9punkt - Die Debattenrundschau

VDS lehne ich entschieden ab

Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
19.06.2015. In der New York Times schreibt Henry Louis Gates einen Nachruf auf den charismatischen Pastor und Politiker Clementa Pinckney, der in Charleston ermordet wurde. Der Papst kritisiert in seiner Enzyklika nicht nur die Umweltzerstörung, sondern auch das Internet, hat Rue89 herausgefunden. In der taz hofft der Jurist Christian Rath, dass die Vorratsdatenspeicherung vor Gericht gestoppt oder korrigiert wird. Bei Politico.eu kommentiert Flemming Rose den heftigen Rechtsruck in Dänemark.
Efeu - Die Kulturrundschau vom 19.06.2015 finden Sie hier

Politik

Der Attentäter von Charleston agierte nicht irgendwann und irgendwo, sondern am Jahrestag eines Sklavenaufstands in eben dem Ort, an dem er neun Menschen erschoss, und er erteilte den Amerikanern eine Geschichtsstunde, so Rebecca Traister in der New Republic, "deren Lehre wir uns beharrlich verweigern: Unsere rassistische Vergangenheit ist nicht vergangen. Sie ist Gegenwart. Sie ist endlos. Wir scheinen im Innersten unfähig zu erkennen, dass unser Rassismus im Grunde unverändert ist."

Clementa Pinckney, so schreibt Henry Louis Gates in der New York Times in einem Nachruf auf den ermordeten Pastor und Politiker, hätte eine große Zukunft gehabt: "Es musste einen Grund geben, dass dieser junge Mann sich mit 13 zum Predigen berufen fühlte, mit 18 Gottesdienste leistete, mit 23 ins Parlament von South Carolina ging und mit 26 eine der historisch bedeutungsvollsten Kirchen Amerikas leitete." Gates hatte Pinckney vor drei Jahren für eine Dokumentarserie ausführlich interviewt.

Der wirtschaftliche Aufschwung Asiens schürt auch machtpolitische Konflikte, die gefährlich eskalieren könnten, fürchtet Urs Schoettli in der NZZ: "Es ist aufgrund vergangener Erfahrungen mit Mächten, die ihren "Platz an der Sonne" anstrebten, damit zu rechnen, dass die großen Kriege der kommenden Jahrzehnte sich in Asien abspielen könnten. Das Südchinesische Meer, auf das Peking aufgrund historischer chinesischer Handelspräsenz großflächig Anspruch erhebt, könnte dabei sehr wohl zu einem ersten Kriegsschauplatz werden. Ein gefährlicher Cocktail von chinesischen Verwundungen, unbewältigter Geschichte, neu-alten Nationalismen, nachbarschaftlichem Misstrauen, externer Einflussnahme und geopolitischen Ambitionen kann sich jederzeit in offene Gewalt entladen."
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Internet

(Via Rue89) Der Papst hat sich in seiner neuen Enzyklika "Laudato Si" nicht nur zur Umweltpolitik geäußert, sondern bekennt auch eine zwiespältige Haltung zum Internet: "Die Dynamiken der sozialen und digitalen Kommunikationsmittel, die allgegenwärtig sind, begünstigen nicht die Entwicklung eines Lebens in Weisheit, eines tiefen Denkens, einer großzügigen Liebe... Das erfordert von uns eine Anstrengung, um mit diesen Mitteln eine neue kulturelle Entwicklung der Menschheit zu erreichen und nicht ihre tiefsten Reichtümer zu zerstören."
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Überwachung

Sigmar Gabriel hat das Thema Vorratsdatenspeicherung aus der Versenkung geholt - "ohne Not. Ohne Absprache. Und ohne Ahnung vom Thema zu haben", ärgert sich der Jurist Christian Rath in der taz. "Die Vorratsdatenspeicherung ist ein Musterbeispiel für unverhältnismäßige Kriminalpolitik. Gut möglich, dass sie erneut vor Gericht gestoppt oder korrigiert wird - wie so viele Sicherheitsgesetze vorher. In Belgien hat das Verfassungsgericht erst vorige Woche die Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erkärt. Aber interessiert so etwas die SPD-Spitze?" Seinen Genossen Heiko Maas hat Gabriel jedenfalls schon überzeugt, vor einem halben Jahr hörte sich der noch so an:


Den umgekehrten Weg, von der Vorratsdaten-Befürworterin zur -Gegnerin (hier ihre kritische Stellungnahme im pdf), hat die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Andrea Voßhoff (CDU) hinter sich. In ihrem ersten Tätigkeitsbericht (hier im pdf) erweist sie sich als überraschend streng und regierungskritisch, berichtet Patrick Beuth auf Zeit digital: "Unter anderem bemängelt Voßhoff, "das System der Checks and Balances im Bereich der Nachrichtendienste" sei "in eine massive Schieflage geraten". Während die Aufgaben, Befugnisse und die Ausstattung der Sicherheitsbehörden "erheblich ausgebaut" worden seien, könne sie selbst angesichts der ihr "zur Verfügung stehenden geringfügigen Personal- und Sachmittel" ihre Kontrollaufgaben nicht mehr angemessen erfüllen."

