Efeu - Die Kulturrundschau

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

April 2016

Nirgends das geringste blaugrüne Schimmern

30.04.2016. In der NZZ blickt Gertrud Leutenegger auf die Ruinen des Rhonegletschers. Außerdem trauert die NZZ um die Helden der Gegenwartsliteratur, die dem kapitalistischen Monster unterliegen. Zum Auftakt des Gallery Weekends in Berlin beklagt der Tagesspiegel das weniger glamouröse Galeriensterben der Stadt. Die SZ besingt die babylonische Polyphonie des Bühnensprechens. In der Zeit erklärt Diedrich Diederichsen den Unterschied zwischen HipHop und der Autorenmusik eines Prince.

Zwannzichahröh Suv und wähähääk

29.04.2016. Nur drei Prozent der Bevölkerung gehen ins Museum und in Hamburg sind sie fast alle zwischen 60 und 70. Kein Wunder, dass Museumsdirektor Hubertus Gaßner trotz frisch renovierter Kunsthalle nicht so recht Aufbruchsstimmung verbreiten kann. Die Welt empfiehlt den restlichen 97 Prozent einen Besuch - wenigstens, um die Ausstellung der rumänischen Künstlerin Geta Brătescu zu sehen. Die FAZ besucht den als Museum neu eröffneten Ceauşescu-Palast in Bukarest. Der Freitag staunt über eine sexuelle Revolution im "Game of Thrones". Die Musikkritiker lesen Udo Lindenberg lieber als ihn zu hören.

Der Untergrund als Raumgefüge

28.04.2016. Die FAZ lernt den verstörenden Genuss des Entsetzens vor den Bildern Boris Luries. Die taz besucht eine Filmreihe über Arbeitsverweigerung in der BRD-Komödie. Der Freitag guckt betrübt auf unsere wassertrinkenden Autoren. Die NZZ sucht Bücher in Armenien. Die Welt informiert über Francois Pinaults geplantes neues Kunstmuseum in Paris. Die SZ bewundert die Theaterästhetik des Internetzeitalters in Dortmund.

Ein persönliches, besonderes, großes Nein

27.04.2016. Die NZZ bringt Peter Esterhazys Grabrede auf Imre Kertesz. Der Standard fragt anlässlich der Wiener "L'Exposition Imaginaire", wie analog Kunst heute noch sein kann. Die SZ fürchtet die Stadt, in der es für Arbeiter keine Jobs mehr gibt. Die Popkritik steht ganz im Bann von Beyoncé. Und Dezeen bringt die Poster, mit denen Wolfgang Tillmans der Remain-Campaign auf die Sprünge helfen will.

Panikpräsidialer Plural

26.04.2016. Die Berliner Zeitung freut sich über den Pop von Drangsal, der erfrischend nicht einverstanden ist mit der Gesamtsituation. Die SZ fragt, warum im Tanz lange erworbenes Körper- und Bewegungswissen so wenig zählen. Außerdem lernt sie von Kadia Attias Skulpturen die Schönheit von Narben in der Kunst zu schätzen. Die FAZ entdeckt das ganze NRW auf der Insel Hombroich. Und die Daily Mail lernt: Für Geld allein gibt es noch keine Hermès-Tasche.

Appetitliches Diskurs-Sushi

25.04.2016. Peter Wawerzinek hat sich was vorgenommen! "Ich werde mitten unter Dresdener leben", verkündet der neue Stadtschreiber im Tagesspiegel und fragt, warum so viele seiner Kollegen sich davor drücken. So politisch wie ein Handtuch finden die Theaterkritiker Stephan Kimmigs Berliner Inszenierung von Michel Houellebecqs "Unterwerfung". Die FAZ wandert durch eine immergleiche Maya-Welt. In der Zeit staunt Wolfgang Ullrich über die unüberbietbare Evidenz der Kunst Fritz Schweglers. Politiker sollten nie bestimmen dürfen, was abgerissen wird, fordert die SZ. Und Billy Paul mag tot sein, "Me and Mrs. Jones" aber sind unsterblich.

