Efeu - Die Kulturrundschau

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

November 2018

Ins metaphysische Fatum verliebt

30.11.2018. Unerhörte Perspektiven findet der Tagesspiegel in einer großen Kölner Ausstellung amerikanischer Kunst aus 300 Jahren. Die SZ begeistert sich für die Vertikal-Wälder eines Münchner Blumengroßhändlers, der das neue Kairo begrünen will. Im Standard kokettiert Lars von Trier mit der Popularität seiner Filme. Die Zeit erklärt einem FAZ-Kritiker, wie man Martins Walsers Gedichte richtig liest. Die taz hört das neue Album des Rappers Anderson Paak.

Mr. Raffinesse

29.11.2018. Die Filmkritiker entwickeln steile Thesen, um Lars von Triers Künstler-Killer-Film "The House that Jack Built" verreißen und gleichzeitig gut finden zu können. Die SZ spaziert begeistert durch eine Psychiatrieruine im belgischen Melle und lernt: So geht neue Architektur. Die nachtkritik erkundet, was in Ostdeutschland aus der Theater-Initiative #RefugeesWelcome wurde. In der FAS versichert Jean-Michel Jarre: Computer sind nicht seelenlos, die können Musik.

Männermonstermythologie

28.11.2018. SZ und FAZ sezieren Lars von Triers neuen Film "The House that Jack Built", der einen Serienmörder als Künstler darstellt. In der NZZ erzählt Mircea Cartarescu, wie Thomas Manns Romane zur Wirbelsäule seines Lebens wurden. Das Zeitmagazin huldigt den theatralischen Visionen des Modeschöpfers Alexander McQueen. Der Standard blickt auf Asmaras futuristische Vergangenheit. Und die taz bewundert in der JVA Plötzensee Hamlet als Checker.

Mutmaßlich Tausende von Nuancen

27.11.2018. Jetzt ist auch noch Bernardo Bertolucci gestorben! Die Feuilletons würdigen den italienischen Filmemacher, der dem Kino "gewaltiges und gewalttätiges revolutionäres Pathos" einschrieb. Die FAZ erinnert auch an seine Tiefpunkte. Die SZ besucht zudem die große Fotoschule von Bamako. Und mit erkennbarem Genuss verreißen taz und Welt  Rameaus "Hippolyte et Aricie" an der Berliner Staatsoper. Und die FAZ gratuliert Isa Genzken zum Achtzigsten. Aber die SZ zum Siebzigsten. Und sie hat recht!

Die erkaltete Lava der bizarren Gefühlsformen

26.11.2018. Die Feuilletons trauern um den britischen Filmemacher Nicolas Roeg, in der FAZ schreibt Dominik Graf den Nachruf auf den "Cutter unserer Gehirnströme". Der Standard erkundet mit  Lois Weinberger die Natur der poetischen Möglichkeiten. Ebenfalls im Standard pocht A.L. Kennedy auf die existenzielle Macht der Sprache. Die SZ erlebt in München die Goldene Hochzeit von Otello und Desdemona. Und in der FR fürchtet Shermin Langhoff, dass die Politik dem Theater die Emotionen stiehlt.

Infusionstierchen oder Aufgusstierchen

24.11.2018. Für Schauspielerinnen hat sich in Hollywood nach #MeToo nicht viel geändert, klagt die SZ. Wenigstens der Einfluss von Denise Scott Brown in der Architektur wird nun erkannt, freut sich ebenfalls die SZ. taz und FAZ blicken im Berliner Fotografie-Museum in entschlossene Alltagsgesichter während der Revolution 1918. Die Welt staunt, wie Wolfgang Tillmans Benjamin Britten ganz neue Dimensionen abgewinnt. Von den Problemen, Darwin zeitgemäß zu übersetzen, erzählt Eike Schönfeld der Literarischen Welt.

