9punkt - Die Debattenrundschau

Allein das Wissen, dass man überwacht wird

Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
21.05.2014. Bezwecken FAZ und Springer mit ihrer Kampagne gegen Google, dass Google per Gesetz gezwungen wird, Presse zu bevorzugen?, fragt Marcel Weiß in Neunetz. Die Überwachung und Konditionierung schleicht sich durch das Auto in unsere Gesellschaft, fürchtet die FAZ. Warum mokiert sich der Guardian über den Körper einer Opernsängerin?, fragt die Welt. Im Tagesspiegel hofft Andrej Kurkow, dass nicht Julia Timoschenko die ukrainischen Wahlen gewinnt. Und einige Iranerinnen sind festgenommen worden, weil sie ohne Kopftuch nach "Happy" tanzten. Wir binden das Video ein.
Efeu - Die Kulturrundschau vom 21.05.2014 finden Sie hier

Europa

Im Tagesspiegel erklärt der ukrainische Schriftsteller Andrej Kurkow im Interview, warum er hofft, dass nicht Julia Timoschenko bei den Wahlen in der Ukraine am 25. Mai gewinnt: "Weil sie mit niemandem koalieren will. Selbst der Kandidat der Partei der Regionen, Mychajlo Dobkin, ist zum Wohle der Ukraine zu Koalitionen bereit. Timoschenko ist nur die Macht wichtig. Im Prinzip kontrollieren ihre Leute schon jetzt die Ukraine, Innenminister Arsen Awakow ist Mitglied ihrer Partei und Präsident Olexander Turtschinow, früher Leiter des Inlandsgeheimdiensts, ihre rechte Hand. Sollte sie Präsidentin werden, haben wir die gleiche Situation wie nach der Orangenen Revolution oder wie unter Janukowitsch. Wir hätten dann erneut die Diktatur durch eine einzige politische Kraft."

Im Forum der Welt plädieren der FDP-Vorsitzende Christian Lindner und der liberale Ministerpräsident der Niederlande Mark Rutte dafür, dass die EU sich weniger um europaweite Kriterien für die Schulmilch oder Olivenölkännchen kümmert. Das könnten die einzelnen Staaten hervorragend selbst regeln. Wichtiger sei es, die Kernbereiche zu stärken: "Die Ukraine-Krise hat erneut belegt, dass die Europäische Union in globalen und für die Absicherung des Friedens in Europa so schwerwiegenden Fragen noch immer nicht imstande ist, kurzfristig eine abgestimmte außenpolitische Gemeinschaftsposition zu entwickeln."

Weitere Artikel: Auch Wolfgang Schäuble plädiert im FAZ-Feuilleton für eine Stärkung des Subsidiaritätsprinzips in der EU: "Die EU könnte sich im Wesentlichen auf Handel, Finanzmarkt und Währung, Klima, Umwelt und Energie sowie Außen- und Sicherheitspolitik konzentrieren - auf die Bereiche also, in denen nur die europäische Ebene nachhaltig erfolgreich handeln kann." Und in der SZ überlegt der Politologe Jan-Werner Müller hin und her, ob die Rechtspopulisten die EU lahm legen können, wenn sie bei den Wahlen zum EU-Parlament so erfolgreich sind wie befürchtet.
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Religion

(Via Mashable) Einige Iranerinnen haben nach Pharell Williams' "Happy" auf Youtube getanzt - und sind prompt festgenommen worden. Hier ihr Video:



Pharell Williams hat bereits reagiert:



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Stichwörter: Iran, Youtube, Williams, Pharrell

Medien

Was bezwecken die FAZ und der Springer-Verlag eigentlich mit ihrer Anti-Google-Kampagne vor den Europawahlen, fragt Marcel Weiß in Neunetz: "Das Leistungsschutzrecht ist die Blaupause für das, was gerade passiert. Auch beim LSR fing die Lobbyarbeit für ein neues Gesetz mit Artikeln in den Presseerzeugnissen an. Ein Döpfner-Interview hier, ein Artikel von einem als unabhängigen Experten ausgegebenen Lobbyisten da." Weiß vermutet, dass sich die Presseverlage bestimmte obligatorische Vorzugsbehandlungen durch Google in die Gesetze schreiben lassen wollen - Sigmar Gabriel spricht bereits von einer "kartellrechtsähnlichen Regulierung", die er anstrebt.

turi2 greift einen Bericht des Handelsblatts auf, wonach die FAZ im letzten Jahr höhere Verluste gemacht hat. Der Geschäftsführer Thomas Lindner antwortet mit Kürzungen: "Lindner will weiter Personal in der Redaktion abbauen, betriebsbedingte Kündigungen soll es dabei nicht geben. Lindner setzt allein auf Vorruhestandsregelungen und Fluktuation. Bereits im März hatte die FAZ ihre Seitenzahl reduziert."

Außerdem: Thomas Schuler berichtet in der Berliner Zeitung über ein Labor für multimediales Erzählen, das Cordt Schnibben beim Spiegel eingerichtet hat.
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Politik

Online ist jetzt Claudius Seidls Plädoyer aus der FAS für das Freihandelsabkommen mit den USA: Unserer Kultur könnte das nur gut tun.
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Überwachung

In der Leitglosse der FAZ regt Niklas Maak sich über das E-Call-System auf, das ab nächstem Jahr verpflichtend in alle Neuwagen innerhalb der EU eingebaut werden und bei Unfällen automatisch Informationen an die Polizei liefern soll. Wirklich nur bei Unfällen? "Der Versichererverband Insurance Europe plädiert schon heute dafür, Versicherungsunternehmen Zugriff auf E-Call-Daten ihrer Kunden zu geben. Allein das Wissen, dass man jederzeit überwacht wird, könnte für ein vorsichtigeres Fahrverhalten sorgen, argumentieren deutsche Polizeivertreter."
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Stichwörter: E-Call-System

Gesellschaft

Im Guardian wird jede Minderheit verteidigt. Doch wehe, Sie sind eine untersetzte Frau. Dann ist Schluss mit lustig bei der Linken. Und bei der Rechten sowieso. Das musste jetzt die irische Mezzosopranistin Tara Erraught erfahren, die beim Glyndebourne-Festival den Octavian im "Rosenkavalier" sang, berichtet in der Welt Lucas Wiegelmann: "Es ist das erste Mal, dass Tara Erraught in dieser Weise angegangen wird. Bei früheren Auftritten - etwa an der Bayerischen Staatsoper, wo sie Ensemblemitglied ist - wurde ihr Gewicht nie thematisiert. Die ungewöhnlich einhellige und besonders boshafte Berichterstattung [mehr hier] hat in England nun eine Debatte ausgelöst. Die Bloggerin Katie Lowe schrieb in einem Gastbeitrag für den Guardian: 'Mehrheitlich männliche Kritiker haben sich entschieden, aus einem weiblichen Körper ein Problem zu machen - ein Körper, der nicht außergewöhnlich, sondern einfach nur nicht dünn und statuenhaft ist ... Es scheint, dass Talent einfach nicht reicht. Jedenfalls nicht, wenn man eine Frau ist.'"
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