Efeu - Die Kulturrundschau

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Oktober 2014

Ich bin eine berühmte Frühe

31.10.2014. Im Standard erklärt Burgschauspielerin Elisabeth Orth, wie sie sich auf eine Rolle vorbereitet. Die taz fühlt sich mit Mouse on Mars wieder wie 21. Zeit online nimmt ein kosmisches Blutbad in Till Kleinerts Film "Der Samurai". Berlin liegt im Mittleren Westen, lernt die SZ aus den Fotos von Will McBride. Der Guardian fragt sich, warum das Fernsehen im Film immer so schlecht weg kommt.

Ecrit par Mme Bach

30.10.2014. Die Welt porträtiert den Drehbuch- und Krimiautor Orkun Ertener. Der Freitag fordert Modejournalisten auf, sich bei ernsten Themen einzumischen. Im Standard erklärt der Regisseur Lav Diaz, wie die malayische Kultur auf den Philippinen zerstört wurde. In der taz erklären die Dardenne-Brüder, warum man für Gewerkschaften keinen Film drehen kann. Slate.fr fragt, wieviel von Bach von Bach ist. Zeit online hört transhumanistische Musik von Arca.

Am Kunstschopf aus dem Krisensumpf

29.10.2014. In Deutschland wird Frank Gehrys Bau der Fondation Louis Vuitton vor allem als private Machtgeste des LVMH-Chefs Bernard Arnault interpretiert. Le Monde fragt nun, wie privat diese Geste eigentlich ist, wenn sie zur Hälfte von den Bürgern finanziert wird. Mit den Brüdern Dardenne erkunden die Filmkritiker Reste der Menschlichkeit in postkapitalistischen Zeiten. Die taz lässt es mit Blunt krachen, Pitchfork mit Grouper ätherisch rauschen. Die Presse findet die Wahrheit im nackten Rücken der Venus von Velazquez.

Stets vorhandene Schattenfrau

28.10.2014. Die taz erlebt beim Dokumentarfilmfest in Lissabon die "realistische" Filmsprache bis zur Hoffnungslosigkeit verdunkelt. Mehr Hoffnung sieht die FAZ in den Kriegsfilmen bei den Hofer Filmtagen. In der Welt erklärt Corinne Pulver, warum sie als Geliebte von Siegfried Unseld und Martin Walser gern im Hintergrund blieb. In der Nachtkritik fürchtet Ulf Otto, die endgültige Entpolitisierung des Theaters durch Twitter und Co. Die SZ will Leif Podhajskys Plattencover nur noch im Internet sehen.

Alles nur Behauptungstheater

27.10.2014. Zu fatalistisch findet die Theaterkritik Jan Bosses Inszenierung von "Dantons Tod" am Burgtheater: Es gibt kein Erbleichen vor der Realität allgegenwärtigen Mordens, notiert der Tagesspiegel. Eine satte Viertelstunde applaudiert die FAZ in Stuttgart Andrea Breths Inszenierung der Rihm-Oper "Jakob Lenz". Die Welt begibt sich auf die Pirsch nach guten Pornos. Die NZZ porträtiert den koreanischen Dichter und Kollaborateur Lee Kwang Soo.

Der Bursche macht keine Tricks

25.10.2014. Im Standard staunt Luc Dardenne über den neuen italienischen Stil seines Regiebruders Jean-Pierre. Außerdem huldigt der Standard mit Martin Schnur Velázquez. Etwas entgeistert reagieren die Kritiker auf Stefan Nüblings Berliner Hebbel-Inszenierung "Der Untergang der Nibelungen". Die Berliner Zeitung wirft dem Regisseur vor, ein Verhältnis zur Geschichte zu haben "wie der Metzger zur Leberwurst". Die Welt erkennt: Gehry is so over! Allgemeines Aufatmen über das endgültige Ende des Streits um Suhrkamp.

Im Klangorkan

24.10.2014. Der Standard badet im Lichte Monets. Frank Gehrys Fondation Louis Vuitton in Paris symbolisiert für die Zeit vor allem die neue Macht des Geldes. In der taz erklärt der Künstler Dries Verhoeven, warum wir gleichzeitig immer prüder und pornografischer werden. Der Standard erlebte im Wiener "Tannhäuser" einen grandiosen Christian Gerhaher. Und das Art Magazin weiß schon, welche Künster bei der Biennale Venedig 2015 Deutschland vertreten werden.

Das beste Kino der Welt

23.10.2014. Die HuffPo.fr würdigt die Schwärze des Universalkünstlers Topor. Die Welt erlebt einen Kulturschock beim Filmfestival von Busan. In der taz erklärt die südkoreanische Regisseurin Cho Sung-Hyung, wie man in Nordkorea dreht. Die Zeit und Martha Agerich feiern einen neuen russischen Pianisten: Daniil Trifonow.