Es geht ja ums Erschrecken und Aufrütteln

23.11.2018. Die Filmkritiker feiern Herbert Achternbuschs Achtzigsten mit Liebeserklärungen an den großen Grübler, Spinner, Biertrinker, Provokateur und Poeten. Die SZ bewegt sich zum Parliament-Groove George Clintons. Die taz hört dreckigen Funk von Waajeed. Im Interview mit Tell erklärt der Linguist Hossam Abouzahr, warum das Hocharabische bei arabischen Muttersprachlern keinen allzu guten Ruf genießt. Die SZ fragt sich mit Victor Papanek: Wann ist Design gut, wann böse?

Götterfünkchen

22.11.2018. Die FR feiert ein schmerzhaftes Kino der Dissonanzen mit Philip Grönings "Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot". Die NZZ amüsiert sich bei den Tagen für Neue Musik mit Cornelius Cardews Komposition "The Great Learning". Der Tagesspiegel besucht die Literaturszene in Riga. In der nachtkritik ruft Dramaturg Christian Tschirner: Solidarität statt Privilegien. Theatertreffen raus aus Berlin!

Ganz easy messerscharf seziert

21.11.2018. Die SZ lernt im ARos Museum Aarhus, geduldig Julians Schnabels freundschaftliche Kunst zu betrachten. Die NZZ begegnet in der Frankfurter Schirn der inneren Wildnis. Standard und Berliner Zeitung feiern Pawel Pawlikowskis palmengekrönten Schwarzweiß-Film "Cold War", der vom Verlust künstlerischer Integrität erzählt. In der taz erinnert Vladimir Kulić  an die architektonische Utopie Jugoslawiens. Außerdem singt sie eine Hymne auf linke Liedermacher.

Er haucht und schreit

20.11.2018. Zu Beginn der Vienna Art Week blickt der Standard auf den Kunstbetrieb, der zum Rattenrennen um die Aufmerksamkeit von Publikum, Museen, Sammlern und Kuratoren ausartet. Der Tagesspiegel will wieder über DDR-Kunst reden. Die FR blickt auf Abbas Kiarostamis antikontemplative Naturgedichte. Die SZ erlebt mit Karlheinz Stockhausens Schöpfungsoper "Donnerstag" in Paris den Dreiklang Raum, Klang und Licht. Und die Zeit lauscht verzückt John Grants Universalbeschimpungen.

Vereinigung von Fassbierliebhabern

19.11.2018. Die SZ erkennt vor Piero della Francescas Fresko "Auferstehung": Die Zentralperspektive hat die Kunst nicht zurecht, sondern ins Diesseits gerückt. Die taz erkundet mit Antje Majewski und Issa Samb die Wissensarchive der Fische und Elefanten. Die NZZ hört Igor Levitt Musik über Musik spielen. Die Jungle World erinnert an die frühe Intervention der Kinks gegen die entgrenzte Selbstverwirklichung. Der Freitag fürchtet die Rache des Patriarchats in Hollywood.

Vom Sichschütteln der Schellen am Tamburin

17.11.2018. Ganz große Kunst, Klangneuland gar, erlebten die Musikkritiker in der Uraufführung von György Kurtágs Oper "Fin de partie" nach Samuel Beckett. Die taz vertieft sich in die Soundskulpturen von Viola Klein. Die SZ liest Instapoetry. KI kann keine Kunst, ruft die NZZ. Die Italiener haben sich noch nie gern an den Faschismus erinnert, meint in der taz der Schriftsteller Boris Pahor. Und: Die "Lindenstraße" wird eingestellt, aber erst 2020. Erste Nachrufe in FAZ und Zeit.

Alles Gesprochene bleibt diskret

16.11.2018. Die Filmkritiker sehen mit Luca Guadagninos "Suspiria" verfeinerten Horror. Der Schriftsteller Norbert Hummelt schwebt in der NZZ noch einmal die Treppe der Villa La Collina hinunter. Die FAZ hört noch einmal, wie Aretha Franklin einen Ton hält. Die NZZ begutachtet in einer Pariser Ausstellung, wie die Nadars in ihren Fotoporträts Charakter und Temperament großer Künstler bannten. Die Berliner Zeitung trauert um Rolf Hoppe.

