Efeu - Die Kulturrundschau

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Januar 2018

Was einst Kraft hatte

31.01.2018. Der Tagesspiegel blickt beim Kunstfestival Transmediale in das Gesicht Chelsea Mannings und begreift, wie viel Interpretationsspielraum genetisches Material lässt. Die taz lernt beim parallel laufenden Musikfestival Club Transmediale von Jlin, das Selbst in jeder Sekunde zu wechseln. Die Berliner Zeitung betrachtet die neue Fassadenkunst der Volksbühne. SZ und FAZ blicken auf Daniel Day-Lewis, der im Liebes-Drama "Der seidene Faden" nahtlos in seiner Rolle als Damenschneider aufgeht.

Mehr künstlerische Freiheit

30.01.2018. Die NYRB lernt vom Fotografen Stephen Shore die Momente zu schätzen, die überhaupt nicht festhaltenswert sind. Dezeen stellt die interessantesten Architektinnen des vorigen Jahres vor. Die NZZ lernt in Angoulême, wie Mangas dem europäischen Comic neues Leben einhauchten.   Und in der FAZ erzählt Michael Haneke, warum er jetzt eine Serie dreht.

Der prekäre Status der Moral

29.01.2018. Der Standard verteidigt mit dem österreichischen Künstler Oliver Ressler das gallische Dorf der Flughafengegner von Nantes. Als hysterisches Großmachtgehabe brandmarkt Viktor Jerofejew in der FAZ das Verbot der Komödie "Der Tod Stalins" in Russland.   #HeToo?, fragt die taz nach einer arte-Sendung,  in der Oskar Roehler mit rechten Positionen kokettiert. Etwas mehr Theorie wünscht sich ZeitOnline von den Rich Kids of Literature. Und die SZ erlebt in Simon Stones "Hotel Strindberg" in Wien das große Hauen, Vögeln und Stechen.

Beglückend, im Ungefähren

27.01.2018. Das neue Tocotronic-Album hält die Kritiker auch heute noch in Atem: Berauscht hören sie, zu welchem Moment der Popgeschichte sich Dirk von Lotzow die Pickel ausdrückte. In der SZ erklärt der niederländische Architekt Rem Koolhaas, weshalb er in anderen Ländern erst schwimmen geht, bevor er baut. Im taz-Interview spricht Fernando Aramburu über seinen Roman "Patria", der sich mit dem Bürgerkrieg im Baskenland beschäftigt. Die Kritiker sind sich uneins: Ist RP Kahls "A Thought of Ecstasy" ein meisterhafter deutscher Film oder ein gescheiterter postfeministischer Fiebertraum?

Wandel zur Schlichtheit

26.01.2018. Der Streit über die Berlinale nach Kosslick flammt vielleicht wieder auf, wenn jetzt in der SZ der ehemalige Festivalchef von Cannes, Gilles Jacob, den Berlinern erklärt, wie man ein gutes Filmfestival führt. In der FAZ kritisiert Monika Grütters die geplante Entfernung des Gomringer-Gedichts. Berlins Kultursenator Lederer sekundiert ihr, findet aber, da kann man nichts machen. Zeit online begutachtet die postromantische Phase von Tocotronic. Die NZZ spaziert durch die dynamisierten Farbräume James Rosenquists.

Interstellares Inseldenken

25.01.2018. Die taz träumt mit Hong Sang-Soos "On the Beach at Night Alone".  Eugen Gomringers Gedicht "avenidas"  an der Fassade der Alice-Salomon-Hochschule fällt nun endgültig den Schneeflocken zum Opfer: Wo bleiben die elementarsten Kenntnisse der Lyrikinterpretation, ruft verzweifelt der Freitag. Die taz freut sich auf auf zwei Wochen experimentelle Clubmusik beim Berliner Festival CTM. In der FR erklärt Ute Bansemir, Leiterin der Theaterperipherie in Frankfurt, warum Theater heute so viele Menschen nicht mehr erreicht. Die Literaturkritiker trauern um Ursula LeGuin.