Präsenz des Ungefähren

22.10.2014. Die taz lernt von südostasiatischer Kunst in Istanbul, wie sinnlich politische Aufklärung sein kann. Die NZZ bewundert die stumme Aufgeladenheit in den Bildern Edouard Vuillards. Zeitonline fragt, wie stereotyp männliche Popstars sind. Die Nachtkritik erklärt, was Wolfgang Wagner und Fidel Castro gemeinsam haben. Beim Theaterdebüt des Filmemachers Wenzel Storch weisen Gefäße Gottes der Welt neue Wege zur Sexualität.

Liebeserklärung an die Glatze

21.10.2014. Der Tagesanzeiger rühmt die drei Augen des René Burri. Die taz freut sich, dass die Malerin Florine Stettheimer auch ganz ohne Mann Odaliske sein konnte. Thomas Meinecke feiert in der SZ die eklektische Splitterung des Oeuvres von NRBQ. Den Donaueschinger Musiktagen steht eine Zukunft als wirbellose Molluske bevor, fürchtet die FAZ. Die Welt besucht Arvo Pärt und Robert Wilson in Tallin.

Der große Hinterhof des Lebens

20.10.2014. Die NZZ bestaunt die riesige neue Markthalle in Rotterdam. Der Tagesspiegel bewundert die Stille in den Fotografien von Michael Wesely. Die Jungle World erliegt dem extremen Charisma Isild le Bescos. Die FAZ erlebt eine intensive Verschmelzung in Hans van Manens Choreografie "Alltag". In der Welt donnert Werner Spies gegen die neue Hängung im Picasso Museum: So nicht!

Das Internet ist ein irres, schwebendes Jenseits

18.10.2014. In der Welt sieht David Cronenberg ein Leben nach dem Tod auf seinem Iphone. Die SZ hört Beethoven in einem syrischen Lager für palästinensische Flüchtlinge. Die Berliner Zeitung wirft einen Blick auf Fotos vom anderen Europa. Der Guardian fragt: Wie wichtig ist Picasso für das 21. Jahrhundert?

Das ist so unwürdig

17.10.2014. Die Welt trainiert ihr Hirn mit den Videos von Elizabeth Price. Die Theaterkritiker spüren in Christoph Marthalers "Tessa Blomstedt gibt nicht auf" den "cool wind in my hair". Peter Handke würde am liebsten den Nobelpreis für Literatur abschaffen, meldet die Presse. Die NZZ fürchtet, Radiohead-Sänger Thom Yorke könnte Musikhörer auf den Geschmack des Filesharing bringen. Die Berliner Zeitung experimentiert weiter mit ihren Ohren und setzt sie sadomasochistischen Unter- und Obertönen aus.

Unbedenklichkeitspflaster

16.10.2014. Die Welt würdigt den feinen Humor Nick Caves. In der Presse erzählt Juliette Gréco von den revolutionären Manieren des Erzkatholiken Mauriac. In der taz erklärt die kuwaitische Künstlerin Shurooq Amin, warum Erotik und Rebellion zusammengehören. Theater der Zeit kritisiert das Reflexionsniveau deutscher Theater in Sachen Blackfacing.

Gar nichts ist schön an den Künsten

15.10.2014. Der Freitag fragt: Wozu ein Michael-Althen-Preis für Kritik, wenn damit keine Kritiker ausgezeichnet werden? Die Welt besucht eine Ausstellung der "Zero"-Künstler in New York. Mohamed Alabbar aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, baut Belgrad ein neues Zentrum am rechten Ufer der Save, berichtet die NZZ. Die Nachtkritik fragt, warum Karin Bergmann nur einen Fünfjahresvertrag am Burgtheater bekommt, wenn sie den Karren schon aus dem Dreck ziehen soll? Die taz feiert legt sich die Feuerameisen der Metal-Dröhn-Mönche um den Hals.

Das Mädchen aus Kreta

14.10.2014. In der Welt erklärt Fatih Akin, warum es in seinem Film über den armenischen Genozid kaum Gewaltszenen gibt. Das TLS stellt die russische Dichterin Regina Derieva vor, die das Meer liebte, aber in einer staubigen Ecke Kasachstans leben musste. Die Berliner Zeitung lauscht ganz ohne Ohrstöpsel dem grell leuchtenden Klanggewitter von Glenn Branca. Die taz singt der schönen Nana Mouskouri ein Geburtstagsständchen.

Ich unterstütze den Erfindergeist

13.10.2014. Die Musikkritiker amüsieren sich prächtig mit Offenbachs "Schöner Helena" in Barrie Koskys Inszenierung an der Komischen Oper. Wie in einem Shakespearedrama fühlt sich der Guardian vor dem Spätwerk Rembrandts. Die NZZ taucht ein ins musikalische Werk Dieter Roths. In der Welt erklärt Filmregisseur Zach Braff, warum er Kickstarter liebt.

Bäuchlings durch die Dinghalde

11.10.2014. "Schlucken Sie die Aprikosen und die Pfirsiche / Und die Klingen des Rasierers / Erstaunen Sie mich!" Slate.fr erinnert sich an die Chansontexte, die Patrick Modiano einst für Francoise Hardy schrieb. In der NZZ erklärt der französische Autor Mathias Enard, warum er lieber dokumentarische Romane als literarische Reportagen schreibt. Die Theaterkritiker suchen den Reflexionsraum in Anne Lenks Inszenierung von Ernst Tollers "Hoppla, wir leben!". Die Welt sucht in der Bremer Kunsthalle nach der Energie Jason Rhoades. Die SZ erliegt der abgründigen Dialektik der Luisa Casati.

