9punkt - Die Debattenrundschau

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Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
16.12.2016. Heinrich August Winkler erinnert die SPD im Vorwärts an ein paar Grundsätze der Russlandpolitik. Die von der EU gefeierten "Migrationspartnerschaften" mit afrikanischen Ländern laufen in Wahrheit auf eine Erpressung hinaus, hat die taz recherchiert. Facebook will mit Faktencheckern und den Nutzern zusammenarbeiten, um Fake News zu bekämpfen, meldet turi2. Die Achse Moskau-Teheran-Damaskus wird das Gemetzel in Syrien fortsetzen, und der Westen wird weiter tatenlos zusehen, schreibt Richard Herzinger in der Welt.
Efeu - Die Kulturrundschau vom 16.12.2016 finden Sie hier

Europa

Im Vorwärts und nirgends sonst bringt Heinrich August Winkler den Sozialdemokraten ein paar politische Prinzipien in Erinnerung, die sie im Namen einer nachträglich romantisierten "Ostpolitik" zu verdrängen drohen: "Deutschland würde Europa und den Westen spalten, würde es der Illusion verfallen, es könne eine Politik der Äquidistanz zwischen Russland und dem Westen betreiben oder zwischen beiden als Vermittler auftreten. Deutschland ist ein Teil des demokratischen Westens und schuldet den Ländern eine besondere Solidarität, die 1939 Opfer einer deutsch-sowjetischen Doppelaggression, der unmittelbaren Konsequenz des Hitler-Stalin-Pakts, wurden."

Die taz liefert eine bemerkenswerte - teils von Stiftungen finanzierte (mehr hier) - Recherche zu den von der EU geplanten "Migrationspartnerschaften" mit afrikanischen Ländern. Land für Land wird die Situation dokumentiert, online und öffentlich zugänglich. Die Sache läuft auf Erpressung der afrikanischen Länder hinaus, schreibt Christian Jakob: "Liefern afrikanische Länder keine 'konkreten Ergebnisse bei einer besseren Steuerung der Migration', werden 'Engagement und Hilfe angepasst'. Wer nicht liefert, soll nicht nur Hilfszahlungen, sondern auch Marktzugänge verlieren. 'Erzeugung und Nutzung der erforderlichen Hebelwirkung unter Einsatz aller einschlägigen - auch entwicklungs- und handelspolitischen - Maßnahmen, Instrumente und Hilfsmittel der EU' wird das genannt." "Grenzüberwachung ist keine Lösung", sagt der zuständige Direktor des Westafrika-Staatenbundes Ecowas Sanoh N'Fally dazu, vergisst allerdings auszuführen, was denn - außer mehr Geld für Entwicklungshilfe - die eigentliche Lösung sein soll.

Auch Correctiv legt eine investigative Serie vor - über fortgesetzte Schmiergeldzahlungen deutscher Unternehmen im Ausland, für die das Stahlunternehmen Ferrostaal offenbar wie eine Agentur wirkt, schreibt Frederik Richter: "In einer mehrteiligen Serie zeigen wir, wie Ferrostaal und andere nicht nur im Ausland schmierten, sondern auch in Deutschland Landschaftspflege betrieben. Wie Politiker und Behörden dieses System mit Exportgarantien stützen und wie Ermittler vor dubiosen Geschäftspraktiken die Augen verschließen."

Auch wenn Andrea Nahles das nicht gern hören wird: Es gibt sie noch - säkulare Sozialdemokraten. Klaus Staeck schreibt in der SZ zum Kopftuch an Gerichten und auch an Kindergärten und macht zunächst mal klar: "Wer ernsthaft an Integration in unsere und nicht irgendeine Gesellschaft interessiert ist, könnte ja auch im Interesse des allgemeinen gesellschaftlichen Friedens von selbst auf die Idee kommen, aus freien Stücken im Unterricht auf dieses streitbefangene Tuch zu verzichten. Es gibt in Zeiten schwindenden Vertrauens auch in die staatlichen Institutionen genügend Bequemlichkeit und Feigheit, die sich als Toleranz tarnen." Und: "Wer sich vor Gericht verantworten muss, hat Anspruch auf neutrale und objektive Richter."