Eine Art Litfasssäule für Poesie

24.01.2018. Der Guardian trifft Nan Goldin, die dank der kultivierten Familie Sackler wieder heroinabhängig wurde. Die FR jubelt über Manfred Trojahns virtuos-verrückte Musikkomödie "Enrico" an der Oper Frankfurt. Die SZ staunt, wie die Alice-Salomon-Hochschule Eugen Gomringers angefeindetes Gedicht "Avenidas" in Routine verschwinden lassen will. Die NZZ erlebt in Dubai die neue Architektur der heißen Luft. Die FAZ erinnert daran, wie in München mit dem Denkmalschutz kurzer Prozess gemacht wird.  Und alle trauern um Südafrikas Jazz-Legende Hugh Masekela.

Die erste Popkultur ohne Pop

23.01.2018. In der NZZ fragt der BE-Intendant Oliver Reese: Wo sind eigentlich die Figuren mit Charisma in der modernen Dramatik? Der Guardian erlebt sein monarchistisches Wunder beim Blick auf die ungeahnten Kunstschätze der Queen. Die Welt feiert die schiere Malerei des Georg Baselitz. Die taz erlebt in Rotterdam, wie aus dem berüchtigtsten Hafenviertel Katendrecht ein lebendiges Viertel jenseits aller Gentrifizierung. Zeit Online erkundet die Musikszene der Neuen Rechten. Und Clemens Setz erkennt beim Computerspiel "Getting Over It" die hypnotische Qualität frustrierender Erfahrung.

Das Ding heißt Fahne

22.01.2018. Gott ist Licht und Licht ist Kino, lernt die taz im "1. Evangelium" von Kay Voges, frei nach Matthäus, Pasolini und Castorf. Die Welt bemerkt, dass die amerikanische Kunst ihre imperiale Lächelmaske ablegt. Die SZ lernt im Architekturmuseum Wien, warum es im Ersten Bezirk keine Bäckereien mehr gibt. Die Berliner Zeitung wirft einen Blick auf rassistische Blödeleien am Filmset. In der NZZ blickt Don DeLillo auf Donald Trump und in eine extrem gewaltvolle Zukunft. Und allenthalben herrscht Trauer um Paul Bocuse, den "Picasso der Kochkunst".

Die Erfindung des Senfs

20.01.2018. Georg Baselitz schafft es in der Welt mit seinen achtzig Jahren noch einmal, das Physische und Psychische in Einklang zu bringen. Die NZZ hört ein radikal entrümpeltes Requiem von Verdi. Die neue musikzeitung staunt beim ersten Konzert des fusionierten SWR Symphonieorchesters mit dem Dirigenten Teodor Currentzis über einen höchst emanzipierten Bruckner. In der FAZ berichtet die niederländisch-jüdische Schriftstellerin Ariëlla Kornmehl von Lesungen in Ostdeutschland vor ehemaligen SS-Mitgliedern. Die nachtkritik amüsiert sich prächtig in der Zürcher Theateradaption von  Robert Menasses EU-Roman "Die Hauptstadt".

Größenwahn der Schöpfung

19.01.2018. Der Tagesspiegel wirft mit Alexander Paynes neuem Film "Downsizing" einen Blick ins Herz der dystopischen Gegenwart. Die SZ lässt sich von Andrea Breth mit Hilfe von Rihm und Dallapiccola die Liebe im Käfig zeigen. Wenn die Realität surrealer wird als die Imagination, haben Schriftsteller ein Problem, bekennt Salman Rushdie in der NZZ. Die Spex lässt noch einmal die verstorbene Modedesignerin Christa de Carouge zu Wort kommen.

Sozialismus stinkt bekannt

18.01.2018. Die taz versucht unter die Oberfläche von François Ozons Film "Der andere Liebhaber" zu blicken. Sasha Marianna Salzmann erzählt im Logbuch Suhrkamp von ihrer Havanna-Reise. Zeit online ärgert sich über die deutsche Missachtung für Pussy Riot. In der FR fordert Bariton Holger Falk von den "schönen Stimmen": Singt mehr neue Musik! Die SZ bewundert die neue gediegene Gemütlichkeit auf der Kölner Möbelmesse.

