Efeu - Die Kulturrundschau
Um vor einer Jukebox zu sitzen
Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
13.11.2018. Die NZZ erlebt auf griechischen Vasen des Exekias die existenzielle Einsamkeit des mythischen Helden. Die FAZ verfängt sich mit Sister Mary Bradley in Harlems süßem Leben. Die SZ verteidigt David Bowies "libertären" Umgang mit Teenagern und faschistoiden Symbolen . Dezeen blickt mit OMA in die Zukunft modularer Hochhäuser und sieht Fenster und Fertigbeton.
9punkt - Die Debattenrundschau
vom
13.11.2018
finden Sie hier
Literatur
Verena Lueken freut sich in der FAZ über die Wiederveröffentlichung des Büchleins "The Sweet Flypaper of Life", in dem Roy DeCaravas in Harlem entstandene Fotografien aus den fünfziger Jahren dem narrativen Fluss der Gedichte von Langston Hughes gegenüber stellt. Dieses handliche, intime Buch handele "vom Leben in der Stadt. ... Sister Mary Bradley, die Erzählerin dieser Geschichte, ist die fiktive Großmutter und Beobachterin der Menschen auf den Fotos. In ihrer Stimme erzählt Hughes von ihrer Familie, ihrer Umgebung, von ihrem Staunen über die Jungen, die sich feinmachen, um vor einer Jukebox zu sitzen, von ihrer Liebe zu Rodney, einem ihrer Enkel, der nicht viel taugt, wie alle anderen meinen, von Kindern auf der Straße, von Autos, die plötzlich wichtig werden, und davon, dass sie, Sister Mary Bradley, noch nicht sterben kann, weil sie mit Haut und Haaren an dem 'süßen Fliegenfänger des Lebens' hängt." Auf Youtube gibt es ein Gespräch über das Buch anlässlich der Wiederveröffentlichung, ein Blättervideo vom Vimeo verschafft einen ersten Eindruck:
Thomas David spricht in der NZZ mit Schriftsteller Michael Ondaatje über das Schreiben: "Bei früheren Arbeiten hatte ich immer den Eindruck, dass die Struktur eines dreiminütigen Jazz-Stücks eine gute Struktur für ein Buch abgibt. Man hat fünf oder sechs Musiker, von denen jeder sein Solo spielt, und am Ende des Buchs kommen sie in einem Chorus zusammen und spielen alle das Gleiche."
Weitere Artikel: Wer die österreichische Literatur schlicht mit dem Begriff "deutschsprachige Literatur" eingemeindet, unterschlägt das Spezifische der Geschichte dieser Literatur, die ohne den habsburgischen Mythos kaum zu haben ist, schreibt Ulrich Greiner in der Zeit. Für die Welt erkundigt sich Marc Reichwein bei Isabelle Lehn, Sascha Macht und Katja Stopka, die zur Geschichte des Deutschen Literaturinstituts Leipzig geforscht haben, wie man in der DDR staatlich zertifizierter Schriftsteller wurde. Lars von Törne (Tagesspiegel), Holger Kreitling (Welt) und Jürg Zbinden (NZZ) schreiben Nachrufe auf Spiderman-Erfinder Stan Lee. Tell-Review bringt ein vor 100 Jahren kurz vor dem Ende des Ersten Weltkriegs verfasstes Gedicht von Wilfred Owen.
Besprochen werden Judith Schalanskys Erzählband "Verzeichnis einiger Verluste" (Berliner Zeitung), Véronique Cazots und Julie Rocheleaus Comic-Neuinterpretation "Betty Boob" (FR), Tamta Melaschwilis "Marines Engel" (Tagesspiegel), Michelle Obamas Autobiografie (Tagesspiegel), Anna Katharina Fröhlichs "Rückkehr nach Samthar" (NZZ), Maike Wetzels "Elly" (online nachgereicht von der FAZ), Péter Nádas' Essaysammlung "Leni weint" (NZZ), Karl-Heinz Otts "Und jeden Morgen das Meer" (ZeitOnline), Alex Capus' "Königskinder" (SZ), Wolfgang Popps "Die Ahnungslosen" (Standard) und Jennifer Clements "Gun Love" (FAZ).