Pausendurchwehte Sprachfähigkeit

15.11.2018. Die NZZ hört in der Generalprobe zu György Kurtags erster Oper unerhört dramatisch-dynamische Farbenpracht. In Hu Bos Film "An Elephant Sitting Still" spielt das Licht die Hauptrolle, staunt die taz. Der Western ist zurück, erkennt Zeit online, und betreibt Mythenlese. Die Feuilletons verneigen sich zum Siebzigsten vor dem Solitär Georg Ringsgwandl. Der Unternehmer Magnus Resch und der Dokumentarfilmer Nathaniel Kahn suchen die Qualität in der Kunst.

Eingesperrt zwischen Käse und Freiheit

14.11.2018. Das Lüders-Haus im Regierungsviertel sollte an die athenische Demokratie erinnern, aber es bleibt wohl eher ein Wahrzeichen Berliner Baukultur,  fürchtet die FAZ. Ähnliches sieht die taz  für das neue Bauhaus-Museum in Weimar, das keine Fassade aus Glas, sondern aus Beton bekommt. ZeitOnline hört bewegt, aber natürlich ganz unöffentlich "Female Voices of Iran". Und in der NZZ beobachtet Felicitas Hoppe das Schwanken der Literatur zwischen Welt und Feuilleton.

Um vor einer Jukebox zu sitzen

13.11.2018. Die NZZ erlebt auf griechischen Vasen des Exekias die existenzielle Einsamkeit des mythischen Helden. Die FAZ verfängt sich mit Sister Mary Bradley in Harlems süßem Leben. Die SZ verteidigt David Bowies "libertären" Umgang mit Teenagern und faschistoiden Symbolen . Dezeen blickt mit OMA in die Zukunft modularer Hochhäuser und sieht Fenster und Fertigbeton.

Rolle knallt gegen Leben

12.11.2018. Auf der Anti-Biennale in Athen wandelt die NZZ zwischen Cyborgs und Geisterwesen.  Der Tagesspiegel verabschiedet Werner Ružička, der 34 Jahre lang die Duisburger Filmwochen leitete. Im Standard erklärt der ungarische Autor Zoltán Danyi, wie er von Proust lernte, den Ersten Weltkrieg zu verstehen. Die Nachtkritik lauscht in Dresden der Meth-Poesie von Goethe und Eric Stehfest. Und die NZZ widmet sich dem Brennstoff der Literatur.

Zwischen den Zeiten

10.11.2018. In der FAZ kann sich Steven Uhly die Bolsonaro-Wahl in Brasilien nur mit mangelnder Solidarität innerhalb der Gesellschaft erklären. Überwältigt kommt die New York Times aus der großen Andy-Warhol-Retrospektive im Whitney Museum: Nur den Künstler-Unternehmer hätte sie auch gern gesehen. Auf ZeitOnline erzählt Ennio Morricone, wie Stanley Kubrick seine Zusammenarbeit mit Sergio Leone vereitelte. Und die taz erinnert an das einstige Zentrum für jüdische Modehändler am Berliner Hausvogteiplatz.

Größere Freude, bessere Kunst

09.11.2018. Annekathrin Kohout feiert in ihrem Blog den Female Gaze der Künstlerin Florine Stettheimer. Die taz sucht mit dem Fotografen Michael Ruetz nach Spuren des Frohsinns in den Gesichtern der Zuschauer bei der Pogromnacht 1938. Die SZ lernt von einem Film Barbara Millers, dass Religion da ist, alle #FemalePleasures zu töten. Nico Bleutge wandert für die NZZ auf den Spuren Guillaume Apollinaires durch Rom. Open Culture findet eine Datenbank für Papierflugzeuge.

Trügerisch dauergoldener Herbst

08.11.2018. Die Presse freut sich über Edmund de Waals Netsuke-Sammlung, die nach Wien kommt. In Lens Culture stellt der Fotograf Marwan Bassiouni sein neues Projekt "New Dutch Views" vor. Spon betrachtet in Ulrich Köhlers Film "In my Room" die Muskeln des letzten Menschen in Ostwestfalen-Lippe. Die Zeit schickt anlässlich des Prozesses gegen den russischen Regisseur Kirill Serebrennikow eine Reportage über die ungemütliche Lage der Künstler in Russland. Der Tagesspiegel hört Grönemeyer.