Den Ausnahmezustand als normal empfinden

17.01.2018. Die NZZ stellt die Architektur-Avantgarde aus Bangladesch vor. Die taz freut sich über den Clash der Kulturen im Bode-Museum, wo demutsvolle Weiblichkeit und scharfe Androgynität aufeinandertreffen. Ebenfalls in der taz erinnert Howard Jacobson daran, dass Bücher durchaus ihren Zweck erfüllt haben, wenn sie an die Wand geworfen werden. Und epdFilm porträtiert den Schauspieler Gary Oldman, der gerade als Churchill die alte britische Größe evozieren soll.

Mit einer nach oben offenen Förderhöhe

16.01.2018. Im Standard erzählt Peter Turrini von der Sehnsucht nach einem anderen Leben. Die FAZ geht mit Madame d'Ora in die Schlachthöfe von Paris und huldigt mit Richard Strauss der apolitischen Konversation. Die SZ freut sich über die neu geweckte Lust an afrikanischer Kunst. Und die NZZ empfiehlt gegen unrealistische Sicherheitserwartungen die Filme John Carpenters.

Eine Menage-à-plusieurs - welche Utopie

15.01.2018. In der Schweiz werden die guten Wohnlagen mit Seeblick knapp, die NZZ lernt von Herzog & de Meuron, wie man vornehm verdichtet. Alles kann, nichts muss, lernt die SZ beim Puppenliebesspiel mit Marivaux im Münchner Cuvilliétheater. Die Welt stößt zum tragischen Kern der amerikanischen Comedy vor. Der Tagesspiegel trifft Maria Alechina. Und der Standard freut sich, dass in Österreich wieder Vinyl gepresst wird - mit italienischem Granulat.

Die blaue Grotte der Gegenwart

13.01.2018. Die FAZ entdeckt die Romantik der Zukunft in den menschenleeren Landschaften von Serverfarmen. Deutschlandfunk Kultur weiß, warum Instagram Früchte zensiert. Immerhin Stuttgart ist reif für Patrick Angus' nackte Jungs, freut sich die SZ. Die Literarische Welt ärgert sich über den Wald- und Wiesenboom in der Literatur. Begeistert besprechen die Kritiker den Essayfilm "Aus einem Jahr der Nichtereignisse".

Die raue Klangsignatur von Northern Soul

12.01.2018. Die Berliner Zeitung bestaunt den neuen Eingangsbau zur Museumsinsel - nur den Rollator und Kinder sollte man zu Hause lassen. Die SZ bewundert die moderne Architektur in Bangladesch. Die taz schwingt die Hüften zu Habibi-Funk. Der Standard stellt die neue Leiterin der Viennale vor: Eva Sangiorgi. In der nachtkritik erteilt der Theaterwissenschaftler Peter W. Marx der AfD Nachhilfeunterricht in Sachen Theatergeschichte.

Die einsame, dunkle Linie

11.01.2018. In der Zeit kritisiert Nan Goldin die Museen, die sich von der Pharmafamilie Sackler haben sponsern lassen: Sie hätten Blutgeld von Drogendealern angenommen. Im Freitext-Blog macht Rainer Merkel einen Spaziergang auf der Straße der Verschwörungstheoretiker in Beirut. Die NZZ porträtiert eins der großen Liebespaare der Literaturgeschichte: Albert Camus und Maria Casarès. Die taz porträtiert einen Meister der radikalen Geste: den Filmkomponisten Tony Conrad.

Meuterei ist Untergang

10.01.2018. In der NZZ erklärt Corinna Harfouch das Theater zu einem System der Ausbeutung, von dem selbst Neoliberalisten noch lernen könnten. Ebenda fragt Abraham B. Jehoschua, warum die Literaturkritik eigentlich die Moral als Kategorie aufgegeben hat. Die SZ schüttelt den Kopf über einen Kunstbetrieb, der eine Künstlerin wie Carmen Herrera erst jetzt entdeckt: Sie ist 102 Jahre. FAZ und ZeitOnline bewundern die Sensibilität und surreale Kraft in Makoto Shinkais Animationsfilm "Your Name".