Mehr auf unserem literarischen Meta-Blog Lit21 und ab 14 Uhr in unserer aktuellen Bücherschau.
Thomas David spricht in der NZZ mit Schriftsteller Michael Ondaatje über das Schreiben: "Bei früheren Arbeiten hatte ich immer den Eindruck, dass die Struktur eines dreiminütigen Jazz-Stücks eine gute Struktur für ein Buch abgibt. Man hat fünf oder sechs Musiker, von denen jeder sein Solo spielt, und am Ende des Buchs kommen sie in einem Chorus zusammen und spielen alle das Gleiche."
Weitere Artikel: Wer die österreichische Literatur schlicht mit dem Begriff "deutschsprachige Literatur" eingemeindet, unterschlägt das Spezifische der Geschichte dieser Literatur, die ohne den habsburgischen Mythos kaum zu haben ist, schreibt Ulrich Greiner in der Zeit. Für die Welt erkundigt sich Marc Reichwein bei Isabelle Lehn, Sascha Macht und Katja Stopka, die zur Geschichte des Deutschen Literaturinstituts Leipzig geforscht haben, wie man in der DDR staatlich zertifizierter Schriftsteller wurde. Lars von Törne (Tagesspiegel), Holger Kreitling (Welt) und Jürg Zbinden (NZZ) schreiben Nachrufe auf Spiderman-Erfinder Stan Lee. Tell-Review bringt ein vor 100 Jahren kurz vor dem Ende des Ersten Weltkriegs verfasstes Gedicht von Wilfred Owen.
Besprochen werden Judith Schalanskys Erzählband "Verzeichnis einiger Verluste" (Berliner Zeitung), Véronique Cazots und Julie Rocheleaus Comic-Neuinterpretation "Betty Boob" (FR), Tamta Melaschwilis "Marines Engel" (Tagesspiegel), Michelle Obamas Autobiografie (Tagesspiegel), Anna Katharina Fröhlichs "Rückkehr nach Samthar" (NZZ), Maike Wetzels "Elly" (online nachgereicht von der FAZ), Péter Nádas' Essaysammlung "Leni weint" (NZZ), Karl-Heinz Otts "Und jeden Morgen das Meer" (ZeitOnline), Alex Capus' "Königskinder" (SZ), Wolfgang Popps "Die Ahnungslosen" (Standard) und Jennifer Clements "Gun Love" (FAZ).
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Architektur

Auf Dezeen feiert India Block den 125 Meter hohen Innovation Tower, den das Architekturbüro OMA in Stockholm errichtet hat und der nur aus Fertigbeton und Fenstern moduliert zu sein scheint: "'Das Projekt Norra Tornen ist für uns ein Meilenstein, sagt Reinier De Graaf, einer der Partner von OMA. Es ist der Höhepunkt in der Entwicklung einer neuen Generation von Häusern, bei der wir mit einer kleinen Zahl von vorfabrizierten Elementen die größtmögliche Vielfalt schaffen wollen. An die Stelle des gewohnten Formalismus des Wohnungsbaus soll Individualismus, Wohnlichkeit und vielleicht sogar Menschlichkeit treten.' Und wie er hinzufügt, lassen abwechselnd vorragende Fenster, zurückgenommene Terrassen und eine Fassade aus gerippten Beton 'die brutalistische Architektur' anklingen."
Weiteres: In der SZ blickt Joseph Hanimann geradezu empört auf die Einfallslosigkeit von Jean Nouvels Büroturm "La Marseillaise" im Hafenviertel La Joliette, das anstelle einer Verkleidung nur ein blau-weiß-rot changierendes Rippenraster aus Beton trägt. Rowan Moore vergnügt sich im Guardian in der Ausstellung "Home Futures" im Design Museum London mit den architektonischen Träumen von gestern.
Kunst

Weiteres: Brita Sachs berichtet in der FAZ von einem weiteren heiklen Restitutionsfall: Erben fordern Kandinskys "Buntes Leben" von 1907, das als Leihgabe der Bayerischen Landesbank im Münchner Lenbachhaus hängt.
Besprochen wird die Schau mit virtuellen Rekonstruktionen der antiken Stätten Palmyra, Aleppo, Mossul und Leptis Magna im Pariser Institut du monde arabe (FAZ).
