Efeu - Die Kulturrundschau

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Juni 2014

Die Mauer ist zurück!

30.06.2014. Schon wieder Faschouniformen, stöhnen NZZ und Welt in der Münchner Neuinszenierung von Rossinis "Guillaume Tell" durch Antú Romero Nunes. Nachtkritik und SZ fanden es ganz hintersinnig. Die taz beobachtet sorgenvoll russische Ressentiments gegen zeitgenössische Kunst bei der Manifesta. In der Jungle World fordert der Rapper Form/Prim mehr ästhetisches Bewusstsein von linken Rappern. Im Standard ätzt Marlene Streeruwitz gegen die alten Männer im Kulturbetrieb. Und in der NZZ verkörpert der Musiker und Autor Yali Sobol das ganze Dilemma eines israelischen Friedensaktivisten.

Klitzekleine Kunstfehler

28.06.2014. Manifesta in aller Munde: Die Welt erlebt Putin als Klassenclown, die FAZ wartet auf Kurator Königs Abreise und die SZ sucht verschwendete Möglichkeiten an abgelegenen Orten. Das Foreign-Affairs-Festival quält zur Fußball-WM, meint der Tagesspiegel. Und die Welt liest in der "Sick-Lit" Schadensberichte von Jugendlichen.

Ein höchst goutierbares Tellergericht

27.06.2014. Der deutsche Rap ist 'homophob, aufgeblasen und mittelschichtig', klagt Sookee im Freitag. Die taz zielt mit Herlinde Koelbl auf deutsche Kühe, amerikanische Plastiksoldaten und Figuren mit Backenbart. Und die Welt ist beim Musiktheaterfestival "Infektionen" nicht satt geworden.

Neopompöse Grandezza

26.06.2014. Nachtkritik begutachtet mit zugehaltener Nase all das, was durch die Burgtheater-Krise nach oben gespült wurde. In der taz erzählt Filmkritiker Michael Baute, was er in Moskau über die Berliner Schule lernte. Und Spiegel Online lernt bei Jimmy Page wie Rockhandwerk und Digitalkultur zusammengehen.

Unentschiedene Enthüllung

25.06.2014. In Polen tobt ein Streit um Rodrigo Garcias Spektakel "Golgota Picnic", das in Posen gezeigt werden sollte und auf Druck der katholischen Kirche abgesetzt wurde, Le Monde berichtet. Der Freitag schildert das Engagement der Budapester Bühnen gegen die Regierung Orban. Die FAZ ist nach Kitty Greens kritischem Dokumentarfilm über die Gruppe Femen nicht schlauer. Eli Wallach ist im Alter von 98 Jahren gestorben, wir binden eine Szene aus "The Good, the Bad, and The Ugly" ein.

Wer was wann gewusst haben sollte

24.06.2014. Der Burgtheater-Skandal zieht weitere Kreise: Nun ist der mächtigste Mann des österreichischen Theaters, der Chef der Bundestheater-Holding Georg Springer zurückgetreten. Eines der Probleme: Es könnten noch knapp zwei Millionen Euro für Ex-Intendant Matthias Hartmann fällig werden. Alle Wiener Zeitungen berichten. In der FAZ führt Dietmar Dath durch sämtliche Verästelungen der neuesten Horror-Literatur. Ebenso freut sich die FAZ über eine wiedergefundene Magdalena in Ekstase von Artemisia Gentileschi. Und die Welt hat herausgefunden: Die höchsten Hochhäuser Chinas sind Luftschlösser.

Orchestrales Glühen

23.06.2014. Im Blog der NYRB erklärt James Sallis, warum ihn die Krimis von Manchette an die Felle erlegter Eichhörnchen erinnern. Die SZ schätzt die Arbeit des Fotografen Stan Douglas in den Münchner Kammerspielen zwar nicht als Drama, wohl aber als Medien-Installation. Lana Del Reys Konzert in Berlin hat die Kritiker gespalten. The Verge freut sich über zwar körniges, aber sauberes "Texas Chain Saw Massacre".

In Datenform am Rand des Möglichen

21.06.2014. Die NZZ hat herausgefunden: Erst indem sie Gott abschaffen, können Autoren ihn zum Komplizen machen. In der Welt porträtiert Wolf Lepenies den kamerunischen Filmregisseur Jean-Pierre Bekolo. Diedrich Diederichsen erklärt in der SZ, warum er David Bowie lieber im TV hat. Also bringen wir ihn. FAZ und Kunsthalle Düsseldorf befassen sich mit den ästhetischen Folgen der digitalen Revolution. Und ist Dylan der Shakespeare Deterings?

Denkknebel

20.06.2014. Ohne Karl verstehen wir gar nix, findet die Welt nach einem Besuch der großen Ausstellung in Aachen. Jungle World berauscht sich trotz der widrigen Lebensbedingungen des Spätkapitalismus an der Psychedelic-Band Datashock, die NZZ an Lana del Rey. Die Ebook-Verlegerin Christiane Frohmann löst sich  iRights.info von der Buchmetapher. Und im Jüdischen Museum Berlin geht eine Ära zu Ende.