Gespenster zum Leben

10.10.2014. Das war eine Überraschung, auch für die Literaturkritiker, aber dann sind doch alle zufrieden mit dem Literaturnobelpreis für den französischen Autor Patrick Modiano. Nur die taz fragt: Warum nicht Hoellebecq? Warum machen deutsche Verlage Amazon keine Konkurrenz, fragt auf NDR Kultur Julia Franck. Die FAZ ärgert sich über mediokres Touristentheater an der Wiener Staatsoper. Die NZZ begutachtet Einfamilienhäuser in Tokio. Die taz schwingt das Tanzbein mit Caribou, SZ und NZZ wippen zum Calypso Craze.

Verwegen für Angepasste

09.10.2014. Der Standard lernt in der Grazer Ausstellung "Ordinary Freaks", wie man cool ist. Wenig Experimente, dafür dem Publikum zugewandtes Schreiben findet der Tagesspiegel in finnischen Büchern. Virales Musikmarketing ist Spam, schimpft der Freitag. Die taz beglückwünscht Mainz zu seiner neuen Intendantengeneration.

Wir könnten es gemeinsam tun

08.10.2014. In der Berliner Zeitung bekennt Buchpreisträger Lutz Seiler sich zu Bleistift und Ringblock. Die FAZ reagiert stinksauer auf die Auszeichnung Seilers und wirft ihm vor, Uwe Tellkamps Erfolgsrezept übernommen zu haben. Die taz gerät völlig aus dem Häuschen nach der Ankündigung David Lynchs, die Serie "Twin Peaks" fortsetzen zu wollen. Im Standard fordert die finnisch-estnische Autorin Sofi Oksanen, in Europa einen unabhängigen russischsprachigen Fernsehsender zu gründen.

Stufenwechsel im Finnischen

07.10.2014. Zur Buchmesse kündigt Amazon eine E-Book-Flatrate für Deutschland an. In der NZZ denkt Norbert Gstrein dabei sofort an den Tod. In der Saarbrücker Zeitung erzählt die finnische Autorin Leena Lehtolainen, wie oft man finnische Wörter beugen kann. In der Welt erzählt Stefan Moster, wie man aus dem Finnischen übersetzt. In der FR versichert Ernest Wichner: Übersetzen hält jung! Der Tagesspiegel bestaunt im Folkwang Museum die Vermischung japanischer und europäischer Kunst. Alle freuen sich über den Buchpreis für Lutz Seiler.

Aufgescheuchte Gegenwart

06.10.2014. In der Welt erzählt Autor Michael Ziegelwagner, wie er seine Kollegen dazu bringen wollte, den Buchpreisverleihern zu zeigen, was Autoren von Hierarchien und Konkurrenzdenken halten. Sehr viel, stellte sich heraus. Barenboims "Tosca" teilt die Kritiker: bezwingend wild, jubeln die einen, gepflegte Langeweile, stöhnen die anderen. Die FAZ prophezeit neue Verschwörungstheorien nach der Filmadaption eines Pynchon-Romans.

Niemand trifft sich nirgendwo

04.10.2014. Christoph Kappes will das Diskutieren über Literatur nicht Facebook überlassen und stellt deshalb im Standard das Projekt Sobooks vor. In der NZZ bevorzugt Kjell Westö den finnischen Pragmatismus vor schwedischer Gehässigkeit. Die SZ will im Museum nicht ehrfürchtig staunen müssen. Die Nachtkritik erlebt in Anja Hillings "Sinfonie des sonnigen Tages" ein großes globales Achselzucken. Und Slippe Disc meldet, dass Daniele Gatti Chefdirigent des Amsterdamer Concertgebouw wird.

Vervollkommnung der Finessen

02.10.2014. Der Freitag fragt: Hat David Finchers "Gone Girl" eine geschlechtertheoretische These? Die Welt fragt: Was wäre eine schlechte Trecartin-Arbeit? Die NZZ fragt: Ist die neue Musik am Ende? Kino-Zeit fordert eine feministische Filmkritik.

Wo ist dieses Mädchen hin?

01.10.2014. Die Filmkritiker feiern David Finchers neuen Thriller "Gone Girl" als eine ziemlich abgefahrene Version weiblicher Emanzipation. Wer braucht Kritik von außen am Regietheater, wenn der Betrieb das selbst erledigt, fragt Zeit online. Die SZ schüttelt dagegen bedauernd den Kopf, betrachtet sie die ewige Vergangenheitsbeschwörung an den großen europäischen Opernhäusern. Im Pop ist es auch nicht besser, meint der Guardian und wendet sich Mozart und Webern zu. Der Tagesspiegel fordert mehr Übersetzungen osteuropäischer Literatur. Die FR lässt sich von Dayanita Singh ins Frankfurter MMK3 locken: Geh näher.