9punkt - Die Debattenrundschau

Reines Anzeigengeschäft

Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
14.03.2014. Zu den ärgsten Feinden des Netzes müssen die Reporter ohne Grenzen nach den Geheimdienstenthüllungen auch die USA und Großbritannien zählen. Auch Mark Zuckerberg macht sich neuerdings Sorgen: "Ich habe Präsident Obama angerufen." Die SZ gibt ihre Kooperation mit Putins Propagandajounal Russland heute vorerst auf, meldet die taz. Ist Putins Freund und Unterstützer Valery Gergiev für München noch tragbar?
Efeu - Die Kulturrundschau vom 14.03.2014 finden Sie hier

Überwachung

Die Organsiation Reporter ohne Grenzen hat ihren jährlichen Bericht über "Feinde des Internets" vorgelegt. Zu den üblichen Verdächtigen aus Russland, China und Iran gesellen sich in diesem Jahr auch die westlichen Geheimdienste NSA und GCHQ. "Die zentrale Rolle von Behörden wie der NSA und dem GCHQ bei der flächendeckenden Überwachung von Millionen Menschen wiegt umso schwerer, als sie jeder westlichen Kritik an autoritären Staaten wie China, Saudi-Arabien oder Turkmenistan den Wind aus den Segeln nimmt", so ROG-Vorstandsmitglied Matthias Spielkamp. "Wer selbst massenhaft Bürger ausspäht, kann andere Regierungen kaum glaubwürdig zu mehr Achtung der Informationsfreiheit im Internet drängen." Veranschaulicht wird der Bericht durch eine interaktive Infografik.

Als Reaktion auf den NSA-Skandal planen Vodafone und Telekom, verschlüsselte Handykommunikation für Privatkunden anzubieten, meldet Pavel Lokshin auf Zeit digital: "Wann Privatkunden das System nutzen können, kann Vodafone-Pressesprecher Markus Teubner nicht sagen. Nur eines ist klar: Das geplante monatliche Nutzungsentgelt soll bei etwa zwölf Euro liegen. Teubner betont, dass Vodafone wegen der Snowden-Enthüllungen ausschließlich deutsche IT-Infrastruktur nutzen werde. Offenbar bemüht sich die deutsche Vodafone-Tochter, nicht in einem Atemzug mit dem britischen Mutterkonzern genannt zu werden. Dieser kooperiert mit dem Geheimdienst GCHQ."
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Medien

(Via turi2) Peinlich war diese Beilage schon immer. Jetzt ist sie wohl nicht mehr haltbar. Seit Jahren legt die SZ gegen Geld einmal monatlich Putins Auslands-Propaganda-Journal Russland heute bei. Das wird nun vorerst eingestellt, meldet die taz: "Der stellvertretende SZ-Chefredakteur Wolfgang Krach weist darauf hin, dass die Redaktion mit dieser 'Imagebeilage gegen Bezahlung' nichts zu tun habe. Es handele sich um ein reines Anzeigengeschäft. Die Redaktion habe allerdings den Verlag darum gebeten, Russland Heute bis auf Weiteres nicht erscheinen zu lassen."
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Kulturpolitik

"Ist Gergiev für München noch tragbar?", fragt Eleonore Büning in der FAZ. Valery Gergiev ist Putins Lieblingsdirigent, leitet nebenbei die Münchner Philharmoniker, hat noch ein Sterbenswörtchen zu dessen Schwulenpolitik verloren. Und hat sich nun nochmals offiziell für Putins Politik ausgesprochen, indem er einen Künstleraufruf unterzeichnete, der die Annektion der Krim ausdrücklich unterstützt. Büning: "Sollte das russische Militär auf der Krim tätig werden, sollte Putin Völkerrecht brechen, dann wird die Stadt München ihren vermutlich teuersten Angestellten, GMD Gergiev, nicht mehr im Vertrag behalten können. Spätestens dann." Übrigens zählt München Kiew zu seinen Partnerstädten.
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Europa

Wolf Lepenies trifft für die Welt den Historiker Andrij Portnov aus Dnjepropetrowsk, der sich gerade in Berlin aufhält und einen Pluralismus für die Ukraine fordert: "Wir haben - im Gegensatz etwa zu Polen - nicht eine einzige nationale Erzählung, sondern mehrere. Und wir müssen dafür sorgen, dass diese verschiedenen Erzählungen nebeneinander existieren können."

Gerhard Schröder hat Deutschland in die Abhängigkeit vom russischen Gas geführt, beklagt Christoph Schwennicke im Cicero und hofft auf "eine Art Luftbrückenmentalität des Westens... Norwegen könnte mehr Gas liefern, die Niederlanden. Vielleicht könnte ja auch Deutschland selbst mehr Gas fördern. Zumindest vorübergehend. Zudem könnten wir unsere Anstrengungen beim Energiesparen verstärken. Ein solches Signal würde selbst Putin verstehen. Denn am Ende ist es so wie bei allen Geschäften: Die Macht der Kunden ist wesentlich größer als die Macht des Anbieters, zumindest dann, wenn sich die Kunden einig sind".
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Internet

Der Blogger Airen erzählt in der Welt, wie aus dem Meme um den Internethund "Doge" eine neue Währung entstand, der "Dogecoin", der nun tatsächlich dem Bitcoin Konkurrenz macht: "Der Hype lief an: Innerhalb einer Woche hatte Dogecoin 1000 Follower bei Twitter, 1800 Likes bei Facebook und 2600 Abonnenten bei Reddit. Es dauerte nicht lang, und die ersten Dogecoins wurden gegen Bitcoins getauscht, die Währung erhielt einen monetären Wert. Nur zehn Tage nach dem Start hatte Dogecoin bereits eine Marktkapitalisierung von 1,5 Millionen US-Dollar."

"Ich bin verwirrt und frustriert von den ständigen Berichten vom Umgang der US-Regierung mit dem Internet", schreibt Mark Zuckerberg auf seiner Facebook-Seite. "Ich habe Präsident Obama angerufen und meinem Ärger Luft gemacht über den Schaden, den seine Regierung an unser aller Zukunft anrichtet. Leider scheint eine gründliche Reform noch in weiter Ferne zu sein." Schade - aber dann eben ohne die Politik, meint Zuckerberg: "Es ist also an uns - an uns allen -, das Internet zu erschaffen, das wir wollen. Gemeinsam können wir einen Raum erschaffen, der größer und wichtiger, aber auch sicherer ist als das Internet heute."

Weniger zuversichtlich fallen einige der Antworten der Wissenschaftler und Ingenieure aus, die das Wall Street Journal danach gefragt hat, wie sie sich das Internet in 25 Jahren vorstellen. Zum Beispiel Llewellyn Kriel, CEO von TopEditor International Media Services: "Cyberterrorismus wird normal sein. Privatsphäre und Vertraulichkeit wird ein Ding der Vergangenheit sein. 'Online-Krankheiten' - geistige, körperliche, soziale Krankheiten sowie die Abhängigkeit von Psycho-Cyperdrogen - werden Familien und die Gesellschaft infizieren und sich über alle Grenzen hinweg verbreiten."

Der Tagesspiegel meldet, dass Facebook heute damit beginnt, seine Nutzer mit 15-sekündigen Werbespots zu behelligen. Ein einzelnes Video soll Facebook pro Tag bis zu 2,5 Millionen Dollar bringen. Dazu, ob diese Maßnahme der Sicherheit dient, äußert Zuckerberg sich allerdings nicht.
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