Emporlese-Bibliothek

19.06.2014. Allgemeines Lob für Stephen Knights Film "No Turning Back", na ja fast. Die Welt vermisst den Bertelsmann-Club jetzt schon. Tagesspiegel und Berliner Zeitung bejubeln das ungebrochene Charisma des im Rollstuhl dirigierenden Kurt Masur. In New York wird über die Entscheidung der Metropolitan Opera gestritten, die Video-Übertragung von John Adams' Oper "The Death of Klinghoffer" abzusetzen.

Gezielter Einsatz von Unschärfen

18.06.2014. Die NZZ bietet eine Preview der Art Basel, während die Welt unendlichen Spaß in der Schirn hat. In der SZ kämpft die Experimentalfilmerin Tacita Dean für analoges Material. Die taz betrachtet in Dresden das Theater der Geheimdienste. Das Fotoblog kwerfeldein erkundet mit Christoph Bangert die Grenzen der Kriegsfotografie.

Dezenter fast als befürchtet

17.06.2014. Die Komische Oper Berlin hat Bernd Alois Zimmrmanns "Soldaten" gestemmt. Die Kritik ist beeindruckt, streitet sich aber über das Ausmaß der Gewalt  in der Regie Calixto Bieitos. In der taz verabschiedet der kubanische Autor Leonardo Padura Che Guevaras "neuen Menschen". Die New Republic präsentiert Porträts prorussischer Separatisten, die der Fotograf Max Avdeev im Donezk-Gebiet aufgenommen hat. Und die Welt staunt über Lana del Reys funky Schlagzeuger aus München.

Aus den Sound-Bibliotheken handelsüblicher Audiosoftware

16.06.2014. Geraten die Großfestivals à la Wien, Avignon und Co. in eine tiefe Krise? Sie sind verrostet, meint Frie Leysen im Standard. Und Avignon und Aix könnten ganz ausfallen - und zwar 2014, 15 und 16, warnt Olivier Py in Le Monde. Überwältigt steht die FAZ vor Kara Walkers "Marvelous Sugar Baby" in New York. Die Jungle World führt uns in die Subtilitäten des Sinogrime ein. Es ist noch Neues und Erstaunliches möglich in der Modefotografie staunt die taz, nachdem sie eine Viviane-Sassen-Ausstellung besucht hat.

Es wird im Dreck gewühlt

14.06.2014. Die Welt ist fasziniert von den dichten Klangabenteuern der Komponistin Adriana Hölszky. Beim Besuch der Züricher Retrospektive lernt sie außerdem, im Werk von Cindy Sherman den Spaß am Spiel und der Verkleidung nicht zu unterschätzen. Die SZ erliegt der wehmütigen Verlorenheit der Lana Del Rey. In der taz erzählt die Filmkritikerin Ilse Kümpfel-Schliekmann alias Ponkie aus besseren Zeiten der Münchner Abendzeitung. Und Christoph Ransmayr beschreibt in der Literarischen Welt den hybrischen Transformationsprozess des Schreibens.

Magier der Zirkularatmung

13.06.2014. In der New Republic fragt sich Jed Perl, ob Sigmar Polke nicht der "Pompier" der heutigen Kunst ist. Die NZZ lauscht hingerissen Sarah Neufeld und Colin Stetson, und sie durchlebt mit Jens Harder vier Millionen Jahre Geschichte. In der SZ geißelt Luyanda Mpahlwa Rassismus in der Architektur. In der FAZ spricht Lars Henrik Gass von den Oberhausener Kurzfilmtage über das Kino nach dem Kino.

Unhöfliche Geräusche aus reinem Plastik

12.06.2014. In Le Monde fordert Jean-Luc Godard François Hollande dazu auf, Marine Le Pen zur Premierministerin zu ernennen. Lyrik lebt!, meldet die FAZ vom Berliner Poesiefestival. Mit der Architektur geht es hingegen bergab, findet die Zeit bei der Architekturbiennale heraus. Der Tages-Anzeiger besichtigt beim Basler Festival PerformaCity einen Backfisch mit Babybauch. Goetz Spielmann heimst für seinen neuen Film "Oktober/November" viel Lob ein. Beim Berliner Konzert der Rolling Stones wartet das Publikum derweil vergeblich auf "Angie".

Eine neue Härte

11.06.2014. The New Republic fragt, ob Englands Dichter für ihre irrelevante Lyrik zur Rechenschaft gezogen werden sollen. Der Tagesspiegel fragt, ob eventuell der Krieg ein Schrittmacher der Poesie war. Die FAZ verirrt sich in den gescheiterten Hoffnungen der italienischen Moderne. Außerdem huldigen alle dem vor 150 Jahren geborenen Richard Strauss und seiner romantischen Seelenmalerei, die Welt vermisst allerdings die intellektuelle Auseinandersetzung mit dem janusköpfigen Komponisten.