Objekte in Grünnuancen

07.11.2018. Die NZZ lässt sich von der Royal Academy in London zu einem ozeanischen Festschmaus einladen. Der Standard inspiziert mit Wes Anderson die Depots des Kunsthistorischen Museums in Wien. Der Tagesspiegel erlebt in Kirill Serebrennikows Film "Leto" den Clash von Kommunismus und Rockmusik.  Die taz bewundert die skulpturalen Formen der  Berliner Modedesignerin Isabel Vollrath. Und ZeitOnline bemerkt, dass Metalfestivals für ihr alterndes Publikum jetzt mehr auf Wellness setzen.

Grundiert durch eine tiefere Melancholie

06.11.2018. In Zürich wurde Mozarts "Così fan tutte" aufgeführt, nach den Vorgaben des in Moskau unter Hausarrest stehenden Regisseurs Kirill Serebrennikow. Die NZZ sieht darin den Beweis, dass sich Kunst nicht so leicht "unter die Knute von Willkürherrschern" zwingen lässt. Die SZ bejubelt eine der aufregendsten Così-Inszenierungen der letzten Jahre. Die Welt feiert die Fotografin und Humanistin Martine Franck, der die Fondation Henri Catrier-Bresson endlich eine Retrospektive widmet. Im Logbuch lässt sich Matthias Jügler fantastische Geheimdienstgeschichten aus Usbekistan erzählen.

Mit oder ohne Zwiebel

05.11.2018. Die Kritiker von FAZ bis taz jubeln über Johan Simons, der ihnen in Bochum, nicht in Berlin, München oder Wien gezeigt hat, wie  globales Stadttheater in unserer Zeit aussehen muss. Die SZ applaudiert den Berliner SchauspielstudentInnen, die den jetzt eröffneten Neubau der Ernst-Busch-Hochschule ermöglicht haben. Die taz lauschte beim Berliner Jazzfest dem Trompeter Ife Ogunjobi. Cargo ärgert sich über die Preise beim Leipziger Dokfilmfestival. Und die NZZ huldigt den Schweizer Künstlern am Bauhaus, Johannes Itten und Hannes Meyer.

Was haben die Leguane hier zu suchen?

03.11.2018. Art Space betrachtet Madelon Vriesendorps Vision des Empire State Building und des Chrysler Building, post coitus. Die taz träumt von einem goldenen orientalischen Krummdolch - entworfen von Gianfranco Ferré für Christian Dior. Lens Culture stellt den Fotografen Ronghui Chen vor. In der SZ erzählt der italienische Autor Edoardo Albinati wie man als Mann im  Italien der Siebziger aufwuchs. Der Freitag hört David Hollanders "Unusual Sounds".

Subtil ins Opernhafte

02.11.2018. Die FR feiert Nicolas Cages großartiges Comeback in Panos Cosmatos' Horrorfilm-Grandezza "Mandy". Die NZZ porträtiert die britische Künstlerin Sarah Lucas, die Sex wie keine andere heute inszenieren kann. Warum kam #metoo so spät, fragt der emeritierte Kunstprofessor Klaus vom Bruch auf Zeit online. In der taz knöpft sich Musiker Jens Friebe die Theorie-Alphatiere vor.

Ich muss Beethoven sein

01.11.2018. NZZ und Hyperallergic betrachten indische Kunst. Die FAZ vermisst die unabschließbare Reflexivität in der Netflix-Version von Orson Welles' Filmruine "The Other Side of the Wind". Die Welt stört die allzu gut gemeinte Oswalt-Kollehaftigkeit in Adina Pintilies Film "Touch Me Not". Die taz porträtiert den Komponisten und Kornettisten Rob Mazurek und sein Exploding Star Orchestra, die das Berliner Jazzfest eröffnen.