Weiteres: Für die FAZ hat Julia Voss im Frankfurter Kunstverein die Werkschau des amerikanischen Fotografen Trevor Paglen besucht, der sich mit Überwachung und politischer Einflussnahme auseinandersetzt.
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Gesellschaft

Ist die Bürgerrechtlerin Rachel Dolezal, die sich als Schwarze ausgegeben hat, Vetreterin einer Avantgarde, die ethnische Kategorien als soziale Konstrukte entlarven will? Diese Vorstellung krankt daran, dass sie aus weißer Perspektive gedacht ist, meint Jasmin Kalarickal in der taz: "Denn während sich potenziell jeder weiße Mensch als irgendetwas inszenieren kann, funktioniert das für Schwarze meist nicht. Da bestimmt der Hautton die Realität."

Filip Piatov hatte neulich in der Welt kritisiert, dass viele junge Israelis in Berlin häufig zur Fraktion der strikten Israelkritiker gehören (unser Resümee). Darauf antwortet heute Igor Mitchnik: "Vielleicht ist die israelische Einwanderung nach Deutschland sogar das Beste, was Deutschland aus jüdischer Perspektive passieren konnte. Sie hat das Potenzial, nicht nur den Dialog zwischen Juden und Nicht-Juden zu entkrampfen, sondern die deutsche Mehrheitsgesellschaft mit der natürlichen jüdischen Vielfalt zu konfrontieren. Einer Vielfalt, die für Juden und andere jüdische Gemeinden weltweit - wie in den USA, Frankreich und Großbritannien - gang und gäbe ist. Ein Segen für das jüdische Leben hier!"
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Europa

Flemming Rose, Chefredakteur von Jyllands-Posten, kommentiert bei Poltico.eu den Ausgang der dänischen Wahlen: "Vor über 15 Jahren prophezeite Poul Nyrup Rasmussen, der sozialdemokratische Ministerpräsident von Dänemark, dass die Dänische Volkspartei wegen ihrer immigrantenfeindlichen Politik niemals vom politischen Establishment anerkannt würde. Heute stimmte der Vorsitzende der Volkspartei, Kristian Thulesen Dahl, mit seinen Anhängern die Liverpooler Fußball-Hymne "You"ll never walk alone" an." Und die rechtspopulistische Partei könnte Teil einer neuen und recht europaskeptischen Regierung werden.
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Medien

(Via turi2) Die Öffentlich-Rechtlichen wissen gar nicht mehr, wohin mit all dem Geld, meldet das Handelsblatt: "Die Einnahmen aus dem Rundfunkbeitrag zur Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender wachsen weiter. 2014 stiegen sie im Vergleich zum Vorjahr um 643 Millionen Euro auf 8,324 Milliarden Euro. Das ist ein Plus von 8,37 Prozent. Fünf Millionen Wohnungen wurden 2014 neu für den Rundfunkbeitrag angemeldet, zwei Millionen abgemeldet. Folglich ergibt sich ein Zuwachs von drei Millionen Wohnungen, so dass nunmehr knapp 40 Millionen Wohnungen vom Beitragsservice von ARD und ZDF erfasst sind."

Gestern Abend wurden die Grimme Online Awards vergeben, etwa an den beliebten E-Mail-Newsletter Checkpoint des Tagesspiegel, mehr bei Spiegel online. Frauke Gerlach, Chefin des Grimme Instituts, redet wie eine Papiermaschine. Auf die Frage des Meedia-Autors Marvin Schade, ob sich der Preis nicht als Förderer unabhängiger Medien verstehe, antwortet sie: "Der Grimme Online Award ist ein Qualitätspreis. Das bedeutet, dass er jene hervorhebt, die Qualität leisten. Ein anderes Ziel ist auch Orientierung zu bieten. Wir wollen aufzeigen, was Qualität im Internet ausmacht, wie sie sich entwickelt hat - das wollen wir zukünftig auch mithilfe des Grimme-Forschungskollegs, das wir mit der Universität Köln gegründet haben, stärker dokumentieren. So verstehen sich der Grimme Online Award wie auch der Grimme-Preis als Beitrag zur Medienbildung."

Weiteres: Ziemlich drastische Kürzungen stehen dem Wall Street Journal bevor, melden viele Medien, hier etwa Hadas Gold bei Politico.eu. Und in der FR schildert Wolfgang Kunath, wie der ecuadorianische Präsident Rafael Correa die Pressefreiheit einschränkt.
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Religion

Middle East Eye veröffentlicht eine vergleichende Übersicht der Rechtsauffassungen von Islamischem Staat und Saudi Arabien.


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