Bühne
Besprochen werden Armin Petras' Inszenierung von Clemens Meyers "Die stllen Trabanten" am Deutschen Theater (taz, Berliner Zeitung, Nachtkritik), Tim Crouchs "liebevolle" Theaterdekonstruktion "An Oak Tree" im Schauspiel Frankfurt (FR), Moritz Eggerts Shakespeare-Oper "Caliban" an der Jungen Oper Rhein-Main (FR) und Marcus Youssefs Stück "Dschabber" zum Thema Kopftuch im Berliner Grips Theater (Tagesspiegel).
Film
Musik
Anlässlich einer neuen Oral History über David Bowie wieder laut geworfene Vorwürfe, Bowie habe zeitweise mit faschistischen Ideen kokettiert und sei überdies im Umgang mit weiblichen Fans ein ziemlicher Sexist gewesen, wiegelt Torsten Groß in der SZ, wenn auch nicht gar so richtig überzeugend, ab: Der unbekümmerte Umgang mit teils minderjährigen Groupies sei Ausdruck der allgemein libertären Haltung in diesen Jahren gewesen und Bowies Faschismus-Spleen in erster Linie eine koksinduzierte Spinnerei, die sich im Nu legte, als in Berlin plötzliche echte Altnazis Bowies Nähe suchten. "Zumal das demonstrative Spiel mit Nazi-Symbolik einige Jahre zum Grundinventar des britischen Pop gehörte: Keith Moon, Brian Jones und Keith Richards trugen zu unterschiedlichen Zeiten Nazi-Uniformen, eine Provokationsmethode, die im britischen Punk von Leuten wie Siouxsie Sioux und Sid Vicious reaktiviert wurde. Joy Division spielten ebenso mit faschistischen Symbolen wie Lemmy Kilmister Nazi-Memorabilia sammelte und John Lennon das Publikum der frühen Hamburger Beatles-Shows bisweilen mit 'Heil, Hitler' begrüßte. Als Nazi wird man keinen von diesen Leuten bezeichnen wollen."
Schwer begeistert bespricht Martin Schäfer in der NZZ die Nummer 14 aus Bob Dylans Bootleg-Serie, die den minutiösen Nachvollzug gestattet, wie die Stücke zu Dylans 74er Album "Blood on the Tracks" Kontur annahmen: In der Edition finden sich "lauter Beweise dafür, was in der Pop-Musik an transzendenter Schönheit möglich ist."
Weitere Artikel: Im Freitag stellt Linda Gerner die schwerhörige Youtuberin Cindy Klink vor, die Popsongs in Gebärdensprache übersetzt. York Schaefer berichtet für die taz vom "Le Guess Who?"-Festival in Utrecht. Besprochen werden das neue Album "Fuck Penetration" von Jens Friebe (Freitag), Lykke Lis Berliner Konzert (Tagesspiegel), eine Aufführung von Philipp Glass' "The Fall of the House of Usher" im Innsbrucker Haus der Musik (FAZ) und neue Klassikveröffentlichungen, darunter eine CD der Capella Amsterdam mit Aufnahmen von Kompositionen von Josquin Desprez (SZ).
Schwer begeistert bespricht Martin Schäfer in der NZZ die Nummer 14 aus Bob Dylans Bootleg-Serie, die den minutiösen Nachvollzug gestattet, wie die Stücke zu Dylans 74er Album "Blood on the Tracks" Kontur annahmen: In der Edition finden sich "lauter Beweise dafür, was in der Pop-Musik an transzendenter Schönheit möglich ist."
Weitere Artikel: Im Freitag stellt Linda Gerner die schwerhörige Youtuberin Cindy Klink vor, die Popsongs in Gebärdensprache übersetzt. York Schaefer berichtet für die taz vom "Le Guess Who?"-Festival in Utrecht. Besprochen werden das neue Album "Fuck Penetration" von Jens Friebe (Freitag), Lykke Lis Berliner Konzert (Tagesspiegel), eine Aufführung von Philipp Glass' "The Fall of the House of Usher" im Innsbrucker Haus der Musik (FAZ) und neue Klassikveröffentlichungen, darunter eine CD der Capella Amsterdam mit Aufnahmen von Kompositionen von Josquin Desprez (SZ).
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