr Gedankengut sind überhaupt nie weggewesen". Die FAZ findet Bärfuss' Rede so schlicht und wuchtig wie einst Büchners Hessischen Landboten. Die NZZ nennt sie unredlich. In der Zeit rufen Stefan Heidenreich und Magnus Resch die Künstler auf, sich von Kunstmarkt und Exklusivitätskult zu emanzipieren und Kunst für das Publikum zu machen. Im Tagesspiegel verrät die Fotografin Helga Paris, wie sie bei Tante Olga und Mutter Grün die Frühschicht knackte.

So kompliziert ist Unrecht

02.11.2019. Wo sind heute die Künstler, die provozieren, seufzt die SZ nach einem Besuch der großen Martin-Kippenberger-Schau in Bonn. Auch die Jungle World beklagt eine Filmkritik, die Filme vor allem auf die richtige Gesinnung hin abklopft. Der Guardian untersucht die Theaterkultur der DDR und erkennt: Das ganze Land war selbst eine Art Theater. Die taz blickt in die Abgründe des deutschen Nazi-Rap. Und die NZZ wird nicht glücklich mit dem Büchnerpreis für Lukas Bärfuss.

Das ganz Andere der Zeitung

01.11.2019. "Der Schauprozess läuft auf Hochtouren", erwidert Lothar Struck im Perlentaucher auf Alida Bremers Handke-Text. Man muss Handkes Doppelspiel mitspielen, fordert auch der Freitag. Die Filmkritiker liegen Celine Sciammas "Porträt einer jungen Frau in Flammen zu Füßen: Hier wird die Psychologie ganz neu erfunden, jubelt die Welt.  Die Berliner Zeitung fordert nach der Krise am Theater an der Parkaue: Kontrolliert die Macht von Intendanten! Und die NZZ lernt von dem belgischen Künstler Koen Vanmechelen: In jedem Menschen lebt ein Ur-Huhn.