Hol dir, was dir zusteht

09.01.2018. Das New Yorker Metropolitan Museum gibt seine Politik auf, nach der jeder so viel Eintritt zahlt, wie er kann. New Yorker und Guardian sind  entsetzt über diese unsoziale Entscheidung. Der Standard feiert die dunkle Energie, die Lisa Hinterreithner mit ihren Choreografien im Wuk ans Tageslicht holt. Die taz staunt, wie beherzt die Beiruter Theatertruppe Zoukak über syrische Flüchtlinge spottet. Die FAZ sorgt sich um das Erbe multimedialer Kunst. Und in der SZ ruft die Schriftstellerin Petra Piuk sehr österreichisch: Ein Heimatroman darf nicht schön sein.

Üppig wie Korallenbänke

08.01.2018. Die FAZ ist ganz und gar hingerissen von der Grazie und Schönheit, mit der Ewelina Marciniak am Freiburger Theater die Herrschaft der Väter zerlegt. Das Zeitmagazin ist etwas irrtiert über die exquisite Erotik, mit der Hollywoods Frauen bei der Golden-Globe-Verleihung gegen den Sexismus protestierten. Die taz erlebt im Migros Museum, was für eine unglückliche Figur marginalisierte Körper tatsächlich abgeben. Und France Gall ruft ein letztes Mal: Résiste!

Make art great again

06.01.2018. Die taz lässt sich den hinreißenden Siebzigersound Manfred Krugs durchs Ohr perlen. In der FAZ feiert Felicitas Hoppe das Glück, übersetzt zu werden. Der Freitag besucht das Kölner Label Bildstörung, das außergewöhnliche, sperrige alte Filme dem Vergessen entreißt. FR und Tagesspiegel würdigen einen Meister der Nachkriegsmoderne: Willi Baumeister. Die WOZ fragt sich beim Streit um die Volksbühne: Was ist hier links, was neoliberal?

Tausende von Einzelheiten

05.01.2018. Weltkunst besucht das riesige Ausstellungsfestival "Pacific Standard Time: LA/LA", das den Einfluss lateinamerikanischer Kunst auf die kalifornische Kultur erforscht. In der Oper werden jetzt auch die Partituren dekonstruiert, meldet, beglückt vom Ergebnis, die nachtkritik. Regisseurin Susanne Kennedy beschert uns im Deutschlandfunk Wahrnehmungsstörungen. Die Feuilletons trauern um den israelischen Schriftsteller Aharon Appelfeld.

Das Böse funkelt zu verführerisch

04.01.2018. Leider haben viele Perlentaucher-Leser und -Leserinnen zur Zeit wegen unseres abgelaufenen SSL-Zertifikats Probleme. Wir arbeiten dran!

Im Zeit Magazin beschuldigen mehrere Schauspielerinnen den Filmregisseur Dieter Wedel sexueller Übergriffe. Die Berliner Zeitung träumt sich mit dem Fotografen Willy Römer ins Berlin der Weimarer Republik. Die nachtkritik trauert dem Großkritiker hinterher - ein bisschen wenigstens. Noch nie war Bauen so teuer, seufzt die SZ und hofft auf die neuen 3-D-Drucker.

Alles ist sagbar

03.01.2018. Auf ZeitOnline ruft die Kunsthistorikerin Julia Pelta Feldman den Verteidigern von Balthus und Dana Schutz zu: Ihr sagt Kunstfreiheit und Ihr meint den Status Quo weißer Maler. Die taz erinnert an die magische Schlichtheit der Lyrikerin Rose Ausländer. epd Medien fragt, warum es eigentlich keinen digitalen Archivkanal gibt. Die FAZ besichtigt hektarweise verglaste Parkett-Flächen der neuen Luxus-Wohnhochhäuser. Und der Standard erlebte in Wien einen Beethoven auf Speed.

Dramatisch gut durchpulst

02.01.2018. Die Welt rechnet mit Céline ab: Sein ungeniertes Vomlederziehen sei nie modern gewesen, sondern schon immer regressiv. In der FAZ erklärt der Pianist Piotr Anderszewski, dass Mozart nicht nur Musik geschaffen hat, sondern Lebewesen. Die SZ porträtiert die Architektin Christine Nickl-Weller, die keine Kranken-, sondern Gesundheitshäuser bauen möchte. Und Slate.fr isst ein letztes Safran-Risotto mit Goldblatt.