Der Historiker Gregor Schöllgen legt in der FAZ ein gutes Wort für die Türkei ein. Auch die Wiedereinführung der Todesstrafe wäre für ihn kein Grund, keine guten Beziehungen zu suchen: "Wer der Türkei für den Fall der Wiedereinführung der Todesstrafe den Eintritt in die Wertegemeinschaft der Europäischen Union verwehrt, müsste die gemeinsame Mitgliedschaft mit Amerika in der Wertegemeinschaft der Nato aufkündigen."
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Ideen

In der NZZ denkt Carlo Strenger, Professor für Psychologie und Philosophie an der Universität Tel Aviv, über die Liebe zu Ratings nach: "Woher kommt die Obsession für das quantifizierte Selbst? So modern die Messmethode, so klassisch die Intention. Die neue Besessenheit hat ihre Ursache in einem zutiefst menschlichen Bedürfnis - der Angst nämlich, spurlos von dieser Welt zu verschwinden. Oder positiv formuliert: Wir alle wollen Spuren hinterlassen. Das allein versöhnt uns mit unserer Sterblichkeit, die wir als angeblich selbstbestimmte Wesen als Skandalon par excellence empfinden."
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Kulturpolitik

Die Sammlung Gurlitt kommt nun endgültig nach Bern. 'Aber die Raubkunstdebatte ist damit nicht beendet, schreiben Jörg Häntzschel und Catrin Lorch in der SZ: "Wie bedeutend der Fall für die Debatte war, darin sind sich alle einig: 'Erst durch den Fall Gurlitt ist die Öffentlichkeit auf diese ungeheuer wichtige und ebenso schwierige Aufgabe aufmerksam geworden, die unsere Museen leisten und noch leisten müssen', sagt Christiane Lange, Direktorin der Staatsgalerie Stuttgart."
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Medien

(Via turi2) Die ARD will höhere Gebühren, meldet die Morgenpost unter Bezug auf den Evangelischen Pressedienst, dem ein Strategiepapier der Anstalten vorliegt. Vor allem aber wollen sich die Sender wesentlich stärker ins Netz ausdehnen und fordern entsprechende Gesetzesänderungen: "Die Herausforderung liege darin, 'ein den Bedürfnissen und Erwartungen der Nutzer entsprechendes mediengattungsübergreifendes Angebot auf unterschiedlichen Ausspielwegen zu schaffen'. Dafür werden entsprechende medienpolitische Weichenstellungen, zum Beispiel bei den Auflagen für Telemedien, gefordert."
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Internet

Facebook will mithilfe von unabhängigen Factcheckern und der Nutzer Fake News eindämmen, meldet Markus Trantow in turi2 unter Bezug auf verschiedene Quellen: "Die vier Start-Partner sind Snopes, Politifact, ABC News und FactCheck.org, weitere sollen folgen. Identifizieren mindestens zwei der Partner eine Meldung als Fake, erscheint im Text eine Inhaltswarnung. Nutzer die den Artikel dennoch teilen wollen, werden mehrfach gewarnt, verhindern will Facebook das Teilen der Fakes aber nicht. Allerdings straft das Netzwerk die Postings ab - sie erscheinen weiter unten im Newsfeed.

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Stichwörter: Facebook, Fake News

Politik

Mit Aleppo ist das Gemetzel - und das peinliche Herumdrucksen der westlichen Öffentlichkeiten - nicht beendet, schreibt Richard Herzinger in der Welt:  "Es ist zu erwarten, dass die Kriegsachse Moskau-Teheran-Damaskus dieselben Methoden des Aushungerns und Terrorisierens der Zivilbevölkerung durch Dauerbombardements auch in Idlib und den anderen verbliebenen Rebellenhochburgen anwenden wird. Und alles offizielle Wehklagen über die Schande von Aleppo kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die internationale Staatengemeinschaft wohl auch diese Gräuel tatenlos zulassen wird."

Barack Obama wird heute Maßnahmen gegen die russischen Hacks ankündigen - bei NPR.org werden Ausschnitte aus einem Interview publiziert, das heute morgen (amerikanischer Zeit) ausgestrahlt wird. Hier ein kurzer Auszug:

Und dann noch, gefunden bei quartz.com, die Überschrift des Tages zu Donald Trumps Milliardärskabinett: "Trump's 17 cabinet-level picks have more money than a third of US households combined."
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