9punkt - Die Debattenrundschau

Trotz guter Hygienekonzepte

Kommentierter Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
01.12.2021. Nicht nur rechte Unternehmerclubs, sondern auch renommierte Medien und Verlage haben Eric Zemmour bei seinem Aufstieg geholfen, konstatiert Le Monde. Can Dündar erzählt in Zeit online, wie Tayyip Erdogan Interpol bemüht, um missliebige Personen im Ausland zu verfolgen. Arabische Journalisten der Deutschen Welle fielen durch krass antisemitische Tweets auf, recherchiert die SZ. Kein Drogenkonsum, wachsames Verhalten im Straßenverkehr: Berliner Chefärzte mahnen laut Tagesspiegel die Bevölkerung, keine Risiken einzugehen - zu voll sind die Intensivstationen.
Efeu - Die Kulturrundschau vom 01.12.2021 finden Sie hier

Europa

Eric Zemmour hat bekanntlich seine Kandidatur für das französische Präsidentenamt erklärt. Ariane Chemin und Ivanne Trippenbach erzählen in Le Monde, wie ihm das "Establishment" bei seinem Aufstieg half, und zwar nicht nur vornehme Unternehmerclubs, sondern auch Medien und Buchverlage: "Er hat in fast allen Verlagshäusern veröffentlicht: Grasset, Stock, Denoël, Fayard, Le Cherche Midi, Le Cerf, die angesichts seiner hohen Auflagen ein Auge zudrückten. Als der neue Generaldirektor von Albin Michel, Gilles Haéri, sich im Frühsommer von dem künftigen Kandidaten trennte, hatte das Haus bereits 'Le Suicide français' veröffentlicht, in dem Zemmour behauptete, Jean-Marie Le Pen habe sich 'vor allem eines Anachronismus schuldig' gemacht, als er behauptete, die Gaskammern seien ein 'Detail der Geschichte', die französischen Juden seien 'eine Kaste von Unberührbaren' geworden. Im Übrigen lobte er die 'talentierte, desakralisierende Schärfe' des 'Komikers' Dieudonné."

Der Schriftsteller Leon de Winter sieht in der NZZ die Drogenmafia in den Niederlanden als eine direkte Folge der Einwanderung. Der Handel werde von einer marokkanischen Bande beherrscht, der sogenannten 'moccromafia', die auch für die Ermordung des Kriminalreporters Peter de Vries verantwortlich sein soll, wie Winter schreibt. "International bekannt wurde der Begriff 'mocromaffia' durch den berüchtigtsten Mafiaboss, Ridouan Taghi, auch 'Der Kleine' genannt. Taghi ist kein Nachkomme von Emigranten. Er wurde in Marokko in einer an das Rifgebirge angrenzenden Stadt geboren. Mit drei Jahren kam er 1980 in die Niederlande und wuchs im Herzen des Landes in Vianen auf, einer Kleinstadt mit einem pittoresken Zentrum. Schon als Jugendlicher scherte sich Taghi nicht um die Gesetze. Mit fünfzehn wurde er zum ersten Mal wegen Waffenbesitzes und Einbruchs verurteilt. Und ebenso rasch wurde er ein führendes Mitglied der Unterwelt. Er kümmerte sich vornehmlich um den Kokainhandel. Es gab eine Nachfrage, und als forscher Unternehmer wollte Taghi die Nachfrage befriedigen. Aber wie das so ist mit Unternehmungen, die auf einer geheimen Logistik und gegenseitigem Vertrauen beruhen: Es läuft immer mal etwas schief. Im Hafen von Antwerpen verschwand eine Kokainlieferung. Und das führte zu einem Bandenkrieg mit vielen Toten."

Can Dündar erzählt in Zeit online, wie Tayyip Erdogan versuchte, Interpol auf ihn anzusetzen, weil er angeblich Staatsgeheimnisse verraten habe. Interpol sei aber bemüht, sich nicht in dieser Weise missbrauchen zu lassen. Dennoch. Auf Interpol-Listen befänden sich einerseits Journalisten oder Menschenrechtlerinnen, andererseits natürlich auch tatsächlich Kriminelle: "Es muss Interpol erheblichen Aufwand bereiten, diese von den 'politischen Straftätern' zu unterscheiden. Es ist auch nicht schwierig sich vorzustellen, dass echte Kriminelle von dieser Verwirrung profitieren. Denn das Problem besteht nicht nur darin, herauszufinden, bei wem es sich tatsächlich um einen Kriminellen handelt, sondern auch darin, Gesuchte an ein Land ohne faire Rechtsprechung auszuliefern."
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Kulturpolitik

