9punkt - Die Debattenrundschau

Kommentierter Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.

Null Koalition

08.04.2024. Vor einem halben Jahr verübte die Hamas ihre Pogrome an israelischen Zivilisten. Die Medien bringen viele pessimistische Einschätzungen der Lage: Gegen Al Qaida oder den Islamischen Staat kämpften noch Bündnisse, Israel steht alleine da, meint Bernard-Henri Lévy im Midi Libre. Israel ist zum Paria-Staat geworden, findet Jonathan Freedland im Guardian. Das "Nie wieder" war nie so gemeint, fürchtet Howard Jacobson in Unherd. Serhij Zhadan hat sich zur Armee gemeldet, sein Übersetzer Juri Durkot erklärt in der Welt, warum. Russen würden nie eine Schuld zugeben, erzählt Viktor Jerofejew in der NZZ.

Die gleichen, alten Methoden

06.04.2024. Die Universität Köln hat Nancy Fraser die Einladung zur Albertus-Magnus-Professur 2024 entzogen, weil sie den Brief "Philosophy for Palestine" unterschrieben hat - renommierte deutsche Geisteswissenschaftler protestieren. Die SPD hat sich das "ostpolitische Gute-Nacht-Lied" solange vorgesungen, bis das politisch-kritische Denken eingeschläfert wurde, meint der Historiker Jan C. Behrends bei Spon. Unterstützung bekommt Olaf Scholz indes von Juli Zeh in der Berliner Zeitung. In der taz berichten die ungarischen Schriftsteller Dénes Krusovszky und Ferenc Czinki, wie der Kulturbetrieb in Ungarn zunehmend zentralisiert wird.

Gleichsam kollektive Entwöhnung

05.04.2024. Die FAZ fragt: Warum gibt die ARD für Sport mehr Geld aus als für Politik und Gesellschaft? Philipp Oswalt fordert Claudia Roth jetzt auf, alle Teile am Berliner Stadtschloss, die von Rechtsextremen gespendet wurden, schwärzen zu lassen und die Spendenbeträge an antirassistische Initiativen weiterzureichen, meldet der Tagesspiegel. In der FR will Yanis Varoufakis Frieden schaffen, indem er der Ukraine den Eintritt in die Nato verwehrt. Der Spiegel erzählt, wie Microsoft ein Problem bei Linux entdeckte.

Alle Warnzeichen verdrängt

04.04.2024. Vor dreißig Jahren begann der Völkermord in Ruanda - und Deutschland hat es noch immer nicht geschafft, die eigenen Rolle im Konflikt aufzuarbeiten, ruft die Zeit. hpd.de berichtet mit Sorge davon, wie britische Behörden vor radikalen Islamisten zurückweichen. Die NZZ befürchtet, dass das schottische Hate-Speech-Gesetz nur der Anfang einer weltweiten Einschränkung der Meinungsfreiheit ist. Die FR ist im Kulturkampfmodus und teilt gegen Susanne Schröter und Ahmad Mansour aus.

Zu großen Teilen in Rot

03.04.2024. In der FAZ bezichtigt Nikolaus Klimeniouk die Zeitungen, über Jahre hinweg für Verständnis für Russland geworben und die deutsche Politik beeinflusst zu haben. Derweil wirft der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev der Berliner Zeitung vor, ein Sammelbecken der Russophilie geworden zu sein. Erdogans Handelsbeziehungen zu Israel sind mitverantwortlich für seine Wahlschlappe, glaubt Bülent Mumay in der FAZ. In der SZ sieht Meron Mendel die Kunstfreiheit sowohl von Pro-Palästina-Aktivisten als auch von der deutschen Kulturpolitik bedroht. Jemand muss Benjamin Netanjahu aufhalten, ruft der Tagesspiegel.

Non-Dits der Mehrheitsgesellschaft

02.04.2024. Appeasementpolitik hat schon die Römer nicht vor den Hunnen geschützt, warnt in der FAZ der Althistoriker Mischa Meier mit Blick auf Putin. Welt, FAZ, SZ und taz sind sich nach den Kommunalwahlen in der Türkei einig: Erdoğans Götterdämmerung hat begonnen. Zeit online sieht einen neuen Faschismus in Europa heraufziehen. Die Rechten durch Regierungsbeteiligung zu entzaubern, hat schon in Österreich nicht funktioniert, warnt die taz. Wo sind eigentlich die Freunde des Globalen Südens, wenn es um die von Islamisten und korrupten Regimen verursachten Krisen in Afrika geht, fragt die Welt.

Und hier hast du übrigens einen Widder

30.03.2024. Im Spiegel hofft Fania Oz-Salzberger, dass irgendwann nach dem Krieg und nach dem Sieg über die Hamas und nach Netanjahu eine Zweistaatenlösung zustande kommt. In der SZ unterhalten sich Sasha Marianna Salzmann und Ofer Waldman über die "Gleichzeit", die am 7. Oktober ausbrach. In der FAZ verzweifelt Martin Schulze Wessel über die Geschichtsversionen von SPD-Politikern. In der taz erklärt Catherine Belton, wie der Westen Putin besiegen kann. Und in der Welt zeigt Donald Tusk auf ein Ferienfoto vom 31. August 1939.

Und du schnappst einen Teil Polens?

28.03.2024. Die FAZ folgt den Blicken Alexander Lukaschenkos und seines adipösen Spitzes und legt einen Finger in die Suwalki-Lücke. Die taz ist gegen einen Einbürgerungstest mit Fragen zu Israel - muslimische Einwanderungswillige könnten sich ausgegrenzt fühlen. Ebenfalls in der taz fürchtet Adrian Lobe: "Die digitalen Klärwerke sind überfordert." Die Welt fragt: Warum sollen nicht ein paar jüdische Propheten auf dem Dach des Stadtschlosses stehen?

Ikonographie des Schreckens

27.03.2024. Wüssten die Westeuropäer, was die Russen über sie sagen, wären sie auf die eigene Sicherheit ernsthafter bedacht, warnt die litauische Schriftstellerin Kristina Sabaliauskaitė in der FAZ. In der FR setzt Olivia Mitscherlich-Schönherr indes auf eine Doppelstrategie, die militärischen Einsatz und politische Verhandlungen verbindet. In der Zeit erklärt der Terrorismus-Experte Guido Steinberg, weshalb der afghanische IS-Ableger ISPK Russland angegriffen hat: Dschihadisten denken pragmatisch. Nicht mal eine Wahlniederlage Putins hätte in Russland etwas geändert, glaubt der russische Journalist Vladimir Esipov bei Spon.

Zustand der Anomie

26.03.2024. Der UN-Sicherheitsrat fordert eine sofortige Waffenruhe in Gaza: Die FAZ erinnert daran, dass kein anderes westliches Land in den vergangenen Jahrzehnten in einen ähnlich existenziellen Kampf verwickelt war. In seinem Newsletter Thinking about hat Timothy Snyder keinen Zweifel daran, dass der Anschlag in Moskau auf den "Islamischen Staat" zurückgeht. Richard Herzinger hält es indes für möglich, dass das Attentat von Putin inszeniert wurde. Die taz blickt auf die finstere Redner-Liste beim "Palästina-Kongress". Und in der Berliner Zeitung glaubt Katja Lange-Müller: Der Wessi hat den "Jammerossi" aus Neid erfunden.