Efeu - Die Kulturrundschau

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Dezember 2014

Sehr transparent und federnd

31.12.2014. Die NZZ erinnert an Tage, als deutsche und russische Künstler die moderne Alltagskultur prägten. Und an Tage, als französische und deutsche Künstler über die Gotik stritten. Lateinamerikanische Autoren haben die Nase voll vom magischen Realismus und ergeben sich dem globalen Kult des Individualismus, stellt Zeit online fest. Die FAZ hört nur noch die Beatles in Mono. Und wir wünschen all unseren Lesern einen guten Rutsch und ein frohes neues Jahr!

Die DNA des globalisierten Subjekts

30.12.2014. Der Guardian stellt das südafrikanische Lyrikprojekt "Badilisha Poetry X-Change" vor, das weltweit größte Archiv mit Audioaufnahmen afrikanischer Dichter. Die SZ bewundert die tiefe Gefühlsstimmung in den Bildern Hans Memlings. Die taz feiert die transnationalen Popkünstlerinnen des Jahres 2014. Die FAZ freut sich über das luftige neue Designmuseum Disseny HUB in Barcelona. Belgrad hat wieder ein anspruchsvolles Kino, meldet die NZZ.

In der Position des Sternguckers

29.12.2014. Der kanadische Fotograf Jeff Wall erklärt in der Welt, wann ein Foto für sich steht. Die taz sagt der Post-Rock-Band To Rococo Rot leise Servus. Die SZ bewundert die italienische Mode der Nachkriegszeit. Der Standard verliert sich in den optischen Täuschungen Peter Koglers. Egomanische Theaterregisseure bekommen zum Jahresende kräftig eins auf die Mütze: von Martin Geck in der FAZ und Andras Schiff in der NZZ.

Liebe, Sex und gesellschaftlicher Kommentar

27.12.2014. Weder als religiöse Botschaft, noch als politischen Kommentar möge man seinen Bibelfilm "Exodus" verstehen, erklärt Ridley Scott in der Berliner Zeitung. In der taz verwahrt sich Nairy Baghramian gegen das Etikett der "iranischen Künstlerin", und Johan Simons erinnert sich an seine Begegnung mit Siegfried Lenz. Jungle World bejubelt den antimanieristischen Pop von Baxter Dury. Und die FAZ hofft bei Sean Scullys durch China tourender Ausstellung auf Subversion durch Abstraktion.

Nicht eingeschlafen, aber auch nicht mehr wach

24.12.2014. Zeit Online möchte mehr Frauen im Film sehen, die keine Identifikationsfläche bieten. Telerama unterscheidet zwischen Wesen und Kontext bei Michel Houellebecq. Tagesspiegel und FAZ bewundern blutiges Gewebe bei Jens Bisky und Zeichen von Güte und Sanftmut bei Marie Ellenrieder. Und dann noch die geheimnisvoll ätherische Hope Sandoval.

Die ganze geistige Hautevolee

23.12.2014. Die Welt versinkt im heiteren Lächeln des bayerischen Rokoko. Die FAZ übt pures Ergriffensein vor der Villa Valerio Olgiatis. Ein zweieinhalbstündiges Kritiker-Podcast bei critic.de widmet sich überlangen Filmen. Die Berliner Zeitung sucht Trost für die wohl ausfallende weiße Weihnacht bei Aert van der Neer. Die NZZ porträtiert die New Yorker Buchhändlerin Thomas Manns, Albert Einsteins und Franz Werfels. Die taz zieht den Hut vor Taylor Swift.

Raserei des Blutes

22.12.2014. Die Kunst kommt dem Pop nicht mehr hinterher, daher die Konjunktur der Pop-Art, diagnostiziert auf Zeit online der Kunsthistoriker Jörg Scheller. Der Freitag fragt, wie man den deutschen Film besser machen kann. Die FAZ hört staunend eine historische Einspielung erster Hadyn-Sinfonien mit dem Dirigenten Giovanni Antonini. Es regnet Verrisse für Luk Percevals Inszenierung von "Exiles" nach James Joyce. Und alle trauern um Udo Jürgens.

Ein künstlerischer Rausch

20.12.2014. Die SZ wagt sich ins kristalline Maul des neuen Musée des Confluences in Lyon. Nachtkritik und FAZ ziehen die Nasen kraus in Sebastian Nüblings Zürcher Inszenierung des "Diskreten Charmes der Bourgeoisie". Die Welt staunt über die Lebensleichtigkeit eines störrischen Antisemiten in der Karlsruher Degas-Ausstellung. Religiotainment ist der neue Trend im Hollywoodfilm, behauptet die taz. Pitchfork feiert D'Angelos Album "Black Messiah" als neues Wörterbuch des Soul.