Szenische Urzeit

23.04.2016. 400 Jahre Shakespeare und Cervantes: Die Feuilletons würdigen mit großem Aufwand die verstorbenen Größen. Kann, soll, muss man sie heute noch lesen? Die eigene Begabung wird nicht größer, wenn man sie nicht liest, ermuntert Autor Javier Marias seine Kollegen. Man lernt eine Menge, sekundiert Antonia S. Byatt. Katharsis erlebt man aber nur beim Shakespearelesen daheim, warnt Botho Strauß. Außerdem: In der NZZ denkt Architekturtheoretiker André Bideau  über postmodernen Inselurbanismus nach. Der Freitag wippt mit zugehaltenen Ohren zum Trümmer-Pop.

Kontrovers, allesfressend und schillernd

22.04.2016. Trauer um Prince. Die Welt verabschiedet sich vom größten Popmusiker, den man im Internet nicht hören kann. Außerdem: Die SZ würdigt den biegsamen, süßen Ton Yehudi Menuhins. Die NZZ gruselt sich mit Lorenzo Mattottis Hänsel und Gretl im patagonischen Wald. In der taz würdigt Künstlerin Saskia Groneberg das Swastika als Glücksbringer - solange es vor einem Hauseingang in Bangalore liegt. Dadaismus gabs auch in Russland, erinnert die NZZ.

Flirrend fluktuierende Punkte-Wolke

21.04.2016. Politische Debatte findet nur noch im Theater statt, nicht mehr in der Kunst, klagt das Art Magazin. Ist Richard Prince der Andy Warhol unserer Tage?, fragt Vulture Athina Rachel Tsangari nimmt mit ihrem Film "Chevalier" zur Freude der Filmkritiker den Machismus aufs Korn. Die NZZ sieht Kurzfilme der Pariser Oper. Die SZ hört große Popkunst von Xavier Naidoo.

Im Kühlraum einer Luxusfleischerei

20.04.2016. taz und SZ tauchen ein in Thomas Vinterbergs filmische Momentaufnahme der Siebziger. Pechschwarz sieht der Standard in Barrie Koskys Operninszenierung des "Macbeth". Der Anbau des Basler Kunstmuseums findet in der deutschen Presse wirklich keine Freunde: Heute stößt der FAZ die Mischung aus Glamour und Brutalität auf. Die NZZ begutachtet Männer-Models. Die FR besucht ein videodurchzucktes Körperorgan der Pipilotti Rist in Zürich.

Nichts als harte Kontrastwerte

19.04.2016. Die Welt bewundert die subjektiven Fotografien Detlef Orlopps. Ägyptische Konservative sind sauer, weil ein ägyptischer Autor ins Hebräische übersetzt wurde, meldet die NZZ. Auf der SZ lasten schwer die Betondecke und der Kratzputz des Kunstmuseums Basel. Die taz besucht eine Londoner Ausstellung zur Geschichte der Unterwäsche.

Dieser unnachahmliche Touch von Velours

18.04.2016. Den Apero in der Hand amüsiert sich das Publikum bei der Münchner Uraufführung von Elfriede Jelineks "Wut" über den Anschlag auf Charlie Hebdo. Lacht man zu viel? Darf man das? Die Theaterkritiker sind verstört. Die Welt erliegt dem Rot, Gelb und Blau des Historienmalers Emmanuel Leutze. In der FR erklärt "Don Quijote"-Übersetzerin Susanne Lange, was ihre Übersetzung von anderen unterscheidet. Die FAZ lässt sich von der pubertären Unbedingtheit des Pianisten Lucas Debargue packen.

Melodien sind Mangelware

16.04.2016. Lasst euch von der Krise inspirieren!, ruft die SZ den Designern zu. Der neu eröffnete Erweiterungsbau des Kunstmuseums Basel bietet den Betrachtern Fifty Shades of Gray. Die taz stellt Gqom vor, eine hypnotisch holpernde Musik, die von Durban aus die britischen Clubs erobert. Einer Orgie in Uneigentlichkeit wohnen die Kritiker bei PeterLichts Molière-Adaption "Des Menschen Feind" in bei. Und Alberto Nessi berichtet in der NZZ von seiner Reise zum Van-Gogh-Museum in Amersterdam.

Überraschung! Tusch! Blumen!