Die List der Kannibalen

10.06.2014. Die SZ lässt sich von Regisseur Zé Celso brasilianische Hühnersuppe kredenzen. Die taz erlebt, wie Rem Koolhaas die Architekturbiennale in Venedig zum Tanzen bringt. Die Welt erlebt eine beglückend lebenswahre Cecilia Bartoli in Salzburg. Die FAZ verabschiedet sich mit dem Theater der Welt in Mannheim vom antiken Mythos über die Autodestruktivität des Erfolgsmenschen. Und die Berliner Zeitung bedankt sich bei den Kirchen für Black Sabbath.

Hormongestauter Cherub

07.06.2014. Martin Kušejs Münchner "Faust"-Inszenierung bescherte der FAZ einen sex- und blutreichen Vampirreigen im Hamburger Rotlichtmilieu. Die SZ sah nur "Mein 'Faust'-Kampf". Die Welt liebt den Heavy Metal von Mastodon, auch wenn man dazu nicht das Haar werfen kann. Die taz kegelt im Geiste mit jungen Literatenköpfen. SZ und Berliner Zeitung sind hin und weg von einem Auftritt des Dichters Ko Un und von der Architekturbiennale.

Der Mensch und seine Obsession mit den Dingen

06.06.2014. In den Aufnahmen der Pianistin Ana-Marija Markovina lernt die NZZ den radikalen Eigenwillen von Carl Philipp Emanuel Bach kennen. Dem Roman von David Foster Wallace angemessen, aber weniger niederschmetternd, finden die Kritiker die Frankfurter Ausstellung "Unendlicher Spaß". Die Erinnerung an den D-Day wird von den Bildern Steven Spielbergs überlagert, meint die FAZ. Und die SZ fragt sich angesichts der Marbacher Ausstellung "Reisen - Fotos von unterwegs", ob man bei Flucht, Exil und Kriegseinsätzen wirklich von Reisen sprechen kann.

Von zeitloser Nichtigkeit

05.06.2014. Alex Lehnerer und Savvas Ciriacidis versetzen mit ihrem Bungalow Germania bei der Architekturbiennale Venedig die SZ in Begeisterung. Die British Library stellt 1200 literarische Schätze der englischen Romantik und der viktorianischen Ära ins Netz, meldet die NZZ. Der Freitag geißelt den Trend zu Nostalgie und Risikoaversion in der Popmusik. Und die im Vorfeld von Johan Simons Wiener Genet-Inszenierung "Die Neger" geführte Debatte geht bei der Premiere in genervtes Gähnen über.

Er singt für sich

04.06.2014. Große Begeisterung über Richard Linklaters Film "Boyhood", der für die SZ einige Grundannahmen über die Zeit und das Kino in Frage stellt. Johan Simons Wiener Inszenierung der "Neger" verlief ganz ohne Zwischenfälle, berichtet die Nachtkritik. Die NZZ lernt bei einer Werkschau Fritz Hallers, dass Schönheit auch aus objektiven Ordnungsprinzipien wachsen kann. Die FAZ erlebt in London, was ein Künstler aus einer "stinkigen Bruchbude" macht. Und: Warum war Prince nicht in Berlin?

Die Ausschüttungszyklen der deutschen Subventionskultur

03.06.2014. Die Welt erkennt anlässlich einer Wiener Ausstellung in Isa Genzkens Stilverweigerung die Intelligenz einer Künstlerin. Die FAZ verfolgt im Louvre von Lens, wie sich das Kriegsbild ästhetisierte und zur pazifistischen Waffe wurde. Auf Zeit Online spricht Richard Linklater über seinen Film "Boyhood" und die Zeit als aktiven Faktor. Die SZ fragt nach dem Literaturfestival Prosanova: Wie viel Verzweiflung liegt im Hedonismus der Jungen? Und Edward Snowden bekommt zwar nirgendwo Asyl, aber seine Geschichte wird gleich zweimal verfilmt, meldet Mashable.

Irgendwie muss ein Zeichen her

02.06.2014. In der Welt fordert Wim Wenders mehr Solidarität mit den Franzosen. Die SZ rätselt über den Offenen Brief des Dirigenten und Putin-Freundes Valery Gergiev. Die NZZ sieht mit Szczepan Twardoch einen neuen Stern am polnischen Literaturhimmel aufgehen. Im Standard stellt György Dalos die Dichter Südosteuropas vor. Die Presse bereitet sich auf einen hitzigen Theaterabend mit Jean Genets "Negern" bei den Wiener Festwochen vor. Jan Bosses Inszenierung von Tschechows "Möwe" ist den Kritikern irgendwie zu viel Theater.