Efeu - Die Kulturrundschau

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

April 2018

Die Belästigung Victorias

30.04.2018. Die Welt blickt ungläubig nach Stockholm, wo die Schwedische Akademie nach neuen Vorwürfen weiter zerfällt. Bitter nötig hatte Berlin das African Book Festival, erklärt die Berliner Zeitung. Wunderschön findet die SZ, wie das Theaterkollektiv Forced Entertainment vom Unsinn des Lebens erzählt.  Stephan Kimmigs Berliner Version von Elfriede Jelineks Trump-Stück "Am Königsweg" teilt die Kritik in zwei  Lager.  Und der Tagesspiegel feiert die Musikerin Janelle Monáe als würdige Prince-Nachfolgerin.

Küken stehen für den falschen Frieden

28.04.2018. In der Welt sieht Georges-Arthur Goldschmidt das innere Nazitum in Deutschland auf dem Vormarsch. Mit den sieben Lolas für Emily Atefs Romy-Schneider-Film sind die Kritiker weitgehend zufrieden. Wo bleibt die Anlaufstelle für Opfer sexueller Übergriffe bei Filmproduktionen, fragt Zeit Online verärgert. Nach vielen Querelen hat die Schau "Gewalt und Geschlecht" am Militärhistorischen Museum Dresden doch noch eröffnet: Surreal und opulent, finden FAZ und taz. Und: ABBA ist zurück.

Kipppunkte der Systemstabilität

27.04.2018. Der Standard gerät beim Donaufestival ins Grübeln. Wie kann man heute noch modern sein, wenn Aufbrüche quasi seriell geworden sind. Dezeen und der Observer porträtieren Eyal Weizmans Forschungsgruppe "Forensic Architecture", die für den Turner Preis vorgeschlagen wurde. Die taz schwärmt für Janelle Monáe. Die nachtkritik hat ein Ohr für die chronisch unterfinanzierte Off-Theaterszene. Der Tagesspiegel freut sich über die Entdeckung einer neuen Schriftstellergeneration Nigerias beim African Book Festival in Berlin.

Die skandalöse Realität der aktuellen Popkultur

26.04.2018. In der Zeit erklärt Thea Dorn, warum Kulturpatriotismus links ist. Bilder einer zerbrochenen Männlichkeit findet die Berliner Zeitung in Lynne Ramsays Film über einen traumatisierten Auftragskiller, "A Beautiful Day". Die NZZ studiert den Einfluss afrikanischer Kunst auf die europäische Avantgarde am Beispiel Karl Schmidt-Rotluffs. Die Musikkritiker sind zufrieden, dass der Echo abgeschafft wird. Das Zeit Magazin unterhält sich mit dem Klaus Kinski des Designs, Luigi Colani.

Der Kuss ist eben der Kuss

25.04.2018. Der Guardian erlebt, wie Rodin im British Museum von griechischen Göttinnen deklassiert wird. Die SZ geißelt anlässlich der Hamburger Ausstellung "Mobile Welten" Kuratoren-Klimbim und schamanistisches Kulturerspüren. Außerdem diskutiert sie den Feminismus im Pop. Die NZZ stellt auf der Mailänder Möbelmesse fest, dass Luxus einfach nicht nachhaltig sein kann. Der Freitag erinnert an Versuche in der alten Bundesrepublik, einen literarischen Schutzwall gegen Anna Seghers zu errichten. 

Plötzlich liegt da ein Brocken Käse

24.04.2018. Der Standard erlebt im Kunsthaus Bregenz, wie Mika Rottenberg Männer gebären lässt, allerdings keine Kinder. Die taz entdeckt im Berliner Gropiusbau die Videos der kubanischen Künstlerin Ana Mendieta. Die NZZ sieht in der Zürcher Greencity die Architektur in die Knie gezwungen. Die SZ huldigt dem Krächzevogel. Die Berliner Zeitung warnt davor, die Zukunft der Volksbühne einem Verwaltungsfunktionär zu überlassen.