15.04.2016. Schaudernd und überwältigt sieht sich die NZZ entartete Kunst in Bern an. Von der Gegenwartsliteratur kann die Theologie einiges lernen, findet sie. Die SZ kann einem Rembrandt in 3D wenig abgewinnen.  Interview.de erfährt von Erwin Wurm, wie eng es im Österreich der Siebziger war. Die FAZ versinkt in der französischen Belle-Epoche und findet Benjamin Godard. Tagesspiegel und Welt gratulieren Maren Ade zur Nominierung in Cannes.

Rüde, billig und gerupft

14.04.2016. Nicolette Krebitz' Film "Wild" überwältigt die Zeitungen weiterhin: Richtungsweisend, sind sich Freitag, Tagesspiegel und Hard Sensations einig. Gordian Mauggs "Fritz Lang" fällt bei der SZ hingegen durch.  Die Zeit schaut lieber Isa Genzken an, als Kuratoren zuzuhören. Maxim Billers Roman "Biografie"  treibt die deutsche Literaturkritik zu ungeahnten Höchstleistungen, findet der Freitag. Die NZZ flaniert durch die blühende Architektur Stettins.

Im fernen Echo der Evolution

13.04.2016. Die Berliner Zeitung verteidigt Shakespeare vor dem gesunden Menschenverstand und fordert mehr Mut zum Extremen. Die FR erliegt im Gropius-Bau der Schönheit von Maya-Kunst. Bei Thomas Demand lernt die FAZ, wie Kunst zum Krimi wird. Auch vor der Neuverfilmung des Dschungelbuchs gruselt es ihr. Die taz lauscht PJ Harveys Songs über die Schlechtigkeit der Welt. Und die Welt wühlt in alten Öfen und findet Jacques Offenbach.

An der Peripherie des Weltenlaufs

12.04.2016. Die SZ applaudiert Armin Petras' Frank Witzel-Inszenierung, die FAZ übt harsche Kritik. Das Monopol-Magazin staunt über nackte Hüften bei der Dubai Art Week. Der Guardian lebt derweil den rohen Feminismus von Violette Leduc. Und die NZZ erinnert an ekstatischen Chassidismus im ukrainischen Berditschew. Kein Aprilscherz: Die einstürzenden Neubauten spielen zur Eröffnung Hamburger Elbphilharmonie, amüsiert sich die SZ.

Unspezifisches Irgendwie-damals-Feeling

11.04.2016. Die Feuilletons reagieren gespalten auf Frank Castorfs Inzenierung von Jaroslav Haseks "Abenteuern des braven Soldaten Svejk". Die SZ wurde glücklich im Denken, die FAZ war genervt, die Welt verschlief die erste Hälfte. Bei Armin Petras' Frank Witzel-Inszenierung wühlen sie im Morast der alten BRD. Die NZZ träumt von einem Publikum, das auf die Bühne springt und protestiert. Jungle World sehnt sich nach der intensiven Prosa von Henry James. Und die FAZ probiert bei großen Modenfirmen auf gläubige Musliminnen zugeschnittene Kleidung an.

Witterungsvermögen für akute Ausdrucksformen

09.04.2016. In der Welt erzählt Hallgrímur Helgason von der Zombiewerdung des Herrn Gunnlaugsson. Die FAZ liest die Liebesbriefe des jungen Rolf Dieter Brinkmann. In Profil vermisst Christian Petzold im deutschen Kino echte schwielige Arbeiterhände. Die taz erlebt in Nicolette Krebitz' Film "Wild" echte Nacktheit, die friert und glüht. Die NZZ bewundert die Präzisionsarchitektur des Berliner Büros Barko Leibinger. Die Popkritik windet sich vor Schmerzen nach der Echo-Verleihung. In der SZ erklärt Wolfgang Ullrich den Unterschied zwischen einem Kunstwerk und einer Yacht.

Mit allen diagnostischen Mitteln

08.04.2016. Die NZZ annonciert einen minuziösen Check-up des Houellebecqschen Körpers auf der Manifesta 11 und hört mit der CD "African Fabrics" das urbane Afrika ticken. Die FAZ besucht ein Dada-Damenkränzchen. Alain Claude Sulzer singt ein Liebeslied an die Serenissima. Artechock würdigt die Entdeckungsfreude des Münchner Werkstattkinos. Die taz erliegt dem Blender Dean Blunt.