Die Melancholie in digitalen Zeiten

19.12.2014. Was Goethe nicht fremd war, war es Rembrandt schon lange nicht, lernt die FR in einer Frankfurter Ausstellung. Ab 2015 werden in der Schweiz nur noch Schweizer Musiker leben, berichtet die taz. In Oslo bewundert der Tagesspiegel die große Traurigkeit des Künstlers Ed Atkin über die neue digitale Welt. Zuviel Text, stöhnen die Theaterkritiker über Dietmar Daths "Farbenblinde Arbeit" in Mannheim. Die NZZ sieht eine Wolkenstadt in Shenzhen entstehen.

Provokation? Selbstverliebtheit?

18.12.2014. Le Monde leakt den Plot des neuesten Romans von Michel Houellebecq: "Unterwerfung". Jezebel feiert die weiblichen Popstars des Jahres 2014. Tommy Lee Jones' feministischer Western "The Homesman" irritiert die Kritik: Darf der das überhaupt? Die FAZ bewundert die Homoerotik in Michael Triegels Glasfenstern für die katholische Kirche in Köthen.

Die Welt als Sex- und Klangraum

17.12.2014. Die taz feiert Schauspielkunst und Metaebenenlust in Olivier Assayas' Film "Die Wolken von Sils Maria". Außerdem staunt sie über die kühn gebauten Welten der Gruppe Haus-Rucker-Co. Die Presse betrachtet im Wiener Mak Josef Hoffmanns und Adolf Loos' Wege in die Moderne. In der SZ annonciert Florian Kessler eine neue literarische Salonkultur im Netz.

Rührend Hoch-Ernstes

16.12.2014. Die Theaterkritiker streiten über Wolfram Lotz' Afghanistanstück "Die lächerliche Finsternis" am Deutschen Theater und Ewald Palmetshofers "die unverheiratete" in Wien. Der Tagesspiegel liest neue chinesische Poesie und staunt über die deutsche Kriegskrinoline. Die taz findet Dieter Roth total "Web 2.0"-mäßig. Die NZZ bewundert die barocke Kehrseite einer betenden Nonne.

Bis der Schauspieler glüht

15.12.2014. Prächtig amüsiert haben sich die Kritiker in René Polleschs rauschhafter Hamburger Revue "Rocco Darsow". Großartiges Schauspielertheater und eine aufgeblasene Inszenierung bescheinigen sie Jette Steckels Inszenierung von Schnitzlers "Das weite Land" in Berlin. Die Berliner Zeitung freut sich über den Europäischen Filmpreis für Pawel Pawlikowskis "Ida". Skug hört mit Rasmus Fisker den David Hamilton des experimentellen Elektropops. Die FAZ besucht ein Festival für experimentellen Animationsfilm in Palma.

Destruktive Bildaneignung

13.12.2014. Die NZZ bewundert die Décollagen der Affichisten. Die taz stellt Lynn Hershman Leeson vor: eine Künstlerin und Feministin, die sich seit 50 Jahren mit neuen Technologien beschäftigt. In der Welt versichert Anselm Kiefer in seiner Laudatio auf Alexander Kluge: "Für Sie beziehe ich gerne Prügel." Die SZ sucht den Telos in den großen Fernsehserien.

Zu viele Knöpfe

12.12.2014. In Münchner Filmmuseum wurde das Ende des Kinos eingeläutet, berichtet Artechok. Die Nachtkritik sieht den Theaterstilen auf offener Bühne beim Vermodern zu. Selbst beim Internisten spielen sie jetzt Deep House, murrt in der Welt Munk. Musik ist doch schon in den Siebzigern gestorben, behauptet Joni Mitchell in der SZ. Die FAZ immerhin lernt von Sonia Delaunay, wie man sich schon Anfang des 20. Jahrhunderts den Reizüberflutungen der modernen Welt entgegenstellte.

Tanzen statt Theorie! Feiern statt Formeln!

11.12.2014. Bernard Arnault oder François Pinault sind keine Medici, beharrt in der FAZ der Kunsthistoriker Matthias Müller. Die Filmkritiker können Nuri Bilge Ceylans "Winterschlaf" nur mit Literatur vergleichen: Dostojewski, Tschechow, Shakespeare und Voltaire fallen ihnen ein. In Volltext beschreibt Felix Philipp Ingold Dostojewski als frühen Dichter des Absurden. Die SZ besucht in Paris Schwarze in Käfigen. Und alle trauern um Ralph Giordano.

Der Ton geht immer ums Eck

10.12.2014. Die NZZ bewundert Künstlerinnen in München um 1900. Im Standard erklärt der Dramatiker Ewald Palmetshofer, warum er sein neues Stück "die unverheiratete" in Jamben geschrieben hat. Bei den Rencontres Trans Musicales wird mehr getwittert als Musik gehört, notiert die taz. Wenig amüsiert haben sich die Filmkritiker mit dem letzten Hobbitfilm: Alles nur Ehrenkäse und Liebesfett, murrt die FAZ.