Bebender, sehnender Gesamtzweifel

23.04.2018. Die taz erlebt beim Theaterfestival Radical in München, wie Schauspieler, Regisseure und Performer die Rollen wechseln. Außerdem lernt sie den neuen Pragmatismus der Dokumentarfilm-Kollektive kennen. Dass der Eklat bei der Tabori-Inszenierung in Konstanz ausblieb, lässt die SZ aufatmen.  Der Hip-Hopper Ben Salomo kündigt in der FAS an, den Battle-Rap zu verlassen, der so antisemitisch sei wie Rechtsrock.

Es scheppert, witzelt und knallt an allen Ecken

21.04.2018. In der FAZ lässt Helmut Krausser weder am deutschen Literaturkanon noch an der Gegenwartsliteratur ein gutes Haar: Belanglos und gaga. In der Welt geißelt Rainer Moritz die Literaturverlage, die das Lesen als Vanille-Eis für die Seele anpreisen. Die SZ schlendert geschockt über die Mailänder Möbelmesse: überall Farben, Konfetti, Lebensfreude! Die Musikkritiker streiten über Antisemitismus und Homophobie im Rap und im Dancehall.

Genug Worte gesammelt

20.04.2018. Im Freitext erzählt die in Petersburg geborene Schriftstellerin Lena Gorelik, wie sie sich das Deutsche eroberte. Im Dlf Kultur wirbt Jörg Buttgereit für die Unterstützung des Videodroms, einer der schönsten, besten und engagiertesten Videotheken hierzulande. Die Plattenfirma BMG will jetzt doch nicht mehr mit ihren Goldeseln Kollegah und Farid Bang weiterarbeiten. Pffft, denkt dazu Jens Balzer in der Zeit. Die NZZ feiert das dunkle Stimm-Metall des Countertenors Max Emanuel Cencic.

Was für ein Licht!

19.04.2018. Zum Echo äußert sich jetzt auch das Label der Rapper, Bertelsmanns BMG: Was wollt ihr denn? Läuft doch! Die nachtkritik fragt, warum sich alle über Dercon streiten, wo das Land doch nach rechts driftet. Schafft die Schwedische Akademie ab, ruft die NZZ. Die Filmkritiker liegen Greta Gerwigs "Lady Bird" zu Füßen. Die SZ  feiert eine Bremer Ausstellung niederländischer Malerei aus der Sammlung Schünemann. In der Zeit erklärt Ingrid Mössinger, wie man erfolgreich ein Museum leitet: Man muss sein Publikum kennen.

Antike würde ich machen

18.04.2018. In der Berliner Zeitung erinnert Volksbühnen-Interimschef Klaus Doerr daran, dass außer Chris Dercon keiner die Castorf-Nachfolge hatte antreten wollen. Regisseur Ersan Montag hat sich jetzt gemeldet: Volksbühne wär ok für ihn, oder sonst die Schaubühne? Die Welt betrachtet Claude Monets "effets". Und der Zivilcourage-Tsunami schwillt an mit weiteren Echo-Rückgaben und Protest-Notizen.

Man sieht Fleisch, Fleisch, Fleisch

17.04.2018. In der NZZ erklärt die Schriftstellerin Rachel Cusk das Baumaterial ihrer Romane. Die Welt schwelgt in den Körpern von Delacroix. Pop-Veteran Klaus Voormann erklärt, warum er seinen Echo zurückgegeben hat. Zu spät, findet der Tagesspiegel. Und auch die Dercon-Debatte schwelt weiter: Klaus Lederer weist alle Schuld von sich, critic.de staunt über die Selbstgerechtigkeit der Berliner Kulturszene. Der war Dercon wohl nicht männlich genug, spottet Zeit online.

