9punkt - Die Debattenrundschau

Wie Ideen gemacht werden

Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
11.03.2016. Heiko Maas kassiert die Fünfjahresregel im geplanten neuen Urheberrechtsgesetz ein, meldet die FAZ - aber Total-Buy-Out-Verträge bleiben erlaubt. Die NZZ erinnert an den Universalgelehrten Conrad Gessner. Bei den Kolumnisten fürchtet der Ökonom Norbert Häring die Abschaffung des Bargelds. Die SZ bringt ein Loblied auf das Berliner Haus der Kulturen der Welt.
Efeu - Die Kulturrundschau vom 11.03.2016 finden Sie hier

Urheberrecht

(Via turi2) Die Regel, nach der Urheber nach fünf Jahren wieder Anspruch auf ihr Werk haben, wird kassiert, meldet die FAZ in ihren Wirtschaftsseiten. Bundesjustizminister Heiko Maas hat seinen Entwurf nach heftigem Druck aus den Verlagen überarbeitet: "Diese Frist wird nun auf zehn Jahre verdoppelt. Außerdem darf der Verwerter eine schon aufgenommene Nutzung fortsetzen." Noch wichtiger ist vielleicht, dass laut FAZ auch das geplante Verbot von Pauschalvergütungen gestrichen wurde. Damit bleiben sogenannte Total-Buy-Out-Verträge legal, was alle Verwerterindustrien freuen dürfte. Urheber erhalten lediglich ein Auskunftsrecht, um zu erfahren, was mit ihren Werken so geschieht.

Der Prozess um die Ausschüttungen der VG Wort (sollen sie nur an die Autoren gehen oder auch an Verlage?) geht immer noch weiter. Die für gestern vorgesehene Entscheidung des BGH wird verschoben, berichtet Christian Ratz in der taz: "Der Vorsitzende BGH-Richter Wolfgang Büscher ließ in der zweistündigen Verhandlung erkennen, dass er die Sache noch nicht für entscheidungsreif hält. Wie es weiter geht, will der Senat am 21. April verkünden."
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Gesellschaft

Im Interview mit Sören Heim von den Kolumnisten spricht der Ökonom Norbert Häring von einer regelrechten Verschwörung gegen das Bargeld, die von den Banken angeführt werde. Auf die Frage, wer am meisten unter der Abschaffung von Bargeld leiden würde, antwortete er: "Wenn Bargeld nicht mehr nutzbar ist, dann kann eine Regierung jeden Bürger jederzeit ohne Gerichtsbeschluss fertig machen, vor allem die amerikanische. Das macht sie schon gegenüber Organisationen, die praktischer Weise nicht auf Bargeld ausweichen können. Sie muss einfach nur die allesamt amerikanischen Kreditkartenfirmen und die überwiegend amerikanischen sonstigen Zahlungsdienstleister wie Paypal 'bitten', den Zahlungsverkehr für bestimmte Leute oder Organisationen nicht mehr abzuwickeln, und schon haben diese allergrößte Probleme. Das wurde etwa weltweit mit Poker- und Backgammonwebsites gemacht, oder mit Wikileaks."
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Politik

Paul-Anton Krüger berichtet in der SZ, dass ein Gericht in Oran, der zweitgrößten Stadt Algeriens, den Salafisten-Prediger Abdel Fattah Hamadache, der Kamel Daoud zum Apostaten erklärt hatte, zu sechs Monaten Haft verurteilt hat, davon drei ohne Bewährung, ein Urteil, "das der führende algerische Journalist Adlène Meddi, Chefredakteur der Wochenendausgabe von El-Watan, als 'Premiere in der arabisch-muslimischen Welt' bezeichnet. Es sei das erste Mal, dass ein Fundamentalist wegen Todesdrohungen gegen einen Intellektuellen verurteilt werde."
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Überwachung

Überraschung! NSA-Daten werden bald auch routinemäßig genutzt, um private Daten von Amerikanern auszuspionieren (alle anderen sowieso), berichtet Radley Balko in der Washington Post unter Verweis auf die New York Times und einen Beitrag im Blog Privacy SOS: Künftig "brauchen FBI-Beamte keine Begründung in der 'nationalen Sicherheit' mehr, um Ihren Namen, Ihre E-Mail-Adresse, Telefonnummer oder andere 'Selektoren' in den ungeheuren Datenschatz der NSA einzutippen. Sie können einfach im Rahmen von Routine-Untersuchungen in Ihren privaten Informationen herumstochern."
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Wissenschaft

In der NZZ erinnert Thomas Ribi an den vor 500 Jahren geborenen Universalgelehrten Conrad Gessner. Mit 35 Jahren war er Professor für Physik in Zürich und stand kurz davor, mit der "Historia Animalium" ein zoologisches Grundlagenwerk zu veröffentlichen. "Ungewöhnlich war das zu Gessners Zeit nicht. Am wenigsten bei einem Mann wie ihm, der die klassischen Sprachen, Medizin und Naturwissenschaften studiert und sich weit über Zürich hinaus den Ruf eines Universalgelehrten erworben hatte. Schon als junger Mann hatte er wissenschaftliche Schriften verfasst - über Heilmittel und Pflanzen, über die Irrfahrten des Odysseus, über Milchwirtschaft, Aristoteles und theologische Fragen. Als Erster hatte er Marc Aurels 'Selbstbetrachtungen' herausgegeben und eine wegweisende Bibliografie der damals wichtigen Bücher zusammengestellt, er hatte lateinische und griechische Gedichte geschrieben und war in Lausanne Professor für Griechisch gewesen."

Seit dreihundert Jahren heißt es, dass die Universalgelehrten aussterben. Aber welcher war denn nun wirklich der letzte seit Leibniz, überlegt in der NZZ Uwe Justus Menzel: Humboldt? Tagore? Eco?
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Kulturpolitik

Jörg Häntzschel singt in der SZ ein Loblied auf das Haus der Kulturen der Welt in Berlin und seinen Leiter Bernd Scherer, der viele originelle interdisziplinäre Projekte erfand: "Wie hier Ideen gemacht werden, kann man erleben, wenn Scherer mit seinen Kuratoren konferiert. In zwei Stunden geht es um Flüchtlinge in Berlin, um eine Band aus Mali, denen die Islamisten die Musik verboten haben, um Punk in Jugoslawien, um Radiohören im Schützengraben und darum, wie es das Singen verändert hat. Es geht um die Erfindung des Vocoders als Verschlüsselungstechnologie, um Ratingagenturen..." Und so weiter!
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