Kulturinstitutionen und -verbände machen sich große Sorgen um möglicher Weise wieder anstehende Schließungen, die für die Branchen zur Katastrophe werden können, schreibt Leon Scherfig  in der FAZ: "Weitere Einschnitte ob der vierten Corona-Welle sieht auch Eckart Köhne auf den Kulturbetrieb zukommen. Er ist Präsident des Deutschen Museumsbundes und sieht vor allem die Gefahr, dass die Menschen trotz guter Hygienekonzepte in den Gebäuden nicht mehr vor die eigene Haustür gehen. Eine seiner Befürchtungen hört man auch bei den Verantwortlichen für Konzerthäuser, Theater, Opern und Kinos: 'Wenn eine Art kulturelle Entwöhnung stattfindet, müssen wir künftig noch einmal ganz anders um Publikum werben.'"
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Stichwörter: Coronakrise, Corona, Kulturbetrieb

Internet

Twitter-Gründer Jack Dorsey ist als Chef des Unternehmens zurückgetreten - auf Druck von Investoren, denen Twitter nicht erfolgreich genug ist, fürchtet Andrian Kreye in der SZ: "Was die nun fordern (zweistelliges Wachstum bei den Nutzern, größere Marktanteile im Werbemarkt, eine straffere Firmenkultur), wird Auswirkungen haben, die jeden Winkel der Politik, Kultur und Medien erreichen werden."

Die Kritiker des "Überwachungskapitalismus" setzen ihre Hoffnungen zumeist auf die Staaten, so auch Shoshana Zuboff, Erfinderin des Begriffs, in einem Essay, den die Welt aus der New York Times übernimmt: "Wir brauchen Gesetzgeber, die bereit sind, sich auf ein einmaliges Jahrhundertprojekt einzulassen, das Informationsräume demokratisch aufbaut und reguliert. Die liberalen Demokratien sollten dabei voranschreiten, denn sie haben die Macht und die Legitimität dazu. Aber sie sollten wissen, dass ihre Verbündeten und Mitarbeiter die Menschen sind, die in allen Gesellschaften gegen eine dystopische Zukunft kämpfen."
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Medien

Die Journalistin Nemi El-Hassan konnte wegen Likes unter antisemitischen Tweets nicht beim WDR anfangen. Moritz Baumstieger legt jetzt in der SZ eine Recherche zu den arabischen Journalisten der steuerfinanzierten Deutschen Welle vor, von denen viele sich in den sozialen Medien durch krass antisemitische Äußerungen bis hin zur Holocaustleugnung hervortaten. :"Bei der Deutschen Welle ist weit eindeutigeres Verhalten im Netz bislang nicht karriereschädlich. Ein Trainer der DW-Akademie, der in Beirut journalistische Workshops gibt, twitterte neben vielen anderen fragwürdigen Dingen 'Der Holocaust ist eine Lüge #FreedomOfSpeech'. Und auf den Tweet einer bekannten libanesischen Sängerin während einer Eskalation in Gaza, dass es kein Israel gebe, sondern nur ein 'IsraHELL', antwortet er: 'All meinen Respekt'."  Die Deutsche Welle will die Vorwürfe extern untersuchen lassen, meldet Spiegel online.
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Gesellschaft

Natürlich ärgert es ihn, wenn er sieht, dass seine Patienten ungeimpft sind, sagt der sächsische Intensivarzt Uwe Krause im Gespräch mit Rieke Wiemann von der taz: "Obwohl sie auf der Intensivstation liegen, sind manche Patient*innen immer noch der Meinung, dass es das Coronavirus gar nicht gibt oder dass sie nicht infiziert seien, sie eine andere Erkrankung hätten. Viele wollen sich trotz wochenlangem Krankenhausaufenthalt weiterhin nicht impfen lassen. Das macht mich wütend. Weil die Betten, die diese Patient*innen belegen, anderen Patient*innen vorenthalten werden." Im Landkreis Leipzig liegt die 7-Tage-Inzidenz am Dienstag bei 1.582, sagt er auch und dass man sich rechtzeitig boostern lassen sollte.

Und währenddessen in Rottweil, in einem Bericht von Benno Stieber, ebenfalls in der taz: "Anfang Oktober dann protestieren Eltern der Waldorfschule Rottweil gegen die Schulleitung ihrer selbstverwalteten Bildungseinrichtung. Und zwar weil der Direktor das macht, was er gesetzlich machen muss: Masken- und Testpflicht an der Schule durchsetzen. Etwa fünfzehn Eltern stehen am Einschulungstag der Fünftklässler mit ihren Kindern und Transparenten vor der eigenen Schule. Es kommt zu unschönen Szenen vor den Kindern, die Schulleitung beklagt sich, sie sei 'unflätigen Beschimpfungen' ausgesetzt worden. Die Eltern bestreiten das."

Während die Inzidenzen immerhin leicht sinken, warnen Berliner Chefärzte die Bevölkerung in einem Appell, den der Tagesspiegel zitiert, angesichts der mit Ungeimpften überbelegten Intensivstationen vor riskanten Verhaltensweisen: "Dazu zählt etwa Extremsport auszusetzen, riskanten Drogenkonsum zu vermeiden und nur äußerst wachsam am Straßenverkehr teilzunehmen."

Und in seiner taz-Kolumne fragt sich Ilija Trojanow, warum sich die Politik von Impfgegnern einschüchtern lässt.
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