Was Neues, mit Tradition

16.04.2018. Der Standard staunt über den Jazz von Andrea Breths Eugene-O'Neill-Inszenierung "Eines langen Tages Reise in die Nacht" an der Burg. Die Berliner Kritiker streiten noch ein bisschen über die Volksbühne. Wie man Prozesse neu denken kann, lernt die taz in Paris von dem japanischen Architekten Junya Ishigami. Die Welt verteidigt die viel kritisierten Deutschrapper Kollegah und Farid Bang: Ist doch alles nicht so gemeint mit dem Antisemitismus und der Misogynie. Die Rechten können jetzt auch Ironie im Design, erkennt der Standard. Die Filmkritiker trauern um Milos Forman.

Verharren im Provinziellen

14.04.2018. Volksbühnenintendant Chris Dercon ist weg. Die Kritiker sind trotzdem nicht froh. Dercons Demontage war so hässlich, dass jetzt keiner verantwortlich sein will: Kultursenator Klaus Lederer nicht, OB Michael Müller nicht, die teils unglaublich gehässigen Kritiker nicht und die Castorf-Verehrer an der Volksbühne, die Dercon Kot an die Tür schmierten, natürlich auch nicht. Bleibt die Frage, wer will jetzt noch nach Berlin? Auch in Schweden ist keine Lösung im Streit um die Akademie in Sicht. Jetzt sollen wir uns auch noch an Antisemitismus gewöhnen, stöhnt die FAZ nach der Verleihung des Echo an die Rapper Kollegah und Farid Bang. Und der Hollywoodreporter bringt noch eine traurige Meldung: Milos Forman ist gestorben.

Zynismus auf höchster Stufe

13.04.2018. Nachtrag: Der RBB meldet: Volksbühnen-Intendant Chris Dercon tritt zurück. Der Freitag steigt nach dem Echo-Preis ausgerechnet für Kollegah und Farid Bang in den antisemitischen Morast des Gangsta-Rap. Die NZZ stellt sich der intellektuellen Herausforderung einer Ausstellung über Musik und Kunst im Museum Tinguely. Der Standard erklärt den Hegemoniekampf in der Filmbranche, der gerade in Cannes ausgetragen wird. Und das Nobelkomitee könnte nach den jüngsten Rücktritten international werden, schlägt die NZZ vor.

Nie stolpern. Nie niesen

12.04.2018. In der New York Review of Books schreibt Ian Buruma über das Werk des japanischen Fotografen Daidō Moriyama. Die Filmkritiker feiern John Krasinskis "A Quiet Place" als Horrorfilm der Stunde. In der Berliner Zeitung erklärt Monika Maron, warum sie nicht rechts ist, aber trotzdem über Positionen Gaulands reden möchte. Die taz möchte weniger über den Antisemitismus der Deutschrap-Szene reden und mehr über den der Deutschen allgemein.

Aufstäubende Moskitos

11.04.2018. Die taz bewundert im Rijksmuseum Porträts der Reichen und Schönen. Der Tagesspiegel besucht das Pariser "Google Arts and Culture Lab". In der NZZ erklärt der Autor Marcelo Figueras, warum sich junge argentinische Autoren heute eher an Rodolfo Walsh orientieren als an Jorge Luis Borges. Erst Kollegah und Farid Bang, jetzt Bounty Killer - die Musikkritiker schauen plötzlich genauer auf die Texte der Rapper.

Der Mann mit dem Stein am Berg

10.04.2018. FR und taz stellen sich einige sehr grundsätzliche Fragen zur Kunst: die FR anlässlich der Pariser Ausstellung von Anselm Kiefer und Jean Fautrier, die taz anlässlich einer Florentiner Ausstellung über die italienische Kunst 1950 bis 1968. Die NZZ lernt im Theater Konstanz von Christoph Nix und Katrin Hentschel, wie man eine biblische Erzählung in ein feministisches Manifest verwandelt. Antisemitismus, Sexismus und Homofeindlichkeit im HipHop? Nein danke, meint der Tagesspiegel.