Alles vibriert, zittert, dehnt und verzerrt sich

07.04.2016. In der Berliner Zeitung erklärt Marius von Mayenburg, worauf es bei einer Shakespeare-Übersetzung ankommt. Die FR nimmt traurig Abschied von  Tilman Rammstedts im Netz fertig geschriebenen Fortsetzungsroman "Morgen Mehr". Die Filmkritiker feiern den ewigen Caligaristen des Kinos, Guy Maddin. Der NZZ flimmern die Augen vor der Op-Art im Louisiana Museum. Die FAZ hört traumhaften Bach in Tongyeong. In der Welt erklärt Leon Krier, warum Albert Speer in der Nachkriegszeit der bessere Architekt war.

Die Trötung trötet nicht genug

06.04.2016. Zwischen Spott und Entsetzen schwanken die Kritiker beim Anblick des neuen Pariser Zentrum Les Halles: Besser shoppen und überwacht werden kann man nicht einmal am Flughafen, meint die FAZ. Die Berliner Zeitung bleibt bei ihrer Forderung nach Architektur, die über die Stränge schlägt. In der SZ spricht der Comiczeichner Riad Sattouf über den staatlich verordenete Antisemitismus in Syrien. Bei irights.info huldigt Annette Gilbert der Kunst des Abschreibens. Die taz lernt in Athen, der Melancholie von morgen vorzubeugen.

Mein Onkel hat ein Glausauge

05.04.2016. Die NZZ drückt uns mit Lucia Berlins Erzählungen eine raue Drachenschuppe in die Hand. Die SZ beschwört die betörende Schönheit von Itzhak Perlmans Geigenklang. Die Welt bewundert den Mut zum fiesen Klang in der "Macbeth"-Inszenierung von Barrie Kosky und Teodor Currentzis. Der Guardian berichtet, wie säuerlich China auf den Peking-kritischen Film "Ten Years" regaiert, der beim Hongkong Film Festival den Hauptpreis gewann.

Wir sind, was uns unterläuft

04.04.2016. Die Welt lauscht vor Joaquín Sorollas lichtdurchfluteten Bildern dem Anbranden des Meeres. Für das Logbuch Suhrkamp beobachtet Marie Luise Knott auf der International Village Show, wie Ideen fair gehandelt werden. Die NZZ lernt bei René Pollesch in Zürich: "Wir müssen zitieren, damit wir weiterkommen." Die taz huldigt Kedr Livanskiys zarten lyrischen Synthiepop. Und alle trauern um Lars Gustafsson, der nun nicht mehr zum großen Gelächter anheben wird.

Dass Schönheit überwiegt

02.04.2016. In der Welt erzählt der ehemalige Lektor der Grove Press Fred Jordan, wie man als Kind seiner Zeit lebt, wenn man wach ist. Durs Grünbein porträtiert in der FAZ Imre Kertesz als existenziellen Außenseiter per se. In Bagdad gibt es derzeit mehr Konzerte als Terroranschläge, erzählt in der taz nicht ohne Stolz der irakische Cellist und Dirigent Karim Wasfi. Wo sind die Frauen in der deutschen Literatur, fragt Katy Derbyshire in 10 nach 8. Im Magazin AnOther unterhalten sich Björk und die Komikerin Julia Davis über ihre Arbeit, Einflüsse und Inspirationen.

Gigant der Negation

01.04.2016. Große Trauer um Imre Kertész: Die Feuilletons würdigen den ungarischen Literaturnobelpreisträger als Giganten der Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts. Trauer auch um die Architektin Zaha Hadid, die lange um die Realisierung ihrer kühnen Bauten kämpfen musste. Außerdem: Die SZ begutachtet die neue Pariser Metrostation Châtelet-Les Halles. Die FAZ besucht eine Ausstellung über die russischen Avantgarden. Rüdiger Suchsland feiert auf Artechock den Essayfilm im Allgemeinen und Laurie Andersons "Heart of a Dog" im Besonderen. Die FR staunt über Mara Eibl-Eibesfeldts schwarzweißen Debütfilm "Im Spinnwebhaus".