Das Gesäß ist ein zweideutiges Motiv

09.12.2014. Die NZZ feiert Tatjana Gürbacas moderne, im Geiste Brechts inszenierte Zürcher "Zauberflöte". Die SZ bekommt bei einem Konzert von Arcas Lust auf Sex mit Computern. Die Presse schwärmt vom heroischen Blick und nackten Hintern des Fotografen Alfons Walde. Die taz diagnostiziert eine Kontinuität der Kälte in der Avantgarde-Fotografie zwischen 1920 und 1950. Die Welt erinnert an den Erfinder des Videospiels, den in Pirmasens geborenen und in New York gestorbenen Ralph H. Baer.

Entschlackt im Fegefeuer

08.12.2014. Die FAS hält Abstand zu Karl Kraus. Dient der Film dem Theater oder vernichtet er es? Darüber streiten die Kritiker anlässlich der riesigen Leinwände in Kay Voges' Inszenierung von "Endstation Sehnsucht" in Frankfurt. Die SZ feiert den langen intellektuellen Atem des Pianisten Daniil Trifonov. Im Tagesspiegel geißelt der Architekt Zvi Hecker die Mutlosigkeit Berlins. Die NZZ begutachtet japanische Modernité im Folkwang Museum.

Mehrere Meter Gender-Literatur

06.12.2014. Das art-magazin streift mit Gregor Schneider durch Goebbels Geburtshaus, das als "gemütliche Wohnoase" zum Verkauf angeboten wurde. Der Berliner Zeitung wird beim Anblick von Sean Scullys Bildern in Shanghai ganz schwindelig zu Mute. Die Feuilletons lassen sich einstimmig von Dostojewskis "Brüdern Karamasow" in den Berliner Sophiensälen verzaubern. Der Standard erkundet die Geschichte der Zeitreise in der Science-Fiction-Kultur. Und die Welt lässt sich von Gaby Hauptmann das Verhältnis von Mann und Frau am Rande des Feuilletons erklären.

Provisorische Stillhalteanordnungen

05.12.2014. Nicolaus Harnoncourt wird morgen 85 und hat gerade die Entdeckung seines Lebens gemacht, erzählt er in der Welt. Der Wu-Tang-Clan versucht sich an einer Re-Auratisierung des Tonträgers zur Reliquie, berichtet der Freitag. Der Tagesspiegel lernt in einer Filmreihe, wie man verloren dahinaltert. Augen auf, Kuratoren! Ai Weiwei ist nicht der einzige regierungskritische Künstler in China, ruft die SZ.

Klingt komplex, ist es auch

04.12.2014. Die NZZ betrachtet in der Schirn das Gesicht der Malerei in Helene Schjerfbecks Selbstporträts. Der Standard wandert für Tony Conrad in den Knast. Bei Van erzählt Helmut Krausser, wie Puccini gute Musik machte und die seiner Konkurrenten verhinderte. Wenig Magie versprüht für die Kritik Woody Allens neuer Film "Magic in the Moonlight". Dafür kann man sich schon auf fünf Kurzfilme mit Marina Abramovic als Callas freuen, meldet das Art Newspaper.

Vehikel des Vergnügens

03.12.2014. Die Welt guckt Ostfußball mit Corneliu Porumboius wunderbarem Fußballfilm "The Second Game". Im Guardian tanzt Turner-Preisträger Duncan Campbell den Marxismus. Im Freitag erklärt Gregor Hens, warum er Romane am liebsten linear liest. Die Wiener Zeitung sieht nur zwei potenzielle Nachfolger für Simon Rattle. Die NZZ denkt über die Rolle der Architekturkritik nach.

Die Meise hat etwas Partisanenhaftes

02.12.2014. Die Theaterkritiker erwarten Großes von Oliver Reese, dem designierten Nachfolger Claus Peymanns am Berliner Ensemble ab 2017. Aaron Bady gibt in The New Inquiry Lektüretipps für Literatur aus Afrika. Ist Film noch eine autonome Kunst, fragt die taz blass nach einer Wiener Diskussion über Film, Kunst und Medien. Die NZZ schwelgt in den Bildern von Constable und Turner und den italienischen Bauten Alvaro Sizas.

Die größte Lüge der Welt

01.12.2014. In der Presse erklärt der Dokumentarfilmer Hubert Sauper, warum man in Afrika nie aus seiner Rolle als Kolonialist herauskommt. In der FR erklärt die Kunsthistorikerin Monica Juneja, warum die Kunstgeschichte von ihrer nationalen Identität befreit werden muss. Die taz erlebt sibirischen Patriotismus. Der Standard hört ein Schneewittchen de luxe mit prachtvollem Koloratur-Mezzo. Am Deutschen Theater schlafen sich die Theaterkritiker durch Stefan Puchers "Baal".