Mentale Käfighaltung

09.04.2018. Die DNA des 21. Jahrhunderts ist nicht mehr westlich - und Blasphemie ist illegal, lernt die FAZ bei der Frühlingsausstellung der Sharjah Art Foundation. Derweil feiern Berliner Zeitung und Tagesspiegel den biblisch-pornografischen Auftakt des FIND-Festivals an der Schaubühne. Wo bleibt die Debatte über Sexismus und Antisemitismus im Deutsch-Rap, fragt der Deutschlandfunk verärgert. Alles nur Intrigen und Neid, winkt James Levine in der FAZ die Missbrauchs-Vorwürfe gegen ihn ab. In Indonesien soll die Dichterin Sukmawati Soekarnopurti, die bereits 2006 in einem Gedicht die Scharia ablehnte, Selbstkritik üben, meldet die FAZ.

Abstufungen von Breitbeinigkeit

07.04.2018. Das Theater ist nach wie vor männlich, weiß, privilegiert, klagt die Autorin Darja Stocker auf Zeit Online. Währenddessen feierte Tilmann Köhlers Christa-Wolf-Stück "Medea. Stimmen" am Deutschen Theater Premiere: Feministisches Fingerspitzengefühl, lobt die nachtkritik, wenig subtil, meint der Tagesspiegel. Die taz freut sich über winzige blasphemische Schritte auf der Kunst-Biennale in Pakistan. Die SZ konstatiert ein Antisemitismus-Problem im Deutschen Rap. Und alle trauern um den japanischen Anime-Filmer Isao Takahata und den Jazzmusiker Cecil Taylor.

Ein Anarchist zwischen den Klängen

06.04.2018. Die taz würdigt das Proletarische im Werk des Musik-Dadaisten und Can-Musikers Holger Czukay. Auch Ryan Cooglers schwarzer Superheldenfilm "Black Panther" muss sich jetzt für kulturelle Aneignung rechtfertigen, berichtet die SZ. Im Logbuch Suhrkamp erzählt der Dramatiker Martin Heckmanns von seiner ersten Begegnung mit seiner künftigen Übersetzerin Shino Nagata. Die NZZ staunt über die Aktualität von Donizettis "Don Pasquale".

Franz Rogowski ist die neue Nina Hoss

05.04.2018. Die Filmkritiker würdigen Christian Petzolds "Transit". In der Zeit wünscht sich Christian Duda etwas weniger rosafarbene Jugendliteratur. Die zweite Vorstellung ist immer die gefährdetste, erklärt die Sopranistin Diana Damrau im Tages-Anzeiger. Die Welt hat nicht viel Sympathie für die Art, wie The Who auf die Ermordung Martin Luther Kings reagierten.

Von wem, für wen und wozu

04.04.2018. Der Standard erlebt im Wiener KHM, wie das warme Licht Rembrandts bei Rothko nachhallt. Die SZ lernt im Palazzo Reale in Mailand, wie das Spiel mit scheinbaren Identitäten in den siebziger Jahren italienische Mode wurde. Die NZZ kommt in der Entschlüsselung des Voynich-Manuskripts einen kleinen Schritt voran. Von Eslam El Sha'ary lässt sie sich mit Tars und Rubabs den Körper massieren. Die Zeit stürzt sich in Salzburgs entschlossen tranige HipHop-Szene.

Kein Recht zu verzagen

03.04.2018. In der Berliner Zeitung sperrt sich Regisseur Christian Petzold gegen die Musealisierung der Vergangenheit. Außerdem bewundert die Zeitung, wie Carsten Nicolai auf immateriellen Lichtstrahlen die Fantasie tanzen lässt. Die taz lernt im Gastspiel von Kirill Serebrennikovs Gogol Theater, wie man den Zwängen der Verhältnisse über unvernünftige Schräglagen entkommt. Die Architektinnen Yvonne Farrell und Shelley McNamara fordern in der SZ schönere Mauern. Die Jungle World fragt sich noch immer, ob Pop tot ist.